Vorblatt
Inhalt
Der vorliegende
Gesetzesentwurf sieht vor, eine Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten
einzuführen. Unter Verbänden versteht der Entwurf einerseits juristische
Personen, andererseits auch bestimmte Gesellschaften, insbesondere Personenhandelsgesellschaften.
Verbände sollen im Rahmen des gerichtlichen Strafverfahrens verurteilt werden
können, wenn im Rahmen der Tätigkeit des Verbandes von Personen, die für den
Verband handeln, eine Straftat begangen worden ist. Während nach bisheriger
Rechtslage nur gegen natürliche Personen ein Strafverfahren geführt werden
kann, soll dies in Zukunft also auch gegen Verbände möglich sein.
Unmittelbarer
Anlass für diese Systemänderung im österreichischen Strafrecht sind
internationale Verpflichtungen, einerseits zahlreiche Rechtsakte der EU,
andererseits völkerrechtliche Verpflichtungen.
Der Entwurf dient
aber auch der Umsetzung des Regierungsprogramms der am 28.3.2003 angelobten
Bundesregierung: Im Abschnitt „Justiz“ des Regierungsprogramms ist die Einführung
einer „Strafbarkeit juristischer Personen“ vorgesehen.
Es wird
vorgeschlagen, ein neues Bundesgesetz zu schaffen
(Verbandsverantwortlichkeitsgesetz).
Ein
materiellrechtlicher Abschnitt enthält Bestimmungen insbesondere darüber, unter
welchen Voraussetzungen ein Verband für Straftaten verantwortlich werden kann,
und über Sanktionen. Der Entwurf sieht vor, dass ein Verband grundsätzlich für
jeden Deliktstypus verantwortlich sein kann, der im Besonderen Teil des StGB
oder in den Nebengesetzen enthalten ist; offen bleibt lediglich die Anpassung
des Finanzstrafgesetzes. Bei der Ausgestaltung der Voraussetzungen
folgt der Entwurf grundsätzlich dem Modell der EU-Rechtsakte, die zwischen zwei
Grundfällen unterscheiden: einerseits die Begehung einer Straftat durch
Entscheidungsträger, andererseits die Begehung durch Mitarbeiter bei mangelnder
Überwachung oder Kontrolle. Über Verbände sollen Geldbußen verhängt werden, die
in einem Tagessatzsystem an der Ertragslage des Verbandes zu bemessen sein
sollen; es soll eine bedingte Nachsicht möglich sein. Große Bedeutung misst der
Entwurf Weisungen bei, die das Gericht dem Verband auferlegen kann, um die Begehung
weiterer strafbarer Handlungen hintan zu halten.
In einem weiteren
Abschnitt enthält der Entwurf Sonderbestimmungen für das Verfahren gegen Verbände.
Geregelt werden insbesondere die Zuständigkeit, die Vertretung von Verbänden,
die Beschuldigtenvernehmung, einstweilige Verfügungen und die Diversion. Im
Übrigen soll die Strafprozessordnung anwendbar sein.
Abweichend vom
Individualstrafrecht, wo die Staatsanwaltschaft grundsätzlich zur Verfolgung
verpflichtet ist, soll die Verfolgung von Verbänden unter bestimmten
Determinierungen in das Ermessen des öffentlichen Anklägers gestellt und so
eine flexible Handhabung des neuen Rechtsinstruments ermöglicht wird.
Weiters soll auch
im Verfahren gegen Verbände Diversion möglich sein, also der Rücktritt von der
Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder die Einstellung des Verfahrens
durch das Gericht, gegen Erfüllung bestimmter Auflagen. Durch die große
Bedeutung, die der Entwurf den Weisungen und der Diversion beimisst, wird im
Verbandsverantwortlichkeitsrecht eine womöglich noch größere Bedeutung der
Prävention als im Individualstrafrecht erreicht.
Schließlich ist zu
erwarten, dass die Einführung der Verbandsverantwortlichkeit für Verbände,
insbesondere Unternehmen, eine zusätzliche Motivation sein wird, umfassende
Maßnahmen zu ergreifen, um die Begehung von Taten durch ihre Mitarbeiter zu
vermeiden. Der Entwurf geht von der Erwartung aus, dass der generalpräventive
Effekt des Kriminalrechts bei Verbänden, insbesondere bei Unternehmen, deutlicher
zu Tage treten wird als im Individualstrafrecht.
Alternativen
Die
internationalen Verpflichtungen würden es zulassen, eine Verantwortlichkeit
juristischer Personen für gerichtlich strafbare Handlungen nicht im
gerichtlichen Strafrecht, sondern im Verwaltungsstrafrecht vorzusehen. Eine
solche Lösung wäre aber weder verfassungskonform, noch scheint eine auch nur
einigermaßen zweckmäßige und ökonomische Verfahrensgestaltung denkbar.
Weitgehend die selben Problem treten auf, wollte man Verbände in einem
Bußgeldverfahren ähnlich dem Kartellverfahren sanktionieren (zu all dem näher
im Allgemeinen Teil der Erläuterungen, Abschnitt D.).
Auswirkungen
auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich
Einerseits ist
einzuräumen, dass die – wegen schwerwiegender Straftaten mögliche – Verhängung
von hohen Geldbußen einzelne Unternehmen unter Umständen empfindlich treffen
können.
Andererseits ist
davon auszugehen, dass der vorliegende Entwurf einen starken Anreiz für
Unternehmen darstellt, Gefährdungspotentialen im Rahmen des Betriebes noch mehr
Aufmerksamkeit als bisher zu schenken und technische, organisatorische,
personelle oder andere Maßnahmen zu ergreifen, um die Verwirklichung
strafgesetzwidriger Erfolge im Rahmen des Betriebes möglichst zu vermeiden
(„Compliance“-Programme, Risikomanagement). Die Erfahrung in anderen Ländern
hat gezeigt, dass solche Maßnahmen letztlich zu einer Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens führen.
Insgesamt sollte
der vorliegende Entwurf daher zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
österreichischer Unternehmen und damit zu einer Stärkung des
Wirtschaftsstandortes beitragen.
Finanzielle
Auswirkungen
Dass
Strafverfahren nun auch gegen Verbände geführt werden können, birgt das
Potential eines Mehraufwandes im Bereich der Sicherheits- und Justizbehörden in
sich. Allerdings sieht der Entwurf vor, dass Strafverfahren gegen natürliche
Personen und gegen Verbände wegen derselben Straftaten grundsätzlich gemeinsam
zu führen sind. Es wird daher in den meisten Fällen das Verfahren nur gegen
einen zusätzlichen Beschuldigten, nämlich den „beteiligten Verband“, zu führen
sein; dass ein gänzlich „neues“ Strafverfahren entsteht, das ohne die
Einführung der Verantwortlichkeit von Verbänden überhaupt nicht geführt worden
wäre, dazu wird es nur selten kommen.
Diesem – kaum
quantifizierbaren – Mehraufwand steht ein Potential an Mehreinnahmen durch
Geldbußen sowie durch im Rahmen der Diversion gezahlte Geldbeträge gegenüber,
die in ihrer Höhe ebenso wenig prognostizierbar sind wie die Zahl der
Verfahren, in denen ein Verband verfolgt werden wird.
Insgesamt ist zu
erwarten, dass die Mehreinnahmen die Aufwendungen übersteigen werden.
Verhältnis
zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union
Der Entwurf dient
der Umsetzung folgender bereits verabschiedeter Rechtsakte:
-
Zweites
Protokoll vom 19.6.1997 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen
Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1997 C 221, 11);
-
Gemeinsame
Maßnahme vom 21.12.1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer
kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl.
1998 L 351, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 28.5.2000 über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen
Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die
Einführung des Euro (ABl. 2000 L 140, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 28.5.2001 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit
unbaren Zahlungsmitteln (ABl. 2001 L 149, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 13.6.2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. 2002 L 164, 3);
-
Rahmenbeschluss
vom 19.7.2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (ABl. 2002 L 203, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 28.11.2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die
Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten
Aufenthalt (ABl. 2002 L 328, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 27.1.2003 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht (ABl. 2003
L 29, 55);
-
Rahmenbeschluss
vom 22.7.2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. 2003 L
192, 54);
-
Rahmenbeschluss
vom 22.12.2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der
Kinderpornographie (ABl. 2004 L 13, 44);
-
Rahmenbeschluss
vom 25.10.2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die
Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des
illegalen Drogenhandels (ABl. 2004 L 335, 8);
-
Rahmenbeschluss
vom 24.2.2005 über Angriffe auf Informationssysteme (ABl. 2005 L 68, 67);
-
Richtlinie
2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation
(Marktmissbrauch) – ABl. 2003 L 96, 16.
Darüber hinaus
stehen Vorschläge zu weiteren Rechtsakten in Verhandlung, die ebenfalls eine
Verpflichtung enthalten, juristische Personen verantwortlich zu machen (siehe
im Einzelnen im Allgemeinen Teil der Erläuterungen, A.1.).
Besonderheiten
des Normerzeugungsverfahrens
Keine.
Erläuterungen
Allgemeiner
Teil
A.
Zwischenstaatliche Verpflichtungen
Eine große Zahl
von zwischenstaatlichen Rechtsakten verpflichtet die Mitglied- oder
Vertragsstaaten, eine Verantwortlichkeit juristischer Personen für bestimmte
Straftaten vorzusehen.
1.
Rechtsakte der EU
1.1. Der erste
Rechtsakt, der eine solche Verpflichtung vorsieht, ist das Zweite
Protokoll vom 19.6.1997 zum Übereinkommen über den Schutz der
finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1997 C 221,
11). Die zentralen Bestimmungen (Art. 3 Abs. 1 und 2) lauten:
„(1) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen
Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine juristische Person für den Betrug, die
Bestechung und die Geldwäsche, die zu ihren Gunsten von einer Person begangen
werden, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person
gehandelt hat und die eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person
auf Grund
- der
Befugnis zur Vertretung der juristischen Person oder
- der
Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder
- einer
Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person
innehat, sowie für die Beihilfe oder Anstiftung zu
einem solchen Betrug, einer solchen Bestechung oder einer solchen Geldwäsche
oder für die versuchte Begehung eines solchen Betrugs verantwortlich gemacht
werden kann.
(2) Neben den in Absatz 1 vorgesehenen Fällen trifft
jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine
juristische Person verantwortlich gemacht werden kann, wenn mangelnde Überwachung
oder Kontrolle seitens einer der in Absatz 1 genannten Personen die Begehung
eines Betrugs, einer Bestechungshandlung oder einer Geldwäschehandlung durch
eine dieser unterstellten Person zu Gunsten der juristischen Person ermöglicht
hat.“
Für den Fall der
Begehung des Delikts durch eine Person in Führungsposition (Art. 3
Abs. 1) sind gegen juristische Personen nach Art. 4 Abs. 1
„wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen“ vorzusehen (dazu unten
1.4.), die jedenfalls „strafrechtliche oder nicht strafrechtliche
Geldsanktionen“ umfassen müssen; fakultativ werden weitere Sanktionen
angeführt, nämlich der Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen, das
vorübergehende oder ständige Verbot der Ausübung einer Handelstätigkeit, die
richterliche Aufsicht und die richterlich angeordnete Auflösung. Für die in
Art. 3 Abs. 2 angeführten Fälle der mangelnden Überwachung oder
Kontrolle sind nach Art. 4 Abs. 2 „wirksame, angemessene und
abschreckende Sanktionen oder Maßnahmen“ vorzusehen.
Zur Frage, was
unter einer juristischen Person im einzelnen zu verstehen ist, verweist das
Zweite Protokoll grundsätzlich auf das innerstaatliche Recht (Art. 1
lit. d).
Das Protokoll
enthält eine Sonderbestimmung, die Österreich eine Frist von fünf Jahren
einräumt, eine Verantwortlichkeit juristischer Personen vorzusehen. Diese Frist
ist am 19.6.2002 abgelaufen.
Zwölf der fünfzehn
„alten“ Mitgliedstaaten sowie vier der zehn „neuen“ haben das Protokoll bisher
ratifiziert; Österreich ist daher unter den letzten „alten“ Mitgliedstaaten,
die das Protokoll noch nicht ratifiziert haben. Es ist beabsichtigt, die
Ratifizierung zeitnah mit der Einbringung dieses Gesetzesvorschlages
einzuleiten.
1.2. Neben dem
„Zweiten Protokoll“ hat der Rat im Bereich der Justizzusammenarbeit
(Titel VI EUV) folgende weitere Rechtsakte
verabschiedet, die eine Rechtsangleichung für bestimmte Straftatbestände und
eine Verantwortlichkeit von juristischen Personen für diese vorsehen:
-
Gemeinsame
Maßnahme vom 21.12.1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer
kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
(ABl. 1998 L 351, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 28.5.2000 über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen
Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die
Einführung des Euro (ABl. 2000 L 140, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 28.5.2001 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit
unbaren Zahlungsmitteln (ABl. 2001 L 149, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 13.6.2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. 2002 L 164, 3);
-
Rahmenbeschluss
vom 19.7.2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (ABl. 2002 L 203, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 28.11.2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die
Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten
Aufenthalt (ABl. 2002 L 328, 1);
-
Rahmenbeschluss
vom 27.1.2003 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht (ABl. 2003
L 29, 55);
-
Rahmenbeschluss
vom 22.7.2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (ABl. 2003 L
192, 54);
-
Rahmenbeschluss
vom 22.12.2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der
Kinderpornographie (ABl. 2004 L 13, 44);
-
Rahmenbeschluss
vom 25.10.2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die
Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des
illegalen Drogenhandels (ABl. 2004 L 335, 8);
-
Rahmenbeschluss
vom 24.2.2005 über Angriffe auf Informationssysteme (ABl. 2005 L 68, 67).
Darüber hinaus
liegen Vorschläge zu Rechtsakten in folgenden Kriminalitätsbereichen vor, die
ebenfalls eine Verpflichtung enthalten, juristische Personen verantwortlich zu
machen:
-
Wettbewerbsbeschränkende
Absprachen bei Vergabeverfahren;
-
Betrug,
Korruption und Geldwäsche zum Nachteil der Gemeinschaften;
-
Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit;
-
Handel mit
menschlichen Organen und Geweben;
-
Meeresverschmutzung
durch Schiffe.
1.3. Die die
Verantwortlichkeit von juristischen Personen betreffenden Bestimmungen lauten
in den meisten angeführten EU-Rechtsakten weitgehend gleich.
Eine wesentliche
Abweichung findet sich im Rahmenbeschluss vom 19.7.2002 zur Bekämpfung des
Menschenhandels: Dort sind auch für den zweiten Fall (mangelnde Überwachung
oder Kontrolle) dieselben Sanktionen vorgesehen wie in den anderen Rechtsakten
für den ersten Fall (Begehung durch die Person in Führungsposition), sodass im
Anwendungsbereich dieses Rahmenbeschlusses für mangelnde Überwachung und
Kontrolle bloße "Maßnahmen" unzureichend sind.
Besonderheiten
enthält auch der Rahmenbeschluss gegen Meeresverschmutzung durch Schiffe,
dessen Inhalt zwar bereits weitgehend feststeht, den der Rat der EU allerdings
noch nicht formell angenommen hat: Für die nach diesem Rechtsakt vorzusehenden
Straftaten ist im ersten Fall der Verantwortlichkeit (Begehung des Delikts
durch eine Person in Führungsposition) eine Höchststrafe von mindestens
150.000 € bis 300.000 € vorzusehen, in bestimmten besonders schweren
Fällen von mindestens 750.000 € bis 1.500.000 €. Es wird den
Mitgliedstaaten ausdrücklich freigestellt, die Berechnung der über die
juristische Person zu verhängende Geldsanktion „proportional zum Umsatz, zum
erzielten oder erhofften finanziellen Vorteil aus der Tat oder zu einem anderen
Bezugswert“ vorzusehen, wenn sichergestellt ist, dass dabei Geldsanktionen
auferlegt werden können, deren Höchstmaß den genannten Mindestbeträgen
„wenigstens gleichwertig“ ist.
1.4. Die
angeführten Rechtsakte verpflichten zur Einführung „wirksamer,
angemessener und abschreckender Sanktionen“. Diesen Begriff hat der
Gesetzgeber der EU aus dem Gemeinschaftsrecht übernommen. Dort wurde er vom EuGH
erstmals in einem Urteil im Jahr 1989 verwendet (EuGH 21.9.1989, 68/88,
Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Rz 23 f): Aus Art. 10
EGV ergebe sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle geeigneten
Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des
Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten; dabei müssen die Mitgliedstaaten
insbesondere darauf achten, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht unter
ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Bedingungen geahndet werden wie
nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht, und die
Sanktionen müssen jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
Die Verpflichtung
zu wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen ist seither
einerseits in zahlreiche Gemeinschaftsrechtsakte (Richtlinien und
Verordnungen) aufgenommen worden. Andererseits hat der EuGH seinen Rechtssatz
in mehreren Urteilen bekräftigt (zuletzt 16.10.2003, C-91/02 Hannl + Hofstetter
Internationale Spedition, Rz 17) und präzisiert. So hat der EuGH im nationalen
Recht vorgesehene Sanktionen als nicht oder kaum abschreckend qualifiziert,
weil die Sanktion auf eine Schadenersatzzahlung angerechnet werden (EuGH
8.6.1994, C-382/92 Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1994, I-2435,
Rz 55 ff) oder an die Stelle eines anderen zivilrechtlichen Anspruchs
treten kann (EuGH 8.6.1994, C-383/92 Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg
1994, I-2479, Rz 40 ff). Die drei Begriffe werden in der Judikatur
des EuGH nicht streng voneinander abgegrenzt; hervorzuheben ist, dass das
Kriterium der Verhältnismäßigkeit nicht mit dem allgemeinen
(gemeinschaftsrechtlichen) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (im Sinn eines Übermaßverbotes)
gleichgesetzt werden darf, sondern vielmehr eher in Richtung eines
„Untermaßverbotes“ zu verstehen ist (zu all dem vgl. Zeder in Mayer,
EUV/EGV, Art. 280 EGV Rz 39 ff).
1.5. Hinzuweisen
ist schließlich auch auf die Richtlinie 2003/6/EG
vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch; ABl. 2003 L 96, 16), die zwar – mangels
Strafrechtskompetenz der Gemeinschaft – keine ausdrückliche Pflicht zur
Schaffung von Straftatbeständen enthält, aber eine Sanktionierungspflicht für
Verstöße gegen die Richtlinie sowohl durch natürliche als auch durch
juristische Personen. Wenn daher ein Mitgliedstaat einen Straftatbestand gegen
Missbrauch von Insiderinformationen eingeführt hat, wie Österreich in
§ 48b BörseG (idF BGBl. I Nr. 127/2004), so muss dieser
Tatbestand auch auf juristische Personen anwendbar sein.
2.
Rechtsakte außerhalb der EU
Das im Rahmen der OECD
geschlossene Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer
Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (BGBl III Nr.176/1999) sieht
eine Verantwortlichkeit juristischer Personen für (aktive) Bestechung
ausländischer Amtsträger vor. Grundsätzlich sind Kriminalstrafen vorzusehen;
kennt ein Staat eine strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen
nicht, so muss er zwar eine solche auch für Bestechung ausländischer Amtsträger
nicht einführen, hat aber „wirksame, angemessene und abschreckende
nichtstrafrechtliche Sanktionen einschließlich Geldsanktionen“ vorzusehen. Bei
den von der OECD-Arbeitsgruppe durchgeführten Evaluierungen der von den
Vertragsstaaten ergriffenen Maßnahmen wird besonderes Gewicht auf die Prüfung
der Frage gelegt, ob die angedrohten (sowie die tatsächlich verhängten)
Sanktionen wirksam, angemessen und abschreckend sind. Österreich wurde bei
seiner Evaluierung wegen der mangelnden Möglichkeit, juristische Personen zu
sanktionieren, kritisiert und wird seither regelmäßig zur Behebung des Mangels
gedrängt.
Auch drei im
Rahmen des Europarats abgeschlossene
Übereinkommen sehen eine Verantwortlichkeit juristischer Personen vor: Das
Übereinkommen vom 4.11.1998 über den Schutz der Umwelt durch Strafrecht (ETS
172), das Cyber-Crime-Übereinkommen vom 23.11.2001 (ETS 185) und das
Strafrechts-Korruptionsübereinkommen vom 27.1.1999 (ETS 173). Die beiden
zuletzt genannten übernehmen weitgehend die oben wiedergegebenen Formulierungen
der EU-Rechtsakte. Ähnliche Bestimmungen enthalten auch drei weitere
Europarats-Übereinkommen, die am 16.5.2005 zur Unterzeichnung aufgelegt und
(unter anderen Staaten) von Österreich unterzeichnet wurden: gegen
Menschenhandel, über Terrorismusvorbeugung und gegen Geldwäsche und
Terrorismusfinanzierung. Alle Europarats-Übereinkommen lassen im Ergebnis den
Vertragsstaaten die Wahl zwischen straf-, verwaltungsstraf- oder
zivilrechtliche Maßnahmen.
Empfehlung 2.a)
der 40 Empfehlungen der FATF (Financial Action Task Force –
Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäsche, siehe www.fatf-gafi.org) – Neufassung vom 20.6.2003 – sieht vor,
dass juristische Personen (für Geldwäsche) strafrechtlich verantwortlich sein
sollen – nur wo dies nicht möglich ist, genügt auch verwaltungs- oder
zivilrechtliche Verantwortlichkeit. Die Sanktionen müssen wirksam, angemessen
und abschreckend sein.
Schließlich
schreibt auch das im Rahmen der UN ausgearbeitete Übereinkommen gegen
transnationale organisierte Kriminalität eine Verantwortlichkeit juristischer
Personen vor; es wird die Wahl zwischen straf-, verwaltungsstraf- und
zivilrechtlichen Sanktionen offen gelassen, so lange diese verhältnismäßig und
abschreckend sind und Geldsanktionen umfassen. Ähnliche Bestimmungen enthalten
auch das UN-Übereinkommen vom 10.1.2000 zur Bekämpfung der Finanzierung des
Terrorismus (BGBl. III Nr. 102/2002) und das
UN-Korruptionsübereinkommen.
