931 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (806 der Beilagen): WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996)

 

1.      Der Vertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Er hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gem. Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Der Vertrag enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz ist nicht erforderlich, weil keine Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen, geregelt werden.

2.      Am 20. Dezember 1996 wurde der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WIPO Performances and Phonograms Treaty; WPPT) – gemeinsam mit dem parallel ausgearbeiteten WIPO-Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty; WCT) – im Rahmen der vom 2. bis 20. Dezember 1996 in Genf abgehaltenen Diplomatischen Konferenz über bestimmte Fragen des Urheberrechts und verwandter Rechte angenommen. Wie der WCT für das Urheberrecht dient der WPPT der Anpassung der erfassten verwandten Schutzrechte an die Herausforderungen der Informationsgesellschaft. Der WPPT bietet jedoch keine umfassende Modernisierung der durch das am 26. Oktober 1961 in Rom geschlossene Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (Rom-Abkommen) erfassten verwandten Schutzrechte sondern beschränkt sich auf Neuerungen für den Rechtsschutz der ausübenden Künstler in bezug auf ihre hörbaren Live-Darbietungen und auf ihre auf Tonträgern festgelegten Darbietungen sowie auf den Rechtsschutz der Tonträgerhersteller. Die verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler in bezug auf audiovisuelle Darbietungen finden ebenso wenig Berücksichtigung wie die verwandten Schutzrechte der Sendeunternehmen. Diesbezüglich bleibt es daher vorerst bei dem durch das Rom-Abkommen gewährten Schutz. Die Modernisierung der durch das WPPT nicht erfassten Schutzrechte wird aber weiterhin im Ständigen Ausschuss für Urheberrecht und verwandte Schutzrechte der WIPO beraten; eine Diplomatische Konferenz über ein Übereinkommen zum Schutz audiovisueller Darbietungen in Genf im Dezember 2000 konnte allerdings nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.

3.      Mit dem Rom-Abkommen besteht auch im Bereich der Leistungsschutzrechte ein multilateraler Vertrag, auf dem die Arbeiten zum vorliegenden Vertrag aufbauen konnten. Ebenso wie Art. 20 der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) enthält Art. 22 Rom-Abkommen eine Klausel zur Zulässigkeit sogenannter Erweiterungsabkommen, die eine Ausdehnung des den Rechteinhabern gewährten Schutzes voraussetzen oder aber jedenfalls nicht in Widerspruch zum Rom-Abkommen stehen dürfen. Der für den WCT gewählte Weg eines Sonderabkommen zu einem älteren Vertragswerk wurde jedoch für den WPPT nicht gewählt. Die Gründe hiefür liegen zum einen darin, dass das Rom-Abkommen für die verwandten Schutzrechte nicht die Zustimmung gefunden hat, die die RBÜ für das Urheberrecht gefunden hat; zum anderen darin, dass – wie zuvor ausgeführt – der WPPT nicht sämtliche der durch das Rom-Abkommen erfassten Schutzrechte regelt.

4.      Der WPPT ist in englischer, französischer, spanischer, russischer, arabischer und chinesischer Sprache geschlossen, wobei alle diese Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind. Übersetzungen in die Amtssprachen der Gemeinschaft wurden vom Übersetzungsdienst der Europäischen Gemeinschaft erarbeitet. Sie wurden als Anhang des Beschlusses 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 über die Zustimmung - im Namen der Europäischen Gemeinschaft - zum WIPO-Urheberrechtsvertrag und zum WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger, Amtsblatt Nr. L 089 vom 11/04/2000 S. 0006 – 0007, im Amtsblatt der Gemeinschaft kundgemacht.

Die für Österreich zur Kundmachung vorgesehene Übersetzung des WPPT weicht an zwei Stellen von der Übersetzung des Sprachendienstes der Europäischen Gemeinschaft ab: in diese Übersetzung wurde nämlich – offenbar irrtümlich – die in den verbindlichen Sprachfassungen enthaltene, dem Art. 9 Abs. 1 RBÜ entnommene und zur Umschreibung des Vervielfältigungsrechts der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller gebrauchte Wendung „in any manner or form“ nicht in die Übersetzung der Art. 7 und 11 übernommen.

