Vorblatt
Inhalt:
Der Gesetzentwurf
gleicht das materielle Kartellrecht weitgehend an die in den Art. 81 und
82 EGV enthaltenen Wettbewerbsregeln und an die zur Durchführung dieser Regeln
erlassene Verordnung Nr. 1/2003 an. Die institutionellen Regelungen und
die Verfahrensvorschriften bleiben weitgehend unverändert; in diesem Bereich
sind nur geringfügige technische Anpassungen notwendig.
Alternativen:
Keine.
Auswirkungen
auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:
Die
vorgeschlagenen Regelungen werden keine unmittelbaren und messbaren
Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich
haben. Durch die Vereinheitlichung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich
des Kartellrechts sowie durch den Wegfall bürokratischer Belastungen wird aber
den in Österreich tätigen Unternehmen das Leben erleichtert.
Finanzielle
Auswirkungen:
Eine finanzielle
Mehrbelastung des Bundes und der anderen Gebietskörperschaften ist nicht zu
erwarten.
Verhältnis
zu Rechtsvorschriften der EG:
Österreich ist zur
Angleichung des innerstaatlichen Kartellrechts an das Gemeinschaftsrecht nicht
verpflichtet; wenn der Gesetzentwurf nunmehr eine solche Maßnahme vorsieht,
wird sich dies jedoch positiv auf das Zusammenwirken der beiden Rechtsordnungen
auswirken.
Besonderheiten
des Normsetzungsverfahrens:
Zweidrittelmehrheit
im Nationalrat und Zustimmung des Bundesrates mit Zweidrittelmehrheit nach
Art. 44 Abs. 2 B-VG, da der Entwurf Verfassungsbestimmungen enthält.
Erläuterungen
Allgemeiner
Teil
1.
Hauptgesichtspunkte des Entwurfs
1.1
Verordnung (EG) 1/2003
Die EG hat am
16.12.2002 eine neue Verordnung zur Durchführung der in den Art. 81 und 82
des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln erlassen; sie ist am 1.5.2004 in
Kraft getreten. Die wesentlichen Neuerungen gegenüber der Vorgängerverordnung
sind die Umdeutung des Art. 81 Abs. 3 EGV in eine Legalausnahme und
die dezentrale Anwendung des Art. 81 EGV über das Verbot von
Wettbewerbsbeschränkungen und des Art. 82 EGV über das Verbot des
Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung.
Die sogenannte
Legalausnahme bedeutet Folgendes: Nach Art. 81 Abs. 1 EGV sind
bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen verboten; nach Art. 81 Abs. 3 EGV
kann dieses Verbot unter bestimmten Voraussetzungen für nicht anwendbar erklärt
werden, und zwar einerseits in Einzelfällen, andererseits für „Gruppen“ von
solchen Fällen. Die Gruppenfreistellung geschah und geschieht auch nach der
Verordnung Nr. 1/2003 durch Verordnungen der Kommission. Für die
Freistellung im Einzelfall war vor dem 1.5.2004 - in Übereinstimmung mit dem klaren Wortlaut des
Art. 81 Abs. 3 EGV - eine Entscheidung der Kommission erforderlich,
durch die das Verbot nach Art. 81 EGV für nicht anwendbar erklärt wird.
Nach der Verordnung Nr. 1/2003 bedarf es einer solchen Entscheidung nicht
mehr: Wettbewerbsbeschränkungen im Sinn des Art. 81 Abs. 1 EGV, die
die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EGV erfüllen, sind erlaubt,
ohne dass dies einer vorherigen Entscheidung bedarf (Art. 1 Abs. 2 V
1/2003).
Bisher oblag die
Anwendung der Art. 81 und 82 EGV grundsätzlich der Kommission, den
Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten nur in Ausnahmefällen. Durch die
Einführung der Legalausnahme fällt zunächst das Monopol der Kommission zur
Freistellung im Einzelfall weg. Im Übrigen erklärt die Verordnung 1/2003 die
Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten nebeneinander für
die Anwendung der Art. 81 und 82 EGV für zuständig (Art. 4 und 5 V
1/2003), wobei allerdings ein Vorrang der Kommission besteht: Wenn die
Kommission ein Verfahren in einem Einzelfall einleitet, fällt damit die
Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten weg, und zwar auch
dann, wenn eine nationale Wettbewerbsbehörde bereits ein Verfahren in diesem
Fall eingeleitet hat (Art. 11 Abs. 6 V 1/2003).
Daneben enthält
die Verordnung Bestimmungen über die Zusammenarbeit der Kommission und der
nationalen Wettbewerbsbehörden mit den Gerichten, die verschiedene Pflichten
der nationalen Gerichte vorsehen (Art. 15 und 16 V 1/2003).
Die
Zusammenschlusskontrolle wird durch die Verordnung nicht berührt.
1.2
Notwendigkeit der innerstaatlichen Umsetzung?
Nach der für
Verordnungen der EG üblichen Schlussformel ist auch diese Verordnung in all
ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Eine
Umsetzung ist daher nur notwendig, wenn die innerstaatlichen rechtlichen
Rahmenbedingungen für die unmittelbare Anwendung der einschlägigen Bestimmungen
der Verordnung fehlen oder die Verordnung die Mitgliedstaaten zu
Umsetzungsmaßnahmen verpflichtet.
Die Verordnung
enthält eine einzige Bestimmung, die die Mitgliedstaaten unmittelbar zu einer
Umsetzungsmaßnahme verpflichtet: Nach Art. 35 Abs. 1 bestimmen die
Mitgliedstaaten die für die Anwendung der Art. 81 und 82 des Vertrags
zuständigen Wettbewerbsbehörden so, dass die Bestimmungen dieser Verordnung
wirksam angewandt werden, wobei zu den bestimmten Behörden auch Gerichte
gehören können. Nach Art. 35 Abs. 2 können die Mitgliedstaaten diesen
Behörden unterschiedliche Befugnisse und Aufgaben zuweisen, wenn nebeneinander
einzelstaatliche Verwaltungsbehörden und Gerichte mit der Durchsetzung des
Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft betraut werden.
Die Verpflichtung
zur Umsetzung dieser Bestimmung ist durch das Kartellgesetz in der Fassung der
KartG-Nov 2002 und das Wettbewerbsgesetz bereits erfüllt, sodass weitere
legislative Maßnahmen nicht erforderlich sind; die in Österreich vorgesehene
Aufteilung der Aufgaben auf Verwaltungsbehörden und Gerichte wird durch die
Verordnung ausdrücklich für zulässig erklärt.