3. Zu
erfassende Deliktsgruppen und Tatbestände
Die dargestellten
zwischenstaatlichen Rechtsakte (einschließlich jener, die noch in Vorbereitung
sind) verpflichten, eine Verantwortlichkeit juristischer Personen für eine
große Zahl von gerichtlichen Straftatbeständen vorzusehen (ca. 85 im
Strafgesetzbuch und ca. 15 in Nebengesetzen), insbesondere für folgende
Tatbestände und Deliktsgruppen: Zahlreiche Vermögensdelikte (Diebstahl, Betrug,
Hehlerei, Computerdelikte, Untreue, Geschenkannahme durch Machthaber,
Subventionsmissbrauch, Geldwäsche, Absprachen im Vergabeverfahren),
Korruptions-, Umwelt-, Urkunden- und Geldfälschungsdelikte, Fälschung und
Missbrauch von unbaren Zahlungsmitteln, kriminelle und terroristische
Organisation sowie Terrorismusfinanzierung, einzelne Tötungs- und Körperverletzungsdelikte,
Sexualstraftaten, Beleidigung und Geheimnisverletzungen (Computer und
Telekommunikation) sowie Verhetzung, schließlich auch Tatbestände im
Nebenstrafrecht (Ausfuhrerstattungsgesetz, Börsegesetz, Finanzstrafgesetz, Fremdengesetz, Kriegsmaterialgesetz,
Suchtmittelgesetz, Urheberrechtsgesetz, Verbotsgesetz, Waffengesetz, Gesetz
gegen den unlauteren Wettbewerb). In Zukunft ist damit zu rechnen, dass die
Liste weiter anwachsen wird.
B. Stand der
Gesetzgebung in Europa
1.
Europäische Staaten
Anders als in den
Staaten des angelsächsischen Rechtskreises, war die Bestrafung juristischer
Personen bis vor kurzem in den kontinentaleuropäischen Staaten weithin
unbekannt, sieht man von den Niederlanden ab, die bereits 1950 für einzelne
Delikte und 1976 uneingeschränkt eine Strafbarkeit juristischer Personen
einführten. Erst in den letzten Jahren hat sich eine breite Tendenz ergeben,
eine Verantwortlichkeit juristischer Personen einzuführen: Portugal (1984),
Schweden (1986), Norwegen (1991), Island (1993), Frankreich (1994), Finnland
(1995), Spanien (1995), Dänemark (1996), Belgien (1999), Slowenien (1999),
Italien (2000/2001), Griechenland (2001), Ungarn (2001), Estland (2001), Polen
(2002), Malta (2002), Kroatien (2003), die Schweiz (2003) und Litauen (2003)
haben entsprechende Gesetze erlassen; in Luxemburg, Tschechien, der Slowakei
und in Lettland sind diesbezügliche Bestimmungen in Vorbereitung, sodass davon
ausgegangen werden kann, dass binnen kurzem alle EU-Mitgliedstaaten eine
Verantwortlichkeit juristischer Personen vorsehen werden.
In fast allen
angeführten Staaten ist die Verantwortlichkeit juristischer Personen im
gerichtlichen Strafrecht verankert. Vor dem Hintergrund der in Österreich
bestehenden Zweispurigkeit (gerichtliches Strafverfahren und
Verwaltungsstrafverfahren) kann lediglich die in Griechenland bestehende
Regelung als eindeutig verwaltungsrechtlich angesprochen werden. In einigen
Staaten bestehen Modelle, die keine klare Zuordnung zulassen: Deutschland,
Italien und Spanien. In Deutschland werden juristische Personen seit 1968 im
Ordnungswidrigkeitenrecht sanktioniert (§ 30 dOWiG; vgl. auch §§ 9,
130 dOWiG); Bestrebungen, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit einzuführen,
haben sich letztlich nicht durchgesetzt: Die Kommission zur Reform des
strafrechtlichen Sanktionenrechts lehnte – auf der Grundlage der Ergebnisse
einer von ihr eingesetzten Arbeitsgruppe „Unternehmensstrafbarkeit“ – die
Einführung einer Unternehmenssanktionierung im Bereich des klassischen
Kriminalstrafrechts ab (näher zum deutschen Modell unten D.4.).
2. Das
EG-Kartellstrafrecht
Zur Abrundung des
Bildes ist ein Hinweis auf das EG-Kartellrecht unerlässlich. Der Kommission
wurde vom Rat - gegründet auf Art. 81 ff EGV - durch die Verordnung
17/62 (ABl. 1962 L 13, 204) die umfassende Kompetenz eingeräumt, bei
kartellrechtlichen Verstößen gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen
Sanktionen zu verhängen. Von der Kommission erlassene Durchführungsbestimmungen
(z.B. Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von
Geldbußen in Kartellsachen: ABl. 1996 C 207, 4, nunmehr: Mitteilung über den
Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen: ABl. 2002 C 45, 3;
Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen: ABl. 1998 C 9, 3)
und die Judikatur des EuGH haben zu einer hohen Normdichte geführt, sodass von
einem (nicht kriminalstrafrechtlichen) „Kartellstrafrecht“ gesprochen werden
kann, das sich aus den kartellrechtlichen Tatbeständen und allgemeinen Regeln
zusammensetzt; letztere sind den als „Allgemeiner Teil“ des gerichtlichen
Strafrechts bezeichneten Bestimmungen durchaus vergleichbar (vgl Dannecker in
Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Kommentar Bd II [1997] VO 17
Art 15, insb Rz 68 ff; instruktiv auch der kurze Abriss von Dannecker
in Alwart (Hrsg), Verantwortung und Steuerung von Unternehmen in der
Marktwirtschaft [1998] 18).
Unternehmen werden
als handlungsfähig behandelt, indem ihnen grundsätzlich das Verhalten aller
natürlichen Personen zugerechnet wird, die für das Unternehmen handeln.
Kommission und EuGH gehen von einer eigenen Schuldfähigkeit des Unternehmens
aus. Nach Art 15 Abs 2 VO 17/62 kann die Geldbuße bis zu 10 % des
Vorjahresumsatzes betragen; seit 1979 schöpft die Kommission diese Ermächtigung
aus und verhängt hohe Bußgelder, zu deren Bemessung der Vorjahresumsatz als
Ausgangsgröße herangezogen wird (vgl. Entscheidung der Kommission im Fall Pioneer
14.12.1979, ABl. 1980 L 60, 21; Urteil des EuGH Pioneer, Slg. 1983,
1825).
Die Bestimmungen
der VO 17/62 sind mit 1.5.2004 durch jene der VO 1/2003 (ABl. 2003 L 1, 1)
ersetzt worden, die aber hinsichtlich der hier dargestellten Grundzüge keine
wesentlichen Neuerungen bringen (die Geldbuße bis zu 10 % des Gesamtumsatzes
ist in Art. 23 Abs. 2 der VO 1/2003 geregelt).
C. Rechtslage und Diskussionsstand in Österreich
1. Zwei Bestimmungen im Nebenstrafrecht haben schon seit Langem die
Möglichkeit vorgesehen, im Strafrecht eine Sanktion direkt gegen ein
Unternehmen bzw. eine juristische Person zu verhängen: Die eine, § 137
KartellG, ist kürzlich aufgehoben und durch ein Geldbußensystem ersetzt worden
(vgl. BGBl. I
Nr. 62/2002). Die andere ist § 19 Abs. 2 UWG, der die Verhängung von
Geldstrafen über den Inhaber eines Unternehmens, der eine Gesellschaft oder
eine juristische Person ist, für den Fall vorsieht, dass der Inhaber des
Unternehmens vorsätzlich bestimmte im Betrieb begangene strafbare Handlungen
nicht hindert; die in Betracht kommenden strafbaren Handlungen sind jene des
UWG, also Irreführung (§ 4), Bestechung (§ 10) und Verletzung von
Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§§ 11, 12). Praktische Bedeutung haben
beide Bestimmungen aber nicht erlangt (die Bestimmungen des UWG schon deshalb
nicht, weil sie als Privatanklagedelikte ausgestaltet sind).
Abgesehen davon kennt das geltende österreichische Recht einerseits in
einzelnen Gesetzen des Nebenstrafrechts eine Haftung juristischer Personen (teils
auch von Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit) für Geldstrafen
(teils auch für Verfalls-, Wertersatzstrafen usw.), die gegen natürliche
Personen verhängt wurden (§ 28 FinStrG,
§ 35 MedienG, § 69 LMG bzw. zukünftig § 86 LMSVG,
§ 159 Abs. 3 PatG, § 60 Abs. 4 und § 68h
Abs. 4 MarkenSchG, § 22 Abs. 3 HlSchG, § 35 Abs. 3
MusterSchG, § 42 Abs. 3 GMG; die Bestimmung des alten
§ 30 DevG wurde in das DevG 2004 nicht übernommen). Die Bestimmungen sind
übrigens durchaus unterschiedlich ausgestaltet: Während das Mediengesetz und
die Gesetze aus dem Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes die Haftung ohne
weitere Einschränkungen vorsehen, konnte sich der Betriebsinhaber nach
§ 30 DevG von der Haftung befreien, wenn er nachwies, dass er die im
Verkehr übliche Sorgfalt zur Verhütung der strafbaren Handlung angewendet
hatte; nach § 69 LMG (bzw. § 86 LMSVG) besteht keine Haftung, wenn
die verurteilte natürliche Person die strafbare Handlung nicht im Rahmen der
dienstlichen Obliegenheiten des Betriebes begangen hat. Nach § 41
Abs. 6 MedienG ist der Medieninhaber (Verleger), nach § 69
Abs. 2 LMG der Betriebsinhaber zur Hauptverhandlung zu laden; wenn sie
daran teilnehmen, stehen ihnen weitgehende Verteidigungsrechte zu.
Andererseits kann nach § 20 Abs. 4 StGB auch gegen juristische
Personen eine Abschöpfung der Bereicherung ausgesprochen werden, wenn
diese durch die Straftat eines anderen (d.h. einer natürlichen Person) oder
durch einen für die Begehung einer solchen zugewendeten Vermögensvorteil
unmittelbar bereichert worden ist.
Weder die Haftung
juristischer Personen für gegen natürliche Personen verhängte Geldstrafen, noch
die Abschöpfung der Bereicherung können aber den oben dargestellten
zwischenstaatlichen Verpflichtungen auch nur annähernd gerecht werden. Die
Abschöpfung der Bereicherung beschränkt sich auf die Wegnahme des durch die
strafbare Handlung erlangten Vorteils; sie ist daher keine Sanktion und hat
daher auch keine ausreichende präventive Wirkung. Die Haftung für Geldstrafen
greift einerseits zu kurz, weil die Höhe der Geldstrafe an der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person bemessen wird und daher die
juristische Person in den meisten Fällen kaum ausreichend treffen wird;
andererseits kann sie aber auch ungerecht sein, weil sie eine juristische
Person treffen kann, der in Zusammenhang mit der strafbaren Handlung kein
Vorwurf gemacht werden kann, also auf eine Erfolgshaftung hinausläuft.
Im Bereich des Verwaltungsstrafrechts
ist vorgesehen, dass für den Verstoß gegen eine Verwaltungsnorm, die sich an
eine juristische Person, an eine Personengesellschaft oder eine eingetragene
Erwerbsgesellschaft richtet, die zur Vertretung nach außen berufenen
natürlichen Personen zu bestrafen sind (§ 9 VStG); diese können die
Verantwortung für bestimmte Unternehmensbereiche an andere Personen delegieren
(„verantwortliche Beauftragte“). Die juristische Person oder die Gesellschaft
haftet für Geldstrafen, die gegen zur Vertretung Berufene oder verantwortliche
Beauftragte verhängt wurden. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit
juristischer Personen ist also auch dem Verwaltungsstrafrecht fremd.
2. Unter dem
Eindruck der internationalen Entwicklung und des daraus entstehenden
Umsetzungsbedarfs hat sich in Österreich in den letzten Jahren eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit dem Thema entwickelt: Den Anfang machte Heine
mit einem Vortrag in der Österreichischen Gesellschaft für Strafrecht und
Kriminologie am 19.10.1995 (Heine, Die strafrechtliche
Verantwortlichkeit von Unternehmen: Internationale Entwicklung - nationale
Konsequenzen, ÖJZ 1996, 211; Bericht über die Diskussion im Anschluss an
den Vortrag: Schütz, ÖJZ 1996, 219). Nachdem sich Bertel bei
der Richterwoche im Mai 1996 skeptisch geäußert hatte (Bertel, Strafen
für juristische Personen, in Schriftenreihe des BMJ Nr. 82, 215),
plädierte wieder Heine auf einer Tagung in Graz im November 1998 für die
Einführung einer Strafbarkeit juristischer Personen (Heine, Unternehmen,
Strafrecht und europäische Entwicklungen, ÖJZ 2000, 871; Tagungsbericht
von Löschnig-Gspandl, ÖJZ 2000, 888). Bei der Richterwoche im Mai
2000 bot Löschnig-Gspandl einen umfassenden Überblick über die
Problematik und eröffnete Perspektiven einer Umsetzung (Löschnig-Gspandl,
Strafrechtliche Haftung juristischer Personen, in Schriftenreihe des BMJ
Nr. 104, 157). Auf einer weiteren Veranstaltung in Graz im November 2000
hielt Dannecker das Hauptreferat (Veranstaltungsbericht von Löschnig-Gspandl,
ÖJZ 2001, 427; vgl. auch Dannecker, Zur Notwendigkeit der
Einführung kriminalrechtlicher Sanktionen gegen Verbände – Überlegungen zu den
Anforderungen und zur Ausgestaltung eines Verbandsstrafrechts, GA 2001, 101).
Um eine fokussierte wissenschaftliche Diskussion im Vorfeld des
Begutachtungsverfahrens zu ermöglichen und damit auch die politische
Willensbildung vorzubereiten, hat der zuständige Referent im Bundesministerium
für Justiz im Mai 2001 in der
Österreichischen Gesellschaft für Strafrecht und Kriminologie ein konkretes Modell
vorgestellt und im September 2001 auch schriftlich veröffentlicht (Zeder,
Ein Strafrecht juristischer Personen: Grundzüge einer Regelung in Österreich,
ÖJZ 2001, 630; Bericht
über die Diskussion im Anschluss an den Vortrag: Köck, ÖJZ 2001,
642).
Etwa zur gleichen Zeit erschien zum einen die in Österreich erste
Monografie zum Thema: Lewisch/Parker, Strafbarkeit der juristischen
Person? Die Unternehmensstrafe in rechtspolitischer und rechtsdogmatischer
Analyse (2001), stellen sämtliche für die Einführung einer Kriminalstrafe
angeführten Argumente als unzutreffend dar; als Alternative können sie sich die
Einführung von Bußgeldern vorstellen, wobei sie deren Verhängung durch
Verwaltungsbehörden, durch Zivilgerichte und auch durch Strafgerichte
grundsätzlich für denkbar halten. Zum anderen wurde eine Dissertation
fertiggestellt (Bauer, Fragen der Verbandsstrafbarkeit. Überlegungen zur
strafrechtlichen Verantwortlichkeit von juristischen Personen und
Personengesellschaften als Unternehmensträger unter besonderer Berücksichtigung
der betrieblichen Umweltkriminalität, 2003).
Löschnig-Gspandl, Zur Bestrafung juristischer Personen, ÖJZ 2002,
241, stellte die kriminalpolitische
Notwendigkeit einer umfassenden Lösung im Kriminalstrafrecht fest und begrüßte
den von Zeder vorgestellten Entwurf zwar grundsätzlich, kritisierte aber
einzelne Elemente darin als zu wenig weitgehend. Venier, Eine Alternative zu einem
Strafverfahren gegen juristische Personen, ÖJZ 2002, 718, trat dafür ein, ein
Bußgeldverfahren ähnlich dem kürzlich im Kartellgesetz geschaffenen
einzuführen. Köck,
Prozessuale Aspekte der Strafbarkeit von Verbänden, JBl 2003, 496, befasste sich mit
prozessualen Aspekten der Strafbarkeit von Verbänden. Löschnig-Gspandl, Die Strafbarkeit von Unternehmen, in: BMJ
(Hg), Strafrechtliche Probleme der Gegenwart 31 (2003), 187, beleuchtete eingehend
verfassungsrechtliche Fragen und materiellrechtliche Voraussetzungen. Beiträge
zum aktuellen Diskussionsstand und insbesondere eine Darstellung des im BMJ
vorbereiteten Entwurfs (dazu im nächsten Abschnitt) sind enthalten in Hochreiter
(Hg.), Bestrafung von Unternehmen. Tagungsband. Informationen zur Umweltpolitik
Nr. 157 (2003). Mit der Vereinbarkeit einer Verantwortlichkeit von juristischen
Personen mit dem Schuldgrundsatz hat sich Moos in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer,
StGB-Kommentar, § 4 Rz 37 – 53, = Moos, Die Strafbarkeit juristischer Personen
und der Schuldgrundsatz, RZ 2004, 98, ausführlich befasst. Wilhelm hat
eine Umsetzung im Rahmen des Zivilrechts befürwortet (Wilhelm,
Unternehmen strafen – wie geht das? Editorial in ecolex 2004, 153). Mit den möglichen Sanktionen
befasste sich Bauer (Neue strafrechtliche
Sanktionen gegen juristische Personen, ÖJZ 2004, 491).
Eine neue Qualität hat die wissenschaftliche Debatte durch die
Fertigstellung der Habilitationsschrift von Löschnig-Gspandl erreicht
(Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit
Rechtspersönlichkeit in Österreich, Graz 2003; Publikation als Hilf, Die strafrechtliche
Verantwortlichkeit von Unternehmen und Verbänden mit Rechtspersönlichkeit in
Österreich, in der von Dannecker/Höpfel/Schwarzenegger herausgegebenen
Schriftenreihe „Sanktionenrecht in Europa“ in Vorbereitung). Auf die
Darstellungen und Vorschläge dieses Werks wird im Folgenden noch öfter
zurückzukommen sein.
3. Die oben
erwähnten zwischenstaatlichen Rechtsakte stellen es den Staaten grundsätzlich
frei, ob sie die Verantwortlichkeit juristischer Personen im Bereich des
gerichtlichen Strafrechts ansiedeln oder sich auf verwaltungsrechtliche
Sanktionen beschränken. Da (wie soeben angedeutet) in der Wissenschaft, vor
allem aber auf politischer Ebene (insbesondere von Vertretern der Wirtschaft)
die Forderung erhoben worden ist, die Umsetzung in Österreich im
Verwaltungsrecht vorzunehmen, schien es angezeigt zu untersuchen, ob dies ein
gangbarer Weg sei.
Zu diesem Zweck
haben die Parlamentsklubs der beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ am 5.6.2002
eine Enquete veranstaltet. Unter dem Vorsitz von Präs.d.OGH i.R.
Prof. Dr. Herbert Steininger hielten zunächst. Prof. Dr. Mark
Pieth (Universität Basel; Vorsitzender der OECD-Arbeitsgruppe „Bribery in
International Business Transactions“, die das OECD-Korruptions-Übereinkommen
ausgearbeitet hat und dessen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten überwacht), Prof.
Dr. Christoph Grabenwarter (Universität Bonn, nunmehr Universität Graz) und
Prof. Dr. Helmut Fuchs (Universität Wien) Impulsreferate. An der
Veranstaltung nahmen neben mehreren Abgeordneten zum Nationalrat zahlreiche
Vertreter der Wissenschaft (Prof. Dr. Burgstaller, Prof. Dr. Schick, Prof.
Dr. Höpfel, Prof. Dr. Medigovic, Doz. Dr. Lewisch, Ass.Prof. Dr.
Löschnig-Gspandl), Vertreter der Richtervereinigung (Dr. Aistleitner),
des UVS Wien (Dr. Wilfert), der Wirtschaftskammer Österreich (DDr. Kopetzky) und der Industriellenvereinigung (Mag.
Mara) sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Böhmdorfer und mehrere
Beamte des BMJ teil.
Prof. Pieth betonte, dass auf internationaler Ebene
der Druck zur Einführung einer Verantwortlichkeit juristischer Personen ständig
zunehme. Im OECD-Übereinkommen sei zwar nicht zwingend vorgegeben, ob die
Umsetzung im gerichtlichen Strafrecht oder im Verwaltungsstrafrecht erfolgt;
von Seiten der OECD würden jedoch nur Geldbußen in Höhe von mehreren
Millionen Euro als glaubwürdig und funktional äquivalent angesehen.
Unumgänglich sei die Einschaltung der Staatsanwaltschaft und der Strafgerichte,
weil nur so gewährleistet sei, dass die erforderlichen Ermittlungsbefugnisse
zur Verfügung stehen und Rechtshilfe geleistet werden kann. Im Rahmen des
Monitorings der Umsetzung des Übereinkommens seien bereits mehrere Staaten
gezwungen worden, ihre im Lichte dieser Kriterien unzureichenden Gesetze zu
ändern. Ein einheitlich hohes Niveau der Umsetzung in allen Staaten sie nicht
zuletzt auch deshalb anzustreben, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Der Schweizer
Bundesrat habe 1998 – im Zuge der Totalrevision des Allgemeinen Teils des
Strafgesetzbuches – eine strafrechtliche Haftung von Unternehmen vorgeschlagen.
Die Entscheidung gegen eine Verankerung im Verwaltungsstrafrecht sei deshalb
gefallen, weil dieses zu wertneutral sei. Das Schweizer Parlament habe diesen
Vorschlag im Grundsatz bereits gebilligt; es habe den Vorschlag des Bundesrates
insofern verschärft, als für bestimmte Deliktsbereiche von der vorgeschlagenen
Subsidiarität der strafrechtlichen Haftung der juristischen Person abgegangen
und eine primäre Verantwortlichkeit beschlossen worden sei. (Anmerkung: das
Gesetz wurde inzwischen beschlossen, siehe oben B.1.)
Prof.
Grabenwarter ging von der
Rechtslage in Deutschland aus: Nach § 30 dOWiG kann gegen juristische
Personen oder Personenvereinigungen eine Geldbuße verhängt werden, wenn
bestimmte der juristischen Person oder der Personenvereinigung zuzurechnende
Personen eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben, durch welche
Pflichten verletzt werden, die die juristische Person oder Personenvereinigung
treffen. Prof. Grabenwarter beleuchtete die Frage, ob das deutsche
Modell auf Österreich übertragbar wäre, d.h. ob österreichische
Verwaltungsbehörden mit der Verhängung von Geldbußen über juristische Personen
wegen Straftaten zuständig gemacht werden könnten. Die Unabhängigen
Verwaltungssenate in den Ländern kämen als erstinstanzliche Behörde nicht in
Betracht, weil sie als Kontrollinstanz eingerichtet worden seien; ein
Tätigwerden der UVS setze daher ein vorangegangenes Verwaltungshandeln einer
anderen Verwaltungsbehörde voraus. Eine Betrauung der
Bezirksverwaltungsbehörden stünde in einem Spannungsverhältnis zu Art. 91
B-VG, der die Verhängung schwerer Strafen den Gerichten vorbehält; Prof.
