994 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Regierungsvorlage
Bundesgesetz, mit
dem ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz erlassen wird und mit dem das
Mediengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das
Patentgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Halbleiterschutzgesetz, das
Musterschutzgesetz 1990 und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden
Der
Nationalrat hat beschlossen:
Inhaltsverzeichnis
Artikel 1 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz
Artikel 2 Änderungen
des Mediengesetzes
Artikel 3 Änderung
des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes
Artikel 4 Änderungen
des Patentgesetzes
Artikel 5 Änderungen
des Markenschutzgesetzes 1970
Artikel 6 Änderungen
des Halbleiterschutzgesetzes
Artikel 7 Änderungen
des Musterschutzgesetzes 1990
Artikel 8 Änderungen
des Gebrauchsmustergesetzes
Artikel 1
Bundesgesetz
über die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten
(Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – VbVG)
1. Abschnitt
Anwendungsbereich
und Begriffsbestimmungen
Verbände
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt, unter
welchen Voraussetzungen Verbände für Straftaten verantwortlich sind und wie sie
sanktioniert werden, sowie das Verfahren, nach dem die Verantwortlichkeit
festgestellt und Sanktionen auferlegt werden. Straftat im Sinne dieses Gesetzes
ist eine nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte
Handlung; auf Finanzvergehen ist dieses Bundesgesetz jedoch nur insoweit
anzuwenden, als dies im Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958, vorgesehen
ist.
(2) Verbände im Sinne
dieses Gesetzes sind juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften,
Eingetragene Erwerbsgesellschaften und Europäische wirtschaftliche
Interessenvereinigungen.
(3) Keine Verbände im
Sinne dieses Gesetzes sind
1. die Verlassenschaft;
2. Bund, Länder, Gemeinden und andere juristische
Personen, soweit sie in Vollziehung der Gesetze handeln;
3. anerkannte Kirchen, Religionsgesellschaften und
religiöse Bekenntnisgemeinschaften, soweit sie seelsorgerisch tätig sind.
Entscheidungsträger
und Mitarbeiter
§ 2.
(1) Entscheidungsträger
im Sinne dieses Gesetzes ist, wer
1. Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder
Prokurist ist oder aufgrund organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher
Vertretungsmacht in vergleichbarer Weise dazu befugt ist, den Verband nach
außen zu vertreten,
2. Mitglied des Aufsichtsrates oder des
Verwaltungsrates ist oder sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung
ausübt, oder
3. sonst maßgeblichen Einfluss auf die
Geschäftsführung des Verbandes ausübt.
(2) Mitarbeiter im
Sinne dieses Gesetzes ist, wer
1. auf Grund eines Arbeits-, Lehr- oder anderen
Ausbildungsverhältnisses,
2. auf Grund eines dem Heimarbeitsgesetz 1960,
BGBl. Nr. 105/1961, unterliegenden oder eines arbeitnehmerähnlichen
Verhältnisses,
3. als überlassene Arbeitskraft (§ 3
Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes – AÜG, BGBl. Nr. 196/1988)
oder
4. auf Grund eines Dienst- oder sonst eines
besonderen öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses
Arbeitsleistungen
für den Verband erbringt.
2. Abschnitt
Verbandsverantwortlichkeit
– Materiellrechtliche Bestimmungen
Verantwortlichkeit
§ 3. (1) Ein Verband ist unter den weiteren
Voraussetzungen des Abs. 2 oder des Abs. 3 für eine Straftat
verantwortlich, wenn
1. die Tat zu seinen Gunsten begangen worden ist
oder
2. durch die Tat Pflichten verletzt worden sind,
die den Verband treffen.
(2) Für Straftaten
eines Entscheidungsträgers ist der Verband verantwortlich, wenn der
Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen
hat.
(3) Für Straftaten von
Mitarbeitern ist der Verband verantwortlich, wenn
1. Mitarbeiter den Sachverhalt, der dem
gesetzlichen Tatbild entspricht, rechtswidrig verwirklicht haben; der Verband
ist für eine Straftat, die vorsätzliches Handeln voraussetzt, nur
verantwortlich, wenn ein Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt hat; für eine
Straftat, die fahrlässiges Handeln voraussetzt, nur, wenn Mitarbeiter die nach
den Umständen gebotene Sorgfalt außer acht gelassen haben; und
2. die Begehung der Tat dadurch ermöglicht oder
wesentlich erleichtert wurde, dass Entscheidungsträger die nach den Umständen
gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, insbesondere indem
sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur
Verhinderung solcher Taten unterlassen haben.
