Abweichende
persönliche Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 5
GOG
der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Heidemarie
Rest-Hinterseer
zum Bericht 857
der Beilagen des Umweltausschusses
über die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz über die Erfassung von
Umgebungslärm und über die Planung von Lärmminderungsmaßnahmen
(Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz - Bundes-LärmG)
Mit dem
Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz soll die RL 2002/49/EG über die Bewertung und
Bekämpfung von Umgebungslärm vom 25. Juni 2002 umgesetzt werden. Die
Regierungsvorlage kommt viel zu spät, denn laut Art 14 der RL hätte ein
entsprechendes Gesetz spätestens am 18. Juli 2004 in Kraft treten müssen.
Die Richtlinie
verfolgt das Ziel, „vorzugsweise schädliche Auswirkungen, einschließlich
Belästigung durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu
mindern“ (Art 1 Abs 1). Zwingend vorgeschrieben ist die Ermittlung der
Belastung durch den Umgebungslärm, die Information der Öffentlichkeit und die
Erstellung von (unverbindlichen) Aktionsplänen.
Dem
Gesetzesentwurf kann aus folgenden Gründen nicht zugestimmt werden:
· Es
erfolgt keine einheitliche, flächendeckende Lärmerhebung. Die
Lärmerhebung ist quellenbezogen, aufgesplittert nach Verkehrsarten und Anlagen.
Dabei wird nur auf einige Großanlagen abgestellt. Es fehlt insbesondere eine
Erhebung der (summierten) Immissionsbelastung. „Landesanlagen“ wie
Landesstraßen oder Open Air-Veranstaltungen sind mangels Schaffung einer
Bundeskompetenz für Lärmschutz nicht erfasst. Es wird aber nicht einmal die
bestehende Bundesgesetzgebungskompetenz ausgeschöpft, denn Gewerbe-, Bergbau-
und Abfallanlagen werden nur ab der IPPC-Schwelle erfasst – und dies nur in den
Städten ab 100.000 EinwohnerInnen. Durch die sektorspezifische Zersplitterung
der Erhebung müssen allein zu den „Bundesanlagen“ drei MinisterInnen und die
Landeshauptleute auf gleich kommen, um vergleichbare Daten und Darstellungen zu
garantieren.
· Die
Lärmerhebung fußt nicht zwingend – zumindest in sensiblen Gebieten - auf tatsächlichen
Messungen, sondern operiert vorwiegend auf der Grundlage hypothetischer
Berechnungen.
· Es
wird kein einheitlicher Grenzwert zum Schutz der Menschen vor
Lärmbelastung erlassen, der in Genehmigungsverfahren über neue Projekte oder
Erweiterungen zwingend einzuhalten wäre. Die vorgesehenen „Schwellenwerte“ sind
lediglich Orientierungshilfen für den Bedarf an Maßnahmen.
· Zu
hohe Schwellenwerte werden für die Durchführungs-VO angekündigt. Bei den
Schwellenwerten werden die Belastungen aus dem Flugverkehr, dem Bahn- und
Straßenverkehr und der Industrie meistens sachlich ungerechtfertigt
unterschiedlich gewichtet. Nachbarn von Flughäfen müssen sich demnach mehr Lärm
gefallen lassen als Nachbarn von Industriegebieten (siehe Erläuterungen zu § 11
der Regierungsvorlage), obwohl gerade Fluglärm als besonders störend empfunden
wird.
· Der
Rechtsschutz der Betroffenen wird nicht verbessert (siehe die Defizite
bei Genehmigung von lärmemittierenden Anlagen wie Flugplatzerweiterungen unter
der UVP-Schwelle und von Straßen unter der UVP-Schwelle).
· Es
werden keine neuen Lärm-Sanierungsinstrumente für bestehende Anlagen
geschaffen.
· Es
wird keine verursachergerechte Bezahlung von passiven Lärmschutzmaßnahmen
(bei den Nachbarn) eingeführt und ein Rechtsanspruch darauf eingeräumt (siehe
hingegen die deutsche Rechtslage und den Regierungsentwurf für ein
Fluglärmgesetz vom Mai 2005).