Grabenwarter erinnerte an die
Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach die Verhängung von
Geldstrafen ab einer bestimmten Höhe (derzeit etwa 50 000 Euro) den
Gerichten vorbehalten bleiben müsse. Auch aus rechtsstaatlicher Sicht sei den
Strafgerichten gegenüber den Verwaltungsbehörden der Vorzug zu geben. Die
einzige verfassungskonforme Möglichkeit sei es daher, den Strafgerichten die
Verhängung von Sanktionen gegen juristische Personen zu übertragen.
Prof. Fuchs bemerkte, dem Gefährdungspotential und der
komplexen Struktur von großen Unternehmen werde eine gegen einzelne natürliche
Personen ausgesprochene Strafe nicht gerecht: diese Strafen träfen den Falschen
und seien zu niedrig. Zu bedenken sei aber, dass eine gegen eine juristische
Person verhängte Strafe deren Eigentümer, indirekt auch die Mitarbeiter,
treffe. Es müsse daher eine gerechte Sanktion gefunden werden. Zivilrechtlicher
Schadenersatz wie Abschöpfung der Bereicherung seien völlig unzureichend, weil
durch diese Instrumente kaum präventive Wirkung erzielt werden könne; beide
versagten bei Gefährdungsdelikten und beim Deliktsversuch. Zivilrechtliche
Maßnahmen versagten überdies, wenn es keine Opfer gebe. Die Sanktion habe den
Zweck, dass schon ihre Androhung Unternehmen zu gesetzestreuem Verhalten
motiviere, indem dieses kostengünstiger als gesetzwidriges Verhalten erscheine.
Soweit die Durchsetzung von Strafnormen gegenüber juristischen Personen
beabsichtigt sei, sei eine Zuweisung an die Strafgerichte die einzig
zweckmäßige Lösung, weil dieselbe Behörde nach demselben Verfahren entscheiden
könne; dazu komme der im gerichtlichen Verfahren höhere Rechtsschutz und die
geringere Möglichkeit politischer Einflussnahme.
Die einzuführende
Sanktion solle jedoch keine Strafe im herkömmlichen Sinn sein, sondern eine
Sanktion anderer Art ohne moralischen Einschlag (Tadel). Voraussetzungen für
die Verhängung sollten einerseits die Erfüllung eines äußeren Tatbestandes und
andererseits ein Defizit auf der Entscheidungsebene sein, dieses entweder in
Form einer Begehung des Delikts durch den Entscheidungsträger selbst oder in
Form mangelnder Aufsicht, Kontrolle oder Organisation. Damit sei eine bloße
Erfolgshaftung ausgeschlossen. Grundsätzlich sollte zwar eine Sanktionierung
von Unternehmen angestrebt werden; aus Gründen der Rechtssicherheit und der
Praktikabilität sollten jedoch juristische Personen und
Personenhandelsgesellschaften vom Gesetz als Adressaten genannt werden. Als
Messgröße für die Bemessung der Höhe der Sanktion sollte der Jahresumsatz
herangezogen werden.
In der anschließenden
Diskussion bezogen die Vertreter der Wissenschaft, der Richtervereinigung und
des UVS Wien in Übereinstimmung mit den Referenten die Position, dass eine
Umsetzung in Österreich im gerichtlichen Strafverfahren erfolgen müsse. Prof.
Burgstaller widersprach den Ausführungen von Prof. Fuchs insoweit,
als er die stigmatisierende Funktion der Sanktion für unverzichtbar hielt;
Stigmatisierung sei auch ein Instrument der Prävention. Zu Bedenken im Hinblick
auf Doppelbestrafung bemerkte Prof. Grabenwarter, von einer
Doppelbestrafung könne keine Rede sein, weil zum einen die Tat der natürlichen
Person und zum anderen der Verstoß des Unternehmens sanktioniert werde.
Übereinstimmung herrschte dahingehend, dass eine taxative Aufzählung der
Straftatbestände, für die eine juristische Person sanktioniert werden könne,
kaum möglich und unzweckmäßig sei; die Verantwortlichkeit juristischer Personen
solle daher grundsätzlich alle bestehenden Straftatbestände erfassen.
4. Im Regierungsprogramm der am 28.3.2003 angelobten
Bundesregierung (XXII. GP) ist im Abschnitt „Justiz“ die Einführung einer
„Strafbarkeit juristischer Personen“ vorgesehen.
5. Im Hinblick
darauf – und vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Enquete – wurde im BMJ ein Entwurf zu einem
strafrechtlichen Modell einer Verantwortlichkeit juristischer Personen samt
Verfahrensbestimmungen ausgearbeitet; vgl. Zeder, Der Entwurf für ein
Bundesgesetz über die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen
- Verpflichtungen nach dem EU-Recht und Stand der Umsetzung in Österreich, in Hochreiter (Hg.), Bestrafung von
Unternehmen. Tagungsband. Informationen zur Umweltpolitik Nr. 157 (2003), 13.
Sowohl die
materiellrechtlichen, als auch die verfahrensrechtlichen Grundzüge waren
Gegenstand von intensiven Beratungen mit Vertretern der
– durch den Vorschlag hauptbetroffenen – Wirtschaft.
Diese befürworteten zunächst – unter Berufung auf Lewisch/Parker (2001) – ein
verwaltungsstrafrechtliches Modell, in einer späteren Phase – im Anschluss an
die Veröffentlichung von Venier, ÖJZ 2002, 718 – ein Bußgeldverfahren.
Die im Abschnitt E. dargestellten Gründe, die gegen diese beiden Modelle
sprechen, konnten jedoch nicht entkräftet werden.
Die vom Bundesminister für Justiz initiierte Expertenkommission zur
Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich
hat in ihrem am 1.4.2004 vorgestellten Bericht (ÖJZ 2004, 550) die Einführung
einer Verantwortlichkeit von „juristischen Personen (Unternehmen und
Gesellschaften)“ für strafbares Verhalten gefordert; dabei solle insbesondere
das Organisationsverschulden berücksichtigt werden. Dadurch könnten die
Sanktionsmöglichkeiten bei Straftaten, die im Rahmen oder zum Nutzen von
Unternehmen durch deren Mitarbeiter begangen werden, im Sinne der
Präventionszwecke des Strafrechts sachgerecht erweitert werden (Pkt. 1.13.4.
und 2.5.10.).
D. Das Begutachtungsverfahren
Mitte Juni 2004 hat das BMJ einen Entwurf zu einem
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz in die allgemeine Begutachtung gegeben
(BMJ-L318.017/0001-II.2/2004, 177/ME). Als Frist zur Abgabe von Stellungnahmen
wurde – der grundsätzlichen Bedeutung des Vorschlags Rechnung tragend – der
10.9.2004 festgesetzt.
Beim BMJ sind ca. 80 Stellungnahmen eingelangt; viele davon setzen sich ausführlich mit dem
Entwurf (im Folgenden: ME) auseinander. Die meisten Bemerkungen bezogen sich
auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen und die Sanktionen (§§ 1 bis
9). Die Stellungnahmen wurden im BMJ umfassend ausgewertet; in vielen
Bestimmungen haben sie zu Änderungen des Entwurfs geführt. In den Erläuterungen
zu den einzelnen Bestimmungen werden wesentliche Änderungen gegenüber dem ME
und ihre Gründe dargestellt.
Insgesamt versucht der vorliegende Entwurf, den Bedürfnissen und Bedenken
der Wirtschaft ebenso wie jenen der Gerichte und Staatsanwaltschaften soweit
wie möglich Rechnung zu tragen, ohne dabei aber die Wirksamkeit des neuen
Instrumentariums, seine kostensparende Umsetzung sowie die Einhaltung der
zwischenstaatlichen Verpflichtungen aus den Augen zu verlieren.
E. Entscheidung
für das gerichtliche Strafrecht
Der vorliegende
Entwurf schlägt vor, eine Verantwortlichkeit von Verbänden im gerichtlichen
Strafrecht zu verankern. Dafür spricht zunächst auf den ersten Blick der
Umstand, dass Gegenstand des Vorwurfs (auch) gegen den Verband ein
gerichtlicher Straftatbestand ist. Meist werden wegen einer strafbaren Handlung
nicht nur Verbände, sondern auch (und vor allem) natürliche Personen verfolgt
werden; es drängt sich daher auf, dass das Verfahren gegen beide von derselben
Behörde und nach derselben Verfahrensordnung – der
Strafprozessordnung – geführt wird, sodass auch gegen beide jederzeit dieselbe
Beweislage besteht. Es sollten gegen Verbände dieselben
Eingriffsbefugnisse wie gegen natürliche Personen zur Verfügung stehen; andererseits
sollten ihnen auch dieselben Verfahrensgarantien gewährt werden.
1. Zunächst ist
festzuhalten, dass das Zivilrecht als Ort der Regelung von vornherein ausscheidet:
Bloß zivilrechtliche Reaktionen sind nach dem Zweiten Protokoll und anderen
EU-Rechtsakten für die Fälle ausgeschlossen, in denen eine Person in
Führungsposition die Straftat begangen hat. Für die Fälle der mangelnden
Überwachung oder Kontrolle genügen nach den meisten EU-Rechtsakten zwar
grundsätzlich zivilrechtliche Sanktionen. Diese Lösung ist aber einerseits für
die Bereiche des Rahmenbeschlusses gegen Menschenhandel und des
OECD-Bestechungsübereinkommens ausgeschlossen. Andererseits ist kaum
vorstellbar, wie mit den Mitteln des österreichischen Zivilrechts „wirksame,
angemessene und abschreckende“ Reaktionsformen erreicht werden sollen, die den
unionsrechtlichen Anforderungen entsprechen und insbesondere über Schadenersatz
oder Rückzahlung der Bereicherung hinausgehen (vgl. oben A.1.4.); „punitive
damages“ sind dem österreichischen Zivilrecht fremd. Überdies hängt eine
Inanspruchnahme wegen deliktischen Handelns auf dem Zivilrechtsweg davon ab,
dass ein Geschädigter vorhanden ist und auch die entsprechenden Schritte
unternimmt, was nicht immer der Fall ist.
Bleibt die Wahl
zwischen Verwaltungsstrafrecht und gerichtlichem Strafrecht, wobei in letzter
Zeit als weitere Alternative auch ein Bußgeldverfahren nach Art des
Kartellrechts ins Spiel gebracht wurde.
2. Eine
Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden begegnet zunächst verfassungsrechtlichen
Bedenken.
Zunächst ist aus Art. 91
Abs. 2 und 3 B-VG nach ständiger Judikatur des VfGH (seit VfSlg 12151)
abzuleiten, dass auch unterhalb der Geschworenen- und Schöffengerichtsbarkeit
ein Kernbereich strafbarer Handlungen besteht, die wegen ihrer hohen
Sozialschädlichkeit mit schwerwiegender Strafe bedroht sind und die daher der
Ahndung durch die Strafgerichtsbarkeit – deren Organe dazu wegen ihrer
Unabhängigkeit besonders qualifiziert sind – vorbehalten sind. Unter
schwerwiegenden Strafen, die eine Zuständigkeit der Strafgerichtsbarkeit
verfassungsrechtlich gebieten, versteht der VfGH auch hohe Geldstrafen. Wenn
daher gegen Verbände Sanktionen verhängt werden sollen, die angemessen und
abschreckend sind, so kommt dafür nur das Justizstrafrecht in Betracht (so
ausdrücklich Burgstaller in Korinek/Holoubek,
Bundesverfassungsrecht, Rz 44 [Fn 134] zu Art. 91 Abs. 2 und 3
B-VG) – jedenfalls soweit damit strafbare Handlungen sanktioniert werden
sollen, die hohe Sozialschädlichkeit aufweisen: für die Zuweisung von Verstößen
in den durch die Verfassung den Gerichten vorbehaltenen Kernbereich des
Strafrechts kann für juristische Personen nicht Anderes gelten als für
natürliche Personen (näher Löschnig-Gspandl, Strafrechtliche
Verantwortlichkeit, 280 ff). (Anders wäre daher möglicherweise der Fall zu
beurteilen, dass wegen Tatbeständen des Verwaltungsstrafrechts, also wegen
Taten geringerer Sozialschädlichkeit, für juristische Personen – wegen deren
wirtschaftlicher Potenz – hohe Geldstrafen im Verwaltungsstrafrecht vorgesehen
werden; dies ist aber nicht Gegenstand dieses Entwurfs.).
Die Unabhängigen
Verwaltungssenate in den Ländern (Art. 129a B-VG) können nicht zur
Entscheidung in erster Instanz berufen werden; es kann ihnen nur die Aufgabe
übertragen werden, vorangegangenes Verwaltungshandeln einer Verwaltungsbehörde
(oder von Akten, die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung getroffen
wurden, was im gegenständlichen Zusammenhang aber keine Bedeutung erlangen
kann) zu kontrollieren (VfSlg. 14891; Köhler in Korinek/Holoubek,
Bundesverfassungsrecht, Rz 68 ff zu Art. 139a B-VG; Löschnig-Gspandl,
Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 298 f). Es müsste daher die
Bezirksverwaltungsbehörde zu Entscheidungen in erster Instanz berufen werden.
Damit würde in erster Instanz eine Behörde entscheiden, die kein Tribunal im
Sinne von Art. 6 MRK ist. Da die Entscheidungen in zweiter Instanz von den
Unabhängigen Verwaltungssenaten kontrolliert würden, wäre der MRK zwar Genüge
getan. Allerdings entfiele mangels gesonderter Anklagebehörde das – die
Unparteilichkeit der Entscheidungsinstanz sichernde – Anklageprinzip (Art. 90
Abs. 2 B-VG), damit aber auch die Möglichkeit, die Korrektur
erstinstanzlicher Fehlentscheidungen zu initiieren. Abgesehen von der bereits
dargestellten Problematik in Zusammenhang mit Art. 91 B-VG stellt sich die
Frage, warum Verfahren wegen des im Kern selben Tatvorwurfs gegen juristische
Personen mit geringeren Rechtschutzstandards als in einem Verfahren gegen
natürliche Personen geführt werden sollen.
Schließlich ist
darauf hinzuweisen, dass für eine Verankerung im gerichtlichen Strafrecht eine
klare Zuständigkeit des Bundes besteht (Art. 10 Abs. 1
Z 6 B-VG), während eine solche für eine Verankerung im
Verwaltungsstrafrecht fehlt.
3. Darüber hinaus
würde eine Zuweisung an Verwaltungsbehörden fundamentale verfahrensrechtliche
Probleme aufwerfen.
Wollte man die
Feststellung einer Verantwortlichkeit von Verbänden anderen Behörden als den
Strafgerichten übertragen, so hätte dies zur Folge, dass der Tatvorwurf gegen
die natürliche Person nach der StPO – daran wird ja kein Weg vorbeiführen –,
der Vorwurf gegen den Verband wegen derselben strafbaren Handlung aber nach
einer anderen Verfahrensordnung geführt wird, nämlich nach AVG und VStG. Nach diesen
Verfahrensordnungen stehen aber bei weitem nicht die Ermittlungsbefugnisse
zur Verfügung, die die StPO bietet. Das bedeutet: Entweder wird auf
Beweissicherung durch Hausdurchsuchung, Beschlagnahme,
Telekommunikationsüberwachung usw. schlechthin verzichtet, und die zulässigen
Beweise, wie Zeugenvernehmungen, werden ein zweites Mal durchgeführt – die
Ineffizienz dieser Vorgangsweise ist evident. Oder es muss auf die im
Strafverfahren gegen natürliche Personen erlangten Beweise zurückgegriffen
werden. Dies würde es aber erfordern, dass die juristische Person an deren
Ermittlung beteiligt werden muss: Nach der Judikatur des VwGH zu § 9
Abs. 7 VStG ist die juristische Person dem Verwaltungsstrafverfahren gegen
den verantwortlichen Beauftragten als Partei beizuziehen, wenn sie für die über
diesen zu verhängende Strafe haften soll (VwGH 21.11.2000, 99/09/0002 und
31.1.2001, 98/09/0087; Besprechung in ZUV 2001, 6); im strafgerichtlichen
Verfahren ist die Stellung des Haftungsbeteiligten in ähnlicher Weise gesetzlich
geregelt (vgl. §§ 50, 444 StPO; § 41 MedienG; § 69
Abs. 2 LMG). Die juristische Person müsste also vor dem Strafgericht
Nebenbeteiligte an der Seite der beschuldigten natürlichen Personen sein und
würde erst danach von einer anderen Behörde, die sich im Wesentlichen auf die
Beweisergebnisse des Strafgerichts stützen würde, selbst verfolgt werden. Die
Unzweckmäßigkeit einer solchen, allen Grundsätzen der Verfahrensökonomie
widersprechenden Lösung ist offensichtlich.
Eine Zuweisung an
Verwaltungsbehörden wäre dann besonders problematisch, wenn die zu Grunde
liegenden Sachverhalte Auslandsbezug aufweisen: Im Bereich des
Verwaltungsstrafrechts gibt es weder detaillierte Regeln über die inländische
Gerichtsbarkeit (wie in den §§ 62 ff StGB), noch stehen wie in der
Strafjustiz umfassende Möglichkeiten zwischenstaatlicher Zusammenarbeit
(Rechtshilfe, Vollstreckungsübernahme usw.) zur Verfügung.
4. Von
Befürwortern einer Ansiedlung im Verwaltungsstrafrecht wird bisweilen das deutsche
Ordnungswidrigkeitenrecht als Vorbild herangezogen. Dem ist jedoch entgegen
zu halten, dass das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht eine völlig andere
Struktur aufweist als das österreichische Verwaltungsstrafrecht. Im
Bußgeldverfahren ist die Strafprozessordnung anzuwenden (§ 46 Abs. 1
OWiG); bestehen Zusammenhänge zwischen einer Straftat und einer
Ordnungswidrigkeit, so kann die Staatsanwaltschaft die Verfolgung der
Ordnungswidrigkeit übernehmen, und
es wird das Gericht zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständig (§§ 42,
45 OWiG). Es gibt in Deutschland weder eine gesonderte, von der StPO
verschiedene Verfahrensordnung, noch besteht eine strenge Trennung zwischen
Verwaltungs- und Justizbehörden wie in Österreich. Anders ausgedrückt: Der
Grundsatz der Trennung zwischen Justiz und Verwaltung (Art. 94 B-VG)
stünde in Österreich einem System nach dem Vorbild des deutschen
Ordnungswidrigkeitenrechts entgegen.
5. Es ist auch der
Vorschlag gemacht worden, ein Bußgeldverfahren ähnlich dem
EG-Kartellverfahren oder dem in Österreich kürzlich im Kartellrecht
geschaffenen Verfahren (BGBl. I Nr. 62/2002) anzuwenden (Venier, ÖJZ 2002, 718).
Nach § 142 KartellG sind wegen Kartellverstößen auf Antrag der
Bundeswettbewerbsbehörde oder des Bundeskartellanwalts vom Kartellgericht
Geldbußen zu verhängen; das Kartellgericht hat das Außerstreitverfahren
anzuwenden (§ 43 KartellG). Die Bundeswettbewerbsbehörde kann Ermittlungen
führen (§§ 11 ff WettbG) und hat dabei nach dem AVG vorzugehen; sie kann
sich auch der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bedienen.
Hausdurchsuchungen hat das Kartellgericht auf Antrag der
Bundeswettbewerbsbehörde anzuordnen (§ 12 WettbG); es hat dabei neben
dem Außerstreitverfahren die Bestimmungen der StPO (§§ 142, 145)
anzuwenden.
Wollte man ein
Gericht nach dem Vorbild des Bußgeldverfahrens im österreichischen Kartellrecht
(das EG-Kartellverfahren wäre insoweit kein Vorbild, weil dort in erster
Instanz mit der Kommission eine Verwaltungsbehörde entscheidet) dafür zuständig
machen, Sanktionen gegen Verbände auszusprechen, so könnten dadurch zwar die
meisten oben (E.2.) dargestellten verfassungsrechtlichen Probleme vermieden
werden: Jedenfalls die auf Art. 91 und 139a B-VG gestützten Einwände
würden für ein solches Verfahren nicht gelten; allerdings bleibt der gleichheitsrechtliche
Einwand bestehen, dass Verfahren wegen des im Kern selben Tatvorwurfs gegen
juristische Personen in einem anderen Verfahren, nach dem Außerstreitgesetz,
als gegen natürliche Personen geführt werden.
Vor allem aber
treten die oben (E.3.) dargestellten verfahrensrechtlichen Probleme auch bei
dieser Lösung in gleicher Weise auf.
Es darf nicht
übersehen werden, dass sich ein Kartellbußgeldrecht in zwei Punkten von der
hier zu regelnden Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten grundlegend
unterscheidet: Zum Einen sind Kartellverstöße Zuwiderhandlungen von einer zwar
beträchtlichen, aber doch begrenzten Sozialschädlichkeit; ihre schädlichen
Auswirkungen sind auf den Bereich des Vermögens beschränkt. Demgegenüber können
Verbände praktisch wegen aller gerichtlich strafbaren Handlungen verfolgt
werden; es geht also auch um den Schutz der höchsten Rechtsgüter, wie Leben,
Freiheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Umwelt. Der
Schutz dieser Rechtsgüter rechtfertigt auch gewichtigere Grundrechtseingriffe;
die zur Kanalisierung solcher Eingriffe geschaffene Verfahrensordnung ist die
StPO, sodass die Heranziehung anderer Verfahrensordnungen inadäquat bleiben
wird.
Zum anderen können
Kartellverstöße (sowohl nach europäischem als auch nach österreichischem Recht)
nur von Unternehmen (oder Unternehmensverbänden) allein begangen werden,
während wegen strafbarer Handlungen zumeist nicht nur die juristische Person,
sondern auch natürliche Personen zu verfolgen sein werden. Das oben (D.3.) dargestellte
Problem, dass wegen derselben strafbaren Handlung einerseits ein Strafverfahren
gegen natürliche Personen (jedenfalls nach der StPO) und andererseits ein
andersartiges Verfahren gegen eine juristische Person zu führen ist, stellt
sich daher nur bei Kartellverstößen nicht.
Weiters steht im
Bußgeldverfahren ein gegenüber dem gerichtlichen Strafverfahren nur sehr
eingeschränkter Sanktionskatalog zur Verfügung; es gibt etwa weder eine
bedingte Nachsicht der Strafe noch diversionelle Erledigungen.