Welche der
einzelnen Aufgaben, die die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten nach der
Verordnung Nr. 1/2003 zu erfüllen haben, in Österreich welcher Behörde
zukommt, ergibt sich eindeutig aus den §§ 42f und 112 KartG sowie aus
§ 3 WettbG.
Die Verordnung
Nr. 1/2003 sieht keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Sanktionen
vor, nach allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts müssen solche
Sanktionen aber eine wirksame Durchsetzung gewährleisten.
Diese
Voraussetzung ist erfüllt: § 142 KartG sieht für den Verstoß gegen die
Art. 81 und 82 EGV die Verhängung von Geldbußen vor, deren Höhe den in der
Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Geldbußen entspricht; eine Umsetzung
der Verordnung ist also auch in dieser Beziehung nicht notwendig.
1.3
Neuerliche Reform des Kartellrechts?
Die beteiligten
Kreise, allen voran die Wirtschaftskammer Österreich, haben die Verordnung
Nr. 1/2003, auch wenn sie keine legislativen Umsetzungsmaßnahmen
erfordert, zum Anlass genommen, eine inhaltliche Angleichung des materiellen
Kartellrechts an das Gemeinschaftsrecht zu verlangen. Hiefür sprechen
tatsächlich mehrere Gründe:
Es ist sowohl für
die rechtsanwendenden Organe wie auch für die dem Kartellrecht unterworfenen
Unternehmer von Vorteil, wenn sie sich nicht nach zwei nebeneinander geltenden
völlig unterschiedlichen Systemen richten müssen. Auch würde es einen
Wertungswiderspruch bedeuten, wenn Wettbewerbsbeschränkungen von
gemeinschaftsweiter Bedeutung innerhalb der Grenzen der Legalausnahme ohne
Befassung einer Behörde durchgeführt werden dürften, während wirtschaftlich
weniger bedeutende Wettbewerbsbeschränkungen, die nur dem innerstaatlichen
Kartellrecht unterliegen, weiterhin nur nach Genehmigung durch das
Kartellgericht durchgeführt werden dürften.
Schließlich darf
auch nicht verkannt werden, dass das geltende System der „Kartellverwaltung“,
auch wenn es im Laufe der Zeit weiterentwickelt wurde, in seinen Grundzügen
durch die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen in der Zeit nach dem
zweiten Weltkrieg geprägt wurde und nicht mehr zeitgemäß ist. Die Angleichung
an das EG-Recht bedeutet daher auch einen Modernisierungsschritt, der den am
Wettbewerb beteiligten Unternehmen zwar mehr eigene Verantwortung zumutet, sie
gleichzeitig aber von bürokratischen Belastungen befreit.
Das
Bundesministerium für Justiz hat den gegenständlichen Vorschlag daher
aufgegriffen und in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der in eingehenden
Vorgesprächen mit den Sozialpartnern weitgehend akkordiert ist.
Mit Beziehung auf
die Form der Neuregelung wurde der Erlassung eines neuen Gesetzes gegenüber der
Novellierung des geltenden Kartellgesetzes der Vorzug gegeben. Es bleiben zwar
große Teile des geltenden Rechts, und zwar insbesondere im Bereich der
Institutionen und des Verfahrens, inhaltlich unverändert; die Reform des
materiellen Kartellrechts erfordert aber eine weitgehende Neugliederung des
Rechtsstoffs und auch in den anderen Bereichen besteht die Notwendigkeit
zahlreicher rechtstechnischer Anpassungen.
Rechtstechnische
Anpassungen an die Neuregelung sind auch im Bereich des Wettbewerbsgesetzes
notwendig. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat im Zug der
erwähnten Vorarbeiten daher den Entwurf einer entsprechenden Novelle
ausgearbeitet, der gleichzeitig mit diesem Gesetzentwurf dem Nationalrat zur
Beschlussfassung vorgelegt werden soll.
1.4 Die
wesentlichen Neuerungen
Die
einzelnen Kartellarten und die darauf aufbauende differenzierte Regelung über
das Verbot ihrer Durchführung werden durch ein allgemeines Verbot von
Wettbewerbsbeschränkungen nach dem Vorbild des Art. 81 EGV ersetzt. Damit
fällt auch die Sonderbehandlung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen weg,
die im geltenden Kartellrecht als vertikale Vertriebsbindungen geregelt sind.
Über
Artikel 81 EGV hinausgehend wird das Kartellverbot auf einseitige
Wettbewerbsbeschränkungen ausgedehnt, um einen Rückschritt gegenüber der
geltenden Rechtslage zu vermeiden (vgl. dazu die Erläuterungen zu § 1
Abs. 4).
Durch
eine Verfassungsbestimmung soll die Anwendung des Kartellgesetzes auch auf
diejenigen Sachverhalte ausgedehnt werden, die bisher wegen der Zuständigkeit
der Länder davon ausgenommen waren.
Die
nach dem zweiten Weltkrieg einsetzende Kartellgesetzgebung ist von der
Vorstellung ausgegangen, dass das Kartellwesen – oder besser das Kartellunwesen
– eine nicht nur weit verbreitete, sondern auch unvermeidliche Erscheinung des
Geschäftslebens ist und nach (großzügiger) Genehmigung von Kartellen durch das
Kartellgericht zum Ausgleich begleitender Maßnahmen bedarf: Dabei handelt es
sich zunächst um die „Verwaltung“ genehmigter Kartelle unter
kartellgerichtlicher Aufsicht (wofür die Institution es Kartellbevollmächtigten
vorgesehen wurde). Die einschlägigen Bestimmungen werden durch die vorgesehene
Reform gegenstandslos.
Daneben
erhält das geltende Kartellgesetz 1988 noch weitere Bestimmungen, die den
oben angeführten Zweck verfolgen: Es sind dies die in den §§ 28 bis 30
KartG 1988 enthaltenen kartellvertragsrechtlichen Bestimmungen (Kündigung
und Austritt, Mäßigung von Vertragsstrafen, Vertragshilfe gegen Sperren) und
die in den §§ 122 bis 124 KartG 1988 enthaltenen zivilprozessualen
Bestimmungen (Zivilprozesse über Kartellverträge, Klage wegen Sperren,
Beschränkung von Schiedsverträgen). Die angeführten Bestimmungen sind schon
derzeit unzeitgemäß und weitgehend totes Recht. In das neue System, das eine
Genehmigung von Kartellen nicht mehr kennt und von einem allgemeinen
Kartellverbot ausgeht, passen sie überhaupt nicht mehr; sie sollen deshalb in
ein neues Kartellgesetz nicht übernommen werden.