(4) Die
Verantwortlichkeit eines Verbandes für eine Tat und die Strafbarkeit von
Entscheidungsträgern oder Mitarbeitern wegen derselben Tat schließen einander
nicht aus.
Verbandsgeldbuße
§ 4. (1) Ist ein Verband für eine Straftat
verantwortlich, so ist über ihn eine Verbandsgeldbuße zu verhängen.
(2) Die Verbandsgeldbuße
ist in Tagessätzen zu bemessen. Sie beträgt mindestens einen Tagessatz.
(3) Die Anzahl der
Tagessätze beträgt bis zu
180,
–
wenn die Tat mit lebenslanger oder Freiheitsstrafe bis zu zwanzig Jahren
bedroht ist,
155,
–
wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu fünfzehn Jahren bedroht ist,
130,
–
wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bedroht ist,
100,
–
wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht ist,
85,
–
wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist,
70,
–
wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht ist,
55,
–
wenn die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht ist,
40
–
in allen übrigen Fällen.
(4) Der Tagessatz ist
nach der Ertragslage des Verbandes unter Berücksichtigung von dessen sonstiger
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu bemessen. Er ist mit einem Betrag
festzusetzen, der dem 360. Teil des Jahresertrages entspricht oder diesen
um höchstens ein Drittel über- oder unterschreitet, mindestens jedoch mit
50 Euro. Dient der Verband gemeinnützigen, humanitären oder kirchlichen
Zwecken (§§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung, BGBl Nr. 194/1961)
oder ist er sonst nicht auf Gewinn gerichtet, so ist der Tagessatz mit
mindestens 2 und höchstens 500 Euro festzusetzen.
Bemessung
der Verbandsgeldbuße
§ 5. (1). Bei der Bemessung der Anzahl der
Tagessätze hat das Gericht Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht
schon die Höhe der angedrohten Geldbuße bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
(2) Die Anzahl ist
insbesondere umso höher zu bemessen,
1. je größer die Schädigung oder Gefährdung ist,
für die der Verband verantwortlich ist;
2. je höher der aus der Straftat vom Verband
erlangte Vorteil ist;
3. je mehr gesetzwidriges Verhalten von Mitarbeitern
geduldet oder begünstigt wurde.
(3) Die Anzahl ist
insbesondere geringer zu bemessen, wenn
1. der Verband schon vor der Tat Vorkehrungen zur
Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu rechtstreuem Verhalten
angehalten hat;
2. der Verband lediglich für Straftaten von
Mitarbeitern verantwortlich ist (§ 3 Abs. 3);
3. er nach der Tat erheblich zur Wahrheitsfindung
beigetragen hat;
4. er die Folgen der Tat gutgemacht hat;
5. er wesentliche Schritte zur zukünftigen
Verhinderung ähnlicher Taten unternommen hat;
6. die Tat bereits gewichtige rechtliche Nachteile
für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen hat.
Bedingte
Nachsicht der Verbandsgeldbuße
§ 6. (1) Wird ein Verband zu einer
Verbandsgeldbuße von nicht mehr als 70 Tagessätzen verurteilt, so ist die
Buße unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei
Jahren, gegebenenfalls unter Erteilung von Weisungen (§ 8), bedingt
nachzusehen, wenn anzunehmen ist, dass dies genügen werde, um von der Begehung
weiterer Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), abzuhalten,
und es nicht der Vollstreckung der Geldbuße bedarf, um der Begehung von Taten
im Rahmen der Tätigkeit anderer Verbände entgegenzuwirken. Dabei sind
insbesondere die Art der Tat, das Gewicht der Pflichtverletzung oder des
Sorgfaltsverstoßes, frühere Verurteilungen des Verbandes, die Verlässlichkeit
der Entscheidungsträger und die nach der Tat von dem Verband gesetzten
Maßnahmen zu berücksichtigen.