Schließlich stellt
sich auch die Frage, wer in einem Bußgeldverfahren dieser Art als Ermittlungs-,
Antrags- und Initiativbehörde tätig werden soll. Eine solche Einrichtung müsste
neu geschaffen werden – wie im Kartellrecht, wo der Bundeskartellanwalt die erwähnten
Aufgabenbereiche wahrzunehmen hat. Betraut man aber etwa (naheliegender Weise)
die Staatsanwaltschaft mit diesen Aufgaben, so nähert man sich wiederum dem
gerichtlichen Strafverfahren.
Auch das
Bußgeldverfahren in Kartellsachen ist daher als Vorbild für eine Umsetzung
einer Verantwortlichkeit juristischer Personen letztlich ungeeignet (ebenso mit
umfassender Begründung Löschnig-Gspandl, Strafrechtliche
Verantwortlichkeit, 291 f).
F. Grundzüge
des Entwurfes
Der Entwurf
schlägt vor, ein eigenes Bundesgesetz zu schaffen. Die neuen Bestimmungen
sollen nicht nur auf juristische Personen, sondern auch auf bestimmte
Gesellschaften (insbesondere auf Personenhandelsgesellschaften) anwendbar sein,
die in ihrer Rechtsqualität juristischen Personen nahe kommen. Als Oberbegriff
für juristische Personen und die erwähnten Gesellschaften schlägt der Entwurf
den Begriff Verband vor.
Nach einem kurzen
ersten Abschnitt, der Bestimmungen über den Anwendungsbereich und
Begriffsbestimmungen enthält, soll das neue Gesetz aus zwei großen Abschnitten
(2. und 3. Abschnitt) bestehen.
Der zweite
Abschnitt enthält materiellrechtliche Bestimmungen,
insbesondere über die Voraussetzungen, unter denen ein Verband für Straftaten
verantwortlich werden kann, und über die Sanktion der Verbandsgeldbuße.
Subsidiär sollen die Bestimmungen des Strafgesetzbuches anwendbar sein. Die
wichtigsten Regelungen sind:
-
Der Entwurf
geht davon aus, dass ein Verband grundsätzlich für jeden
Deliktstypus verantwortlich werden kann, der im Besonderen Teil des StGB
oder in den Nebengesetzen enthalten ist.
-
Bei der
Ausgestaltung der Voraussetzungen folgt der Entwurf
grundsätzlich dem Modell der EU-Rechtsakte, die zwischen zwei Grundfällen
unterscheiden (vgl. oben A.1.): einerseits die Begehung einer Straftat durch
eine Person in Führungsposition (Entscheidungsträger), andererseits die
Begehung durch unterstellte Personen (Mitarbeiter) bei mangelnder Überwachung
oder Kontrolle.
-
Die Sanktion der Wahl soll die Geldbuße sein, die nach einem
Tagessatzsystem berechnet werden sollen. Die Geldbußen sollen (zur Gänze oder
zum Teil) bedingt nachgesehen werden können.
Der dritte
Abschnitt enthält Sonderbestimmungen für das Verfahren
gegen Verbände. Geregelt werden insbesondere die Einleitung des Verfahrens, die
Zuständigkeit, die Beschuldigtenvernehmung, einstweilige Verfügungen, das
Verfolgungsermessen und die Diversion, der Antrag auf Verhängung einer Buße und
die Hauptverhandlung. Vorgeschlagen wird zwar eine gemeinsame Führung des
Verfahrens (Vorverfahren wie Hauptverhandlung), der letzte Teil der
Hauptverhandlung (Schlussanträge und Urteilsverkündung) soll aber in zwei
gesonderten Abschnitten stattfinden. Soweit keine besonderen
Verfahrensbestimmungen vorgeschlagen werden, soll subsidiär die StPO anwendbar
sein.
G.
Erforderliche flankierende Änderungen in anderen Bundesgesetzen
1. Soweit in
einzelnen Gesetzen des Nebenstrafrechts eine Haftung
juristischer Personen (teils auch anderer Rechtssubjekte) für
Geldstrafen (teils auch für Verfalls- und Wertersatzstrafen, Verfahrenskosten
usw.), die gegen natürliche Personen verhängt wurden, vorgesehen, wird
größtenteils deren Aufhebung vorgeschlagen (MedienG, LMG bzw. zukünftig LMSVG,
PatG, MarkenSchG, HlSchG, MusterSchG, GMG; vgl. die nähere Darstellung oben
unter C.1. und unten bei Art. 3 bis 9).
2. Eine besondere
Situation besteht im Finanzstrafrecht, weil die dort
vorgesehenen Straftatbestände nach bestimmten Kriterien (insbesondere nach
Wertgrenzen, vgl. § 53 FinStrG) entweder in die Zuständigkeit des Gerichts
oder in jene der Finanzstrafbehörde (also einer Verwaltungsbehörde) fallen. Die
im geltenden § 28 FinStrG vorgesehene Haftung von Verbänden für
Geldstrafen, die über Mitglieder der Organe oder Dienstnehmer verhängt wurden,
kommt daher sowohl im gerichtlichen als auch im verwaltungsbehördlichen
Strafverfahren zur Anwendung. Da eine (über die Haftung für Geldstrafen
hinausgehende) eigenständige Verantwortlichkeit von Verbänden dem
Verwaltungsstrafrecht bisher fremd ist, würde deren Einführung im
Finanzstrafrecht einen Systembruch bedeuten.
Darüber hinaus
können die Bestimmungen des vorgeschlagenen VbVG auch nicht ohne weiteres im
gerichtlichen Finanzstrafrecht angewendet werden: Das Tagessatzsystem der
Verbandsgeldbuße ist mit der im FinStrG vorgesehenen Bemessung der Geldstrafe
nach dem Verkürzungsbetrag nicht kompatibel. Darüber hinaus sieht das VbVG
diversionelle Erledigungen vor, während solche im Finanzstrafrecht (außer bei
Jugendlichen) ausgeschlossen sind. Es wäre aber unvertretbar, wollte man wegen
des selben Finanzvergehens gegen natürliche Personen eine Geldstrafe verhängen,
das Verfahren gegen den Verband jedoch nach Diversion einstellen.
Zu diesen Fragen
scheint ein eingehender Diskussionsprozess (insbesondere ein
Begutachtungsverfahren) angebracht, sodass die Anpassung des Finanzstrafrechts
einem späteren Schritt vorbehalten bleiben soll.
3. In Verfahren,
die gegen einen Verband geführt werden, sollen sämtliche Formen der zwischenstaatlichen
Zusammenarbeit, insbesondere der Rechtshilfe, möglich sein (dies ist
ein wesentlicher Grund, warum das Verwaltungsstrafrecht zur Umsetzung
ungeeignet wäre, siehe oben E.3.). Zu diesem Zweck könnten sich Klarstellungen
in einzelnen Bestimmungen des ARHG, allenfalls auch nur im EU-JZG,
empfehlen. Diese rein technischen Änderungen werden anlässlich von ohnehin
anstehenden Ergänzungen der erwähnten Gesetze in naher Zukunft nachgetragen
werden.
4. Verurteilungen
von Verbänden müssen in ein Register aufgenommen werden. Dies ist schon deshalb
notwendig, weil der Entwurf in mehreren Bestimmungen eine Berücksichtigung
früherer Verurteilungen des Verbandes vorsieht. Es liegt nahe, Verurteilungen
von Verbänden in das Strafregister aufzunehmen.
Darüber hinaus werden ein Rücktritt von der Verfolgung oder eine Einstellung
des Verfahrens im Rahmen der Diversion im Geschäftsregister der
Staatsanwaltschaft ersichtlich zu machen sein.
Die diesbezüglich
erforderlichen Bestimmungen (insbesondere im Strafregistergesetz) sind eher
technischer Art und werden einem späteren Schritt vorbehalten.
5. Weiters wird
durch entsprechende flankierende Gesetzgebung sicherzustellen sein, dass die
zuständigen Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörden über die erforderlichen
Rechtsgrundlagen in den Materiengesetzen des Verwaltungsrechtes
verfügen, um auf eine Verurteilung eines Verbandes durch adäquate Maßnahmen
reagieren zu können (z.B. Entzug der Gewerbeberechtigung; näher unten bei
§ 4, Pkt. 9.)
6. Schließlich
wird durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen sicherzustellen sein, dass über
einen Verband verhängte Geldbußen steuerlich nicht abzugsfähig sind.
H.
Finanzielle Auswirkungen
Dass
Strafverfahren nun auch gegen Verbände geführt werden können, birgt das
Potential eines Mehraufwandes im Bereich der Sicherheits- und Justizbehörden in
sich. Allerdings sieht der Entwurf vor, dass Verfahren gegen natürliche
Personen und gegen Verbände wegen derselben Straftaten grundsätzlich gemeinsam
zu führen sind. Es wird daher in den meisten Fällen das Verfahren gleichsam nur
gegen zusätzliche Beschuldigte, nämlich die Verbände, zu führen sein; dass ein
gänzlich „neues“ Verfahren entsteht, das ohne die Einführung der Strafbarkeit
von Verbänden überhaupt nicht geführt worden wäre, dazu wird es voraussichtlich
nur selten kommen.
Diesem – kaum
quantifizierbaren – Mehraufwand steht ein Potential an Mehreinnahmen durch
Geldbußen sowie durch im Rahmen der Diversion gezahlte Geldbeträge gegenüber,
die in ihrer Höhe ebenso wenig prognostizierbar sind wie die Zahl der
Verfahren, in denen ein Verband verfolgt werden wird.
Insgesamt ist zu
erwarten, dass die Mehreinnahmen die Aufwendungen übersteigen werden.
I.
Kompetenzgrundlage
Die Kompetenz des
Bundes zur Gesetzgebung gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 des
Bundes-Verfassungsgesetzes.
J.
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens
Keine.
Besonderer
Teil
Zu Artikel 1
(Verbandsverantwortlichkeitsgesetz)
Zum 1.
Abschnitt (Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen)
Zu § 1
(Verbände)
1. Die
Grundsatzbestimmung des § 1 Abs. 1
umreisst in Satz 1 grob den Regelungsgehalt des
vorgeschlagenen Gesetzes: Verantwortlichkeit und Sanktionierung von Verbänden
sowie das Verfahren, nach dem die Verantwortlichkeit festgestellt und
Sanktionen auferlegt werden.
2. § 1 Abs. 1 Satz 2 bringt zunächst zum
Ausdruck, dass Verbände nach dem vorgeschlagenen Gesetz nur für Straftaten
verantwortlich gemacht werden können, die gerichtlich
strafbar sind; verwaltungsbehördlich zu ahndende Taten bleiben außerhalb
des Anwendungsbereichs. Für die Umschreibung des Begriffs „Straftat“
wurde bewusst jene aus der StPO idF des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr.
19/2004, (§ 1 Abs. 1 Satz 2) übernommen. Entsprechend der auch
im StGB gebräuchlichen Terminologie umfasst „mit gerichtlicher Strafe bedrohte
Handlung“ auch Unterlassungen.
Der Entwurf sieht
vor, dass eine Verantwortlichkeit von Verbänden grundsätzlich in Bezug auf jeden
(gerichtlichen) Straftatbestand eintreten können soll. Es wird davon
abgesehen, den Kreis der Straftatbestände einzuschränken, etwa durch eine Liste
oder durch grobe Kategorisierungen. Beide Möglichkeiten hätten den Nachteil,
dass dadurch Lücken entstehen können; eine grobe Kategorisierung von in
Betracht kommenden Tatbeständen würde überdies das Bestimmtheitsgebot
verletzen. Eine Auflistung der Tatbestände wäre zwar grundsätzlich möglich,
allerdings wäre das Ergebnis in Anbetracht der großen Zahl von bereits jetzt zu
erfassenden Deliktstypen (oben Allgemeiner Teil, A.3.) unübersichtlich und (da
die Auswahl nicht nach sachlichen Kriterien erfolgt) willkürlich; die Liste
müsste überdies wegen der zu erwartenden weiteren Rechtsentwicklung in der EU
und auf internationaler Ebene laufend ergänzt und erweitert werden.
Gegen die
Anwendung auf alle Straftatbestände könnte eingewendet werden, dass damit auch
Straftatbestände erfasst würden, bei denen eine Verantwortlichkeit von
Verbänden gar nicht denkbar sei. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es, wenn
diese Annahme zutrifft, in der Praxis dann eben keinen Fall geben wird.
Wenn daher in
§ 3 von der „Straftat“ die Rede ist, so ist damit jede Handlung erfasst,
die unter (irgend)einen gerichtlichen Straftatbestand fällt, sei es im StGB
oder in den Nebengesetzen. Ausgenommen sollen (zumindest vorläufig)
Finanzvergehen sein (dazu oben Allgemeiner Teil, G.2.).
Dies bedeutet aber
noch nicht, dass auch jeder Fall tatsächlich verfolgt werden muss: der Entwurf
schlägt in gewissen Grenzen ein Verfolgungsermessen der Staatsanwaltschaft vor
(dazu unten bei § 18).
3. Die
zwischenstaatlichen Rechtsakte sehen vor, dass juristische Personen
für Straftaten verantwortlich gemacht werden müssen; die EU-Rechtsakte
verweisen zur Frage, welche Einheiten unter diesen Begriff fallen müssen,
zunächst auf das nationale Recht (z.B. Art. 1 lit. d Zweites
Protokoll: „jedes Rechtssubjekt, das diesen Status nach dem jeweils geltenden
innerstaatlichen Recht besitzt“).
Die Bestimmungen
des vorgeschlagenen Bundesgesetzes sollen daher nach § 1
Abs. 2 zunächst auf juristische Personen anwendbar sein;
erfasst sind daher grundsätzlich alle juristischen Personen, jene des privaten
Rechts gleichermaßen wie jene des öffentlichen Rechts.
Juristische
Personen des Privatrechts sind insbesondere Kapitalgesellschaften
(Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften einschließlich
der Europäischen Gesellschaft aufgrund der Verordnung des Rates
Nr. 2157/2001, die in Österreich mit dem SE-Gesetz, BGBl. I 67/2004,
wirksam wurde), Genossenschaften, Sparkassen, (ideelle) Vereine (im Sinn des
Vereinsgesetzes 2002), Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, politische
Parteien, Sachgesamtheiten (z.B. Fonds) und Stiftungen.
Juristische
Personen des öffentlichen Rechts sind zunächst die
Gebietskörperschaften; daneben sind etwa die Einrichtungen der wirtschaftlichen
und beruflichen Selbstverwaltung (Kammern), die Sozialversicherungsträger, die
Universitäten (UniversitätsG 2002), die Hochschülerschaft und andere
Interessensgemeinschaften, öffentlich-rechtliche Stiftungen (insbesondere der
ORF) und Fonds und selbstständige Anstalten (z.B. Österr. Nationalbank, Finanzmarktaufsicht,
Statistik Österreich, Arbeitsmarktservice) zu nennen. Zur hoheitlichen
Tätigkeit siehe unten 6.
4. Die
zwischenstaatlichen Rechtsakte lassen es wie gesagt offen, welche Einheiten der
nationale Gesetzgeber als „juristische Person“ behandelt. Es stellt sich daher
die Frage, ob auch bestimmte Gesellschaften, die keine juristischen
Personen sind, einbezogen werden sollen. Zunächst ist festzuhalten, dass
zahlreiche Staaten nicht nur juristische Personen (im Sinn ihrer
Rechtsordnungen) erfassen. In Deutschland können Geldbußen gegen juristische
Personen und Personenvereinigungen verhängt werden (§ 30 OWiG); ähnlich
ist die Rechtslage etwa in Italien, Dänemark, Island, Portugal, Belgien, Ungarn
und den Niederlanden. In anderen Rechtsordnungen bezieht sich die
Verantwortlichkeit auf Unternehmen, entweder generell, so im EG-Kartellrecht
und in Norwegen, Schweden, Griechenland und in der Schweiz, oder ergänzend, so
in Dänemark. Auch in der Literatur wird gefordert, insbesondere
Personenhandelsgesellschaften in die Verantwortlichkeit einzubeziehen (Löschnig-Gspandl,
Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 336 ff, 378 ff; Bauer, Fragen der
Verbandsstrafbarkeit 166 ff).
Der Entwurf
schlägt in § 1 Abs. 2 vor, neben
juristischen Personen auch diejenigen Gesellschaftsformen einzubeziehen, die
zwar (zumindest nach herrschender Ansicht) keine juristischen Personen sind,
aber diesen doch stark angenähert sind: Die Personenhandelsgesellschaften
(OHG, KG, EWIV) und die Eingetragenen Erwerbsgesellschaften (EEG).
Diesen Gesellschaften kommt im Außenverhältnis eine der juristischen Person
ähnliche Stellung zu; insbesondere sind sie zivilrechtlich wie diese
deliktsfähig. Sie sind – unabhängig von den Gesellschaftern – Träger von
Rechten und Pflichten, und es besteht ein Sondervermögen, das vom Vermögen der
Gesellschafter getrennt ist. Die erwähnten Gesellschaften betreiben
definitionsgemäß Unternehmen. Es schiene daher gleichheitswidrig, wollte man
jene Gesellschaften, die juristische Personen sind (also insbesondere die GmbH,
die AG und die Genossenschaft), für Straftaten verantwortlich machen, die
Personenhandelsgesellschaften und die EEG aber nicht.
Gute Gründe sind
auch dafür vorgebracht worden, das vorgeschlagene Gesetz auch auf die Gesellschaft
bürgerlichen Rechts anwendbar zu machen: Unter dieser Rechtsform können
Minderhandelsgewerbe und nichtgewerbliche Unternehmen betrieben werden, und die
Wahl zwischen der Form der EEG und der GesbR steht im Einzelfall frei; die
Differenzierung der Rechtsfolgen scheint daher sachlich wenig begründet (Löschnig-Gspandl,
Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 339, 380 ff). Mangels Rechtspersönlichkeit
nach bürgerlichem Recht kommt eine Verantwortlichkeit für Straftaten allerdings
derzeit nicht in Betracht.
Der vorgeschlagene
Kreis der Adressaten ist der selbe wie jener, der zu einer Abschöpfung der
Bereicherung verurteilt werden kann (§ 20 Abs. 4 StGB), sowie jener,
auf den sich im Verwaltungsstrafrecht die oben (Allgemeiner Teil, C.1.)
dargestellten Bestimmungen in § 9 VStG beziehen (ähnlich § 28
FinStrG; vgl. auch § 161 StGB oder § 8a ZustellG).
5. Zwar wird auch
der Nachlass (§ 547 ABGB) von der Rechtsprechung (SZ 64/19) und der
herrschenden Lehre als juristische Person angesehen (vgl. Welser in
Rummel, ABGB3 Rz 2 zu § 547; Koziol
in Koziol/Welser, Band I12 64; Welser in Koziol/Welser
Band II12 520; Eccher in Schwimann, ABGB2 Rz 1 zu § 547). Der Nachlass
ist aber lediglich eine Konstruktion, um den Übergang zahlreicher einzelner
Rechte und Pflichten von einer natürlichen Person (dem Erblasser) auf eine
andere natürliche Person (den Erben) im Wege der Universalsukzession zu
ermöglichen (und dadurch die für die Singularsukzession erforderlichen
besonderen Erwerbs- und Schuldübernahmsakte zu ersparen: Kralik/Ehrenzweig,
Erbrecht, 9). Eine Anwendung der vorgeschlagenen Gesetzes auf den Nachlass
würde daher keinen Sinn machen. Aus Gründen der Rechtssicherheit schlägt der
Entwurf daher vor (§ 1 Abs. 3 Z 1),
den Nachlass vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen; die Frage, ob (und
inwieweit) der Nachlass eine juristische Person ist, soll damit aber nicht
präjudiziert werden.
6. Die
zwischenstaatlichen Rechtsakte sehen vor, dass bestimmte juristische
Personen des öffentlichen Rechts unter bestimmten Umständen von der
Verantwortlichkeit ausgenommen werden können, nämlich Staaten und sonstige
Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Ausübung ihrer hoheitlichen
Rechte und der öffentlich-rechtlichen internationalen Organisationen (z.B.
Art. 1 lit. d Zweites Protokoll).
Der ME hatte
vorgesehen, diese Bestimmung in der Weise umzusetzen, dass Bund, Länder
und Gemeinden zur Gänze, sowohl in Bezug auf hoheitliches als auch in Bezug auf
privatwirtschaftliches Handeln, vom Anwendungsbereich ausgenommen werden
sollten, andere Körperschaften des öffentlichen Rechts nur, wenn sie
hoheitliche Rechte ausüben. Diese Regelung ist in zahlreichen Stellungnahmen
kritisiert worden. Es wurde vor allem eine Ungleichbehandlung darin gesehen,
dass die drei Gebietskörperschaften selbst dann nach dem vorgeschlagenen
Bundesgesetz nicht verantwortlich werden können, wenn sie selbst
unternehmerisch oder sonst privatwirtschaftlich tätig werden (Beispiel: von
einem Land betriebener Bauhof). In mehreren Stellungnahmen wurde gefordert,
sämtliche öffentlich-rechtlichen Körperschaften generell vom Anwendungsbereich
auszunehmen. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass auch einzelne
privatrechtlich organisierte Körperschaften mit hoheitlichen Aufgaben beliehen
sind und auch diese insoweit vom Anwendungsbereich ausgenommen werden müssen.
Der Entwurf trägt
diesen Einwänden dadurch Rechnung, dass er vorschlägt, hoheitliches
Handeln, von welcher juristischen Person auch immer, aus dem Gesetz auszuklammern, alle anderen Tätigkeiten jedoch
grundsätzlich zu erfassen (§ 1 Abs. 3 Z 2).
Die in den EU-Rechtsakten verwendeten Worte „in Ausübung hoheitlicher Rechte“
sollen durch den in der österreichischen Rechtssprache üblichen Begriff „in
Vollziehung der Gesetze“ ersetzt werden. Die Grenzziehung soll daher jener
entsprechen, die aus dem Bereich der Amtshaftung bekannt ist, vgl.
Art. 23 B-VG und § 1 AHG. Der Halbsatz „soweit sie in
Vollziehung der Gesetze handeln“ bezieht sich also nicht nur auf die „anderen
juristischen Personen“, sondern auch auf den Bund , die Länder und die Gemeinden.
Die gesonderte Erwähnung der Gebietskörperschaften wäre zwar streng genommen
nicht erforderlich, scheint aber im Hinblick auf deren überragende Bedeutung
bei der Vollziehung hoheitlicher Aufgaben doch zweckmäßig.