Die
Regelung über unverbindliche Verbandsempfehlungen wird nicht übernommen, da sie
nicht in das neue System passt.
Auch
die Einrichtung das Kartellregisters ist im neuen System entbehrlich und wird
daher nicht weitergeführt.
Die
Regelung über die Untersagung unverbindlicher Preisempfehlungen (sogenannte
Mondpreisverordnungen) hat keinerlei praktische Bedeutung mehr und wird daher
nicht übernommen.
Im
Bereich des Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ergibt
sich keine Notwendigkeit für grundlegende Änderungen.
Das
Gleiche gilt für die Zusammenschlusskontrolle. In diesem Bereich wurde jedoch
die Gelegenheit zu einigen Modifikationen genutzt (Einbeziehung von
kooperativen Gemeinschaftsunternehmen in die Zusammenschlusskontrolle,
Erhöhungen im Bereich der Aufgriffsschwellen, Ausnahme bestimmter
Zusammenschlüsse ohne spürbare Auswirkungen auf den inländischen Markt aus der
Zusammenschlusskontrolle).
Die
institutionelle Reform durch die Kartellgesetznovelle 2002 hat sich nach
Ansicht des Bundesministeriums für Justiz bewährt und soll daher, soweit nicht
rechtstechnische Anpassungen notwendig sind, unverändert übernommen werden.
2.
Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich
Die
vorgeschlagenen Regelungen werden keine unmittelbaren und messbaren
Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich
haben. Durch die Vereinheitlichung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich
des Kartellrechts sowie durch den Wegfall bürokratischer Belastungen wird aber
den in Österreich tätigen Unternehmen das Leben erleichtert.
3.
Finanzielle Auswirkungen
Eine finanzielle
Mehrbelastung des Bundes und der anderen Gebietskörperschaften ist nicht zu
erwarten.
Es ist auch nicht
zu erwarten, dass im Bereich des Kartellgerichts ein Entfall von
Gerichtsgebühren eintreten wird. Es fallen bestimmte Verfahren vor dem
Kartellgericht, für die entsprechende Gerichtsgebühren zu entrichten waren,
zwar weg; dies gilt insbesondere für die Genehmigung von Kartellen. Es ist
jedoch zu erwarten, dass dies durch andere gebührenpflichtige Verfahren, etwa
auf Feststellung der Anwendbarkeit des Kartellgesetzes, ausgeglichen werden
wird.
Mit Beziehung auf
die Verlagerung der Anmeldung von Zusammenschlüssen vom Kartellgericht zur
Bundeswettbewerbsbehörde ist darauf hinzuweisen, dass der dadurch bewirkte
Entfall der einschlägigen Gerichtsgebühren durch die Beteiligung des
Bundesministeriums für Justiz an der künftig nach dem Wettbewerbsgesetz zu
entrichtenden Anmeldegebühr überkompensiert wird.
4. Verhältnis
zu Rechtsvorschriften der EG
Österreich ist zur
Angleichung des innerstaatlichen Kartellrechts an das Gemeinschaftsrecht nicht
verpflichtet; wenn der Gesetzentwurf nunmehr eine solche Maßnahme vorsieht,
wird sich dies jedoch positiv auf das Zusammenwirken der beiden Rechtsordnungen
auswirken.
5.
Kompetenzgrundlage
Die Zuständigkeit
des Bundes zur Gesetzgebung beruht mit Beziehung auf den im Entwurf geregelten
Rechtsstoff nicht auf einem, sondern auf einer ganzen Reihe
kompetenzrechtlicher Tatbestände. Um Wiederholungen zu vermeiden, darf in
diesem Zusammenhang auf die sehr umfangreichen Ausführungen der Erläuterungen
zur Regierungsvorlage des Kartellgesetzes (473 BlgNr 13. GP, S 25f)
verwiesen werden.
6.
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens
Der Entwurf
enthält in den §§ 24, 86 und 87 Verfassungsbestimmungen. Sowohl die
Beschlussfassung im Nationalrat als auch die Zustimmung des Bundesrates
erfordern daher nach Art. 44 Abs. 2 B-VG eine Zweidrittelmehrheit.
Besonderer
Teil
Zum Titel
Während das geltende
Kartellgesetz den Titel Bundesgesetz über Kartelle und andere
Wettbewerbsbeschränkungen trägt, soll das neue Gesetz ein Bundesgesetz gegen
Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen sein; damit soll schon im Titel
deutlicher als bisher der Zweck des Gesetzes zum Ausdruck kommen.
Zum § 1
(Kartellverbot)
1. Zu den
Abs. 1 bis 3
Im Sinn des im
Allgemeinen Teil erläuterten Grundsatzes ist § 1 dem Verbot von
Wettbewerbsbeschränkungen nach Art. 81 Abs. 1 und 2 EGV nachgebildet.
2. Zum
Abs. 4
Abs. 4 dehnt
das Kartellverbot auf Empfehlungskartelle im Sinn des geltenden § 12
Abs. 1 KartG aus und bietet damit auch weiterhin eine Handhabe gegen
einseitige Wettbewerbsbeschränkungen, die das Wettbewerbsrecht der EG nicht
bietet. Die Verordnung Nr. 1/2003 enthält in Art. 3, der das
Verhältnis zwischen den Wettbewerbsregeln des Vertrags und dem
einzelstaatlichen Wettbewerbsrecht regelt, jedoch eine Bestimmung, wonach den
Mitgliedstaaten durch diese Verordnung nicht verwehrt wird, in ihrem
Hoheitsgebiet strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder
Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen zu erlassen oder anzuwenden.
Zum Verhältnis
zwischen dem allgemeinen Kartellverbot nach Abs. 1 und dem Verbot von
Empfehlungskartellen nach Abs. 4 ist festzuhalten, dass Abs. 4 nur
subsidiär gilt; das heißt, dass Abs. 4 nur auf solche
Wettbewerbsbeschränkungen angewendet werden kann, die nicht schon dem
Abs. 1 unterliegen (arg. „einem Kartell im Sinn des Abs. 1 stehen
..... gleich“). Diese Abgrenzungsfrage kann sich zum Beispiel mit Beziehung auf
Beschlüsse von Unternehmervereinigungen stellen, die eine Empfehlung an ihre
Mitglieder zum Gegenstand haben; erfüllt ein solcher Beschluss die
Voraussetzungen nach Abs. 1, dann ist nur diese Bestimmung, nicht aber
Abs. 4 auf ihn anzuwenden.