5.      Als Neuerungen im internationalen Recht der Leistungsschutzrechte sind die Bestimmungen der Art. 5 (Künstlerpersönlichkeitsrecht), der Art. 10 und 14 (Recht der Zugänglichmachung für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller), des Art. 15 (Erweiterung des bisher aufgrund Art. 12 Rom-Abkommen bestehenden Vergütungsanspruchs der ausübenden Künstler und der Hersteller von Tonträgern für die Nutzung von Handelstonträgern), Art. 7 und 11 (Erweiterung des Vervielfältigungsrechts der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller), Art. 8 und 12 (Verbreitungsrecht der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller), Art. 9 und 13 (Erweiterung des Vermietrechts für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller), Art. 18 und 19 (Schutz technologischer Maßnahmen und von Informationen über die Rechtewahrnehmung) und Art. 20 (uneingeschränktes Formalitätenverbot) hervorzuheben.

Damit erhöht der WPPT einerseits durch eine Reihe von Bestimmungen den Standard des internationalen Schutzes der verwandten Schutzrechte auf ein Niveau, wie es der in Österreich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags geltenden innerstaatlichen Rechtslage bereits entsprach. Andererseits enthält der Vertrag Bestimmungen, die Antworten auf die Herausforderungen der digitalen Technologie und des Internets bieten: So wird etwa die interaktive Zugänglichmachung von Darbietungen und Tonträgern in Netzwerken als eigenes Ausschließungsrecht des ausübenden Künstlers bzw. des Tonträgerherstellers anerkannt (Art.  10 und 14); die Vertragsstaaten werden verpflichtet, bestimmten Maßnahmen der Rechteinhaber zum Schutz und zur Verwertung ihrer Werke und Leistungen in der digitalen Umwelt angemessenen Rechtsschutz zu gewähren (Art.  18 und 19). Diese Verpflichtungen wurden mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003, BGBl I Nr. 32/2003, gleichzeitig mit der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, Seite 10  (InfoRL) in das österreichische Recht umgesetzt.

6.      Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten haben sich von Beginn an aktiv an den Arbeiten im Rahmen der WIPO beteiligt. Parallel dazu liefen auch schon die Vorbereitungsarbeiten zur späteren InfoRL. Mit der Zeichnung des WPPT durch die Gemeinschaft und ihre Mitgliedsstaaten trat damit als Ziel dieser legislativen Arbeiten auf Gemeinschaftsebene die Umsetzung des WPPT in das Gemeinschaftsrecht zum Anliegen einer harmonisierten Anpassung des europäischen Rechts der verwandten Schutzrechte an die Herausforderungen der Informationsgesellschaft hinzu.

7.      Beim WPPT (wie beim WCT) handelt es sich um ein sogenanntes „gemischtes Übereinkommen“, bei dem die Abschlusskompetenz zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geteilt ist. Die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch die Europäische Gemeinschaft und alle ihre Mitgliedstaaten soll daher gleichzeitig erfolgen, sobald alle Mitgliedstaaten die InfoRL umgesetzt haben.

Der Rat der Europäischen Gemeinschaft hat am 16. März 2000 den Beschluss gefasst, den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger im Namen der Gemeinschaft für die in ihre Zuständigkeit fallenden Bereiche zu genehmigen (Beschluss des Rates vom 16. März 2000, 2000/278/EG, ABl. Nr. L 89/6 vom 11. April 2000). Der Präsident des Rates wurde ermächtigt, die Abschlussurkunden beim Generaldirektor der Weltorganisation für geistiges Eigentum von dem Zeitpunkt an zu hinterlegen, zu dem die Mitgliedstaaten die vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassenen Maßnahmen, die zur Anpassung der derzeitigen Gemeinschaftsvorschriften an die Verpflichtungen aus dem WCT und dem WPPT erforderlich sind, in Kraft setzen müssen. In einer Erklärung des Rates zu diesem Beschluss (2000/C 103/01) ABl. Nr. C 103/01 vom 11. April 2000 wurde festgehalten, dass der Rat und die Mitgliedstaaten sich regelmäßig über den Stand der Verfahren zur Ratifikation des WCT und des WPPT in den Mitgliedstaaten informieren, damit die Hinterlegung der Abschluss- bzw. Ratifikationsurkunden der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten gleichzeitig erfolgt.