Die Bestimmung ist
auch auf andere Staaten und internationale Organisationen anwendbar; deren
gesonderte Anführung (wie noch im ME) erübrigt sich aber, weil sie ohnehin
unter den Begriff „andere juristische Personen“ fallen.
7. Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften (Art. 15 StGG) sowie religiöse Bekenntnisgemeinschaften (BGBl. I
Nr. 19/1998) – unabhängig davon, ob einzelne als juristische Person des
privaten oder des öffentlichen Rechts anzusehen sind – sollen insoweit vom
Anwendungsbereich des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes ausgenommen sein, als
sie seelsorgerisch tätig sind (§ 1 Abs. 3
Z 3).
Der ME hatte eine
weiter gehende Ausnahme für alle nicht unternehmerischen Tätigkeiten
vorgeschlagen. Dies ist in mehreren Stellungnahmen als zu weit gehend und
unsachlich kritisiert worden. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass es
„zwischen“ der unternehmerischen Tätigkeit und der Seelsorge Tätigkeitsbereiche
gibt (z.B. humanitäre Aufgaben), die nicht nur von Kirchen,
Religionsgesellschaften und Bekenntnisgemeinschaften, sondern auch von anderen
(oft auch nicht auf Gewinn ausgerichteten) Vereinigungen wahrgenommen werden,
auf welche das Gesetz aber grundsätzlich anwendbar sein soll. Dieser Kritik
soll die nunmehr vorgeschlagene Ausnahme (lediglich) für seelsorgerische
Tätigkeit Rechnung tragen.
8. Als gemeinsamen
Oberbegriff für juristische Personen und die erwähnten Gesellschaften verwendet
der Entwurf den Begriff Verband. Die Verwendung
eines gemeinsamen Oberbegriffes empfiehlt sich, um eine bessere
Verständlichkeit der Bestimmungen des Gesetzes zu gewährleisten.
Gegen die
Verwendung dieses Begriffs Verband wurden in mehreren Stellungnahmen im
Begutachtungsverfahren Einwände erhoben; so wurde darauf hingewiesen, dass
unter einem Verband nach § 1 Abs. 5 des Vereinsgesetzes 2005 (VerG)
ein Zusammenschluss von Vereinen zur Verfolgung gemeinsamer Interessen zu
verstehen ist. Mangels geeigneter, auch sprachlich griffiger Alternativen wird
der Begriff jedoch beibehalten.
Zu § 2
(Entscheidungsträger und Mitarbeiter)
Bei der
Ausgestaltung der Voraussetzungen folgt der Entwurf grundsätzlich dem Modell
der EU-Rechtsakte, die zwischen zwei Grundfällen unterscheiden (vgl. oben
Allgemeiner Teil, A.1.): einerseits die Begehung einer Straftat durch eine
Person in Führungsposition, andererseits die Begehung durch unterstellte
Personen bei mangelnder Überwachung oder Kontrolle (vgl. § 3). Die beiden
Personenkreise – für die die Begriffe „Entscheidungsträger“ und „Mitarbeiter“
vorgeschlagen werden, die kürzer und prägnanter als die in den EU-Rechtsakten
verwendeten sind – sollen in § 2 definiert werden.
1. Die
Umschreibung des Entscheidungsträgers in § 2 Abs. 1 des
Entwurfs soll der in den EU-Rechtsakten angesprochenen „Person, die eine
Führungsposition innehat,“ (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 des Zweiten
Protokolls, oben A.1.1.) entsprechen. Eine Führungsposition, die den
Entscheidungsträger ausmacht, wird in diesen Rechtsakten aus einem formalen
Kriterium, der Befugnis zur Vertretung nach außen, sowie aus faktischer
Einflussmöglichkeit hergeleitet, nämlich aus der Befugnis, Entscheidungen zu
treffen, sowie aus einer „Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person“.
Zu diesem letztgenannten – eher unklaren – Kriterium enthält der Erläuternde
Bericht (ABl. 1999 C 91, 8) eingehende Ausführungen. Danach geht es letztlich
um die (tatsächliche) Möglichkeit, die Geschäftsführung zu beeinflussen (der in
der deutschen Fassung des Erläuternden Berichts verwendete Begriff „Verwaltung“
spiegelt andere Sprachfassungen nur unzureichend wieder: englisch „management“,
französisch „gestion“, italienisch „gestione“). Beispielhaft führt der Bericht
die Verantwortung für die interne Finanzkontrolle und die Rechnungsprüfung und
die Mitgliedschaft in einem Aufsichts- oder Kontrollgremium innerhalb der
juristischen Person an. Nicht erfasst werden sollen externe Prüfer, wie etwa
Wirtschaftsprüfer.
Die im ME
vorgeschlagene Fassung wurde in zahlreichen Stellungnahmen kritisiert. Auf
Widerspruch stieß vor allem die Formulierung „Verantwortung für einzelne
Tätigkeitsbereiche“, weil diese unpräzise sei und insbesondere so ausgelegt
werden könne, dass auch nur mit untergeordneten Verantwortungsbereichen
betraute Mitarbeiter Entscheidungsträger wären. Vielfach wurde gefordert, die
Umschreibung am Begriff des „leitenden Angestellten“ (§ 309 Abs. 2 StGB)
zu orientieren, der im Zusammenhang mit mehreren Straftatbeständen des
Wirtschaftsstrafrechts von Bedeutung ist. Kritisiert wurde auch, dass nach dem
ME die Mitglieder der Organe jedenfalls Entscheidungsträger sein sollten.
Die nunmehr
vorgeschlagene Umschreibung soll dieser Kritik Rechnung tragen. Die Vorgaben
der EU-Rechtsakte sollen erfüllt werden, ohne über sie hinauszugehen;
gleichzeitig soll eine möglichst harmonische Einbettung in die österreichische
Rechtsordnung gewährleistet werden, indem so weit wie möglich an bestehende
Begriffe angeknüpft wird, insbesondere jene in § 309 Abs. 2 StGB (sodass
die zu dieser Bestimmung bzw. zu Bestimmungen, die auf diese verweisen, wie
z.B. § 161 StGB, entwickelte Judikatur hier angewendet werden kann). Im Ergebnis
dürfte mit der vorgeschlagenen Umschreibung eine weitgehende Kongruenz mit der
deutschen Rechtslage gegeben sein (§ 30 Abs. 1 OWiG – in der Fassung
des Gesetzes dBGBl. I 2002, 3387, mit dem der Kreis der erfassten Personen
insbesondere um Mitglieder von Aufsichtsorganen und um Leitungspersonen ohne
entsprechende formale Position erweitert wurde).
Z 1 entspricht dem ersten Fall der
EU-Rechtsakte und erfasst Personen mit Außenvertretungsbefugnis.
Ausdrücklich angeführt werden (vgl. § 309 Abs. 2 Satz 2 StGB)
zunächst der Geschäftsführer (diese Bezeichnung wird für viele in Betracht
kommende Verbände verwendet, z.B. GmbH, Genossenschaft, EWIV), das
Vorstandsmitglied (AG, Genossenschaft, Stiftung) und der Prokurist
(§§ 48 ff HGB).
Im Übrigen sollen
jene Personen erfasst werden, die in vergleichbarer Weise dazu befugt
sind, den Verband nach außen zu vertreten. Es sollen also nur jene Fälle von
Vertretungsmacht einen Entscheidungsträger ausmachen, in denen die
Vertretungsbefugnis jener eines Geschäftsführers, eines Vorstandsmitglieds oder
eines Prokuristen vergleichbar ist. Es muss sich also um eine Art
Generalhandlungsmacht handeln; Vertretungsmacht für eingeschränkte
Tätigkeitsbereiche ist nicht ausreichend. Analog zur Prokura (vgl. § 50
HGB) kann eine Vertretungsmacht ausreichen, die auf den Betrieb einer einzelnen
Niederlassung beschränkt ist. Welchem Organ (bzw. welchen Organen)
Außenvertretungsbefugnis zukommt, wird nach den in Betracht kommenden Normen
(Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Vereinsstatuten ...) festzustellen
sein; auf die Bezeichnung kommt es nicht an, zumal bei einzelnen Verbänden die
Bezeichnung freigestellt ist (z.B. Vereine, Parteien). Ob die Mitglieder der
mit Vertretungsbefugnis ausgestatteten Organe tatsächlich Einfluss auf die
Geschäftsführung haben, soll ohne Belang sein. Als Geschäftsführer sind auch
geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften anzusehen (Kirchbacher/Presslauer
in WK2 § 161 Rz 8 mN).
Durch die
Einschränkung auf organschaftliche oder rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht
sollen jene Entscheidungsträger ausgeschlossen werden, die von außen
(namentlich durch gerichtliche Entscheidung) eingesetzt werden, wie
Masseverwalter, Sachwalter, Zwangsverwalter oder Notgeschäftsführer. Auf deren
Handeln haben die Eigentümer keinen Einfluss; es wäre daher auch
rechtspolitisch nicht begründbar, warum deren Handeln die Verantwortlichkeit
des Verbandes auslösen soll.
Von Z 2
werden – entsprechend dem dritten Fall der EU-Rechtsakte – jene Personen
erfasst, denen Kontrollbefugnis zukommt. Als Beispiel nennt der Entwurf
die Mitglieder von Aufsichtsräten (diese fallen auch nach § 309
Abs. 2 StGB unter den Begriff des leitenden Angestellten) und von
Verwaltungsräten. Im Übrigen soll Kontrollbefugnis den Entscheidungsträger
ausmachen, soweit diese in leitender Position ausgeübt wird; damit werden etwa
die Leiter einer Controlling- oder Revisionsabteilung erfasst, nicht jedoch
Personen mit untergeordneter Kontrollbefugnis oder außenstehende Personen (z.B.
Wirtschaftsprüfer). Die Formulierung entspricht jener, die der deutsche
Gesetzgeber im Jahr 2002 anlässlich der Umsetzung der EU-Rechtsakte verwendet
hat (§ 30 Abs. 1 Z 5 am Ende OWiG idF dBGBl. I 2002, 3387).
Schließlich sollen
von Z 3 jene Personen erfasst werden, die – entsprechend dem
zweiten Fall der EU-Rechtsakte – ohne eine entsprechende Befugnis faktisch maßgeblichen
Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. Diese Voraussetzung ist aus
§ 309 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommen (und ist auch der oben
wiedergegebenen Formulierung im Erläuternden Bericht zum Zweiten Protokoll sehr
ähnlich). Die Judikatur hat unabhängig von der formellen Position als
„leitenden Angestellten“ z.B. eine Person behandelt, die faktisch die
Geschäftsführung ausübt (OGH JBl 1987, 798; RZ 1995/4) oder die als
Kreditgeberin und spätere Erwerberin sämtlicher Geschäftsanteile das
Unternehmen faktisch beherrscht (OGH JBl 1986, 713).
Auf Grund welchen
Rechtsverhältnisses (Anstellung, Werkvertrag, Leiharbeitnehmer ...) der
Entscheidungsträger für den Verband handelt, soll in allen Fällen irrelevant
sein (anders als nach § 309 Abs. 2 StGB, der teilweise Anstellung
verlangt).
2. Die Definition
des Mitarbeiters in § 2 Abs. 2 des
Entwurfs soll der in den EU-Rechtsakten angesprochenen „unterstellten Person“
(vgl. z.B. Art. 3 Abs. 2 des Zweiten Protokolls, oben A.1.1.)
entsprechen.
Der ME hatte
vorgeschlagen, die Umschreibung auf die Formulierung „Personen, die zu
Handlungen im Rahmen der Tätigkeit des Verbandes eingesetzt sind“, zu
beschränken; in den Erläuterungen war angemerkt worden, die Vergabe eines
Auftrages an ein anderes Unternehmen (z.B. an „Subunternehmer“) sei damit nicht
erfasst.
In mehreren
Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren wurde einerseits die Richtigkeit
dieser zuletzt wiedergegebenen Feststellung vor dem Hintergrund des
vorgeschlagenen Gesetzestextes in Zweifel gezogen. Andererseits forderten
mehrere Stellungnahmen eine präzisere Umschreibung, etwa durch Aufnahme eines
Weisungsverhältnisses als Tatbestandsmerkmal.
Der Entwurf
schlägt vor, an die im Arbeitsrecht bestehenden Abgrenzungen anzuknüpfen. Als
Ausgangspunkt wird der Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechts
herangezogen, wie er insbesondere in § 1 Abs. 1 des
Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (DHG) und in § 51 Abs. 1 und 3
des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes (ASGG) umschrieben wird (vgl. auch
§ 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, AuslBG).
Mitarbeiter nach Z 1
sind zunächst alle Arbeitnehmer, die in einem privatrechtlichen
Arbeitsverhältnis stehen, also Angestellte und Arbeiter. Weiters sollen
Lehrlinge und andere Personen in einem Ausbildungsverhältnis als „Mitarbeiter“
gelten.
Unter Z 2
sind zunächst Heimarbeiter im Sinn von § 2 Abs. 1 lit. a des
Heimarbeitsgesetzes 1960 sowie diesen nach § 3 dieses Gesetzes
gleichgestellte Personen erfasst (ebenso § 1 Abs. 1 DHG und § 51
Abs. 3 Z 1 ASGG). Daneben soll der aus dem Arbeitsrecht bekannte
Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit übernommen werden. Als wesentliche Elemente
solcher arbeitnehmerähnlicher Verhältnisse führen § 1 Abs. 1 DHG und
§ 51 Abs. 3 Z 2 ASGG die Arbeitsleistung im Auftrag und für
Rechnung eines anderen und die wirtschaftliche Unselbständigkeit an, wobei
weder ein Arbeitsverhältnis noch eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen (vgl.
auch § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG).
Die Bestimmung in Z 3
knüpft an die Regelungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) an. Als
„Mitarbeiter“ sind nach Z 3 jene Arbeitskräfte zu behandeln, die zu einem
Dritten (dem „Überlasser“ im Sinn von § 3 Abs. 2 AÜG) in einem
Vertragsverhältnis stehen und von diesem dem Verband („Beschäftiger“ im Sinn
von § 3 Abs. 3 AÜG) zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt
werden.
In Z 4 sollen schließlich der öffentliche Dienst und
vergleichbare Rechtsverhältnisse erfasst werden. Mitarbeiter iSd Z 4 sind
zunächst Personen in einem Dienstverhältnis, also Beamte und
Vertragsbedienstete. Daneben sollen in Z 4 aber auch Personen erfasst
werden, die zwar Arbeitsleistungen erbringen, aber dies weder auf Grund eines
privatrechtlichen Vertrages noch auf Grund eines öffentlichrechtlichen
Dienstverhältnisses tun, sondern auf Grund besonderer öffentlichrechtlicher
Bestimmungen. Dies ist zunächst bei Soldaten, die Präsenz- oder
Ausbildungsdienst leisten, der Fall (andere Soldaten gehören dem Bundesheer
nach geltender Rechtslage auf Grund eines Dienstverhältnisses an, vgl. § 1
Abs. 3 Wehrgesetz 2001). Ebenso erbringen Zivildienstleistende in den
Einrichtungen, denen sie vom Bundesminister für Inneres zugewiesen sind, ihre
Arbeitsleistungen nicht auf Grund eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses.
Ähnliches gilt für Personen, die im Rahmen sozialer Maßnahmen (Erziehung,
Therapie), als Häftlinge oder im Rahmen gemeinnütziger Leistungen
(§ 90d f StPO) Arbeitsleistungen erbringen (vgl. § 36
Abs. 1 Z 4 und 5 Arbeitsverfassungsgesetz). Die betreffende Person
soll dabei als Mitarbeiter desjenigen Verbandes behandelt werden, für den die
Arbeitsleistung erbracht wird, also entweder für den Rechtsträger selbst (z.B.
Soldat für das Bundesheer) oder für Dritte (z.B. Häftling im Rahmen des
Freigangs für ein privates Unternehmen).
Zum 2.
Abschnitt (Verbandsverantwortlichkeit – Materiellrechtliche Bestimmungen)
Zu § 3
(Verantwortlichkeit)
1. In § 3
werden die Voraussetzungen umschrieben, unter denen eine Straftat einem Verband
zuzurechnen ist. Die Summe dieser Voraussetzungen wird als Verantwortlichkeit
bezeichnet. Die in der Literatur diskutierte Frage, ob die Verantwortlichkeit
als analoges Konstrukt zur Schuld des Individualstrafrechtes anzusehen ist
(vgl. Löschnig-Gspandl, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 417 ff) oder
sich auf die Umschreibung von Deliktsunrecht beschränkt (dafür zuletzt Moos in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer,
StGB-Kommentar, § 4 Rz 44 ff = Moos, Die Strafbarkeit juristischer Personen
und der Schuldgrundsatz, RZ 2004, 98 [100 ff]), kann offen bleiben, zumal
einerseits auch einer als Unrechtsfolge gedachten Geldbuße (wie einer Strafe)
ein sozialethischer Tadel innewohnt (so Moos in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer,
StGB-Kommentar, § 4 Rz 52 = Moos, Die Strafbarkeit juristischer Personen
und der Schuldgrundsatz, RZ 2004, 98 [104]) und andererseits „im Bereich der
Verbandsverantwortlichkeit Fragen der Schuld und des Unrechts kaum sinnvoll
getrennt voneinander darstellbar sind“ (so Löschnig-Gspandl, Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 333).
Die vorgeschlagene
Regelung orientiert sich in wesentlichen Elementen an den Vorgaben der
EU-Rechtsakte und der anderen zwischenstaatlichen Rechtsakte. Der Entwurf
präzisiert insbesondere die Anforderungen, die an die Anlasstat zu stellen
sind. In den EU-Rechtsakten ist zwar davon die Rede, dass die Anlasstat (sei es
des Entscheidungsträgers, sei es des Mitarbeiters) „begangen“ worden sein muss;
ob damit aber nur eine tatbestandsmäßige oder darüber hinaus auch eine
rechtswidrige und eine schuldhafte Tat gegeben sein muss und ob
Strafaufhebungsgründe dem Verband zu Gute kommen, lassen die Rechtsakte offen.
Die in manchen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren aufgestellte
Behauptung, es sei nach den Rechtsakten eine „voll verantwortliche“ Begehung
gefordert, ist daher zwar eine mögliche, aber keineswegs die einzige Auslegung.
Ein Verständnis der Verpflichtungen der Rechtsakte aus der Perspektive
innerstaatlicher Dogmatik greift zu kurz. Es geht bei der Umsetzung darum, ein
insgesamt ausgewogenes, kohärentes und wirksames System zu schaffen.
Unter einer
Straftat ist nicht nur eine vollendete Tat, sondern auch eine versuchte Tat
(§ 15 StGB) zu verstehen; nicht nur die Tat des unmittelbaren Täters,
sondern auch jene des Anstifters oder eines sonst Beteiligten (§ 12 StGB).
Dies entspricht den Verpflichtungen aus der Mehrzahl der zwischenstaatlichen
Rechtsakte (insbesondere die EU-Rechtsakte beziehen fast alle die
Beteiligungsformen und überwiegend auch den Versuch mit ein).
Es wird (in
Übereinstimmung mit den internationalen Vorgaben) vorgeschlagen, dass eine
Verantwortlichkeit des Verbandes in zwei verschiedenen Fällen
entstehen kann: Zum einen durch eine strafbare Handlung, die von einem
Entscheidungsträger begangen wird (§ 3 Abs. 2), zum anderen durch
die Verwirklichung des äußeren Tatbestandes einer strafbaren Handlung durch
Mitarbeiter und den Umstand, dass diese Tat dadurch erleichtert wurde, dass die
gebotenen Vorkehrungen zu ihrer Verhinderung unterlassen wurden (§ 3
Abs. 3). In beiden Fällen muss ein Zusammenhang zwischen der Tat und dem
Verband gegeben sein (§ 3 Abs. 1). Alle diese Voraussetzungen sind im
Folgenden zu erläutern:
2. Eines der
schwierigsten Probleme bei der Regelung einer Verantwortlichkeit von Verbänden
ist die Umschreibung des Kriteriums, das die Zurechnung einer Straftat zur
Sphäre des Verbandes und daher grundsätzlich eine Verantwortlichkeit
auslösen soll.
2.1. In den
zwischenstaatlichen Rechtsakten ist – der im Zweiten Protokoll gefundenen
Formulierung folgend – zumeist das Kriterium enthalten, dass die Straftat „zu
Gunsten“ der juristischen Person begangen wurde. Jedenfalls zu erfassen sind
daher Taten, durch die der Verband bereichert wurde oder bereichert hätte
werden sollen, sowie solche, durch die sich der Verband einen Aufwand erspart
hat oder ersparen hätte sollen. Dieses Verständnis wird für den Bereich der
Vermögensdelikte ausreichen. Für andere Deliktsgruppen, bei denen die Erlangung
eines Vorteils nicht vom Tatbestand umfasst ist, wie etwa bei Tötungs- oder
Körperverletzungsdelikten oder bei terroristischen Straftaten einschließlich
Terrorismusfinanzierung, greift dieses Verständnis jedoch zu kurz. Wird etwa in
ein Fahrzeug ein falscher Ersatzteil eingebaut, und wird dadurch ein Unfall
verursacht, bei dem Menschen getötet werden, so kann es nicht darauf ankommen,
ob der richtige Ersatzteil teurer gewesen wäre als der tatsächlich eingebaute
(sich der Verband durch den Einbau des falschen Teils also etwas erspart hat).
Es würden daher wichtige Konstellationen einer Verantwortlichkeit des Verbandes
entzogen (Löschnig-Gspandl, ÖJZ 2002, 241 [244 f]; Bauer,
Fragen der Verbandsstrafbarkeit, 177 ff; Löschnig-Gspandl,
Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 308 f, 412 f), wobei als Beispiele
etwa die mangelhafte Absicherung einer Baugrube, Umweltverschmutzungen oder der
Vertrieb gefährlicher Waren genannt werden.
Darüber hinaus ist
keineswegs gesichert, dass das dargestellte enge Verständnis den
zwischenstaatlichen Verpflichtungen gänzlich gerecht wird. So lautet die
Voraussetzung „zu Gunsten“ im französischen Text „pour le compte“ (wörtlich:
„auf Rechnung“), eine Formulierung, die auch im französischen Gesetz
(Art. 121-2 Nouveau Code Pénal) verwendet wird und dort nicht zuletzt im
Hinblick auf Deliktsgruppen, die andere Rechtsgüter als das Vermögen schützen,
weit verstanden wird (vgl. Löschnig-Gspandl, Strafrechtliche
Verantwortlichkeit, 260 f).
