Abweichende
persönliche Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 5
GOG
der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser
zum Bericht 910
der Beilagen des Verkehrsausschusses
über die Regierungsvorlage über das Bundesgesetz, mit
dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) geändert wird (21.
StVO-Novelle)
Nach mehreren eher
dem Gedanken der Anlassgesetzgebung folgenden Mini-Novellen der StVO ist es
grundsätzlich positiv zu bewerten, dass die Regierung nach längerer Arbeit dem
Nationalrat doch auch die seit langem angekündigte größere Novelle vorlegt.
Die Novelle
enthält auch einzelne positiv zu bewertende Änderungen. Insbesondere ist hier
die Einführung von Alkoholvortestgeräten zu erwähnen, die in gleicher Zeit und mit gleichem
Personal deutlich mehr und gezieltere Kontrolle ermöglicht. Auch damit
wird aber die Frage des Personaldefizits im Bereich Straßenverkehrskontrollen
nicht umfassend gelöst, denn wo kein Kontrollpersonal vorhanden ist, wird auch
kein Vortestgerät etwas an der völlig unzureichenden Kontrolldichte im Bereich
Alkohol ändern. Zur Einführung der Suchtgift-Speichelvortests sowie zur
Erweiterung des Kreises der zu Untersuchungen auf Suchtgiftbeeinträchtigung
befugten (dafür aber nicht ausgebildeten) Ärzte ist hingegen auf die
kritischen, rechtlich wie sachlich präzisen Stellungnahmen zB des ÖAMTC aus der
Begutachtung zu verweisen. Als sinnvolle Verwaltungsvereinfachung ist die
Konzentration der Zuständigkeiten für Autobahnbaustellen bei den Ländern zu
nennen. Auch ist anzuerkennen, dass die Regierung einzelne in der Begutachtung
kritisch kommentierte Maßnahmen mit nachteiligen Auswirkungen für die
Verkehrssicherheit - wie die Verpflichtung zum Linksgehen auch im Ortsgebiet -
nicht weiter verfolgt.
Leider überwiegen
in dieser StVO-Novelle jedoch bei weitem die Mängel bzw. die kontraproduktiven
Neuregelungen.
Besonders
unverständlich ist die massive Ausweitung der Ausnahmen vom LKW-Wochenend- und
Feiertagsfahrverbot nach §42 der StVO. Damit wird das angebliche Eintreten von
BM Gorbach, seinen Staatssekretären und RegierungskollegInnen gegen den
LKW-Transit und generell gegen die nachteiligen Wirkungen des Anschwellens der
LKW-Lawine auf Gesundheit, Nachtruhe, Umwelt und Verkehrssicherheit
nachdrücklich Lügen gestraft. Neben der Ausnahme zusätzlicher LKW-Arten von
diesem Fahrverbot beim Transport „leichtverderblicher Lebensmittel“ dürfen
künftig zusätzlich auch
- Viehtransporte auf der Autobahn,
- Transporte periodische Druckwerke,
- „unaufschiebbare“ Belieferung von Tankstellen (als hätte das bisher nicht funktioniert!)
- „unaufschiebbare“ Belieferung von gastronomischen Betrieben
- „unaufschiebbare“ Belieferung von Veranstaltungen
- Fahrten für Straßen- oder Bahnbau
- Fahrten zur Entsorgung von Abfällen
- Fahrten zum Betrieb von Kläranlagen
Wochenend- und
Feiertagsruhe sowie Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Dass in der
Regierungsvorlage ausgerechnet hierzu auf die Erläuterungen „vergessen“ wurde,
belegt, dass der Regierung bei dieser einseitigen
LKW-Verkehrsförderungsmaßnahme selbst nicht ganz wohl in ihrer Haut sein
dürfte.
Die Maßnahme ist
in der Sache generell wie im Detail grob kritikwürdig. Sie desavouiert
(angebliche oder tatsächliche) Schritte Österreichs gegen das
Tiertransport-Unwesen in Europa ebenso wie Versuche zur Verlagerung nicht
zeitsensibler Transporte (zB Mülltransporte!) auf umweltfreundlichere Verkehrsträger
wie die Schiene. Dies, obwohl beides in vielen Bundesländern und auch im Bund
selbstverständlicher Inhalt der Sonntagsreden der VertreterInnen der
Regierungsparteien ÖVP und FPÖ/BZÖ ist.
Die Novelle
schafft weiters die Voraussetzung für Zusatztafeln bei Ampeln, was eine
Vorleistung für die Signalisierung von „Rechtsabbiegen bei Rot“ ist. Diese
populistische Maßnahme droht bei Umsetzung Fußgänger massiv zu gefährden,
widerspricht damit dem Verkehrssicherheitsprogramm der Regierung und u.a. auch
der österreichischen Klimastrategie, in der sich die Regierung zur Förderung
des Radfahrens und Zufußgehens verpflichtet hat.
Dass im Gegenteil
die Benachteiligung von nicht motorisierten VerkehrsteilnehmerInnen Programm
der ÖVP-FPÖ/BZÖ-Regierung ist, kommt in der Novelle auch in anderer Weise
deutlich zum Ausdruck, etwa durch Beharren auf der anachronistischen
Radwegebenutzungspflicht trotz gegenteiliger Oppositionsanträge. Auch die
Aufweitung der für Post, Telekom etc. geltenden Ausnahmeregelungen von Park-
und Halteverbote auf einzelne „Private“ ist – nicht zuletzt aus
Verkehrssicherheitsperspektive - kritisch zu sehen, Halte- und
Parkverbotsregeln werden so sukzessive völlig entwertet.
Grob im
Widerspruch zur verkehrspolitischen Rhetorik von ÖVP und FPÖ steht schließlich
auch die Streckung der bisherigen systematischen zweijährigen
Überprüfungspflicht für Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs
auf Fünfjahresintervalle: Anstelle der immer wieder vorgetragenen Absicht zur
„Lichtung des Schilderwaldes“, die hier ihre fachliche Grundlage hätte, wird
vordergründigen, minimalen Einsparungseffekten einmal mehr Vorrang eingeräumt.
Die Anregungen
der Grünen
- für ein generelles bundesweites LKW-Nachtfahrverbot (nach dem Vorbild der damit verkehrs- und wohlstandspolitisch seit 1934 sichtlich gut gefahrenen Schweiz),
- für die Einbeziehung von Klein-LKW und Lieferwagen in diverse LKW-Sicherheits- und Arbeitszeitregelungen sowie in LKW-Fahrverbote nach der StVO,
- für eine Erfüllung des berechtigten Wunsches von Behinderten- und Blinden-Organisationen nach einer Mindesthöhe der Anbringung von Verkehrszeichen,
- für ein Überdenken missbräuchlich angewendeter StVO-Inhalte wie etwa des zur Drangsalierung von Obdachlosen und Randgruppen gebrauchten §78
blieben hingegen
unberücksichtigt.
Insgesamt handelt
es sich bei der Regierungsvorlage daher um eine Pro-LKW- und Anti-Fußgänger-
und Radfahrer-Novelle mit einzelnen weiteren gravierenden Schwächen.
Die Grünen können dieser StVO-Novelle daher keine Zustimmung geben.