Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Mag.a Terezija Stoisits

zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz) geändert wird (784 d.B.)

Mit dieser Novelle wird das Mediengesetz im Hinblick auf seine Anwendbarkeit auf das Internet adaptiert. Das Justizministerium hat eine ExpertInnengruppe zur Vorbereitung des Ministerialentwurfes eingerichtet, die im Begutachtungsverfahren geäußerten (Haupt)Kritikpunkte wurden aufgegriffen und in die Regierungsvorlage eingearbeitet. Insgesamt liegt somit ein ausgewogener Vorschlag vor, der den unterschiedlichen Interessenslagen (Schutz des Einzelnen und den Erfordernisse der modernen Medienlandschaft) gerecht wird.

Etliche Neuregelungen sind positiv und werden von uns ausdrücklich begrüßt:

         Es werden die Begriffsdefinitionen auf die Erfordernisse neuer Medien (Internet, Newsletter, Massen-e-mails etc) angepasst.

         Die       Entschädigungssummen werden wertangepasst und auf runde leicht einprägsam Summen erhöht.

         Die Einziehung bzw. Beschlagnahme von Medienwerken werden für elektronische Medien klar geregelt: Analog von Einziehung/Beschlagnahme werden die Löschung der inkriminierten Texte im Internet geregelt.

         Homepages, die über die Darstellung des höchstpersönlichen Lebensbereich nicht hinausgehen und auch sonst nicht geeignet sind, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, werden weitgehend aus dem Anwendungsbereich des Mediengesetz ausgenommen.

Kritisch stehen wir aber folgenden Punkten gegenüber:

         Die Klagefrist wegen Mediendelikten im Internet wird auf sechs Monate nach Beginn der Verbreitung beschränkt. Damit wird das Risiko derverspäteten Klage auf den/die AntragstellerIn überwälzt. Im Gegensatz zu Tages- oder Wochen(print)zeitungen, bei denen in aller Regel das Erscheinensdatum klar hervorgeht, ist dies gerade bei elektronischen Medien regelmäßig) nicht der Fall. Im Ministerialentwurf wurde noch auf die letztmalige Verbreitung abgestellt – die Regierungsvorlage folgt dieser vernünftigen Lösung leider nicht. Damit wird das Kostenrisiko für verspäteter Anträge und die Last für einen schwer zu führenden Beweis auf den/die AntragstellerIn überwälzt.

         Viele Tages- und Wochenzeitschriften veröffentlichen auf ihren Internet- Websites neben anderen Inhalten auch optische 1:1-Versionen ihrer Print- Ausgaben. Die Rechtsprechung legt solche 1:1-Versionen der Print- Ausgaben als eigenständige Publikation im Sinne des Mediengesetzes aus. Damit liegt ein eigenständiger Anspruch vor, der nach der Judikatur eigenständig eingeklagt werden kann. Daraus resultieren zusätzliche Prozesskosten und ein eigenständiger Entschädigungsanspruch. Leider wird diese Problematik in der Novelle nicht aufgegriffen. Damit bleibt es bei einer sachlich nicht notwendigen Erhöhung des Kostenrisikos.

Neben diesen konkreten Kritikpunkten an der Novellierung bestehen auch grundsätzliche Einwände an der Systematik des Mediengesetzes.

1.) a) Kein Rechtszug zum Verfassungsgerichtshof

Das Mediengesetz sieht ein strafrechtliches Privatanklageverfahren vor – also einen Rechtszug in der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Die Grünen haben im Österreich-Konvent vehement eine individuelle Verfassungsbeschwerde gegen Urteile der ordentlichen Gerichte gefordert.  Es besteht derzeit in Österreich nämlich keine Möglichkeit für den Einzelnen, Urteile der ordentlichen Gerichte beim Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen. Gerade der Medienbereich ist extrem grundrechtsrelevant (Meinungsfreiheit, Privatsphäre etc). Hier besteht derzeit kein ausreichender innerstaatlicher Rechtsschutz. Es bleibt nur der Weg zum Europäische Gerichtshof für Menscherecht in Strassburg. Dies führt in der Praxis zu einer langen Verfahrensdauer und zu einer erhöhten Kostenbelastung der Betroffenen.