2.2. Der ME hatte
vorgeschlagen, die Zurechnung mit den Worten zu umschreiben, dass die Tat „im
Rahmen der Tätigkeit des Verbandes für diesen“, aber „nicht zu seinem Nachteil“
begangen worden ist. Diese Formulierung wurde in zahlreichen Stellungnahmen als
missverständlich und undeutlich, teils auch als zu weit gehend kritisiert.
Der Entwurf greift
einen Vorschlag einer Stellungnahme auf und schlägt in § 3
Abs. 1 vor, die Zurechnung der Tat zum Verband in Anlehnung an die
Regelung im deutschen Recht (§ 30 OWiG) zu umschreiben. Die Zurechnung
soll stattfinden, wenn entweder die Tat „zu Gunsten“ des Verbandes begangen
worden ist oder durch sie „Pflichten verletzt worden sind, die den Verband
treffen“.
2.3. Unter Taten,
die zu Gunsten des Verbandes begangen worden sind (§ 3
Abs. 1 Z 1), sind entsprechend den oben wiedergegebenen Vorgaben
des EU-Rechts Taten zu verstehen, durch die der Verband bereichert wurde oder
bereichert hätte werden sollen, sowie solche, durch die sich der Verband einen
Aufwand erspart hat oder ersparen hätte sollen.
2.4. In § 3
Abs. 1 Z 2 werden außerdem Taten erfasst, durch die Pflichten
verletzt worden sind, die den Verband treffen.
Welche Pflichten das im einzelnen sind, kann nur aus dem Tätigkeitsbereich des
Verbandes erschlossen werden. Beschäftigt ein Verband Arbeitnehmer, so ist er
dazu verpflichtet, diese vor Gefahren zu bewahren; produziert er Waren, so hat
er Umweltverschmutzungen hintanzuhalten; vertreibt er Waren oder
Dienstleistungen, so muss er darauf achten, dass diese seinen Kunden keine
Schäden verursachen. Die Pflichten ergeben sich daher vor allem aus dem Zivil-
und Verwaltungsrecht. Eine allgemeine Pflicht zur Verhinderung von Straftaten
soll für Verbände ebenso wenig bestehen, wie für natürliche Personen; neue
Pflichten sollen durch die Bestimmung nicht geschaffen werden.
2.5. Durch diese
Umschreibungen soll sichergestellt sein, dass Taten ohne hinreichenden
Zusammenhang mit dem Verband und dessen Tätigkeit als Anknüpfung ausscheiden.
Dies gilt zunächst für Taten, die sich unmittelbar gegen die Interessen des
Verbandes richten; weiters für solche, die von Betriebsangehörigen
ausschließlich auf eigene Rechnung, etwa unter Ausnutzung der durch die
Tätigkeit geschaffenen Gelegenheiten, begangen werden (zB ein Handwerker begeht
anlässlich von Arbeiten in einer Wohnung einen Diebstahl). Ausgeschlossen sind
aber auch alle Taten, die lediglich in einem im Zuge der Tätigkeit für den
Verband gesetzten Verhalten bestehen, durch das gegen eine für jedermann
geltende Pflicht verstoßen wird, z.B. eine Verkehrsübertretung, ohne dass dies
in einem Verantwortlichkeitszusammenhang mit Entscheidungsträgern steht.
Ob die handelnden
Personen im Rahmen der ihnen eingeräumten Befugnisse geblieben sind, darauf
soll es nicht ankommen.
3. Der erste
Fall der Verantwortlichkeit von Verbänden
besteht darin, dass ein Entscheidungsträger (vgl. die
Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1) eine Straftat begeht (§ 3
Abs. 2). Für die Zurechnung zum Verband ist erforderlich, dass die
strafbare Handlung rechtswidrig und schuldhaft begangen worden ist; der
Entscheidungsträger muss also tatbestandsmäßig gehandelt haben (sowohl den
äußeren wie den inneren Tatbestand erfüllt haben), und es dürfen weder
Rechtfertigungs- noch Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe
vorliegen. Hat der Entscheidungsträger ein Vorsatzdelikt begangen, ist auch der
Verband wegen des Vorsatzdeliktes verantwortlich; hat er ein
Fahrlässigkeitsdelikt begangen, ist auch der Verband wegen des
Fahrlässigkeitsdelikts verantwortlich.
Der Entwurf sieht
davon ab, im Gesetzestext auf andere Strafausschließungs- oder
-aufhebungsgründe einzugehen. Nach dem Zweck der Regelung werden aber die
Strafaufhebungsgründe der Verjährung, des Rücktritts vom Versuch, der tätigen
Reue oder der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat auch dem Verband zu Gute zu
halten sein, nicht dagegen etwa der Tod des Entscheidungsträgers.
Mit den Worten
„als solcher“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Taten von
Entscheidungsträgern nur dann nach § 3 Abs. 2 zu beurteilen sind,
wenn der Entscheidungsträger in Ausübung seiner (in § 2 Abs. 1
umschriebenen) leitenden Funktion gehandelt hat. Nimmt der Entscheidungsträger
ausnahmsweise typische Mitarbeiteraufgaben wahr, so ist dies nur nach § 3
Abs. 3 zu beurteilen.
Der Kern des den
Verband treffenden Vorwurfs (und der Grund für dessen Sanktionierung) besteht
zwar – wie beim zweiten Fall, unten 4. – nicht darin, dass ein für ihn Tätiger
(hier: der Entscheidungsträger) die Tat begangen hat, sondern darin, dass der
Verband die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht
gelassen, insbesondere Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen
hat. Da aber ein Verband nur dadurch handeln kann, dass ihm das Handeln oder
Unterlassen seiner Entscheidungsträger zugerechnet wird, ist die Begehung einer
Straftat für den Verband durch einen solchen Entscheidungsträger quasi
unwiderleglich als Ausdruck mangelnder Sorgfalt zur Verhinderung solcher Taten
anzusehen (vgl. Löschnig-Gspandl, Strafrechtliche Verantwortlichkeit,
423).
4. Für den zweiten
Fall der Verantwortlichkeit (§ 3
Abs. 3) müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein.
4.1. Zum Einen (Abs. 3 Z 1) müssen Mitarbeiter (vgl.
§ 2 Abs. 2) einen „Sachverhalt rechtswidrig verwirklichen, der einem
gesetzlichen Tatbild entspricht“; durch diese – aus den im StGB enthaltenen
Definitionen von Vorsatz (§ 5 Abs. 1) und Fahrlässigkeit (§ 6
Abs. 1) entlehnte – Formulierung soll zunächst ausgedrückt werden, dass
der objektive Tatbestand eines Deliktstypus erfüllt
sein muss. Es soll genügen, dass mehrere Mitarbeiter Teilhandlungen setzen, die
in Summe das Tatbild erfüllen, und sie müssen auch nicht namentlich feststehen;
dies soll durch die Verwendung des hier verwendeten Plurals ausgedrückt werden
(anders in Abs. 2). Dadurch soll der arbeitsteiligen Organisation von
Verbänden (bzw. der diesen zugeordneten Unternehmen) Rechnung getragen werden.
Nicht ausreichend wird es allerdings sein festzustellen, dass irgendeiner der
Mitarbeiter des Verbandes die Tat begangen hat; vielmehr muss der in Betracht
kommende Personenkreis eingeschränkt und konkretisiert sein, etwa durch
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisationseinheit, durch bestimmte
Aufgaben etc.
Darüber hinaus
dürfen keine Rechtfertigungsgründe vorliegen, während es nicht darauf ankommen
soll, ob die Mitarbeiter auch schuldhaft gehandelt haben; für die
Berücksichtigung von Umständen, die im Individualstrafrecht einen
Entschuldigungsgrund bedeuten, ist im Rahmen der zweiten Voraussetzung
(Unterlassung der gebotenen und zumutbaren Vorkehrungen, dazu sofort 4.2.)
genug Raum.
Zur Frage, ob es
auch auf die innere Tatseite des Mitarbeiters ankommen soll, schlägt der
Entwurf vor, zwischen Vorsatzdelikten
und Fahrlässigkeitsdelikten zu unterscheiden:
Um den Verband für ein Fahrlässigkeitsdelikt verantwortlich zu machen, soll die
Verwirklichung des Tatbestandes durch Mitarbeiter und die objektive
Sorgfaltswidrigkeit des Verhaltens genügen, weil die zweite Voraussetzung (dazu
sofort) ohnehin eine subjektive Sorgfaltswidrigkeit (des Verbandes selbst) in
sich trägt. Um dagegen eine Verantwortlichkeit des Verbandes für ein
Vorsatzdelikt rechtfertigen zu können, scheint es unabdingbar, dass ein
Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt hat (d.h. es muss zumindest ein Mitarbeiter
sämtliche im Deliktstypus enthaltenen Vorsatzelemente in sich vereinen).
Zuzugestehen ist,
dass die vorgeschlagene Lösung zur Unterscheidung zwischen Vorsatz- und
Fahrlässigkeitsdelikten (nämlich an den Vorsatz von Mitarbeitern anzuknüpfen)
insofern nicht ganz konsequent ist, als ja der Kern des den Verband treffenden
Vorwurfs nicht in der Begehung der Tat liegt, sondern darin, dass der Verband
die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat.
Tatsächlich ist auch ein Modell vorgeschlagen worden, bei dem sich Vorsatz und
Fahrlässigkeit in Bezug auf die Unterlassung der Vorkehrungen ergeben (vgl. Löschnig-Gspandl,
Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 424 ff). Allerdings scheint es zweifelhaft,
ob in Bezug auf die Unterlassung der Vorkehrungen eine Abgrenzung zwischen
Vorsatz und Fahrlässigkeit in der Praxis möglich wäre. Die im Entwurf
vorgeschlagene Lösung scheint daher in der Praxis leichter handhabbar zu sein.
Im Ergebnis sind die Unterschiede zwischen der hier vorgeschlagenen Lösung und
dem Modell von Löschnig-Gspandl aber gering.
4.2. Die zweite
Voraussetzung soll darin bestehen, dass Entscheidungsträger die nach den
Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben,
insbesondere indem sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle
Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben (Abs. 3
Z 2); damit wird das in den EU-Rechtsakten (z.B. Art. 3
Abs. 2 des Zweiten Protokolls) enthaltene Kriterium der „mangelnden
Überwachung oder Kontrolle“ präzisiert. Welche Vorkehrungen im Einzelnen
geboten sind, kann abstrakt nicht beantwortet werden; dies wird im Einzelfall je
nach Größe und Struktur des Verbandes, den von dessen Tätigkeiten ausgehenden
Gefahren, dem Ausbildungsstand und der Verlässlichkeit der Mitarbeiter usw.
festzustellen sein. Maßstab für die gebotene Sorgfalt kann – wie auch sonst bei
der Feststellung objektiver Sorgfaltswidrigkeit, zu deren Umschreibung hier die
Formulierung „nach den Umständen gebotene Sorgfalt außer Acht lassen“ aus
§ 6 Abs. 1 StGB übernommen wurde – eine Rechtsnorm, eine Verkehrsnorm
oder (in deren Ermangelung) das hypothetische Verhalten eines „mit den
rechtlich geschützten Werten angemessen verbundenen, besonnenen und
einsichtigen Menschen“ (RV zum StGB, 30 BlgNR XIII.GP 68) sein (vgl. Burgstaller, WK2 § 6 Rz 38,
42 ff; Fuchs, AT I6, 12. Kap., Rz 12 ff).
Die vorgeschlagene Regelung knüpft daher – wie der
Fahrlässigkeitsbegriff im Individualstrafrecht – an bestehende Normen an
und will keine zusätzlichen schaffen.
Das Kriterium der
„gebotenen Sorgfalt“ beinhaltet, dass Maßnahmen überhaupt möglich sind. Sind
die Maßnahmen nicht möglich, nicht geboten oder nicht zumutbar, so ist der
Verband von der Verantwortlichkeit frei. Durch das Attribut „wesentlich“ soll
zum Ausdruck gebracht werden, dass die Nichtbefolgung bloßer Formalvorschriften
noch keinen Sorgfaltsverstoß im Sinn der Bestimmung darstellt.
Ein bestimmter
Entscheidungsträger, der die Maßnahmen unterlassen hat, muss nicht feststehen;
ebenso wenig ist von Bedeutung, ob die Maßnahmen vorsätzlich, fahrlässig oder
nicht schuldhaft unterlassen worden sind.
Das
Außer-Acht-Lassen der Sorgfalt muss weiters die Begehung der Tat durch den
Mitarbeiter ermöglicht oder zumindest wesentlich erleichtert haben (Risikoerhöhung);
nicht gefordert werden soll der Nachweis, dass die gebotene Sorgfalt die Tat
verhindert hätte. Damit soll den Erfahrungen in Deutschland Rechnung getragen
werden (der deutsche Gesetzgeber ist 1994 zum Prinzip der Risikoerhöhung
übergegangen, indem er in § 130 OWiG die Worte „hätte verhindert werden
können“ durch die Worte „verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre“ ersetzt
hat). Auch hier soll es auf die subjektive Erwartung des Entscheidungsträgers
nicht ankommen; es ist also irrelevant, ob der Entscheidungsträger damit
gerechnet hat (oder damit rechnen hätte müssen), dass die Unterlassung der
Vorkehrungen die Tat erleichtert hat.
5. Der Verband
wird also wegen eines Vorwurfs verantwortlich gemacht, der von einem
Schuldvorwurf gegenüber natürlichen Personen verschieden ist. Es muss daher
wegen der selben Tat sowohl eine Verantwortlichkeit eines Verbandes als auch
eine Strafbarkeit einer natürlichen Person möglich sein. Dies wird auch in
zahlreichen zwischenstaatlichen Rechtsakten ausdrücklich gefordert. Abs. 4
sieht daher vor, dass die Strafbarkeit natürlicher
Personen (namentlich der Entscheidungsträger und Mitarbeiter) eine Verantwortlichkeit des Verbandes nicht
ausschließt und umgekehrt. Eine Doppelbestrafung liegt darin nicht, weil
unterschiedliche Subjekte wegen eines sie treffenden, je unterschiedlichen
Vorwurfs sanktioniert werden.
Theoretisch wäre
es denkbar, den Verband nur subsidiär verantwortlich zu machen, also nur dann,
wenn keine natürliche Person bestraft werden kann (so in Teilbereichen das
Schweizer Gesetz). Dies würde aber nicht nur den zwischenstaatlichen
Rechtsakten widersprechen, sondern es wäre auch ungerecht (weil dann die
Verantwortlichkeit des Verbandes von sachfremden Umständen abhängen kann) und
kriminalpolitisch kontraproduktiv (weil es der Verband in der Hand hätte, durch
Präsentation eines Schuldigen der eigenen Bestrafung zu entgehen, in der
Literatur kritisch als „Sitzdirektor“ oder „Frühstücksdirektor“ apostrophiert,
vgl. Pieth, Internationale Anstösse zur Einführung einer
strafrechtlichen Unternehmenshaftung in der Schweiz, ZStrR 2001, 1 [15 f], Heine,
Unternehmen, Strafrecht und europäische Entwicklungen, ÖJZ 2000, 871
[875]).
Zu § 4
(Verbandsgeldbuße)
Die
zwischenstaatlichen Rechtsakte fordern, dass „wirksame, angemessene und
abschreckende Sanktionen“ (zu diesem Begriff vgl. oben im Allgemeinen Teil,
A.1.4.) gegen juristische Personen verhängt werden können; verpflichtend ist
die Verhängung von Geldsanktionen, die Einführung anderer Sanktionen ist
fakultativ (zu diesen unten 9.).
1. Um den
Unterschied zur Geldstrafe des Individualstrafrechts zu verdeutlichen, schlägt
der Entwurf vor, die über den Verband zu verhängende Sanktion als Geldbuße
zu bezeichnen. Der vorzusehenden Sanktion soll sowohl general- als auch
spezialpräventive Wirkung zukommen, es soll durch sie auch ein sozialethischer
Tadel zum Ausdruck gebracht werden, aber im Unterschied zur Strafe des
Individualstrafrechts kein individualethischer Tadel (insoweit übereinstimmend Löschnig-Gspandl,
Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 430, und Moos in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer,
StGB-Kommentar, § 4 Rz 50 ff = Moos, Die Strafbarkeit
juristischer Personen und der Schuldgrundsatz, RZ 2004, 98 [103 f]).
2. Die konkrete
Ausgestaltung der Regelungen über Geldstrafen bzw. Geldbußen in europäischen
Rechtsordnungen ist sehr unterschiedlich. In einigen Staaten wird die
höchstens auszusprechende Geldstrafe betragsmäßig fixiert, etwa in Finnland
(ca. 840 000 Euro), in Schweden (3 Mio. Kronen – ca.
330 000 Euro) oder in der Schweiz (5 Mio. SFr); ebenso in Deutschland
(rund 500 000 Euro), wo dieser Betrag allerdings überschritten werden
kann, damit die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil aus der Tat übersteigt
(§ 30 Abs. 3 in Verbindung mit § 17 Abs. 4 OWiG). Ähnlich
die Regelung in Slowenien, wo die Geldstrafe einerseits mit 150 Mio. Tolar (ca.
660 000 Euro) begrenzt ist, andererseits aber bis zum
Zweihundertfachen des Gewinns aus der Straftat oder des durch diese
verursachten Schadens bemessen werden kann. Umgekehrt ist in Griechenland
primär eine Strafe bis zum Fünffachen des Gewinns aus der Straftat zu
verhängen; nur wenn dieser nicht festgestellt werden kann, kann die Strafe mit
bis zu 2,9 Mio. Euro bemessen werden. In Ungarn kann die Geldstrafe bis
zum Dreifachen des Gewinns verhängt werden. In Frankreich ist die Höchststrafe
das Fünffache des für natürliche Personen vorgesehenen Strafrahmens (für
Geldstrafen), sodass beispielsweise die Höchststrafe für aktive Bestechung rund
760 000 Euro, für Betrug rund 1,1 Mio. Euro und für Drogenhandel
rund 38 Mio. Euro beträgt. Zwei Staaten kennen ein Tagessatzsystem: In
Italien können 100 bis 1000 Tagessätze verhängt werden; die maximale Höhe der
Geldstrafe beträgt rund 1,5 Mio. Euro. In Portugal richtet sich die Anzahl
der Tagessätze nach der im Gesetz vorgesehenen Freiheitsstrafdrohung; der für
Wirtschaftsstraftaten üblichen höchsten Freiheitsstrafe von acht Jahren
entsprechen 2920 Tagessätzen, wodurch die Geldbuße bis zu rund 13
Mio. Euro betragen kann.
Im
EG-Kartellstrafrecht kann, wie oben bereits dargestellt, die Geldbuße bis zu
10 % des Vorjahresumsatzes betragen; es wurden bereits Geldbußen in Höhe
von mehreren hundert Millionen Euro verhängt. Die im Prinzip gleiche
Lösung gilt auch in Polen und im österreichischen Kartellrecht.
Dieser kurze
Querschnitt, der keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, zeigt die große
Bandbreite an Möglichkeiten, eine Verbandsgeldsanktion auszugestalten.
3. Für die in
Österreich zu treffende Regelung ist zunächst festzuhalten, dass eine
Anknüpfung an die im Gesetz (natürlichen Personen) angedrohte Geldstrafe nicht
in Betracht kommt, weil im österreichischen Strafrecht bei schwereren Delikten
lediglich Freiheitsstrafe angedroht wird. Wenig zweckmäßig scheint es auch,
unmittelbar an den Gewinn aus der strafbaren Handlung oder den dadurch
verursachten Schaden anzuknüpfen, weil es Fälle gibt, in denen kein Schaden,
kein Gewinn oder keines von beiden vorliegt; diese Anknüpfung wäre auch deshalb
inkonsequent, weil es der Entwurf auch bei der Begründung der
Verantwortlichkeit (§ 3) vermeidet, auf Schaden oder Gewinn abzustellen.
Die Festlegung eines für alle Straftatbestände gleichen Höchstbetrages der
Geldbuße wäre inadäquat, weil dadurch die vom Gesetzgeber durch die
unterschiedliche Höhe der angedrohten Freiheitsstrafe zum Ausdruck gebrachte
Abstufung nach der Schwere (Sozialschädlichkeit) des Deliktstypus verloren
ginge. Dem österreichischen Strafrecht entspricht es daher am besten, an die
abgestuften Freiheitsstrafdrohungen im Besonderen Teil anzuknüpfen.
4. Der ME hatte
zwar ein tagessatzähnliches System zur Bemessung der Geldbuße vorgeschlagen,
aber zugleich ausdrücklich zur Diskussion gestellt, statt dessen eine
betragsmäßigen Höchstgeldbuße, allenfalls ergänzt um eine
Überschreitungsmöglichkeit bei besonders hohem Gewinn oder besonders hohem
Schaden, einzuführen. Zum tagessatzähnlichen System bemerkte der ME, dieses
habe zwar den Vorzug, dass auf die Besonderheiten des Einzelfalls in
transparenter – und damit nachvollziehbarer und überprüfbarer – Weise
eingegangen werden könne; Nachteil dieses Systems sei seine Komplexität, die in
der Praxis doch einen gewissen Aufwand mit sich bringen werde.
Zahlreiche
Stellungnahmen haben die vom ME vorgeschlagene Lösung als kompliziert und in
der Anwendung aufwändig bezeichnet (häufig wurde darauf verweisen, dass eine
Bemessung ohne Heranziehung von Sachverständigen kaum möglich sein werde),
einzelne haben auch die mangelnde Plastizität kritisiert. Viele Stellungnahmen
(darunter auch solche, die die vorgenannte Kritik geäußert haben) haben aber grundsätzlich
ein tagessatzähnliches System befürwortet (exemplarisch Univ.-Prof.
Dr. Tipold: „Sachgerechte Lösungen sind höher zu bewerten als
Unannehmlichkeiten bei der Gesetzesvollziehung“).
Der Entwurf trägt
der angeführten Kritik insoweit Rechnung, als ein einfacheres und plastischeres
System vorgeschlagen wird (dazu sogleich), bleibt aber grundsätzlich beim Tagessatzsystem, das sich im Individualstrafrecht seit
Jahrzehnten bewährt hat. Auch bei Verbänden kann zwischen der Schwere des
Vorwurfs, die mit der Anzahl der „Tagessätze“ (also einer an die Besonderheiten
des Verbandes angepassten Rechengröße) zum Ausdruck gebracht wird, und der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterschieden werden, nach der die Höhe
dieser Rechengröße festgelegt wird. Die Bemessung der Höhe der Buße ist dadurch
transparenter als bei einer Geldsummenstrafe (ebenso Löschnig-Gspandl,
Strafrechtliche Verantwortlichkeit, 444 f).