(2) Wird die Nachsicht
nicht widerrufen, so ist die Geldbuße endgültig nachzusehen. Fristen, deren
Lauf beginnt, sobald die Geldbuße vollstreckt ist, sind in einem solchen Fall
ab Rechtskraft des Urteils zu berechnen.
Bedingte
Nachsicht eines Teiles der Verbandsgeldbuße
§ 7. Wird ein Verband zu einer Verbandsgeldbuße
verurteilt und treffen die Voraussetzungen des § 6 auf einen Teil der Buße
zu, so ist dieser Teil, mindestens aber ein Drittel und höchstens fünf
Sechstel, unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens
drei Jahren, gegebenenfalls unter Erteilung von Weisungen (§ 8), bedingt
nachzusehen.
Weisungen
§ 8.
(1) Wird einem Verband
die Verbandsgeldbuße ganz oder zum Teil bedingt nachgesehen, so kann ihm das
Gericht Weisungen erteilen.
(2) Dem Verband ist
als Weisung aufzutragen, den aus der Tat entstandenen Schaden nach Kräften
gutzumachen, soweit dies noch nicht erfolgt ist.
(3) Im Übrigen können
dem Verband mit dessen Zustimmung als Weisungen technische, organisatorische
oder personelle Maßnahmen aufgetragen werden, um der Begehung weiterer Taten,
für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), entgegenzuwirken.
Widerruf der
bedingten Nachsicht der Verbandsgeldbuße
§ 9. (1) Wird der Verband wegen der
Verantwortlichkeit für eine während der Probezeit begangene Tat verurteilt, so
hat das Gericht die bedingte Nachsicht der Buße zu widerrufen und die Buße oder
den Teil der Buße vollziehen zu lassen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen
Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um die Begehung weiterer
Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), zu verhindern. Eine
Tat, die in der Zeit zwischen der Entscheidung erster Instanz und der
Rechtskraft der Entscheidung über die Gewährung der bedingten Nachsicht
begangen worden ist, steht einer in der Probezeit begangenen Tat gleich.
(2) Befolgt der
Verband eine Weisung trotz förmlicher Mahnung nicht, so hat das Gericht die
bedingte Nachsicht zu widerrufen und die Buße oder den Teil der Buße vollziehen
zu lassen, wenn dies nach den Umständen geboten erscheint, um die Begehung
weiterer Taten, für die der Verband verantwortlich ist (§ 3), zu
verhindern.
(3) Wird in den Fällen
der Abs. 1 und 2 die bedingte Nachsicht nicht widerrufen, so kann das
Gericht die Probezeit bis auf höchstens fünf Jahre verlängern und neue Weisungen
erteilen.
(4) Wird der Verband
in Anwendung von § 31 StGB nachträglich zu einer Zusatzgeldbuße
verurteilt, so kann das Gericht die bedingte Nachsicht der Buße zur Gänze oder
zum Teil widerrufen und die Buße oder den Teil der Buße vollziehen lassen, soweit
die Geldbußen bei gemeinsamer Aburteilung nicht bedingt nachgesehen worden
wären. Wird die bedingte Nachsicht nicht widerrufen, so dauert jede der
zusammentreffenden Probezeiten bis zum Ablauf der Probezeit, die zuletzt endet,
jedoch nicht länger als fünf Jahre.
Rechtsnachfolge
§ 10. (1) Werden die Rechte und
Verbindlichkeiten des Verbandes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen
anderen Verband übertragen, so treffen die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen
Rechtsfolgen den Rechtsnachfolger. Über den Rechtsvorgänger verhängte
Rechtsfolgen wirken auch für den Rechtsnachfolger.
(2) Der
Gesamtrechtsnachfolge ist Einzelrechtsnachfolge gleichzuhalten, wenn im
Wesentlichen die selben Eigentumsverhältnisse am Verband bestehen und der
Betrieb oder die Tätigkeit im Wesentlichen fortgeführt wird.
(3) Besteht mehr als
ein Rechtsnachfolger, so kann eine über den Rechtsvorgänger verhängte Geldbuße
gegen jeden Rechtsnachfolger vollstreckt werden. Andere Rechtsfolgen können
einzelnen Rechtsnachfolgern zugeordnet werden, soweit dies deren
Tätigkeitsbereich entspricht.