· Eine
Stärkung des Lärmschutzes in der Raumplanung wird mangels Schaffung
einer Bundeskompetenz für Lärmschutz nicht verwirklicht. Die vorgesehenen
Aktionspläne sind nichts weiter als unverbindliche Absichtserklärungen der drei
ressortverantwortlichen Minister (Pröll-Abfall, Bartenstein –
Großindustrieanlagen, Gorbach – Flughäfen, Straßen und Bahnstrecken) und der
Landeshauptleute (für Straßenbahnen), welche lärmmindernden Maßnahmen in
Zukunft gesetzt werden sollen. Die schon lange notwendige Koordinierung der
Raumplanung der Gemeinden und Länder (Wohnen, Grünland) mit der Fachplanung des
Bundes (Straße, Bahn, Flugplätze) zur künftigen Vermeidung von
Nutzungskonflikten wird nicht ansatzweise angegangen.
· Die
Öffentlichkeitsbeteiligung ist unzureichend: Die (strategischen)
Lärmkarten sind vom BMFLUW der Öffentlichkeit zugänglich zu machen; eine
öffentlichkeitstaugliche Darstellung der Inhalte wie in Art 9 der RL und in
Anhang IV der RL vorgeschrieben, wird nicht statuiert.
Exemplarische
Absurditäten als Konsequenz des geplanten Gesetzes und der geplanten
DurchführungsVO:
· Der
Aktionsplan für Bundesstraßen, der unverbindliche Ansagen zur Lärmreduktion
enthält, ist zwingend einer Strategischen Umweltprüfung zu unterziehen, also
hinsichtlich seiner Umweltauswirkungen zu untersuchen, während das
Bundesstraßenverzeichnis und der Generalverkehrsplan, mit denen der Straßenbau
tatsächlich in die Wege geleitet wird, bis dato keiner SUP zu unterziehen sind.
Es werden also die Umweltauswirkungen der
beabsichtigten „Umweltmaßnahmen“ untersucht, aber nicht die Pläne zu
schädigenden Anlagen selbst.
· Der
Landeshauptmann muss zu einem bestimmten Termin einen Aktionsplan für die
Lärmreduktion bei Straßenbahnen vorlegen, nicht aber für die Landes- und
Gemeindestraßen. Diese sind ja erst durch ein entsprechendes Landesgesetz zu
erfassen. D.h. die Öffentlichkeit und wir werden womöglich früher wissen, wie
Straßenbahnen leiser werden sollen, bevor die Reduktionsmaßnahmen zum
Autoverkehr in Ballungsräumen vorgelegt werden.
· Aktionspläne
für Flughafenlärm sollen erst ab einer Belastung von 65 dB(A) tags und 55 dB(A)
nachts zu erstellen sein. Die Ergebnisse des Mediationsverfahrens Flughafen
Wien setzen hingegen schon mit baulichen Lärmschutzmaßnahmen ab 54 dB(A) tags
und 45 dB(A) nachts ein; Gebiete mit einer Fluglärmbelastung von mehr als 54
dB(A) tags werden nicht mehr in zum Wohnen geeignetes Bauland umgewidmet.
· Der
von einer großen Industrieanlage wie zB einer Müllverbrennungsanlage ausgehende
Lärm wird nur erfasst, wenn sie in einem Ballungsgebiet ab einer Größenordnung
von 100.000 EinwohnerInnen steht. Steht die Anlage in einer kleineren Gemeinde
ist der Lärm im Sinne des Umgebungslärmschutzgesetzes irrelevant.
Die RL über die
Bewertung und Bekämpfung von Umweltlärm wurde also nicht zum Anlass genommen,
die aufgrund der bestehenden Zersplitterung des Umweltrechts bestehenden
Schutzdefizite zu beseitigen und ein Immissionsschutzgesetz-Lärm bzw ein
Lärmschutzgesetz, das seinen Namen verdient, zu erlassen. Aber auch dem
zurückhaltenden Ansatz der RL, der umfassenden Erhebung von Lärm und der
Verankerung eines „Lärm-Managements“, wurde nicht ausreichend Rechnung
getragen. Zum einen bleibt selbst die Erhebung des Lärms nach zuständigen
Gebietskörperschaften und Ressorts zersplittert, werden nicht alle relevanten
Anlagen erfasst und bleibt die Gesamtbelastung an Lärm offen, zum anderen wurde
ein wesentlicher Pfeiler der Managementphilosophie nicht ausreichend deutlich
umgesetzt, nämlich die Öffentlichkeitsbeteiligung.