5. Der ME hatte
als tagessatzähnliches System Folgendes vorgeschlagen: Analog zum Tagessatz
sollte ein „Ertragsäquivalent“ innerhalb einer Bandbreite von 0,0005 bis
0,01 % des Jahresumsatzes errechnet werden; der Faktor innerhalb dieser
Bandbreite sollte je nach Verhältnis von Umsatz und Gewinn (Umsatzrentabilität)
des Verbandes gewählt werden, wobei die Erläuterungen darauf hinwiesen, dass
dieses Verhältnis in Österreich je nach Wirtschaftsbranche sehr unterschiedlich
sei und zwischen 1,5 und 30 Prozent liege. Das so errechnete
„Ertragsäquivalent“ sollte mit einem Faktor multipliziert werden, den der ME je
nach der für das betreffende Delikt im Gesetz vorgesehenen höchsten angedrohten
Freiheitsstrafdrohung gestaffelt zwischen 500 und 1500 festsetzte.
Dieses System ist
in einzelnen Stellungnahmen, vor allem aber auch in der öffentlich Debatte als
„umsatzabhängig“ missverstanden worden. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass
es den vorgeschlagenen Faktoren an Plastizität mangle und man sich von der
tatsächlichen Dimension der möglichen Höhe der Bußen kein Bild machen könne.
Der Entwurf greift
diese Kritik auf. Zum einen soll der Tagessatz (auf den Begriff
Ertragsäquivalent wird verzichtet) grundsätzlich unmittelbar in Anknüpfung an
den Ertrag (und nicht über den Umweg des Umsatzes) festgesetzt werden. Zum
anderen soll der Umstand, dass es sich um einen Tagessatz handelt, dadurch
verdeutlicht und vorstellbar gemacht werden, dass bei der Festsetzung des
Tagessatzes vom 360sten Teil des Jahresertrages ausgegangen und der Tagessatz
mit Faktoren zwischen 40 und 180 (dies entspricht sechs Monaten) vervielfacht
werden soll (näher sogleich).
6. Die Höchstzahl
der Tagessätze soll entsprechend der im österreichischen Strafrecht
bestehenden Staffelung der Höchst(freiheits)strafen festgesetzt werden (§ 4 Abs. 3). Die im Individualstrafrecht bestehende
„Progression“ der Freiheitsstrafdrohungen soll allerdings nicht übernommen
werden, sondern flacher verlaufen. Der Grund dafür liegt einerseits im
unterschiedlichen Charakter von Freiheitsstrafen und Geldbußen: eine Übernahme
der Progression hätte entweder zu niedrige Geldbußen für Straftaten mit
geringer Freiheitsstrafdrohung oder zu hohe für Delikte mit höchsten
Freiheitsstrafdrohungen zur Folge. Andererseits soll damit auch dem Umstand
Rechnung getragen werden, dass sich der Vorwurf gegenüber dem Verband nicht
primär auf die Begehung der Straftat bezieht, sondern vor allem auf die
Unterlassung der gebotenen Sorgfalt erstreckt.
Der Entwurf
schlägt daher entsprechend der bei Straftatbeständen bestehenden Staffelung von
Freiheitsstrafdrohungen eine Höchstzahl der Tagessätze zwischen 40 und 180 vor.
Sieht ein Tatbestand ausnahmsweise nur Geldstrafe vor, so kommt der niedrigste
Strafrahmen (40 Tagessätze) zur Anwendung..
7. Zur Bemessung
der Höhe des Tagessatzes wird vorgeschlagen, primär an die
Ertragslage anzuknüpfen (§ 4 Abs. 4).
7.1. Ziel ist es,
dem Verband (in analoger Anwendung der für die Bemessung der Höhe der
Tagessätze im Individualstrafrecht geläufigen Grundsätze) Überschüsse zu
entziehen, ohne dass die Betriebsgrundlage gefährdet wird. Orientierungsgröße
ist daher jener Zahlungsüberschuss des Verbandes, welcher nach Berücksichtigung
notwendiger Investitionen und Fremdfinanzierungsaufwendungen grundsätzlich für
Ausschüttungszwecke an die Eigentümer zur Verfügung stehen würde. Dies ist nämlich
jener Betrag, über den der Verband frei disponieren könnte, ohne dass seine
betriebliche Tätigkeit gefährdet wird oder eingeschränkt werden muss. Bei
Unternehmen, welche in diesem Sinne keine Überschüsse produzieren, wird
regelmäßig die Mindesthöhe zur Anwendung kommen (dazu sogleich). Durch die
Beschränkung auf an die Eigentümer ausschüttbare Überschüsse wird nicht nur
erreicht, dass die betriebliche Tätigkeit des Verbandes grundsätzlich nicht
eingeschränkt werden muss, sondern es wird auch eine „indirekte Bestrafung“ von
Arbeitnehmern, Gläubigern, Lieferanten etc. des Verbandes vermieden.
7.2. Nach den
gleichen Grundsätzen soll bei der Beurteilung vorzugehen sein, inwieweit die sonstige
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verbandes in die Bemessung des
Umsatzäquivalents einfließen soll. Zunächst ist festzuhalten, dass damit
keinesfalls beabsichtigt ist, auf betriebsnotwendiges Vermögen (Anlage- und
Umlaufvermögen) zu greifen. Dagegen scheint es sachgerecht, nicht
betriebsnotwendiges Vermögen einzubeziehen, dessen Verwertung auch keinen
negativen Einfluss auf die Ertragslage hätte. Wird z.B. eine nicht
betriebsnotwendige Liegenschaft vermietet, so werden die entsprechenden
Mieterträge bereits in den für die Bemessung primär heranzuziehenden Erträgen
enthalten sein, und es würde eine zusätzliche Berücksichtigung eines
potentiellen Veräußerungserlöses dieser Liegenschaft zu einer
ungerechtfertigten Doppelberücksichtigung führen. Handelt es sich hingegen um
eine nicht betriebsnotwendige, brachliegende Liegenschaft, so würde deren
Veräußerung (mangels vorliegender Erträge) die Ertragslage des Verbandes
insgesamt nicht beeinflussen und in diesem Fall wäre die Berücksichtigung
gerechtfertigt.
Der bloße Umstand
einer Konzernzugehörigkeit des Verbandes bedeutet noch nicht, dass dieser
wirtschaftlich leistungsfähiger ist; daraus allein kann daher keine höhere
Bemessung des Ertragsäquivalents im Vergleich zu einem unabhängigen Verband
resultieren. Im Einzelfall wäre es allerdings denkbar, unterlassene
Gewinnausschüttungen von Unternehmen, an denen der Verband beteiligt ist, zu
berücksichtigen.
Durch diese
Grundsätze ist gewährleistet, dass Unternehmen in ihrer Vermögensbildung nicht
behindert werden.
Zur
Berücksichtigung dieser Umstände wird ein Rahmen vorgeschlagen: Zu- oder
Abschläge bis zu einem Drittel vom „Tagesertrag“.
7.3. Bei
Verbänden, die Verluste schreiben und auch sonst eine schlechte Vermögenslage
aufweisen, könnte nach diesen Kriterien keine Geldbuße festgesetzt werden. Dies
wäre aber unbefriedigend. Der Entwurf schlägt daher vor, analog zur Mindesthöhe
des Tagessatzes (§ 19 Abs. 2 StGB, 2 €) einen Mindesttagessatz
vorzusehen.
7.4. Die
Anknüpfung an die Ertragslage muss allerdings bei all jenen Verbänden versagen,
die nicht auf Gewinn gerichtet sind. Für solche
Verbände muss daher ein anderer Bemessungsmodus geschaffen werden.
Der Entwurf
schlägt für solche Verbände einen Höchst- und einen Mindestbetrag des
Tagessatzes vor, der sich an den Sätzen in § 19 StGB orientiert (2 bis 500
€). Dieser Rahmen scheint ausreichend, damit das Gericht die Vermögenslage des
Verbandes umfassend berücksichtigen kann; so kann etwa die Herkunft (z.B.
Spenden Dritter) und die Zweckwidmung von Einkünften oder Vermögen des
Verbandes eine Rolle spielen.
Eine wichtige
Gruppe unter den nicht auf Gewinn gerichteten Verbänden sind jene, die
gemeinnützigen, humanitären oder kirchlichen Zwecken dienen. In den §§ 34
bis 47 BAO wird umschrieben, was unter diesen drei Begriffen zu verstehen ist
und welche weiteren Voraussetzungen erfüllt sein müssen. In zahlreichen
Bestimmungen des Steuer- und Abgabenrechts wird an diese Eigenschaft
angeknüpft.
7.5. Der Entwurf
verzichtet bewusst darauf, die heranzuziehenden Parameter allzu sehr
festzulegen. Es sei daran erinnert, dass sich der Gesetzgeber anlässlich der
Beratungen über das StGB – zu § 19 – gegen den Vorschlag der
Regierungsvorlage (30 BlgNR XIII. GP) entschied, „für die Berücksichtigung
der wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Bemessung des Tagessatzes ins
einzelne gehende Vorschriften“ zu erlassen; Schätzungen sollten nicht nur – wie
in der RV vorgeschlagen – dann zulässig sein, wenn sich die
Bemessungsgrundlagen sonst nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand
feststellen lassen, sondern „in allen Fällen“ (JA-Bericht 959 BlgNR XIII. GP,
5).
Es wird daher
davon abgesehen, im einzelnen festzulegen, auf welchen Grundlagen das Gericht
die Höhe des Ertrages bemisst; dies wäre auch kaum möglich, weil
unterschiedliche Verbände unterschiedlichen Vorschriften unterliegen (z.B.
Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, internationale
Rechnungslegungsvorschriften usw.). In diesem Sinn wird auch der Vorschlag des
ME fallen gelassen, auf ein bestimmtes (nämlich das dem Urteil vorangehende)
Geschäftsjahr abzustellen. Beispielsweise ermöglicht es die nun vorgeschlagene
Regelung auch, den Durchschnittsertrag aus mehreren Jahren heranzuziehen.
8. Im
Individualstrafrecht ist für den Fall der Uneinbringlichkeit einer
Geldstrafe die Festsetzung und Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe
vorgesehen. Es wird jedoch davon abgesehen, für den Fall der Uneinbringlichkeit
einer Geldbuße eine Ersatzsanktion vorzusehen: Ist ein Verband zahlungsunfähig,
so wird dies letztlich zum Konkurs oder Ausgleich führen. Nach § 58
Z 2 KO und § 28 Z 2 AO können jedoch „Geldstrafen wegen
strafbarer Handlungen jeder Art“ im Konkurs- bzw. Ausgleichsverfahren nicht
geltend gemacht werden. Diese Wertung des Gesetzgebers, dass der staatliche
Strafanspruch gegenüber einer (ohnehin nur teilweisen) Befriedigung von
Gläubigern zurücktritt, ist auch auf die Verbandsgeldbuße zu übertragen. Eine
Ersatzsanktion ist daher entbehrlich.
9. Neben der
Verhängung von Geldsanktionen sehen die zwischenstaatlichen Rechtsakte
fakultativ die Einführung anderer Sanktionen vor. Als solche Sanktionen
führt etwa das Zweite Protokoll an (Art. 4): Maßnahmen des Ausschlusses
von öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen; Maßnahmen des vorübergehenden oder
ständigen Verbots der Ausübung einer Handelstätigkeit; richterliche Aufsicht;
richterlich angeordnete Auflösung.
Die in anderen
europäischen Rechtsordnungen vorgesehenen (strafrechtlichen) Sanktionen sind
kaum überblickbar; neben den im Zweiten Protokoll angeführten werden etwa der
Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge oder die Veröffentlichung der
Entscheidung angedroht.
Der
österreichischen Strafrechtsordnung sind allerdings Nebenstrafen, wie der
Entzug von Berechtigungen (z.B. des Führerscheins), weitgehend fremd; diese
Entscheidungen sind dem Materiengesetzgeber bzw. der sachlich in Betracht
kommenden Verwaltungsbehörde überlassen. Es spricht viel dafür, von dieser
Aufgabenverteilung zwischen Strafrecht und Verwaltungsrecht nicht grundsätzlich
abzugehen. Bei der Einführung von Nebenstrafen ist daher Zurückhaltung
angezeigt.
Andererseits ist
darauf hinzuweisen, dass für natürliche Personen zwei Arten von Strafen zur
Verfügung stehen, die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe. Es könnte sich daher
empfehlen, auch für Verbände etwas Ähnliches wie eine Freiheitsstrafe
einzuführen.
In diesem Sinn
wurde erwogen, eine Sanktion vorzuschlagen, die in dem Verbot der Führung eines
bestimmten Betriebes oder einer bestimmten Betriebsstätte oder der Ausübung
einer bestimmten Geschäftstätigkeit besteht. Ein solches Verbot hätte etwa für
einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren unter strengen Voraussetzungen
verhängt werden können.
Es wurde aber
schließlich davon abgesehen, solche Bestimmungen in den Entwurf aufzunehmen,
einerseits im Hinblick auf starke Bedenken der Vertreter der Wirtschaft gegen
eine solche als „Todesstrafe“ apostrophierte Sanktion, andererseits auch
deshalb, weil die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer solchen Unrechtsfolge
wie ihre Durchführung entsprechend der angesprochenen Aufgabenverteilung
zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden doch besser letzteren überlassen
bleiben soll.
Allerdings wird
durch entsprechende flankierende Gesetzgebung sicherzustellen sein, dass die
zuständigen Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörden über die erforderlichen
Rechtsgrundlagen verfügen. In zahlreichen Materiengesetzen des
Verwaltungsrechtes ist vorgesehen, dass Verurteilungen natürlicher Personen
deren Ausschluss von bestimmten Berechtigungen zur Folge hat (so z.B. nach
§ 13 GewO den Ausschluss von der Ausübung bestimmter oder aller Gewerbe,
der nach § 87 GewO den Entzug der Gewerbeberechtigung nach sich ziehen
kann). Solche Bestimmungen werden auf adäquate Rechtsfolgen einer Verurteilung
des Verbandes zu erweitern sein.
Zu § 5
(Bemessung der Verbandsgeldbuße)
1. Die
Bestimmungen über die Bemessung der Anzahl der Tagessätze im Einzelfall
orientieren sich grundsätzlich an den §§ 32 ff StGB.
Als Gründe, die
zur Verhängung einer hohen Buße führen, kommen primär die Umstände und Folgen
der Tat in Betracht (Schaden, Gefährdung, Vorteil), wobei entsprechend den in
§ 3 umschriebenen Voraussetzungen der Verantwortlichkeit dem Umstand
besonderes Gewicht zukommen soll, inwieweit der Verband Vorkehrungen zur
Verhinderung solcher Taten getroffen hat und inwieweit er das Verhalten seiner
Mitarbeiter in positiver oder negativer Weise beeinflusst hat. Berücksichtigt
werden soll aber auch das Verhalten des Verbandes nach der Tat, namentlich ob
der Verband die Ermittlungen unterstützt oder behindert hat und ob er Schritte
zur Wiedergutmachung von Tatfolgen sowie zur zukünftigen Verhinderung ähnlicher
Taten unternommen hat.
2. Einzelne
Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren – insbesondere solche aus dem Bereich
der Wirtschaft – haben gefordert, die Sanktion danach zu differenzieren, ob es
sich um die Tat eines Entscheidungsträgers oder (nur) um eine solche eines
Mitarbeiters handelt. Der Entwurf sieht zwar in § 4 davon ab, bei der
Höchstzahl der Tagessätze eine Differenzierung vorzunehmen. Es scheint jedoch
durchaus sachgerecht, einen besonderen Milderungsgrund für die Fälle
einer Mitarbeitertat im Sinn des § 3 Abs. 3 vorzusehen (Abs. 3
Z 2). In diesen Fällen besteht der Vorwurf gegen den Verband darin,
dass er die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, insbesondere indem er
bestimmte Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen hat. Diese
Voraussetzungen sind der Begehung durch Unterlassung (§ 2 StGB)
vergleichbar. Begehung durch Unterlassung stellt einen Milderungsgrund dar
(§ 34 Abs. 1 Z 5 StGB); diesem ist die in Abs. 3 Z 2
vorgeschlagene Bestimmung nachgebildet. Wie jeder andere Milderungsgrund, kann
auch dieser seinem Gewicht nach von Erschwerungsgründen überwogen werden (Leukauf/Steininger, StGB3 Rz 10 zu
§ 34).
3. Der mildernde
Umstand, dass die Tat bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den
Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen hat (Abs. 3
Z 6), ist dem letzten Fall des § 34 Abs. 1 Z 19 StGB
nachempfunden; damit soll insbesondere auch in jenen Fällen eine mildere
Bemessung der Buße ermöglicht werden, in denen eine natürliche Person aufgrund
ihrer Doppelstellung als Entscheidungsträger und Eigentümer Gefahr
läuft, zunächst als Täter der (die Verantwortlichkeit des Verbandes
auslösenden) Straftat bestraft und dann nochmals indirekt durch die Verhängung
einer Geldbuße über den Verband sanktioniert zu werden.
In Stellungnahmen
im Begutachtungsverfahren ist in diesem Zusammenhang mehrfach auf die
sogenannte „Ein-Mann-GmbH“ hingewiesen worden, also eine GmbH, bei der
der Geschäftsführer zugleich 100 % der Gesellschaftsanteile hält. Einige
Stellungnahmen haben gefordert, in diesen Fällen von einer Bebußung gänzlich
abzusehen. Dies ginge aber aus folgenden Gründen zu weit: Erstens ist davon
auszugehen, dass die über den Verband zu verhängende Geldbuße oft höher zu
bemessen sein wird als eine über den Entscheidungsträger zu verhängende
Geldstrafe; mit letzterer allein kann dann bei einer Gesamtbetrachtung nicht
das Auslangen gefunden werden. Zweitens könnte die Entscheidung zwischen
Verfolgung und Absehen jenen in der Praxis zahlreichen Grenzfällen nicht
gerecht werden, in denen zwar keine „Ein-Mann-GmbH“, aber sehr ähnliche
Verhältnisse vorliegen (z.B. Anteil des Geschäftsführers von 99 %).
Den zahlreichen
denkbaren Konstellationen kann daher eine flexible Bestimmung in Form einer
Bemessungsvorschrift am besten gerecht werden. Sollte im Einzelfall – unter
Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse und der Ertragslage des Verbandes –
durch die Bestrafung natürlicher Personen bereits jenes Strafausmaß erreicht
werden, dem eine angemessene Bebußung des Verbandes entsprechen würde, so wird
die über den Verband (noch) zu verhängende Geldbuße an der Untergrenze (ein
Tagessatz) festzusetzen sein.
4. Die
§§ 32 ff StGB und insbesondere einzelne dort angeführte Erschwerungs-
oder Milderungsgründe sollen durchaus einer subsidiären Anwendung zugänglich
sein (§ 12 Abs. 1 VbVG), zumal ja die Aufzählung in Abs. 2 und 3
nur demonstrativ ist („insbesondere“). So wird etwa der Umstand, das der
Verband schon früher wegen einer ähnlichen Tat verurteilt worden ist, in
sinngemäßer Anwendung des § 33 Z 2 StGB erschwerend zu
berücksichtigen sein.
Zur möglichen
Berücksichtigung von Milderungsgründen auch noch nach Rechtskraft siehe unten
bei § 27.
Hingewiesen sei
hier darauf, dass der Entwurf vorschlägt, der bedingten Nachsicht eines Teils
der Geldbuße einen wesentlich weiteren Anwendungsbereich zu geben als derzeit
für natürliche Personen vorgesehen (siehe unten § 7); dies wird zur Folge
haben, dass die tatsächlich zu zahlenden Verbandsgeldbußen geringer ausfallen
werden als die ausgesprochenen.
Zu §§ 6
und 7 (Bedingte Nachsicht der bzw. eines Teiles der Verbandsgeldbuße)
Der Entwurf
schlägt vor, dass gegen Verbände ausgesprochene Geldbußen unter bestimmten
Voraussetzungen zur Gänze oder zum Teil bedingt nachgesehen werden können; die
Bestimmungen sind weitgehend den §§ 43, 43a Abs. 1, 3 und 4 StGB
nachempfunden.
1. Die Nachsicht
der gesamten Geldbuße soll nach § 6 möglich
sein, wenn die Anzahl der Tagessätze nicht mehr als 70 beträgt; diese
Höchstgrenze entspricht nach § 4 Abs. 3 VbVG einer Freiheitsstrafdrohung
von bis zu zwei Jahren und damit der in § 43 Abs. 1 StGB für die
Nachsicht der gesamten Strafe vorgesehenen Höchststrafe. Die Probezeit soll –
wie in § 43 StGB – höchstens drei Jahre dauern.
2. Während im
Individualstrafrecht eine bedingte Nachsicht auch nur eines Teils der Strafe
nicht zulässig ist, wenn die verhängte Freiheitsstrafe höher als drei Jahre ist
(vgl. § 43 Abs. 4 StGB), sieht der Entwurf in § 7
für eine bedingte Nachsicht eines Teils der Verbandsgeldbuße keinerlei
Höchstgrenze vor: Geldbußen gegen Verbände sollen also immer, unabhängig
von ihrer Höhe, zum Teil bedingt nachgesehen werden können. Damit soll
ein Anreiz geschaffen werden, die vom Gericht gleichzeitig zu erteilenden
Weisungen zu befolgen (zu den Weisungen siehe sogleich 3. und im Einzelnen
unten bei § 8). Die Bestimmung kann sowohl auf Geldbußen von mehr als 70
Tagessätzen als auch auf niedrigere Geldbußen angewendet werden.
Was die Höhe jenes
Teils der Geldbuße anlangt, der nicht bedingt nachgesehen werden darf, so
schlägt der Entwurf mindestens ein Sechstel und höchstens zwei Drittel der
insgesamt verhängten Geldbuße vor. Die Regelung in § 43 Abs. 3 und 4
StGB (die zu verbüßende Strafe muss höchstens ein Drittel und mindestens einen
Monat betragen) eignet sich für eine Anwendung auf Verbandsgeldbußen wegen des
vorgeschlagenen unbegrenzten Anwendungsbereichs der teilbedingten Nachsicht
nicht.