Ausschluss
eines Rückgriffs
§ 11. Für Sanktionen und Rechtsfolgen, die den
Verband auf Grund dieses Bundesgesetzes treffen, ist ein Rückgriff auf
Entscheidungsträger oder Mitarbeiter ausgeschlossen.
Anwendung
der allgemeinen Strafgesetze
§ 12. (1) Im Übrigen gelten die allgemeinen Strafgesetze
auch für Verbände, soweit sie nicht ausschließlich auf natürliche Personen
anwendbar sind.
(2) Macht das Gesetz
die Geltung österreichischer Strafgesetze für im Ausland begangene Taten vom
Wohnsitz oder Aufenthalt des Täters im Inland oder von dessen österreichischer
Staatsbürgerschaft abhängig, so ist für Verbände der Sitz des Verbandes oder
der Ort des Betriebes oder der Niederlassung maßgebend.
(3) Die Frist für die
Verjährung der Vollstreckbarkeit beträgt
fünfzehn Jahre,
–
wenn auf Geldbuße von mehr als 100 Tagessätzen erkannt worden ist,
zehn Jahre,
–
wenn auf Geldbuße von mehr als 50, aber nicht mehr als 100 Tagessätzen erkannt
worden ist,
fünf Jahre
–
in allen übrigen Fällen.
3. Abschnitt
Verfahren
gegen Verbände
Einleitung
des Verfahrens
§ 13. (1) Sobald sich auf Grund bestimmter Tatsachen der
Verdacht ergibt, dass ein Verband für eine von Amts wegen zu verfolgende
Straftat verantwortlich sein könnte (§ 3), hat die Staatsanwaltschaft
Ermittlungen zur Feststellung dieser Verantwortlichkeit einzuleiten oder einen
Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße bei Gericht einzubringen. Der
Verband hat im Verfahren die Rechte des Beschuldigten (belangter Verband).
(2) Ist eine Straftat
nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen, so gilt § 46 der
Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGBl. I Nr. 164/2004, mit der Maßgabe, dass die Frist von sechs
Wochen mit dem Tag beginnt, an dem der zur Privatanklage berechtigten Person
ein hinlänglicher Verdacht bekannt geworden ist, dass ein Verband für die von
ihm zu verfolgende Straftat verantwortlich sein könnte (§ 3).
Anwendung
der Bestimmungen über das Strafverfahren
§ 14. (1) Für Verfahren auf Grund dieses
Bundesgesetzes gelten die allgemeinen Vorschriften über das Strafverfahren,
soweit sie nicht ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar sind und sich
aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt.
(2) Verfahren gegen
Verbände gelten im Sinne der Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes,
des Staatsanwaltschaftsgesetzes und der Geschäftsordnung für die Gerichte I.
und II. Instanz als Strafsachen.
(3) Die Begriffe
„strafbare Handlung“, „Vergehen“ und „Verbrechen“ in den in Abs. 1 und 2
genannten Bestimmungen sind als Bezugnahme auf Straftaten zu verstehen, für die
der Verband verantwortlich sein könnte (§ 3); die Begriffe „Verdächtiger“,
„Beschuldigter“ und „Angeklagter“ als Bezugnahme auf den belangten Verband
(§ 13); der Begriff „Strafe“ als Bezugnahme auf die Verbandsgeldbuße.
Zuständigkeit
§ 15. (1) Die Zuständigkeit des Gerichtes für die der
Straftat verdächtige oder beschuldigte natürliche Person begründet auch die
Zuständigkeit für das Verfahren gegen den belangten Verband. Die Verfahren sind
in der Regel gemeinsam zu führen (§§ 56, 57 StPO). Dem Verband kommen auch
im Verfahren gegen die natürliche Person die Rechte des Beschuldigten zu.
(2) Wird das Verfahren
gegen den belangten Verband nicht gemeinsam mit jenem gegen die natürliche
Person geführt, so sind die §§ 52 und 54 StPO mit der Maßgabe anzuwenden,
dass sich die Zuständigkeit nach dem Sitz des belangten Verbandes, besteht ein
solcher im Inland nicht, nach dem Ort des Betriebes oder der Niederlassung
richtet. Kann auf diese Weise die Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes
nicht begründet werden, so ist das Landesgericht für Strafsachen Wien oder das
Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig.