8.      Der Umsetzung des WPPT auf Gemeinschaftsebene dient die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, die in Österreich mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 32/2003, umgesetzt wurde. Damit entspricht das österreichische Urheberrecht in inhaltlicher Hinsicht auch den auf den technologischen Wandel zugeschnittenen Bestimmungen des Vertrags. Mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 wurde ferner zwei Anpassungen des nationalen Rechts an den WPPT vorgenommen, die nicht von der Info-RL erfasst waren. Diese Änderungen betrafen die Persönlichkeitsrechte der ausübenden Künstler (Erweiterung um ein „Änderungsverbot“) und den Vergütungsanspruch für die Nutzung von Handelstonträgern, der um interaktiv zur Verfügung gestellte Tonträger (Art. 15 Abs. 4 WPPT) ergänzt wurde.

Im Sinn des erwähnten Ratsbeschlusses soll daher die Ratifikation des WPPT vorbereitet werden, damit die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten zum gegebenen Zeitpunkt – es ist zu hoffen, dass in absehbarer Zeit auch die letzten Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie nachkommen werden und damit die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ratifikation erfüllt sind - gemeinsam ihre Ratifikationsurkunden hinterlegen können.

9.      Der WPPT übernimmt die anerkannten Grundsätze der Mindestrechte und der – wenn auch eingeschränkten - Inländerbehandlung des Rom-Abkommens und baut den durch das Rom-Abkommen vorgegebenen Mindestschutz aus. Damit wird der Anwendungsbereich des österreichischen Urheberrechtsgesetzes ausgeweitet, zumal das Urheberrechtsgesetz die seiner unmittelbaren und primären Anwendung unterliegenden urheberrechtlichen Tatbestände mit Auslandsbeziehung ausdrücklich abgrenzt (§§ 94 bis 99c UrhG). Darüber hinaus sind die Sachnormen des WPPT in Anlage und Ausdruck so bestimmt, dass sie sich zur unmittelbaren Anwendung durch Gerichte eignen. Mit der generellen Transformation des WPPT als unmittelbar anwendbare Norm können sich daher die durch sie geschützten Leistungsschutzberechtigten auch unmittelbar auf die ihnen durch das WPPT eingeräumten (Mindest-)Rechte berufen. Da jedoch das österreichische Urheberrecht bereits mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 an den Schutzumfang des WPPT angepasst wurde, wird der durch die österreichische Rechtsordnung  eingeräumte Schutzumfang nicht davon abhängen, ob ein Sachverhalt mit Auslandsbeziehung oder mit reiner Inlandsbeziehung vorliegt.

10.    Österreich hat, ebenso wie die Europäische Gemeinschaft und rund 50 weitere Staaten, den WPPT unterzeichnet, und zwar am 30. Dezember 1997 (sh. Pkt. 16 des Beschl.Prot. Nr. 38 vom 10. Dezember 1997). Am 20. Februar 2002 hat die WIPO mitgeteilt, dass mit dem Beitritt der Republik Honduras am selben Tag der 30. Staat Mitglied geworden ist, sodass gemäß Art. 29 WPPT drei Monate später, daher am 20. Mai 2002, der WPPT in Kraft getreten ist. Per 15. Oktober 2004 haben 48 Staaten diesen Vertrag ratifiziert.

 

Hinsichtlich der Kundmachung des Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat vorgeschlagen, gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass dessen spanische, russische, arabische und chinesische Sprachfassungen dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 

Der Außenpolitischer Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 03. Mai 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordnete Petra Bayr sowie die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Außenpolitischer Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

 

Ebenso wurde einstimmig beschlossen, dass die spanische, russische, arabische und chinesische Sprachfassungen dadurch kundgemacht werden sollen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitischer Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.    Der Abschluss des Staatsvertrages: über die Regierungsvorlage (806 der Beilagen): WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Genf (1996)  (806 der Beilagen) wird genehmigt.

2.      Die spanische, russische, arabische und chinesische Sprachfassungen dieses Staatsvertrages sind gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen

Wien, 2005 05 03

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler Dr.h.c. Peter Schieder

       Berichterstatter                  Obmann