Auf eine Übernahme
des im § 12 Abs. 2 KartG 1988 als besondere Form des
Empfehlungskartells geregelten Ankündigungskartells verzichtet der Entwurf.
Diese Regelung, die keine Wettbewerbsbeschränkung erfordert und primär eine
Irreführung der Endverbraucher verhindern soll, war schon im geltenden
Kartellgesetz ein Fremdkörper und passt noch weniger in das neu eingeführte
System von Verbot und Legalausnahme.
Zum § 2
(Ausnahmen)
1. Zu
Abs. 1
Diese Bestimmung
übernimmt wörtlich Art. 81 Abs. 3 EGV. Sie ist die Rechtsgrundlage
für den im Allgemeinen Teil erläuterten Grundsatz der Legalausnahme.
2. Zu
Abs. 2 Z 1
Das
Wettbewerbsrecht der EG enthält nur eine einzige allgemein gefasste Bestimmung,
die Ausnahmen von dem in Art. 81 Abs. 1 EGV normierten Verbot von
Wettbewerbsbeschränkungen vorsieht, nämlich in Art. 81 Abs. 3 EGV in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 V 1/2003 (siehe oben).
Darüber hinaus ist
jedoch durch die Bagatellbekanntmachung der Kommission und die einschlägige
Rechtsprechung der europäischen Gerichte anerkannt, dass nur spürbare
Wettbewerbsbeschränkungen im Sinn des § 81 EGV verboten sind.
Es ist ein Gebot
der Rechtssicherheit, die Voraussetzungen dieser Ausnahme im innerstaatlichen
Recht im Gesetz zu konkretisieren; dies geschieht in § 2 Abs. 2
Z 1, der sich auf die geltende Regelung über Bagatellkartelle stützt.
3. Zu
Abs. 2 Z 2 bis 4
Die Ausnahmen in
Abs. 2 Z 2 bis 4 sind auf Wunsch der beteiligten Kreise weitgehend
wörtlich aus dem geltenden Kartellgesetz (§ 5 Abs. 2 und 3) übernommen
worden, um in diesem sensiblen Regelungsbereich eindeutig klarzustellen, dass
die Rechtslage gegenüber dem geltenden Kartellgesetz unverändert bleiben soll.
Nur mit Beziehung
auf die Ausnahme für die Buchpreisbindung ist eine geringfügige sprachliche Änderung
vorgenommen worden: Während die Vorgängerbestimmung des § 5 Abs. 2
KartG 1988 vom Kunsthandel schlechthin spricht, wird in § 2
Abs. 2 Z 2 klargestellt, dass es sich nur um den Handel mit
Kunstdrucken handelt.
4. Zu
Abs. 2 Z 5
Das
Kartellgesetz 1988 ist nach seinem § 4 Abs. 1 auf die
Landwirtschaft nicht anwendbar, da es sich dabei um eine Angelegenheit handelt,
die in Gesetzgebung und Vollziehung Sache der Länder ist; diese Bestimmung soll
nach dem Entwurf jedoch wegfallen (§ 24 Abs. 1).
Die Wettbewerbsregeln
des Gemeinschaftsrechts sind auf die Landwirtschaft grundsätzlich anwendbar.
§ 36 EGV (frührer Art. 42 EWG-Vertrag) sieht in dieser Beziehung
jedoch eine Sonderbehandlung der Landwirtschaft vor. In Ausführung dieser
Bestimmungen normiert die Verordnung Nr. 26/62 zur Anwendung bestimmter
Wettbewerbsregeln auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den
Handel mit diesen Erzeugnissen bestimmte Ausnahmen für landwirtschaftliche
Erzeugergemeinschaften. § 2 Abs. 2 Z 5 dient der Angleichung des
innerstaatlichen Rechts an diese Regelung. Davon betroffen wären zB sogenannte
Schweine- und Rinderbörsen.
Zum § 3
Im System der
Legalausnahme kann eine Freistellungsverordnung nur deklarativen Charakter
haben: Sie stellt verbindlich fest, was auf Grund des Gesetzes ohnehin erlaubt
ist. Sie kann daher auch nur durch die Kriterien der Legalausnahme determiniert
sein. Sinnvoll sind solche Verordnungen, weil sie für die beteiligten
Unternehmen Rechtssicherheit schaffen.
Andererseits kann
die Verordnungsermächtigung im System der Legalausnahme nur „einseitig“ wirken:
Auch wenn eine solche Verordnung eine sogenannte schwarze Liste von verbotenen
Verhaltensweisen enthalten sollte, bewirkt das nur, dass diese Verhaltensweisen
nicht in den Genuss des Rechtsvorteils der Freistellung durch Verordnung
kommen. Ob sie deswegen verboten sind, kann sich nicht aus der Verordnung
ergeben, sondern ist nach wie vor im Einzelfall unmittelbar nach § 2 Abs. 1 zu beurteilen: Die
Verordnung nach § 3 ist eben nur eine Freistellungs- und keine
„Verbotsverordnung“.
Da die
Freistellungsvoraussetzungen nach Gemeinschaftsrecht und nach der vorliegenden
Bestimmung identisch sind, wird es sinnvoll sein, sich in innerstaatlichen
Verordnungen nach den gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen zu richten; dem
trägt § 3 dadurch Rechnung, dass auf die jeweils geltende Fassung einer
Verordnung nach Art. 81 Abs. 3 EGV verwiesen werden kann.
Zu den
§§ 4 bis 6 (Marktbeherrschung)
Die Regelung der
Marktbeherrschung wird inhaltlich unverändert aus dem IV. Abschnitt des
Kartellgesetzes 1988 übernommen.
Zu den
§§ 7 bis 19 (Zusammenschlüsse)
Die Regelung der
Zusammenschlusskontrolle wird weitgehend unverändert aus dem V. Abschnitt des
Kartellgesetzes 1988 übernommen. Das bedeutet insbesondere, dass der Entwurf
nicht das Prüfungskriterium der neuen EG-Fusionskontrollverordnung (Verordnung
Nr. 139/2004 vom 20.1.2004) übernimmt; es handelt sich dabei um eine
Kombination aus dem Kriterium der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs
und dem Kriterium der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung. Da die Auswirkungen dieser Änderung noch nicht abgesehen werden
können, zieht der Entwurf es vor, am bewährten Marktbeherrschungskriterium
festzuhalten und eine allfällige Umstellung einer künftigen Gesetzesänderung
vorzubehalten.
