VORBLATT

Problem:

Der Nationalrat hat in seiner Sitzung am 10. Dezember 2004 einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Kai Jan Krainer, Klaus Wittauer und Mag. Brigid Weinzinger betreffend Forschungsprojekte für Ersatzmethoden zum Tierversuch, anlässlich der Verhandlung des Berichtes des Ausschusses der Wissenschaft und Forschung über den Antrag 380/A (E) der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungsoffensive für wissenschaftliche Alternativmethoden zum Tierversuch (765 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR/XXII. GP), einstimmig angenommen. Darin wird die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur ersucht, gemeinsam mit den mit der Vollziehung des Tierversuchsgesetzes betrauten Bundesminister/innen dem Nationalrat eine Regierungsvorlage für eine Novelle zum Tierversuchsgesetz mit der Zielsetzung eines Verbotes von Tierversuchen an Menschenaffen vorzulegen.

Lösung:

Entsprechung der Entschließung E 85-NR/XXII. GP.

Inhalt:

Verbot von Tierversuchen an „Menschenaffen“ bzw. „menschenartigen Affen“ (Hominoidea), das sind Schimpansen (Pan troglodytes), Bonobos (Pan paniscus), Gorillas (Gorilla gorilla spp), Orang-Utans (Pongidae) und Gibbons (Hylobatidae).

Alternativen:

Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes, d.h. kein ausdrücklich gesetzliches Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

keine

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

keine

Finanzielle Auswirkungen:

keine

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Eine (gesetzliche) Rechtsvorschrift betreffend ein Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen ist im gegenwärtigen EU-Recht – „Tierversuchsrichtlinie“ – Richtlinie des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere, 86/609/EWG – nicht enthalten; gemäß Art. 24 dieser RL „hindert diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht, strengere Maßnahmen zum Schutz der für Versuchszwecke verwendeten Tiere oder zur Kontrolle und Beschränkung der Verwendung von Versuchstieren zu ergreifen“.


ERLÄUTERUNGEN

1. Allgemeiner Teil

Das Tierversuchsgesetz, BGBl. Nr. 501/1989, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 136/2001, regelt in Österreich Tierversuche, d.h. (Tier-)Versuche an lebenden Tieren mit dem Ziel, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren und Ersatzmethoden zu fördern, in den Kompetenzbereichen, in denen eine Bundeszuständigkeit gegeben ist, d.h. in Angelegenheiten

                a) des Hochschulwesens (Art. 14 Abs. 1 B-VG),

               b) der wissenschaftlichen Einrichtungen des Bundes (Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG),

                c) des Gewerbes und der Industrie (Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG),

               d) des Gesundheitswesens, des Veterinärwesens und des Ernährungswesens einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle (Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG) sowie

                e) in Angelegenheiten betreffend Maßnahmen des Umweltschutzes, soweit der Bund gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG zuständig ist.

Gemäß § 10 Tierschutzgesetz, BGBl. I Nr. 118/2004, gilt für Tierversuche (§ 2 des Tierversuchsgesetzes, BGBl. Nr. 501/1989) in Angelegenheiten, die nach dem Bundes-Verfassungsgesetz in der Vollziehung Landessache sind, das Tierversuchsgesetz sinngemäß.

Tierversuche – wie in § 2 des Tierversuchsgesetzes definiert – sind alle für das Tier belastenden, insbesondere mit Angst, Schmerz, Leiden oder dauerhaften Schäden verbundenen experimentellen Eingriffe an oder Behandlung von lebenden Wirbeltieren, die über die landwirtschaftliche Nutzung und veterinärmedizinische Betreuung hinausgehen und das Ziel haben, eine wissenschaftliche Annahme zu prüfen, Informationen zu erlangen, einen Stoff zu gewinnen oder zu prüfen oder die Wirkung einer bestimmten Maßnahme am Tier festzustellen.

Das österreichische Tierversuchsgesetz, das die ausdrückliche Zielsetzung hat, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren und Ersatzmethoden zu fördern, sieht grundsätzlich nur die Genehmigung von Tierversuchen vor, die unter den sehr eingeschränkten Regelungen des § 3 Tierversuchsgesetz zulässig sind. Seit dem Inkrafttreten des Tierversuchsgesetzes, BGBl. Nr. 501/1989, geht aus der alljährlich zu veröffentlichenden Tierversuchsstatistik eine deutliche Reduktion der Tierversuche in Österreich hervor: Gegenüber erstmals im Jahr 1991 in Österreich aufgrund des Tierversuchsgesetzes erfassten und in der Tierversuchsstatistik publizierten 482.166 verwendeten Versuchstieren reduzierte sich die Zahl der Versuchstiere im Jahre 2003 (der zuletzt veröffentlichten Tierversuchsstatistik) auf 171.937 (davon vorwiegend Ratten und Mäuse: 148.382). Gegenüber 1991, der erstmaligen statistischen Erfassung von in Tierversuchen eingesetzten Versuchstieren, bedeutet dies eine Verringerung der Zahl der Versuchstiere in Tierversuchen auf weniger als 40 % oder eine Reduktion um mehr als 60 %.