Zustellung
und notwendige Verteidigung
§ 16. (1) Die Verständigung von der Einleitung des
Verfahrens, der Antrag auf Verhängung einer Geldbuße, die Ladung zur
Hauptverhandlung und das Abwesenheitsurteil sind in jedem Fall dem belangten
Verband selbst zu eigenen Handen eines Mitglieds des zur Vertretung nach außen
berufenen Organs zuzustellen.
(2) Stehen sämtliche
Mitglieder des zur Vertretung nach außen befugten Organs selbst im Verdacht,
die Straftat begangen zu haben, so hat das Gericht dem belangten Verband von
Amts wegen einen Verteidiger beizugeben. Dieser hat auch die nach der Art des
Verbandes erforderlichen Schritte zur Bewirkung einer ordnungsgemäßen
Vertretung des Verbandes zu setzen, wie die Verständigung oder Einberufung von
geeigneten Organen, Eigentümern oder Mitgliedern. Die Bestellung endet mit dem
Einschreiten eines Vertreters oder eines gewählten Verteidigers.
(3) Wurde einem
belangten Verband wirksam zugestellt, so gilt im Anwendungsbereich von
§ 10 auch die Bekanntgabe an den Rechtsnachfolger als erfolgt.
Vernehmung
als Beschuldigter
§ 17. (1) Die Entscheidungsträger des Verbandes
sowie jene Mitarbeiter, die im Verdacht stehen, die Straftat begangen zu haben,
oder wegen der Straftat bereits verurteilt sind, sind als Beschuldigte zu laden
und zu vernehmen. § 455 Abs. 2 StPO ist anzuwenden.
(2) Dem
Entscheidungsträger oder Mitarbeiter ist vor Beginn der Vernehmung mitzuteilen,
welche Straftat dem Verband zur Last gelegt wird. Sodann ist er darüber zu
belehren, dass er berechtigt sei, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen
und sich zuvor mit einem Verteidiger zu beraten. Er ist auch darauf aufmerksam
zu machen, dass seine Aussage seiner Verteidigung und jener des belangten
Verbandes dienen, aber auch als Beweis gegen ihn und gegen den Verband
Verwendung finden könne.
Verfolgungsermessen
§ 18. (1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung
eines Verbandes absehen oder zurücktreten, wenn in Abwägung der Schwere der
Tat, des Gewichts der Pflichtverletzung oder des Sorgfaltsverstoßes, der Folgen
der Tat, des Verhaltens des Verbandes nach der Tat, der zu erwartenden Höhe
einer über den Verband zu verhängenden Geldbuße sowie allfälliger bereits
eingetretener oder unmittelbar absehbarer rechtlicher Nachteile des Verbandes
oder seiner Eigentümer aus der Tat eine Verfolgung und Sanktionierung
verzichtbar erscheint. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Ermittlungen oder
Verfolgungsanträge mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden wären, der
offenkundig außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache oder zu den im Fall einer
Verurteilung zu erwartenden Sanktionen stünde.
(2) Von der Verfolgung
darf jedoch nicht abgesehen oder zurückgetreten werden, wenn diese
1. wegen einer vom Verband ausgehenden Gefahr der
Begehung einer Tat mit schweren Folgen, für die der Verband verantwortlich sein
könnte,
2. um der Begehung von Taten im Rahmen der
Tätigkeit anderer Verbände entgegenzuwirken, oder
3. sonst wegen besonderen öffentlichen Interesses
geboten
erscheint.
Rücktritt
von der Verfolgung (Diversion)
§ 19.