Mit Beziehung auf
tatsächlich vorgenommene Änderungen ist insbesondere auf Folgendes hinzuweisen:
1.
Kooperative Gemeinschaftsunternehmen
Kooperative
Gemeinschaftsunternehmen werden nach dem Vorbild des Gemeinschaftsrechts
nunmehr in die Zusammenschlusskontrolle einbezogen (das Gemeinschaftsrecht hat
diesen Schritt schon mit der Fusionskontrollverordnungs-Novelle 1998
unternommen). Rechtstechnisch geschieht dies durch den Wegfall der in § 41
Abs. 2 Z 2 enthaltenen Einschränkung, nach der die Gründung eines
Gemeinschaftsunternehmens nur dann als Zusammenschluss gilt, wenn diese keine
Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Gründerunternehmen im Verhältnis
zueinander oder im Verhältnis zu den Gemeinschaftsunternehmen mit sich bringt.
Kooperative
Gemeinschaftsunternehmen werden damit einer doppelten Kontrolle unterstellt;
die Nichtuntersagung des Zusammenschlusses in Prüfungsverfahren bedeutet
nämlich nicht, dass damit auch künftiges wettbewerbsbeschränkendes Verhalten der
beteiligten Unternehmen freigestellt ist. Dieses unterliegt weiterhin dem
Kartellverbot nach § 1 und ist nur unter den allgemein geltenden
Ausnahmeregelungen zulässig.
2. Anmeldung
Zusammenschlüsse
sind nach § 9 Abs. 1 nicht mehr beim Kartellgericht, sondern bei der
Bundeswettbewerbsbehörde anzumelden. Mit dieser Änderung ist keine Verschiebung
der Kompetenzen im Bereich der Zusammenschlusskontrolle verbunden; sie
verwirklicht vielmehr konsequent die schon durch die Kartellgesetznovelle 2002
vorgenommene Aufgabenteilung, nach der das Kartellgericht das mit
Entscheidungen in Kartellangelegenheiten betraute Organ ist: Es soll daher nur
noch mit Eingaben befasst werden, die zu einer Entscheidung in der Sache führen
können. Im Bereich der Zusammenschlusskontrolle ist dies erst der
Prüfungsantrag.
Was den Vorgang
der Anmeldung des Zusammenschlusses betrifft, wäre die einfachste Lösung
gewesen, die unmittelbare Einbringung bei beiden Amtsparteien vorzusehen. Der
Entwurf hat sich jedoch für eine Lösung entschieden, die den beteiligten
Unternehmen den Vorgang erleichtert: Es genügt, wenn sie die Anmeldung bei der
Bundeswettbewerbsbehörde einbringen; diese hat die Anmeldung unverzüglich an
den Bundeskartellanwalt weiterzuleiten. Eine Abwertung der Stellung des Bundeskartellanwalts
im Zusammenschlussverfahren ist damit nicht verbunden.
Die weiteren
Änderungen im Bereich der Anmeldung, des Prüfungsantrags und der Äußerung
dritter Unternehmer sind nur technische Anpassungen an die neue Form der
Anmeldung. Dazu gehört auch die Zuweisung von Bekanntmachungspflichten an die
Bundeswettbewerbsbehörde (§ 10 Abs. 3, § 11 Abs. 2,
§ 15); in welchem Medium die
Bekanntmachungen vorzunehmen sind, wird im Wettbewerbsgesetz geregelt.
3.
Aufgriffsschwellen
Im Bereich der
Aufgriffsschwellen ergeben sich drei Änderungen:
Die
Höhe der bisher festgesetzten Aufgriffsschwellen ist von der Praxis immer
wieder als zu niedrig kritisiert worden. Dem trägt der Entwurf Rechnung, indem
zwei Schwellenwerte angehoben werden: Am stärksten die Bagatellgrenze, und zwar
von zwei auf fünf Millionen Euro, da die bisherige Erfahrung mit dieser
Schwelle gezeigt hat, dass sie zur Anmeldebedürfigkeit von Zusammenschlüssen
führt, die keinen spürbaren Einfluss auf die Wettbewerbssituation haben. Die
Schwelle der Inlandsumsätze nach § 9 Abs. 1 Z 2 wird von 15 auf
30 Millionen Euro erhöht; damit wird der Forderung nach stärkerer
Verankerung des Inlandsbezugs Rechnung getragen.
Nach
dem geltenden Kartellgesetz genügt es, wenn die beteiligten Unternehmen die
Umsatzgrenzen erreichen. Der Entwurf sieht hingegen vor, dass die Umsatzgrenzen
überschritten werden müssen, und folgt damit dem Beispiel der
Fusionskontrollverordnung der EG. Der Grund für diese Änderung liegt darin,
dass damit der neue Abs. 2 klarer und verständlicher formuliert werden
kann.
Es
besteht der allgemeine Wunsch, die Aufgriffsschwellen für anmeldebedürftige
Zusammenschlüsse so zu ändern, dass Zusammenschlüsse ausgeschlossen werden, die
keine spürbare Auswirkung auf den inländischen Markt haben können. Der
wiederholt gemachte Vorschlag, zu diesem Zweck die Aufgriffsschwellen in
§ 42a Abs. 1 Z 3 KartG 1988, wonach mindestens zwei
Unternehmen weltweit jeweils zwei Millionen Euro Umsatz erreichen müssen,
auf inländische Umsätze umzustellen, ist nicht gangbar. Dadurch würde nämlich
der sogenannte „Freibiss“ ausländischer Unternehmen, wieder freigestellt
werden: Es handelt sich dabei um den Fall, dass ein großes ausländisches
Unternehmen, das am inländischen Markt noch nicht vertreten ist und daher auch
keine inländischen Umsätze hat, ein inländisches Unternehmen erwirbt. Der
Entwurf löst dieses Problem zumindest zum Teil dadurch, dass die
Aufgriffsschwellen zwar unverändert bleiben, in § 9 Abs. 2 jedoch
eine entsprechende Ausnahmebestimmung aufgenommen wird: Diese Bestimmung zielt
auf den Fall ab, dass am Zusammenschluss ein (einziges) großes österreichisches
Unternehmen und ein oder mehrere kleine ausländische Unternehmen beteiligt
sind. Die verbleibenden Fälle mit mangelndem Inlandsbezug werden auch weiterhin
über das nunmehr in § 24 Abs. 2 normierte Wirkungsprinzip gelöst
werden müssen.
4.