Das Tierversuchsgesetz, samt Tierversuchs-Verordnung, BGBl. II Nr. 198/2000, und Tierversuchsstatistik-Verordnung, BGBl. II Nr. 199/2000, entspricht der „Tierversuchsrichtlinie“, Richtlinie 86/609/EWG (Richtlinie des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere).

Der Nationalrat hat in seiner Sitzung am 10. Dezember 2004 anlässlich der Verhandlung des Berichtes des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Antrag 380/A (E) der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungsoffensive für wissenschaftliche Alternativmethoden zum Tierversuch (765 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR/XXII. GP) auf Grund eines Antrages der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Kai Jan Krainer, Klaus Wittauer und Mag. Brigid Weinzinger die Entschließung Nr. E 85/XXII. GP angenommen, wonach die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur ersucht wird, gemeinsam mit den mit der Vollziehung des Tierversuchsgesetzes betrauten Bundesminister/innen dem Nationalrat eine Regierungsvorlage für eine Novelle zum Tierversuchsgesetz mit der Zielsetzung eines Verbotes von Tierversuchen an Menschenaffen vorzulegen.

Mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag wird der oben zitierten Entschließung des Nationalrates Nr. E 85-NR/XXII. GP entsprochen.

2. Besonderer Teil

Die Zulässigkeit von Tierversuchen wird insbesondere durch § 3 Tierversuchsgesetz geregelt. Hinsichtlich Tierversuchen an Menschenaffen ist nach allgemeinem Kenntnisstand festzuhalten, dass es schon seit einigen Jahren und auch gegenwärtig in Österreich keine Tierversuche an Menschenaffen gibt.

Die Zulässigkeit von Tierversuchen an Menschenaffen ist gemäß § 11 Abs. 2 Z 3, letzter Satz, Tierversuchsgesetz insofern eingeschränkt, als Tierversuche an Tieren gefährdeter Arten nur durchgeführt werden dürfen, „wenn dies im Einklang mit den anwendbaren Artenschutzbestimmungen, insbesondere der Verordnung (EWG) Nr. 3626/82, ABl. Nr. L384 vom 31. Dezember 1982, S. 1, steht und wenn die Versuche der Forschung im Hinblick auf die Erhaltung der betreffenden Art oder wesentlichen biomedizinischen Zwecken dienen, für die die betreffende Art ausnahmsweise alleine in Frage kommt“.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll jedenfalls ein ausdrückliches und durch Gesetz normiertes Verbot von Tierversuchen an „Menschenaffen“ i.w.S., d.h. für menschenartige Affen, herbeigeführt werden.

In diesem Zusammenhang soll noch einmal klargestellt werden, was unter Tierversuchen – wie im § 2 TVG definiert – zu verstehen ist, nämlich alle für das Tier belastenden, insbesondere mit Angst, Schmerz, Leiden oder dauerhaften Schäden verbundenen experimentellen Eingriffe an oder Behandlung von lebenden Wirbeltieren, die über die landwirtschaftliche Nutzung und veterinärmedizinische Betreuung hinausgehen und das Ziel haben, eine wissenschaftliche Annahme zu prüfen, Informationen zu erlangen, einen Stoff zu gewinnen oder zu prüfen oder die Wirkung einer bestimmten Maßnahme am Tier festzustellen. Keine Tierversuche sind jedenfalls alle Eingriffe oder Behandlungen an lebenden Wirbeltieren, und sohin auch an vom gegenständlichen Versuchsverbot umfassten „menschenartigen Affen“, die für das jeweilige Tier eine veterinärmedizinische Betreuung bzw. Behandlung bedeuten. Selbstverständlich sind auch keine „Versuche“ bzw. Experimente, die das Wohlbefinden und die Unversehrtheit des Tieres nicht beeinträchtigen. In diese Kategorie fallen die meisten Experimente aus den Themenkreisen der psychologischen (z.B. kognitiven und emotionalen) Forschung. Es ist diese Art Forschung, die die erweiterten Wissensgrundlagen insbesondere über die genannten Tierarten hinsichtlich ihres Sozialverhaltens und ihrer artgerechten Haltung erbracht hat.