(1) Steht auf Grund
hinreichend geklärten Sachverhalts fest, dass ein Zurücklegen der Anzeige oder
ein Vorgehen nach § 18 nicht in Betracht kommt, und liegen die in
§ 90a Abs. 2 Z 1 und 3 StPO genannten Voraussetzungen vor,
so hat der Staatsanwalt von der Verfolgung eines belangten Verbandes wegen der
Verantwortlichkeit für eine Straftat zurückzutreten, wenn der Verband den aus
der Tat entstandenen Schaden gut macht sowie andere Tatfolgen beseitigt und
dies unverzüglich nachweist und wenn die Verhängung einer Verbandsgeldbuße im
Hinblick auf
1. die Zahlung eines Geldbetrages, der in Höhe von
bis zu 50 Tagessätzen zuzüglich der im Fall einer Verurteilung zu ersetzenden
Kosten des Verfahrens festzusetzen ist (§ 90c StPO),
2. eine zu bestimmende Probezeit von bis zu drei
Jahren, soweit möglich und zweckmäßig in Verbindung mit der ausdrücklich
erklärten Bereitschaft des Verbandes, eine oder mehrere der in § 8
Abs. 3 genannten Maßnahmen zu ergreifen (§ 90f StPO), oder
3. die ausdrückliche Erklärung des Verbandes,
innerhalb einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten unentgeltlich
bestimmte gemeinnützige Leistungen zu erbringen (§ 90d StPO),
nicht
geboten erscheint, um der Begehung von Straftaten, für die der Verband
verantwortlich gemacht werden kann (§ 3), und der Begehung von Straftaten
im Rahmen der Tätigkeit anderer Verbände entgegenzuwirken. § 90e
Abs. 1 StPO ist nicht anzuwenden.
(2) Das Gericht hat
Abs. 1 unter den dort genannten Voraussetzungen sinngemäß anzuwenden und
nach Einleitung der Voruntersuchung oder Einbringung des Antrags auf Verhängung
einer Verbandsgeldbuße das Verfahren gegen den Verband bis zum Schluss der
Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen (§ 90b StPO).
Einstweilige
Verfügungen
§ 20. Ist ein belangter Verband dringend verdächtig, für
eine bestimmte Straftat verantwortlich zu sein, und ist anzunehmen, dass über
ihn eine Verbandsgeldbuße verhängt werden wird, so hat der Untersuchungsrichter
auf Antrag der Staatsanwaltschaft zur Sicherung der Geldbuße eine einstweilige
Verfügung zu erlassen, wenn und soweit auf Grund bestimmter Tatsachen zu
befürchten ist, dass andernfalls die Einbringung gefährdet oder wesentlich
erschwert wäre. Im Übrigen ist § 144a Abs. 1 letzter Satz und
Abs. 2 bis 7 StPO anzuwenden.
Antrag auf
Verhängung einer Verbandsgeldbuße
§
21. (1) Das
Hauptverfahren wird durch den Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße
eingeleitet, auf den im Verfahren vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder
Schöffengericht die Bestimmungen über die Anklageschrift, im Verfahren vor dem
Landesgericht als Einzelrichter oder dem Bezirksgericht jedoch die Bestimmungen
über den Strafantrag anzuwenden sind. In jedem Fall ist jedoch der Sachverhalt
zusammenzufassen und zu beurteilen, aus dem sich die Verantwortlichkeit des Verbandes
(§ 3) ergibt.
(2) Der Antrag auf
Verhängung einer Verbandsgeldbuße ist mit der Anklage oder dem Strafantrag
gegen natürliche Personen zu verbinden, wenn die Verfahren gemeinsam geführt
werden können (§ 15 Abs. 1).
(3) Kann das Verfahren
gegen den belangten Verband nicht gemeinsam mit jenem gegen die natürliche
Person geführt werden, so hat der Ankläger einen selbstständigen Antrag auf
Verhängung einer Verbandsgeldbuße zu stellen. Über einen solchen Antrag hat das
Gericht in einem selbstständigen Verfahren nach öffentlicher mündlicher
Verhandlung durch Urteil zu entscheiden.
Hauptverhandlung
und Urteil
§
22. (1) Wird die
Hauptverhandlung gegen den belangten Verband und eine natürliche Person
gemeinsam geführt (§ 15 Abs. 1), so hat das Gericht im Anschluss an
das Beweisverfahren, das für beide Verfahren gemeinsam durchgeführt wird,
zunächst nur die Schlussvorträge betreffend die natürliche Person zuzulassen
und dann das Urteil über die natürliche Person zu verkünden.