Äußerungsrechte
Die
Äußerungsrechte anderer Unternehmer sind dem geänderten Anmeldungsverfahren
angepasst worden und stehen nunmehr nach der Anmeldung gegenüber den
Amtsparteien (§ 10 Abs. 4) und nach der Stellung eines
Prüfungsantrags gegenüber dem Kartellgericht zu (§ 11 Abs. 3). Mit
Beziehung auf das Kartellgericht ist die Befristung des Äußerungsrechts
weggefallen; in wie weit das Kartellgericht solche Äußerungen aber noch
berücksichtigen kann, hängt naturgemäß vom Stadium ab, in dem sich das
Prüfungsverfahren befindet.
5.
Entscheidungsfristen
Die
Entscheidungsfrist für das Kartellgericht bleibt mit fünf Monaten zwar formell
gleich (§ 14 Abs. 1), der Lauf der Frist beginnt jedoch mit dem
Einlangen des Prüfungsantrags beim Kartellgericht, während nach § 42b
Abs. 5 KartG 1988 hiefür das Einlangen der Anmeldung maßgeblich ist.
Diese Frist ist notwendig, um dem Kartellgericht eine seriöse Prüfung der meist
sehr komplexen entscheidungsrelevanten Umstände zu ermöglichen.
Während nach
§ 42b Abs. 5 das Kartellgericht eine entsprechende Bestätigung
auszustellen hat, wenn die Entscheidungsfrist abgelaufen ist, sieht § 14
Abs. 1 vor, dass sowohl in diesem Fall, als auch im Fall der Zurückziehung
der Prüfungsanträge das Prüfungsverfahren einzustellen ist; dies hat – ohne
dass dies im Gesetz ausdrücklich gesagt werden müsste – durch Beschluss zu
geschehen.
Für das
Kartellobergericht beginnt die zweimonatige Entscheidungsfrist nunmehr mit dem
Einlangen der Akten zu laufen, sodass auch die volle Frist für die Bearbeitung
des Rekurses zur Verfügung steht (§ 14 Abs. 2).
6.
Durchführungsverbot
Nach § 17
Abs. 2 ist die Durchführung eines Zusammenschlusses, der mit
Beschränkungen im Sinn des § 12 Abs. 3 nicht untersagt worden ist,
anders als mit diesen Beschränkungen verboten. In diese Regelung wird nunmehr
auch die Zuwiderhandlung gegen Auflagen einbezogen. Dies führt dazu, dass die
Durchführung eines mit Auflagen nicht untersagten Zusammenschlusses zunächst
zulässig ist, solange die Auflagen eingehalten werden; wird in der Folge gegen
die Auflagen verstoßen, wird die Durchführung des Zusammenschlusses jedoch
insofern unzulässig. In diesem Fall stehen nunmehr wahlweise zwei verschiedene
Sanktionen zur Auswahl: Wie bisher der Auftrag nachträglicher Ausnahmen nach
§ 16 Abs. 2 oder aber das – im Allgemeinen wohl gelindere Mittel –
der Abstellung nach § 26.
Darüber hinaus
werden den kartellgerichtlichen Beschränkungen und Auflagen solche
gleichgestellt, zu deren Einhaltung sich die am Zusammenschluss beteiligten
Unternehmer gegenüber einer Amtspartei verpflichten, um die Unterlassung oder
Zurückziehung eines Prüfungsantrags zu erreichen. Da für die Einhaltung solcher
Verpflichtungen im geltenden Recht keine besonderen Sanktionen vorgesehen sind,
war es, um sie rechtlich abzusichern, bisher notwendig, die
Zusammenschlussanmeldung zurückzuziehen und eine entsprechend geänderte
Anmeldung neu einzubringen; dieser Umweg ist nunmehr nicht mehr notwendig.
Zu den
§§ 20 bis 25 (Gemeinsame Bestimmungen)
Die im 4.
Abschnitt des I. Hauptstücks zusammengefassten Bestimmungen übernehmen
weitgehend unverändert Regelungen des Kartellgesetzes 1988. Die §§ 20
(wirtschaftliche Betrachtungsweise), 21 (Berechnung von Marktanteilen), 22
(Berechnung des Umsatzerlöses), 23 (Bestimmte Ware oder Leistung) und § 25
(Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften) entsprechen den §§ 1, 2, 2a, 3
und 8 KartG 1988.
Änderungen ergeben
sich hingegen im § 24 (Anwendungsbereich):
Nach § 4
Abs. 1 KartG 1988 ist dieses Bundesgesetz in Angelegenheiten, die in
Gesetzgebung oder Vollziehung Sache der Länder sind, nicht anzuwenden; davon
ausgenommen sind nach der Verfassungsbestimmung des Abs. 2 nur die
Angelegenheiten des Elektrizitätswesens. Nach herrschender Auffassung hat die
Ausnahme des § 4 Abs. 1 KartG 1988 nur noch für die
Landwirtschaft Bedeutung.
Die
gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, die Art. 81 und 82 EGV auch
innerstaatlich durchzusetzen, erfordert die lückenlose Anwendung des
Kartellrechts auf alle Wirtschaftsbereiche. Dies soll durch die
Verfassungsbestimmung des § 24 Abs. 1 sichergestellt werden.
§ 24
Abs. 2 entspricht hingegen inhaltlich der geltenden Regelung in § 6
KartG 1988.
In § 24
Abs. 3 werden schließlich die bisher in § 5 Abs. 1 Z 2 und
3 KartG 1988 enthaltenen Ausnahmen übernommen.
Zu den
§§ 26 bis 28 (Abstellung von Zuwiderhandlungen und Feststellungen)
1.
Allgemeines
Die im
Kartellgesetz 1988 verstreuten Bestimmungen über die Untersagung bzw. Abstellung
kartellgesetzwidrigen Verhaltens sowie über Feststellungen werden im Entwurf in
einem Abschnitt zusammengefasst.
Inhaltlich folgen
§ 26 über die Abstellung von Zuwiderhandlungen, § 27 über
Verpflichtungszusagen und § 28 Abs. 1 über die Feststellung bereits
beendeter Zuwiderhandlungen den entsprechenden Regelungen in Art. 7 bis 9
der Verordnung Nr. 1/2003. Dadurch wird auch in diesem Bereich der
Rechtsdurchsetzung ein Gleichklang zum Gemeinschaftsrecht hergestellt. Dies ist
schon deswegen wünschenswert, weil das Kartellgericht die angeführten
Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 im Rahmen der ihm nach Art. 5
V 1/2003 übertragenen Zuständigkeiten unmittelbar anzuwenden hat.
