932 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Außenpolitischen Ausschusses
über die Regierungsvorlage (843 der Beilagen): WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Genf (1996)
1. Der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Genf 1996 hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Er hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gem. Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Der Vertrag enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz ist nicht erforderlich, weil keine Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen, geregelt werden.
2. Am 20. Dezember 1996 wurde der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty, idFk: WCT) – gemeinsam mit dem parallel ausgearbeiteten WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WIPO Performances and Phonograms Treaty, idFk: WPPT) - auf einer Diplomatischen Konferenz unter der Schirmherrschaft der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf (World Intellectual Property Organisation, idFk: WIPO) angenommen. Die Verträge bilden den vorläufigen Abschluss der bereits im Jahr 1989 begonnenen Arbeiten der WIPO zur Anpassung des internationalen Urheberrechts an den sich seit Beginn der 90er Jahre beschleunigenden technologischen Wandel im Übergang zum Informationszeitalter.
3. Der WCT ist ein Sonderabkommen im Sinn von Art. 20 der Revidierten Berner Übereinkunft (idFk: RBÜ). Ein solches Sonderabkommen darf keinen geringeren Schutz der Inhaber von Urheberrechten als die RBÜ vorsehen. Er baut daher auf der RBÜ auf, schafft neuartige Rechte der Urheber und enthält darüber hinaus Klarstellungen und Erweiterungen solcher Rechte der Urheber, die bereits nach der RBÜ bestehen.
4. Der WCT ist in englischer, französischer, spanischer, russischer, arabischer und chinesischer Sprache geschlossen, wobei alle diese Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind. Übersetzungen in die Amtssprachen der Gemeinschaft wurden vom Übersetzungsdienst der Europäischen Gemeinschaft erarbeitet. Sie wurden als Anhang des Beschlusses 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 über die Zustimmung - im Namen der Europäischen Gemeinschaft - zum WIPO-Urheberrechtsvertrag und zum WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger, Amtsblatt Nr. L 089 vom 11/04/2000 S. 0006 – 0007, im Amtsblatt der Gemeinschaft kundgemacht.
5. Als Neuerungen im internationalen Urheberrecht sind die Bestimmungen der Art. 6 zum Verbreitungsrecht und Art. 8 zum Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich des Zurverfügungstellungsrechts, des sogenannten „right of making available“, die Erweiterung der Schutzfrist bei Werken der Fotografie (Art. 9) sowie Klarstellungen für Computerprogramme (Art. 4) und Datenbanken (Art. 5) hervorzuheben. Aus dem Kreis der Durchsetzungsbestimmungen sind die Art. 11 über den Schutz technischer Maßnahmen sowie Art. 12 über den Schutz von Informationen über die Rechtewahrnehmung international völlig neu.
Damit erhöht der
WCT einerseits durch eine Reihe von Bestimmungen den Standard des
internationalen Schutzes des Urheberrechts auf ein Niveau, wie es der in
Österreich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags geltenden
innerstaatlichen Rechtslage bereits entsprach. Andererseits enthält der Vertrag
aber auch Bestimmungen, die Antworten auf die Herausforderungen der digitalen
Technologie und des Internets bieten, wie insbesondere die Qualifikation des
Rechts der interaktiven Zugänglichmachung in Netzwerken als öffentliche
Wiedergabe (Art. 8 WCT) und die Verpflichtung zum Schutz technischer
Maßnahmen sowie von Informationen über die Rechtewahrnehmung (Art. 11 und
12 WCT), die mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 32/2003,
gleichzeitig mit der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandten
Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. Nr. L 167 vom 22.
Juni 2001, Seite 10 (idFk: InfoRL) in das österreichische Recht umgesetzt
wurden.
6. Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten haben sich von Beginn an aktiv an den Arbeiten im Rahmen der WIPO beteiligt. Parallel dazu liefen auch schon die Vorbereitungsarbeiten zur späteren InfoRL. Mit der Zeichnung des WCT durch die Gemeinschaft und ihre Mitgliedsstaaten trat damit als Ziel dieser legislativen Arbeiten auf Gemeinschaftsebene die Umsetzung des WCT in das Gemeinschaftsrecht zum Anliegen einer harmonisierten Anpassung des europäischen Urheberrechts an die Herausforderungen der Informationsgesellschaft hinzu.
7. Beim WCT (wie beim WPPT) handelt es sich um ein sogenanntes „gemischtes Übereinkommen“, bei dem die Abschlusskompetenz zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geteilt ist. Die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch die Europäische Gemeinschaft und alle ihre Mitgliedstaaten soll daher gleichzeitig erfolgen, sobald alle Mitgliedstaaten die InfoRL umgesetzt haben.
Der Rat der
Europäischen Gemeinschaft hat am 16. März 2000 den Beschluss gefasst, den
WIPO-Urheberrechtsvertrag im Namen der Gemeinschaft für die in ihre
Zuständigkeit fallenden Bereiche zu genehmigen (Beschluss des Rates vom 16.