(2) Im Fall eines
Schuldspruches sind in fortgesetzter Hauptverhandlung Schlussvorträge zu den
Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit des Verbandes sowie den für die
Bemessung einer Geldbuße und die Festsetzung anderer Sanktionen maßgeblichen
Umstände zu halten. Danach verkündet das Gericht das Urteil über den Verband.
(3) Im Fall des
Freispruchs muss der Ankläger binnen drei Tagen bei Verlust des
Verfolgungsrechts erklären, ob in einem selbstständigen Verfahren über die
Verhängung einer Verbandsgeldbuße entschieden werden soll. Stellt der Ankläger
diesen Antrag, so hat das Gericht nach Abs. 2 vorzugehen.
(4) Das Urteil über
den Verband hat im Fall einer Verurteilung bei sonstiger Nichtigkeit
auszusprechen, für welche Straftat der Verband auf Grund welcher Umstände für
verantwortlich befunden wird; im Übrigen ist § 260 Abs. 1 Z 3
bis 5 StPO anzuwenden.
(5) Die
Urteilsausfertigung muss die in § 270 Abs. 2 StPO sowie in
Abs. 4 angeführten Inhalte haben.
Hauptverhandlung
und Urteil in Abwesenheit
§
23. Ist der belangte
Verband in der Hauptverhandlung nicht vertreten, so kann das Gericht die
Hauptverhandlung durchführen, die Beweise aufnehmen und das Urteil verkünden,
jedoch bei sonstiger Nichtigkeit nur dann, wenn die Vorladung zur
Hauptverhandlung wirksam zugestellt wurde und in der Vorladung diese
Rechtsfolgen angedroht wurden. Das Urteil ist in diesem Fall dem Verband durch
Zustellung einer Ausfertigung bekannt zu machen.
Rechtsmittel
§
24. Gegen Urteile, die
über einen Verband ergangen sind, stehen – auch im Falle des selbstständigen
Verfahrens – die in der StPO gegen Urteile vorgesehenen Rechtsmittel und
Rechtsbehelfe offen.
Verfahren
bei Widerruf einer bedingten Nachsicht
§ 25. Für einen Widerruf der bedingten Nachsicht
nach § 9 Abs. 1 ist § 494a StPO mit der Maßgabe anzuwenden, dass
das Bezirksgericht als erkennendes Gericht nur zuständig ist, wenn die Buße
oder deren Teil 55 Tagessätze nicht übersteigt; der Einzelrichter beim
Gerichtshof erster Instanz nur, wenn die Buße oder deren Teil 100 Tagessätze
nicht übersteigt.
Verständigung
der zuständigen Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörde
§ 26. (1) Von der Einleitung und der Beendigung eines
Verfahrens gegen einen Verband hat das Gericht die für den betroffenen
Tätigkeitsbereich zuständige Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörde zu verständigen
und ihr eine Ausfertigung des Beschlusses, mit dem das Verfahren eingestellt
wird, oder des Urteils zu übermitteln.
(2) Das Gericht kann
die Behörde (Abs. 1) ersuchen, an der Überwachung der Einhaltung einer
Weisung oder einer Maßnahme nach § 19 Abs. 1 Z 2 mitzuwirken.
(3) Beabsichtigt die
Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung nach § 19 Abs. 1 Z 2
zurückzutreten, so sind Abs. 1 und 2 sinngemäß anzuwenden.
Vollstreckung
von Verbandsgeldbußen
§ 27. (1) Nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung hat
das Gericht den Verband schriftlich aufzufordern, die Verbandsgeldbuße binnen
14 Tagen zu zahlen, widrigenfalls sie zwangsweise eingetrieben würde. Kommt der
Verband dieser Aufforderung nicht nach, so ist die gerichtliche Einbringung
nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz 1962 zu veranlassen.
(2) Ist absehbar, dass
der Verband die Folgen der Tat gutmachen werde und dass dadurch die
Voraussetzungen einer nachträglichen Milderung der Geldbuße erfüllt sein
werden, so kann der Vorsitzende auf Antrag die Zahlung der Geldbuße zur Gänze
oder zum Teil für höchstens sechs Monate aufschieben.
