922 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht und Antrag

des Wirtschaftsausschusses

über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch zum Schutz von Personen unter Sachwalterschaft vor fremdnütziger Forschung geändert wird

Im Zuge seiner Beratungen über die Regierungsvorlage (615 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Halbleiterschutzgesetz und das Sortenschutzgesetz 2001 geändert werden (Biotechnologie-Richtlinie - Umsetzungsnovelle) hat der Wirtschaftsausschuss am 29. April 2005 auf Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Dr. Reinhold Mitterlehner einstimmig beschlossen, dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz einen Selbständigen Antrag vorzulegen, der eine Novelle zum ABGB zum Gegenstand hat.

 

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

Aus Anlass der Umsetzung der Biopatentrichtlinie ist Bedenken der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen, die einen Missbrauch einwilligungsunfähiger, meist behinderter oder älterer Menschen im Zusammenhang mit Forschung befürchtet.

Um diesen Befürchtungen bzw. dem erforderlichen Schutz dieser Personen Rechnung zu tragen, wird mit dem vorliegenden Antrag eine allgemeine Bestimmung im ABGB festgeschrieben, die ein grundsätzliches Verbot der Forschung an Personen, die eines Sachwalters bedürfen, vorsieht.

Zum Teil bestehen bereits jetzt entsprechende schützende Regelungen: Die Wahrung des Wohls des Pflegebefohlenen ist oberste Aufgabe des gesetzlichen Vertreters. Schon nach geltendem Recht kann der Sachwalter einer medizinischen Intervention, die für den Betroffenen nicht unmittelbar nutzbringend, sondern bloß risikobehaftet ist, nicht zustimmen (Burgstaller, Wiener Kommentar, § 90, Rz 100 – 124, bes. 107, 111; Stormann, The European Draft Protocol on Biomedical Research, 857, in Lødrup/Modvar, Family Life and Human Rights (2004)). Diesem Grundsatz folgt auch das Arzneimittelgesetz, dem zufolge die klinische Prüfung von Arzneimitteln an Personen unter Sachwalterschaft nach § 43 Z 2 AMG nur dann zulässig ist, wenn die Anwendung des Arzneimittels nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist, um bei dem Pflegebefohlenen Krankheiten oder deren Verlauf zu erkennen, sie zu heilen oder zu lindern oder ihn vor Krankheiten zu schützen. Auch der die medizinische Forschung an Einwilligungsunfähigen regelnde Art. 15 Abs. 1 des Zusatzprotokolls von Oslo über biomedizinische Forschung (ETS No. 195; im Folgenden ZP) zum Übereinkommen von Oviedo über Menschenrechte und Biomedizin (ETS No. 164) enthält diesen Grundsatz und darüber hinaus weitere, nicht zum Recht der gesetzlichen Vertretung gehörende schützende Regelungen.

Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung des Problems und um allfällige Lücken im Rechtsschutz zu schließen, soll – wie bereits oben angeführt - eine allgemeine Bestimmung über ein grundsätzliches Verbot der Forschung an Personen, die eines Sachwalters bedürfen, in das ABGB aufgenommen werden. Der neue zweite Satz des § 283 Abs. 3 ABGB soll bei allen Personen, die unter Sachwalterschaft stehen, die Zustimmung des Sachwalters zu all jener Forschung regeln, die mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist. Damit sind sowohl physische wie auch psychische Beeinträchtigungen erfasst; auf die Art und Zielrichtung der Forschung kommt es – zum Schutz der Personen unter Sachwalterschaft – nicht an. Für die Zustimmung des Sachwalters ist neben den in der neuen Bestimmung angeführten Kriterien – im Rahmen des bereits geltenden Rechts – auch eine faktische Weigerung der betroffenen Person beachtlich; dies ist einerseits durch das Informations- und Äußerungsrecht der betroffenen Person nach § 273a Abs. 3 ABGB, andererseits durch deren Möglichkeit, sich im Verfahren über die – nach § 282 Abs. 3 (neuer) dritter Satz (nach Maßgabe von § 216) erforderliche – gerichtliche Genehmigung zu beteiligen, gewährleistet.

Aus der neuen Regelung dürfen freilich keine Umkehrschlüsse gezogen werden, etwa in dem Sinn, dass vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste – also insbesondere „nicht invasive“ – Forschung an Personen unter Sachwalterschaft schrankenlos erlaubt sei. Denn in dieser Beziehung gilt selbstverständlich unverändert der allgemeine Grundsatz, dass das Handeln des gesetzlichen Vertreters eines Pflegebefohlenen von dessen Wohl geleitet sein muss. Im Übrigen bleiben auch andere das Wohl des Pflegebefohlenen wahrende Regelungen unberührt; dies stellt Z 2 lit. b klar.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Wirtschaftsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2005-04-29

               Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann          Dr. Reinhold Mitterlehner

       Berichterstatter                  Obmann