Der Gesetzentwurf, der dem allgemeinen Begutachtungsverfahren unterzogen wurde, ging zunächst von den international üblichen und auch bereits in anderen EU-Mitgliedstaaten (Schweden und Niederlande) gesetzlich geregelten Tierversuchsverboten an „Menschenaffen“ („Great Apes“) aus; im Einzelnen sind dies Schimpansen (Pan troglodytes), Bonobos (Pan paniscus), Gorillas (Gorilla gorilla) und Orang-Utans (Pongo pygmaeus).

In diesem Zusammenhang ist allerdings auch zu erkennen, dass zur Frage, welche Tierarten zu den „Menschenaffen“ zu zählen sind, in der (wissenschaftlichen) Fachwelt zwar grundsätzlich Einverständnis besteht, wenngleich gewisse unterschiedliche Auffassungen und Standpunkte darüber sowie hinsichtlich terminologischer Zuordnungen zu verzeichnen sind. So gehören die oben angeführten Spezies ohne Frage zu den „Menschenaffen“ im engeren Sinn bzw. „Great Apes“. Allerdings findet in einer neueren Systematik auch der Begriff von „menschenartigen Affen“ Verwendung, als einer „Überfamilie Hominoidea“, die nun wiederum in „Great Apes“ (siehe oben) und „Lesser Apes“ (Familie Hylobatideae), die „Gibbons“, eingeteilt wird. Andererseits werden die „Great Apes“ in ihrer Systematik wiederum eingeteilt in die „Familie Pongidae“ (Orang Utans mit den zwei Arten: Pongo abelii und Pongo pygmaeus) und in die „Familie Hominidae“ (Gorillas – Gorilla gorilla, Bonobos – Pan paniscus und Schimpansen – Pan troglodytes); siehe dazu auch nachstehende Übersicht:

Um eine weitere semantische Diskussion über „Menschenaffen“ und „menschenartige Affen“ abzuklären, werden daher in der Regierungsvorlage – nicht zuletzt im Sinne eines möglichst umfassenden Tierschutzes – alle genannten Spezies der „menschenartigen Affen“ in das gesetzliche Verbot miteinbezogen.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

In Bezug auf EU-Konformität ist festzustellen, dass eine derartige (gesetzliche) Rechtsvorschrift betreffend Tierversuche an Menschenaffen im gegenwärtigen EU-Recht – „Tierversuchsrichtlinie“ – Richtlinie des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere, 86/609/EWG – nicht enthalten ist. Gemäß Art. 24 dieser RL „hindert diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht, strengere Maßnahmen zum Schutz der für Versuchszwecke verwendeten Tiere oder zur Kontrolle und Beschränkung der Verwendung von Versuchstieren zu ergreifen“.

Im internationalen Vergleich übernimmt Österreich mit einem gesetzlichen Verbot von Tierversuchen an „Menschenaffen“ eine gewisse „Vorreiterrolle“ betreffend Beschränkungen im Tierversuchsbereich und hinsichtlich Tierschutz.

Was einen Vergleich mit den übrigen Mitgliedstaaten der EU betrifft, so hat eine jüngste Umfrage bei den Mitgliedstaaten der EU ergeben, dass mit Ausnahme von Schweden und den Niederlanden keine gesetzlichen Regelungen betreffend ein Verbot von Tierversuchen an Menschenaffen bestehen oder derzeit beabsichtigt sind.


 


Textgegenüberstellung

Geltende Fassung:

Vorgeschlagene Fassung:

I. Abschnitt

I. Abschnitt

Änderungen

Zulässigkeit von Tierversuchen

Zulässigkeit von Tierversuchen

§ 3 (1) bis (5) …

§ 3 (1) bis (5)

(6) Tierversuche an allen Arten und Unterarten der Schimpansen (Pan troglodytes), Bonobos (Pan paniscus) und Gorillas (Gorilla gorilla spp), sowie an allen Arten und Unterarten der Familien Orang Utans (Pongidae) und Gibbons (Hylobatidae) sind verboten.

VIII. Abschnitt

VIII. Abschnitt

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

§ 20 (1) bis (5) ...

§ 20 (1) bis (5) ...

(6) § 3 Abs. 6, in der Fassung des BGBl. I Nr. XXX/2005, tritt mit XXXX 2005 in Kraft.