(3) Träfe die
unverzügliche Zahlung der Verbandsgeldbuße den Verband unbillig hart, so kann
der Vorsitzende auf Antrag mit Beschluss angemessenen Aufschub durch Raten
gewähren, wobei die letzte Rate spätestens nach zwei Jahren zu zahlen ist und
alle noch offenen Teilbeträge fällig werden, wenn der Verband mit zwei Raten im
Verzug ist.
4. Abschnitt
Schlussbestimmungen
In-Kraft-Treten
§
28. Dieses Bundesgesetz
tritt mit 1. Jänner 2006 in Kraft.
Verweisungen
§
29. (1) Verweisungen in
diesem Gesetz auf andere Rechtsvorschriften des Bundes sind als Verweisungen
auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen.
(2) Soweit in diesem
Gesetz personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind,
beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung
auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu
verwenden.
Vollziehung
§
30. Mit der Vollziehung
dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Justiz betraut.
Artikel 2
Änderungen des
Mediengesetzes
Das
Mediengesetz, zuletzt geändert durch BGBl. I XXX, wird wie folgt geändert:
1. Art. I
§ 35 samt Überschrift entfällt.
2. In Art. I
§ 41 Abs. 7 werden die Worte „über
die Einziehung, die Urteilsveröffentlichung und die Haftung“ durch die Worte „über die Einziehung und die
Urteilsveröffentlichung“
ersetzt.
3. Dem
Art. VIa wird folgender Abs. 4 angefügt:
„(4) Art. I
§ 35 tritt mit 1.1.2006 außer Kraft. Art. I § 41 Abs. 7 in
der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. XXX/2005 tritt mit 1.1.2006 in Kraft.“
Artikel 3
Änderung des
Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes
Das
Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), BGBl. I
Nr. XXX/2005, wird wie folgt geändert:
Dem § 86 wird
folgender Abs. 4 angefügt:
„(4) Die Bestimmungen
in Abs. 1 bis 3 sind auf Verbände im Sinn des
Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes, BGBl. I Nr. XXX/2005, nicht
anzuwenden.“
Artikel 4
Änderungen des
Patentgesetzes
Das
Patentgesetz, BGBl. 259/1970, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz
BGBl. I Nr. XXX, wird wie folgt geändert:
1. Im § 159
Abs. 3 entfällt der zweite Satz.
2. Dem § 180
wird folgender Abs. 13 angefügt:
„(13) § 159
Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. XXX/2005 tritt mit
1.1.2006 in Kraft.“
Artikel 5
Änderungen des
Markenschutzgesetzes 1970
Das
Markenschutzgesetz 1970, BGBl. Nr. 260, zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGBl. I. Nr. XXX, wird wie folgt geändert:
1. Im § 60
Abs. 4 entfällt der zweite Satz.
2. Im § 68h
Abs. 4 entfällt der zweite Satz.
3. Dem § 81
wird folgender Abs. 8 angefügt:
„(8) § 60
Abs. 4 und § 68h Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.
Nr. XXX/2005 treten mit 1.1.2006 in Kraft.“
Artikel 6
Änderungen des
Halbleiterschutzgesetzes
Das
Halbleiterschutzgesetz, BGBl. Nr. 372/1988, zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX, wird wie folgt geändert:
1. Im § 22
Abs. 3 entfällt der zweite Satz.
2. Dem § 27
wird folgender Abs. 6 angefügt:
„(6) § 22
Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. XXX/2005 tritt mit
1.1.2006 in Kraft.“
Artikel 7
Änderungen des
Musterschutzgesetzes 1990
Das
Musterschutzgesetz 1990, BGBl. Nr. 497, zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX, wird wie folgt geändert:
1. Im § 35
Abs. 3 entfällt der zweite Satz.
2. Dem § 46
wird folgender Abs. 9 angefügt:
„(9) § 35
Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. XXX/2005 tritt mit
1.1.2006 in Kraft.“
Artikel 8
Änderung des
Gebrauchsmustergesetzes
Das
Gebrauchsmustergesetz, BGBl. Nr. 211/1994, zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX, wird wie folgt geändert:
1. Im § 42
Abs. 3 entfällt der zweite Satz.
2. Dem § 53
wird folgender Abs. 8 angefügt:
„(8) § 42
Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. XXX/2005 tritt mit
1.1.2006 in Kraft.“