März 2000, 2000/278/EG, ABl. Nr. L 89/6 vom 11. April 2000). Der Präsident
des Rates wurde ermächtigt, die Abschlussurkunden beim Generaldirektor der
Weltorganisation für geistiges Eigentum von dem Zeitpunkt an zu hinterlegen, zu
dem die Mitgliedstaaten die vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassenen
Maßnahmen, die zur Anpassung der derzeitigen Gemeinschaftsvorschriften an die
Verpflichtungen aus dem WCT und dem WPPT erforderlich sind, in Kraft setzen
müssen. In einer Erklärung des Rates zu diesem Beschluss (2000/C 103/01) ABl.
Nr. C 103/01 vom 11. April 2000 wurde festgehalten, dass der Rat und die
Mitgliedstaaten sich regelmäßig über den Stand der Verfahren zur Ratifikation
des WCT und des WPPT in den Mitgliedstaaten informieren, damit die Hinterlegung
der Abschluss- bzw. Ratifikationsurkunden der Gemeinschaft und der
Mitgliedstaaten gleichzeitig erfolgt.
8. Der Umsetzung des WCT auf Gemeinschaftsebene dient die bereits erwähnte Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, die in Österreich mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 32/2003, umgesetzt wurde. Damit entspricht das österreichische Urheberrecht in inhaltlicher Hinsicht auch den auf den technologischen Wandel zugeschnittenen Bestimmungen des Vertrags.
Im Sinn des
erwähnten Ratsbeschlusses soll daher die Ratifikation des WCT vorbereitet
werden, damit die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten zum gegebenen Zeitpunkt
– es ist zu hoffen, dass in absehbarer Zeit auch die letzten Mitgliedstaaten
ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie nachkommen werden und damit
die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ratifikation erfüllt sind - gemeinsam
ihre Ratifikationsurkunden hinterlegen können.
9. Der WCT übernimmt
die Verpflichtungen der RBÜ (Art. 1), sieht die Anwendung der anerkannten Grundsätze des Konventionsschutzes und der
Inländerbehandlung der RBÜ
auch in Bezug auf den durch ihn gewährten Schutz (Art. 3 WCT iVm
Art. 5 RBÜ) vor und baut den durch die RBÜ vorgegebenen Mindestschutz aus.
Damit wird wie im Fall der RBÜ der Anwendungsbereich des österreichischen
Urheberrechtsgesetzes ausgeweitet, zumal das Urheberrechtsgesetz die seiner
unmittelbaren und primären Anwendung unterliegenden urheberrechtlichen
Tatbestände mit Auslandsbeziehung ausdrücklich abgrenzt (§§ 94 bis 99c
UrhG). Darüber hinaus sind – ebenfalls wie im Fall der RBÜ – die Sachnormen des
WCT in Anlage und Ausdruck so bestimmt, dass sie sich zur unmittelbaren
Anwendung durch Gerichte eignen. Mit der generellen Transformation des WCT als
unmittelbar anwendbare Norm können sich daher die durch sie geschützten Urheber
auch unmittelbar auf die ihnen durch das WCT eingeräumten (Mindest-)Rechte
berufen. Da jedoch das österreichische Urheberrecht bereits mit der
Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 an den Schutzumfang des WCT angepasst wurde,
wird der durch die österreichische Rechtsordnung eingeräumte Schutzumfang nicht davon abhängen, ob ein
Sachverhalt mit Auslandsbeziehung oder mit reiner Inlandsbeziehung vorliegt.
10. Österreich hat, ebenso wie die Europäische Gemeinschaft und rund 50 weitere Staaten, den WCT gezeichnet, und zwar am 30. Dezember 1997 (sh. Pkt. 17 des Beschl.Prot. Nr. 38 vom 10. Dezember 1997). Am 6. Dezember 2001 hat die WIPO mitgeteilt, dass mit dem Beitritt von Gabun am selben Tag der 30. Staat Mitglied geworden ist, sodass gemäß Art. 20 und 21 WCT drei Monate später, daher am 6. März 2002, der WCT in Kraft getreten ist. Per 27. Oktober 2004 haben 49 Staaten diesen Vertrag ratifiziert.
Hinsichtlich der
Kundmachung des Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat
vorgeschlagen, gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass dessen
arabische, chinesische, russische und spanische Sprachfassungen dadurch kundzumachen
sind, dass diese zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
aufliegen.
Der
Außenpolitischer Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 03. Mai 2005 in
Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordnete Petra Bayr sowie die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik.
Bei der Abstimmung
wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses
dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Der
Außenpolitischer Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die
Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im
innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine
Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur
Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.
Ebenso wurde
einstimmig beschlossen, dass die arabische, chinesische, russische und
spanische Sprachfassungen dadurch kundgemacht werden sollen, dass sie zur
öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
aufliegen.
Als Ergebnis
seiner Beratungen stellt der Außenpolitischer Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
1. Der Abschluss des
Staatsvertrages: WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) Genf
(1996) (843 der Beilagen)
wird genehmigt.
2. Die arabische,
chinesische, russische und spanische Sprachfassungen dieses Staatsvertrages sind gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen,
dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
aufliegen
Wien,
2005 05 03
Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler Dr.h.c.
Peter Schieder
Berichterstatter Obmann