Mit Beziehung auf
die Abstellung von Zuwiderhandlungen ergibt sich daraus im Ergebnis kein
wesentlicher Unterschied zur geltenden Rechtslage, mit Beziehung auf die
Feststellung von beendeten Zuwiderhandlungen handelt es sich um eine
wünschenswerte Klarstellung.
Tatsächlich neu
ist nur die Verbindlicherklärung von Verpflichtungszusagen durch Entscheidung
des Kartellgerichts.
2.
Feststellungen nach § 8a KartG 1988
Als Ergänzung
dieser Regelungen wurde in § 28 Abs. 2 die allgemeine
Feststellungsbefugnis des Kartellgerichts aus § 8a KartG 1988
übernommen.
Diese
Feststellungsbefugnis, die auch eine Feststellungspflicht ist, bezieht sich im
Bereich des innerstaatlichen Kartellrechts uneingeschränkt auch auf die
Feststellung der Nichtanwendbarkeit, wie sie Art. 10 der V 1/2003 als
Befugnis der Kommission vorsieht. Das heißt, dass das Kartellgericht auf Antrag
eines der nach § 36 Abs. 4 Antragsberechtigten festzustellen hat,
dass § 1 auf eine Vereinbarung, einen Beschluss einer
Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise keine Anwendung
findet, weil die Voraussetzungen des § 1 nicht vorliegen, oder weil die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 erfüllt sind. Mit Beziehung auf das
Gemeinschaftsrecht steht diese Befugnis jedoch nach Art. 10 iVm
Art. 5 der V 1/2003 nur der Kommission zu; das Kartellgericht kann daher
keine gemeinschaftsrechtlichen „Negativatteste“ ausstellen.
3.
Antragsberechtigung
Im Unterschied zum
Kartellgesetz 1988 wird die Antragsberechtigung mit Beziehung auf die im
vorliegenden Abschnitt vorgesehenen Maßnahmen nicht hier geregelt, sondern in
einer allgemeinen Bestimmung im 4. Abschnitt (§ 36, Antragsprinzip).
Zu den
§§ 29 bis 33 (Geldbußen)
Der Entwurf folgt
weitgehend der Regelung in den §§ 142, 143, 143a und 143c KartG 1988.
Abgesehen von der Anpassung an die neu geregelten Tatbestände, die durch die
Geldbußen sanktioniert werden, ergeben sich die folgenden Änderungen:
1.
Geldbußensätze
Die Sätze der
Geldbußen sind der Verordnung Nr. 1/2003 angepasst worden. Dadurch fallen
einerseits die im Kartellgesetz 1988 vorgesehenen Untergrenzen weg;
andererseits wird der Höchstbetrag der Geldbuße auch in der „zweiten Kategorie“
(§ 29 Z 2) nach dem Umsatz bestimmt.
Die in § 142
Z 3 und 4 für bestimmte Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen noch niedrigeren
Geldbußen wurden durch die Umstellung des Systems überhaupt entbehrlich.
2. Bemessung
§ 31 über die
Bemessung von Geldbußen gegen Unternehmervereinigungen folgt dem Vorbild des
Art. 23 Abs. 2 dritter Unterabs. V1/2003, trägt aber im Unterschied
zu dieser Bestimmung dem Sonderfall von Unternehmervereinigungen mit
gesetzlicher Mitgliedschaft Rechnung. Von der Übernahme der sehr umständlichen
weiterführenden Regelung in § 23 Abs. 4 V1/2003 sieht der Entwurf
jedoch ab.
3.
Verjährung
Die
Verjährungsfrist wird in § 33 nach dem Vorbild der V 1/2003 auf fünf Jahre
verlängert.
Zu den
§§ 34 und 35 (Exekution)
Der Entwurf behält
die in § 126 KartG 1988 geregelte Möglichkeit der Exekution auf Grund
von Entscheidungen und Vergleichen im kartellgerichtlichen Verfahren aufrecht
und verallgemeinert sie sogar (§ 34). In § 35 wird diese Regelung
nach dem Vorbild des Gemeinschaftsrechts aber um die Möglichkeit der Verhängung
von Zwangsgeldern durch das Kartellgericht selbst erweitert; die Bestimmung
übernimmt dabei inhaltlich unverändert die in Art. 24 V 1/2003 enthaltene
Regelung.
Zum
§ 36 (Antragsprinzip)
§ 36 fasst
die im Kartellgesetz an verschiedenen Stellen geregelten Antragsberechtigungen
zusammen.
Gegenüber der
geltenden Rechtslage waren zwei Änderungen notwendig, um das Funktionieren der
in § 11 Abs. 3 WettbG in der Fassung des vorliegenden Entwurfs
enthaltenen Kronzeugenregelung sicherzustellen: In § 36 Abs. 2 wird
klargestellt, dass das Kartellgericht keine höhere Geldbuße und kein höheres
Zwangsgeld verhängen darf als beantragt. In § 36 Abs. 3 wird eine
entsprechende Beschränkung der Antragsberechtigung des Bundeskartellanwalts
vorgesehen.
Zum
§ 37 (Entscheidungsveröffentlichung)
§ 37 fasst
die im Kartellgesetz 1988 auf die §§ 38, 39 und 143b verteilten
Bestimmungen, die Entscheidungsveröffentlichungen vorsehen, in einer Bestimmung
zusammen und dehnt sie auf alle Entscheidungen aus, mit denen eine
Zuwiderhandlung abgestellt oder festgestellt wird.
Zu den
§§ 38 bis 49 (Verfahren vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht)
Die Regelung des
Verfahrens vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht wird weitgehend
unverändert aus dem Kartellgesetz 1988 übernommen.
Abgesehen von
rechtstechnischen Anpassungen ergibt sich eine Änderung nur durch die neue
Bestimmung des § 39. Die dort geregelten Beschränkungen dienen, auch wenn
dieser Zweck im Gesetzestext selbst nicht aufscheint, dem Schutz von
Geschäftsgeheimnissen der an den jeweiligen Verfahren beteiligten Unternehmer.
Mit Beziehung auf
den § 39 Abs. 1 geht es darum, dass insbesondere die
Bundeswettbewerbsbehörde Beweismittel, die sie auf Grund ihres weitgehenden
Auskunftsrechts nach § 11a WettbG erlangt hat, auch dann wenn diese
Beweismittel Geschäftsgeheimnisse enthalten, im Verfahren vor dem
Kartellgericht vorlegen muss, wenn sie sich darauf berufen will; dadurch werden
diese Beweismittel Bestandteil des kartellgerichtlichen Akts. Konkurrenten der
betroffenen Unternehmen könnten ihr Recht zur Antragstellung vor dem
Kartellgericht dazu benutzen, um – wenn die Verfahren verbunden werden –
Kenntnis von den gegenständlichen Geschäftsgeheimnissen zu erlangen.