b) Keine österreichweit einheitliche Rechtssprechung

Das Medienverfahren ist ein Privatanklagedelikt. Das Verfahren ist absolut untypisch für das Strafverfahren dem zivilprozessualen Parteienprozess nachgebildet. Der Instanzenzug endet im strafrechtlichen Medienverfahren beim jeweiligen Oberlandesgericht. Gegen diese zweitinstanzlichen Urteile gibt es kein ordentliches Rechtsmittel. Es bleibt nur die Anregung einer Wahrungsbeschwerde der Generalprokuratur an den OGH. Eine Wahrungsbeschwerde liegt aber im alleinigen und freien Ermessen der Generalprokuratur und ist in der Praxis des Medienverfahrens unbedeutend. Dadurch gibt es keine bundesweit einheitliche Instanz und ist die Rechtsprechung auch dementsprechend uneinheitlich. In Wien gibt es am OLG sogar divergierende Entscheidungen zwischen den zwei zuständigen Senaten am OLG.

2.) Regelung im Strafrecht anstatt einer zivilrechtlichen Regelung

Im Medienverfahren geht es im Prinzip um privatrechtliche (Schadenersatz)Ansprüche. Für eine erlittene Kränkungen soll eine Buße (an den Verletzten) verhängt werden. Als Privatanklagedelikt ist es auch verfahrensrechtlich eher dem zivilgerichtlichen Parteienverfahren nachgebildet, inklusive Kostenersatzprinzip.

Historisch wurde das Medienverfahren vor Jahrzehnten im Strafrecht geregelt, da es früher im zivilen Schadenersatzrecht kaum Ersatz für ideelle Schäden gegeben hat. Das hat sich aber mittlerweile geändert (Schmerzengeld, entgangene Urlaubsfreunden, Wahrung der Privatsphäre etc). Im Kern ist es nicht Strafrecht, da es um eine Form der Naturalrestitution für eine erlittene Kränkung oder sonstige Eingriffe in die Privatsphäre oder um Beleidigungen geht: Kurzum wie mache ich den Schaden wieder gut?

Auch werden im Medienverfahren regelmäßige (auch bedingte) Vergleiche geschlossen. Das widerspricht der ansonsten herrschenden Offizialmaxime (Amtswegigkeit) im Strafverfahren.

Bei einer Regelung im Zivilrecht bestünde keine Doppelgleisigkeit mehr zwischen dem Medienverfahren und dem (parallel möglichen) zivilgerichtlichen Ehrenbeleidigungsverfahren. Der Weg zum OGH würde eher bestehen und sich damit eine einheitliche Rechtssprechung herausbilden (vgl. Pkt 2b).

3.) Es wird nur ein kleiner Teil des Medienrechts im Mediengesetz geregelt. Sinnvoll wäre ein umfassendes Recht der Medien, in dem vom Medienkartellrecht, ORF-Gesetz, wirtschaftliche Besonderheiten bis hin zu Ehrenbeleidigung, Gegendarstellung, Presseförderung alles in einem Guss geregelt wird.

Diese grundsätzlichen Kritikpunkte können freilich nicht in einer einfachen Novelle des Mediengesetzes gelöst werden. Dazu wäre eine Grundsatzdebatte über die Systematik des österreichischen Mediengesetzes und der verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzsystematik notwendig. Die Novelle nimmt – in der Systematik des geltenden Medienverfahrens – notwendige Anpassungen an die Notwendigkeiten bei Veröffentlichungen im Internet vor. Diese begrüßen wir, weshalb wir der konkreten Novelle – trotz prinzipieller Vorbehalte gegen die Systematik – zustimmen.