Dies zu verhindern
ist nicht nur im Interesse der betroffenen Unternehmen, sondern auch der
Bundeswettbewerbsbehörde und damit im öffentlichen Interesse. Wenn Unternehmen
fürchten müssen, dass diese Geschäftsgeheimnisse über die Akten des
Kartellgerichts den Konkurrenten bekannt werden können, werden sie mit allen
Mitteln versuchen, sich ihrer Auskunftspflicht nach § 11a WettbG zu
entziehen.
Die gleichen
Erwägungen gelten für die Bindung der Akteneinsicht für am Verfahren nicht
beteiligte Personen an die Zustimmung der Parteien. Die im Außerstreitverfahren
sonst vorgesehene Möglichkeit, dass das Gericht Akteneinsicht gewährt, wenn ein
rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird, wird damit ausgeschlossen.
Demgegenüber haben
vor allem Vertreter von Konsumenteninteressen geltend gemacht, dass diese
Möglichkeit der Akteneinsicht für Dritte auch im Kartellverfahren zulässig sein
soll, um Personen, die durch eine Zuwiderhandlung gegen das Kartellgesetz
geschädigt worden sind, die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen zu
ermöglichen. Eine Interessenabwägung zwischen diesen privaten Interessen und
dem öffentlichen Interesse der Bundeswettbewerbsbehörde an der Aufdeckung von
Zuwiderhandlungen gegen das Kartellgesetz spricht jedoch für die im Entwurf
vorgesehene Regelung. Dies vor allem deshalb, weil der einzelne Geschädigte als
unmittelbar Betroffener in der Regel ohnehin über die notwendigen Informationen
verfügen wird, um seine Ansprüche geltend zu machen.
Nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes wird jedoch aufmerksam zu beobachten sein, ob durch
diese Regelung Defizite im Rechtsschutz entstehen und gegebenenfalls wird das
Gesetz zu korrigieren sein; im Übrigen ist zu erwarten, dass die EG
einschlägige Regelungen erlassen wird, auf die dann Bedacht genommen werden
kann.
Zu den
§§ 50 bis 57 (Gebühren)
Die angeführten
Bestimmungen folgen weitgehend der Regelung in den §§ 80 bis 87
KartG 1988. Abgesehen von Anpassungen an die geänderte Rechtsgrundlage
werden die folgenden Änderungen vorgenommen:
Bei
den in § 50 geregelten Rahmengebühren wird auf die Festsetzung einer
Untergrenze verzichtet.
In
§ 50 Z 4 wird eine bisher bestehende Lücke geschlossen und § 50
Z 5 trägt der neu geschaffenen Möglichkeit der Verhängung von
Zwangsgeldern Rechnung.
§ 52
Abs. 2 macht die Zahlungspflicht einerseits ganz allgemein vom
Verfahrenserfolg abhängig, stellt aber andererseits klar, dass die Amtsparteien
nicht zahlungspflichtig sind.
Zu den
§§ 58 bis 82 (Institutionen)
Die institutionellen
Regelungen über die Kartellgerichtsbarkeit und den Bundeskartellanwalt in den
§§ 88 bis 118 KartG 1988 sind mit Ausnahme einer Vereinfachung im
§ 68 und der geringen rechtstechnischen Anpassung des § 92
Abs. 1 und des § 118 Abs. 1 KartG 1988 wörtlich übernommen
worden.
Zu den
§§ 83 bis 85 (Anwendung des Gemeinschaftsrechts)
§ 83 passt
die in § 42f KartG 1988 enthaltene Regelung über die Anwendung des
Gemeinschaftsrechts an die Verordnung Nr. 1/2003 an.
Die neue
Bestimmung des § 84 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Kommission für
die Zusammenarbeit in einem Netzwerk mit den Wettbewerbsbehörden der
Mitgliedstaaten, das insbesondere dem Informationsaustausch dient, von diesem
die Abgabe bestimmter Verpflichtungserklärungen verlangt. Für den Bundeskartellanwalt
wird in der angeführten Bestimmung die Rechtsgrundlage für die Abgabe solcher
Erklärungen geschaffen; für das Kartellgericht, das keine Aufgriffsbehörde ist,
kommt die Abgabe solcher Erklärungen hingegen nicht in Betracht.
§ 85 trägt
der in Art. 15 Abs. 2 V 1/2003 enthaltenen Verpflichtung der
Mitgliedstaaten zur Übermittlung von Urteilen, in denen Art. 81 oder 82
EGV angewendet werden, Rechnung. Es ist zweckmäßig, diese Übermittlung im Wege
der Bundeswettbewerbsbehörde zu organisieren, um auch diese in Kenntnis der
gegenständlichen gerichtlichen Entscheidungen zu setzen.
Zu den
§§ 86 bis 95 (Schlussbestimmungen)
Die §§ 86 bis
95 enthalten die üblichen Schlussbestimmungen.
Besondere
Bemerkungen sind nur zu den Bestimmungen über die Behandlung genehmigter
Kartelle und die Fortsetzung anhängiger Verfahren notwendig.
Die
Übergangsbestimmungen folgen dem Grundsatz einer möglichst weitgehenden
Angleichung an das Gemeinschaftsrecht; in diesem Sinn soll auch das Prinzip der
Legalausnahme mit Inkrafttreten des Gesetzes gelten. Konsequent durchgeführt
würde dies bedeuten, dass Kartelle, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes
genehmigt worden sind, nicht bevorzugt behandelt werden und die entsprechenden
kartellgerichtlichen Entscheidungen ihre Wirksamkeit verlieren, weil sie auf
einer anderen Rechtsgrundlage erlassen worden sind. Auch wenn im Ergebnis ein
nach dem Kartellgesetz 1988 genehmigtes Kartell in aller Regel wohl auch
unter die Legalausnahme nach der Neuregelung fallen wird, muss dies nicht der Fall
sein, weil die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen nicht identisch sind. Im
Sinn des Vertrauensschutzes wird den betroffenen Unternehmen im § 89 eine
Übergangsfrist von einem Jahr gewährt, in der sie das genehmigte Verhalten ohne
Bedachtnahme auf die neue Rechtslage fortsetzen können.
Hingegen ist es
wohl selbstverständlich, dass einschlägige Verfahren, die zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Gesetzes anhängig sind, nicht fortzusetzen sind.