3. Durch die
grundsätzlich unbegrenzte Anwendung der bedingten Nachsicht eines Teils der
Geldbuße wird angestrebt, Weisungen im Verhältnis zu Verbänden eine größere
Bedeutung zu geben als sie im Individualstrafrecht haben. Der Entwurf geht von
der Erwartung aus, dass durch Weisungen eine Steuerung des zukünftigen
Verhaltens des Verbandes besonders wahrscheinlich ist.
Eine völlige Loslösung
der Weisungen von der bedingten Nachsicht (zumindest) eines Teils der Buße
(dies befürwortet Löschnig-Gspandl, Die
Strafbarkeit von Unternehmen, in: BMJ (Hg), Strafrechtliche Probleme der
Gegenwart 31 (2003), 187 [255]) scheint dagegen wenig zweckmäßig, weil dann der
Anreiz zur Befolgung der Weisung wegfiele.
Zu § 8
(Weisungen)
Wie bereits
erwähnt, soll Weisungen im Verbandsstrafrecht große Bedeutung zukommen. Zu
diesem Zweck soll jede ausgesprochene Verbandsgeldbuße zumindest zum Teil
bedingt nachgesehen werden können (§§ 6 und 7).
Der Entwurf
unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Arten von Weisungen. Zum einen soll
dem Verband jedenfalls Schadensgutmachung (Schadenersatz) aufgetragen werden,
soweit diese noch nicht erfolgt ist. Zum anderen sollen Weisungen erteilt
werden, die die Ursachen der Straftat beseitigen und auf diese Weise
rechtstreues Verhalten des Verbandes in der Zukunft sicherstellen sollen. Da
solche Maßnahmen einen tiefgreifenden Eingriff in die Unternehmensführung
darstellen und überdies häufig von der Genehmigung durch Verwaltungsbehörden
abhängen werden, sollen sie nur erteilt werden können, wenn der Verband
zustimmt. Die hier vorgeschlagenen Weisungen verfolgen daher keine anderen
rechtspolitischen Zielsetzungen als jene des Individualstrafrechts (§§ 50,
51 StGB).
Zu § 9
(Widerruf der bedingten Nachsicht der Verbandsgeldbuße)
Entsprechend der
Systematik im StGB führt eine in der Probezeit oder nach der Entscheidung
erster Instanz begangene Tat zu einer neuerlichen Verurteilung, eine vor der
Entscheidung erster Instanz begangene Tat, die mit dieser schon abgeurteilt
werden hätte können, in Anwendung von § 31 StGB (§ 12 VbVG) zu einer
nachträglichen Verurteilung und Verhängung einer „Zusatzgeldbuße“. In diesen
Fällen soll analog zum Individualstrafrecht (§§ 53, 55 StGB) die bedingte
Strafnachsicht widerrufen werden können, ebenso wenn der Verband Weisungen
nicht befolgt. Im Fall einer Zusatzgeldbuße soll abweichend von § 55 StGB,
der nur die Alternativen (gänzlicher) Widerruf oder Absehen vom Widerruf kennt,
eine flexiblere Vorgangsweise im Sinn einer Gesamtbetrachtung ermöglicht
werden.
Zu § 10
(Rechtsnachfolge)
Der staatliche
Strafanspruch gegen natürliche Personen erlischt mit deren Tod.
Wesentlich
komplizierter stellt sich die Situation bei Verbänden dar, bei juristischen
Personen wie bei Personengesellschaften. Diese können zwar beendet werden; in
vielen Fällen gibt es aber einen neuen (oder anderen) Verband, der
Rechtsnachfolger ist oder zumindest den Betrieb oder die Tätigkeit fortführt.
Die in Abs. 1
vorgeschlagene Regelung betrifft Fälle der Gesamtrechtsnachfolge; zu
denken ist hier etwa an die Umwandlung, Verschmelzung, Spaltung, Übernahme nach
§ 142 HGB, Einbringung nach § 61a VAG oder § 92 Abs. 4 BWG.
Tritt die Gesamtrechtsnachfolge nach der Tat, aber vor einer vom Gericht zu
treffenden Entscheidung (z.B Verhängung einer Geldbuße, Erteilung
von Weisungen, endgültige Nachsicht oder Widerruf bedingter Nachsicht) ein, so
ist die Entscheidung gegen den Rechtsnachfolger zu fällen (Satz 1). Tritt
die Gesamtrechtsnachfolge nach einer vom Gericht getroffenen Entscheidung
ein, so wirkt diese für den Rechtsnachfolger (Satz 2); so werden etwa auch
Verurteilungen eines Gesamtrechtsvorgängers dem Nachfolger
zuzurechnen sein, wenn im Gesetz daran Rechtsfolgen geknüpft sind (vgl.
§§ 5, 6).
Die
verfahrensrechtliche Absicherung dieser Bestimmungen findet sich in § 16
Abs. 3.
Neben diesen
Fällen der gesellschaftsrechtlichen Rechtsnachfolge ist es aber auch denkbar,
dass ein Betrieb durch schuldrechtlichen Vertrag, etwa durch Kauf, Pacht,
Leasing etc., übertragen wird. Im Zivil- und Handelsrecht ist eine weitgehende
Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Nachfolger vorgesehen (§ 1409
ABGB, § 25 HGB); ähnliche Bestimmungen sehen eine weitgehende Haftung des
Erwerbers für Abgaben (§ 14 BAO) und Sozialversicherungsbeiträge
(§ 67 Abs. 4 und 5 ASVG) vor.
Entsprechend dem
im VbVG gewählten Ansatz, eine Verantwortlichkeit für Straftaten nicht einem
Unternehmen, sondern dem Verband (als Rechtsform) zuzurechnen, wird jedoch für
diese Fälle des Betriebs- oder Unternehmensübergangs grundsätzlich nicht
vorgeschlagen, dass die Rechtsfolgen des VbVG auf den Nachfolger übergehen
sollen. Nur um die Umgehung der in Abs. 1 vorgeschlagenen Bestimmungen zu
vermeiden, wird vorgeschlagen, dass auch in Fällen der Einzelrechtsnachfolge
gegen den „neuen“ Verband vorgegangen werden kann, wenn der Betrieb oder die
Geschäftstätigkeit im Wesentlichen fortgeführt wird und im Wesentlichen die
gleichen Eigentumsverhältnisse bestehen (Abs. 2).
Einen besonderen
Fall der Rechtsnachfolge regelt Abs. 3, nämlich jenen, dass einem
Verband eine Mehrheit von Verbänden nachfolgt (z.B. Spaltung). In diesen Fällen
soll eine verhängte Geldbuße gegen jeden der Rechtsnachfolger vollstreckt
werden können; andere Rechtsfolgen (z.B. Weisungen) können einzelnen
Rechtsnachfolgern zugeordnet werden, etwa wenn sich eine Weisung auf einen
bestimmten Betrieb oder einen bestimmten Tätigkeitsbereich bezieht, der von
einem der Rechtsnachfolger übernommen worden ist.
Zu § 11
(Ausschluss eines Rückgriffs)
Voraussetzung für
eine Verantwortlichkeit eines Verbandes ist nach § 3 des Entwurfs
jedenfalls ein strafgesetzwidriges Verhalten eines Entscheidungsträgers oder
eines Mitarbeiters des Verbandes. Aus der Sicht eines Verbandes, der für eine
solche Tat verantwortlich gemacht und verurteilt wurde, könnte es daher nahe
liegen, sich an jenen schadlos zu halten, die die Tat begangen haben.
Könnte der Verband
die ihn treffenden Rechtsfolgen, insbesondere die Geldbuße, wiederum auf
Einzelne überwälzen, so würde dies dem Zweck der Verbandsverantwortlichkeit
diametral zuwiderlaufen. Tatsächlich könnte argumentiert werden, dass ein
solcher Rückgriff nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen unzulässig
wäre, etwa wegen Sittenwidrigkeit.
Zur Vermeidung von
Unklarheiten – und Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend – empfiehlt
sich jedoch eine ausdrückliche Regelung.
Die vorgeschlagene
Bestimmung schließt einen Rückgriff des Verbandes auf Entscheidungsträger oder
Mitarbeiter aus. Unzulässig ist ein Rückgriff zunächst für Geldbußen; er soll
aber auch für alle anderen Rechtsfolgen aus diesem Bundesgesetz ausgeschlossen
sein: also etwa für die Kosten von Weisungen oder von im Rahmen der Diversion
erbrachte Leistungen oder für Verteidigungskosten.
Zu § 12
(Anwendbarkeit der allgemeinen Strafgesetze)
1. Die im zweiten
Abschnitt vorgeschlagenen Bestimmungen (namentlich die §§ 3 bis 9)
verdrängen die entsprechenden Bestimmungen des Allgemeinen Teils des
Strafgesetzbuches, namentlich die §§ 4, 12 bis 16, 19, 43, 43a, 50, 51, 53
und 55 StGB. Im Übrigen sollen aber, ähnlich wie im Jugendstrafrecht (vgl.
§ 5 JGG), die Bestimmungen des StGB – insbesondere des Allgemeinen Teils –
auch im Bereich der Verbandsverantwortlichkeit angewendet werden (Abs. 1). Dass etliche dieser Bestimmungen
ausschließlich auf natürliche Personen zugeschnitten und daher auf Verbände
unanwendbar sind, wie etwa die Bestimmungen über Freiheitsstrafen und
freiheitsentziehende vorbeugende Maßnahmen, Amtsverlust oder Berauschung,
versteht sich von selbst.
So werden einzelne
der in den §§ 33 und 34 StGB angeführten Erschwerungs- und
Milderungsgründe auf Verbände nicht passen, andere werden sinngemäßer
Anwendung zugänglich sein (siehe schon oben bei § 5). Eine nachträgliche
Verschlechterung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines zu einer
Geldbuße verurteilten Verbandes wird in sinngemäßer Anwendung von § 31a
Abs. 2 StGB zu einer entsprechenden Neubemessung des Tagessatzes führen
können.
Der Verweis auf
die allgemeinen Strafgesetze bedeutet etwa, dass neben der im Entwurf
vorgesehenen Verbandsgeldbuße eine Abschöpfung der Bereicherung nach
§ 20 StGB ausgesprochen werden kann. Wie im Strafrecht natürlicher Personen,
dient die Abschöpfung der Wegnahme des durch die Tat erlangten Vorteils, die
Geldbuße dagegen der Sanktionierung eines Vorwurfs (Schuld bei natürlichen
Personen, Verantwortlichkeit bei Verbänden). Geldbuße und Abschöpfung können
daher nebeneinander und unabhängig voneinander verhängt werden.
Ebenso werden
Bestimmungen, nach denen die Strafbarkeit wegen einer Tat durch tätige Reue
aufgehoben wird, auf Verbände anzuwenden sein: führt der Verband selbst die im
Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen tätiger Reue herbei, so wird er von der
Verantwortlichkeit für die Straftat frei. Bestimmungen, die vorsehen, dass die
Strafbarkeit unter bestimmten Voraussetzungen wieder auflebt (z.B. § 153c
Abs. 4), sind ebenfalls sinngemäß auf den Verband anzuwenden. Von diesen Fragen
ist die Frage zu unterscheiden, ob dem Täter der Tat selbst tätige Reue zu gute
kommt.
2. Anzuwenden sind
auch die Bestimmungen des Individualstrafrechts über die inländische
Gerichtsbarkeit (§§ 62 ff StGB). Eine österreichische
Gerichtsbarkeit für Verbände wird immer dann vorliegen, wenn die Anlasstat
(also die Tat des Entscheidungsträgers im Sinn von § 3 Abs. 2 oder
der durch Mitarbeiter verwirklichte Sachverhalt im Sinn von § 3
Abs. 3) nach den Regeln der §§ 62 bis 65 und 67 Abs. 2
StGB den österreichischen Strafgesetzen unterliegt. Theoretisch wäre es zwar
denkbar, auch in der Unterlassung der nach den Umständen gebotenen und
zumutbaren Vorkehrungen durch einen Entscheidungsträger (§ 3 Abs. 3)
einen territorialen Anknüpfungspunkt zu sehen. Da aber die soziale Störung
primär in der Tatbestandsverwirklichung liegt, kann darauf wohl verzichtet
werden. Insoweit scheinen gesonderte Regelungen entbehrlich.
Einer
ausdrücklichen Regelung bedürfen jedoch jene Anknüpfungstatbestände der
inländischen Gerichtsbarkeit, die spezifisch auf natürliche Personen
zugeschnitten sind, also Wohnsitz und Aufenthalt des Täters im Inland sowie
dessen österreichische Staatsbürgerschaft. Für Verbände soll nach Abs. 2 statt dessen an den Sitz oder den Ort des
Betriebes oder der Niederlassung angeknüpft werden.
Festzuhalten ist,
dass zwischenstaatliche Rechtsakte bisher keine Regelungen über Gerichtsbarkeit
in Bezug auf Verbände enthalten.
3. Grundsätzlich
anwendbar sind auch die Bestimmungen des StGB über die Verjährung.
Ein Verband wird wegen einer Straftat nicht mehr verfolgt werden können, wenn
diese nach den §§ 57 f StGB verjährt ist. Ebenso sind die
Bestimmungen über die Verjährung der Vollstreckbarkeit (§§ 59 f StGB)
grundsätzlich einer Anwendung auf Verbände zugänglich. Einer besonderen
Bestimmung bedarf es jedoch insoweit, als die Frist der
Vollstreckungsverjährung in § 59 Abs. 3 StGB an die Dauer der
verhängten Freiheitsstrafe anknüpft. Daher wird in Abs. 3
vorgeschlagen, die Frist für die Verjährung der Vollstreckbarkeit nach der
Anzahl der Tagessätze (der tatsächlich verhängten Geldbuße) gestaffelt
festzusetzen.
Zum 3.
Abschnitt (Verfahren gegen Verbände)
Zu § 13
(Einleitung des Verfahrens)
1. Es wird
vorgeschlagen, für den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens und damit
zugleich auch für den Zeitpunkt, ab dem dem Verband die Rechte des
Beschuldigten zustehen, einen Vorgriff auf die StPO idF des
Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, zu machen und den dort
vorgesehenen materiellen Beschuldigtenbegriff (§ 48 Abs. 1 Z 1
StPO idF StPRG) auf die Verbandsverantwortlichkeit zu übertragen: Die Stellung
als „belangter Verband“ soll einem Verband demnach ab dem Zeitpunkt zukommen,
ab dem er auf Grund bestimmter Tatsachen verdächtig ist, dass er für
eine Tat verantwortlich im Sinn des § 3 sei (Abs. 1).
Wie bereits in den
Erläuterungen zu § 3 ausgeführt, unterscheidet sich das vorgeschlagene
Modell der Verantwortlichkeit von der Schuld des Individualstrafrechtes. Es
scheint daher unpassend, im Verfahrensrecht den Begriff „Beschuldigter“ auf den
Verband anzuwenden. Der ME hatte als neutralere Umschreibung den Begriff
„beteiligter Verband“ vorgeschlagen; dies wurde im Begutachtungsverfahren wegen
Verwechslungsgefahr mit dem Privatbeteiligten kritisiert. Es wird daher der Begriff
„belangter Verband“ vorgeschlagen.
Analog zum
Individualstrafverfahren, in dem der Staatsanwalt die Wahl hat, ob er
unmittelbar einen Strafantrag einbringt oder zunächst Ermittlungen beantragt,
soll diese Wahl dem Staatsanwalt auch hier offen stehen.
Wie der Zweck des
Strafverfahrens gegen eine natürliche Person, ist es aber auch Zweck des
Verfahrens gegen einen Verband, eine Entscheidung über einen den Verband
treffenden Verdacht (für eine Straftat verantwortlich zu sein) herbeizuführen.
Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass der Vorwurf einer
Verantwortlichkeit nach dem vorgeschlagenen Bundesgesetz als strafrechtliche
Anklage im Sinn des Art. 6 EMRK angesehen werden muss. Dem beteiligten
Verband sollen (und müssen) daher die in der StPO vorgesehenen
Verteidigungsrechte des Beschuldigten zustehen.
2. Der
vorgeschlagene Abs. 2 enthält eine von § 46 StPO abweichende,
den Besonderheiten des Verfahrens gegen Verbände Rechnung tragende Regelung
über den Beginn der Frist, innerhalb der eine zur Privatanklage berechtigte
Person einen Verfolgungsantrag stellen muss. Im Übrigen gelten für
Privatanklagen die Bestimmungen der StPO (dazu sofort bei § 14).
Zu § 14
(Anwendung der Bestimmungen über das Strafverfahren)
1. Es ist ein
Grundanliegen des vorliegenden Entwurfes, dass der gegen einen Verband
gerichtete Vorwurf im Zusammenhang mit einer gerichtlich strafbaren Handlung
(„Verantwortlichkeit“) nach dem selben Verfahren behandelt wird wie ein Vorwurf
gegen eine natürliche Person wegen derselben strafbaren Handlung. Abgesehen von
einigen Sonderbestimmungen, auf die sogleich einzugehen sein wird, sollen daher
die allgemeinen Regeln über das Strafverfahren auch für das Verfahren gegen
Verbände gelten (Abs. 1).
Mit den
allgemeinen Regeln über das Strafverfahren ist primär die StPO gemeint.
Beispielsweise wird auch im Verfahren gegen Verbände in Anwendung des § 46
StPO eine Privatanklage möglich sein (was in der Praxis eine gewisse Bedeutung
haben könnte, weil einige Tatbestände des Wirtschaftsstrafrechts
Privatanklagedelikte sind). Gleiches gilt für das Institut der
Privatbeteiligung (§§ 47 ff StPO); kann aus der Verantwortlichkeit des
Verbandes ein privatrechtlicher Anspruch abgeleitet werden, so kann sich der Verletzte
auch dem Verfahren wegen der Verantwortlichkeit des Verbandes anschließen.
Erfasst sind aber auch strafverfahrensrechtliche Bestimmungen in anderen
Gesetzen, etwa über besondere Zuständigkeiten oder Verfahrensrechte.
Wie im materiellen
Recht, gibt es allerdings auch im Verfahrensrecht Bestimmungen, die
ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar sind (z.B. über Verhaftung und
Untersuchungshaft) und die daher auf Verbände nicht angewendet werden können.
2. Ein Verfahren
gegen einen Verband ist als Strafsache im Sinn der Organisationsgesetze, die
die Gerichte und die Staatsanwaltschaften betreffen, anzusehen (Abs. 2).
3. Soweit in der
StPO oder in Organisationsgesetzen die Begriffe „strafbare Handlung“,
„Vergehen“ oder „Verbrechen“ verwendet werden, sind diese im Hinblick auf
Verbände als Bezugnahme auf Taten zu verstehen, für die der Verband
verantwortlich gemacht werden könnte (Abs. 3).
Desgleichen sollen Bestimmungen, in denen vom Verdächtigen, vom Beschuldigten
oder vom Angeklagten die Rede ist, so verstanden werden, dass sie sich auf den
belangten Verband beziehen, wie er in § 13 Abs. 1 umschrieben ist.
Schließlich sind Bestimmungen, die sich auf die Strafe beziehen, in der Weise
zu verstehen, dass sie sich auf die Verbandgeldbuße beziehen.
Zu § 15
(Zuständigkeit)
1. Wie bereits im
Allgemeinen Teil der Erläuterungen dargestellt, soll das Verfahren gegen einen
Verband grundsätzlich gemeinsam mit dem Strafverfahren gegen Mitarbeiter oder
Entscheidungsträger geführt werden. Abs. 1
sieht daher zunächst vor, dass für das Verfahren gegen einen Verband das selbe
Gericht sachlich, funktionell und örtlich zuständig sein soll, das für das
Strafverfahren gegen eine natürliche Person wegen derselben Tat zuständig ist.
Die Verfahren sollen „in der Regel“ (vgl. § 56 Abs. 1 StPO) gemeinsam
zu führen sein; es wird auch das Endurteil gegen die natürlichen Personen
und den Verband gemeinsam zu fällen sein (vgl. unten §§ 21 und 22). Unter
den Voraussetzungen des § 57 StPO ist aber eine getrennte Führung
zulässig.
Ausdrücklich
klargestellt wird, dass dem Verband auch im Verfahren gegen die natürliche
Person die Rechte des Beschuldigten zustehen (dies bedeutet, dass der Verband
jedenfalls auch Rechtsmittel gegen die Verurteilung der natürlichen Person
einlegen kann, soweit daraus eine Voraussetzung seiner Verantwortlichkeit
abgeleitet wird; Berufung wegen Strafe zu Gunsten des Beschuldigten/Angeklagten
wird dem Verband daher nicht zustehen). Dies gilt auch bei getrennter Führung
der Verfahren.
Kann keine
natürliche Person verfolgt werden (etwa weil diese flüchtig oder verstorben
sind oder kein bestimmter Mitarbeiter ermittelt werden kann, der den
Sachverhalt verwirklicht hat), so ist nur der Verband zu verfolgen (siehe
§ 21 Abs. 3).
2. Bei getrennter
Führung richtet sich die Zuständigkeit nach den allgemeinen
Zuständigkeitsregeln der StPO (§§ 8 ff , 51 ff), die nach
§ 14 Abs. 1 anzuwenden sind. Eine Modifizierung dieser Regeln ist nur
insofern erforderlich, als die örtliche Zuständigkeit in gewissen Fällen an den
Wohnsitz oder Aufenthalt des Beschuldigten anknüpft (§§ 52, 54 StPO). In
diesen Fällen soll nach Abs. 2 an den Sitz des
beteiligten Verbandes angeknüpft werden, besteht ein solcher im Inland aber
nicht, an den Ort des Betriebes oder der Niederlassung. Ähnliche Bestimmungen
kennen das deutsche (§ 444 Abs. 3 dStPO, § 88 Abs. 2 OWiG),
französische und belgische Recht; vgl. auch § 75 JN. Subsidiär soll das
Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig sein.
Zu § 16
(Zustellung und notwendige Verteidigung)
1. Die Befugnis
zur Empfangnahme von an den Verband zuzustellenden Schriftstücken wird sich aus
Gesetz oder Satzung ergeben.
Ob zu eigenen
Handen (§ 21 ZustellG) zuzustellen ist, wird grundsätzlich nach den
Bestimmungen der StPO (§ 79 Abs. 1) zu entscheiden sein. Dem Verband sollen
aber jedenfalls die Verständigung von der Einleitung des Verfahrens, der Antrag
auf Verhängung einer Geldbuße (§ 21, als Pendant zur Anklageschrift und
zum Strafantrag), die Ladung zur Hauptverhandlung und ein Abwesenheitsurteil zu
eigenen Handen zugestellt werden (Abs. 1). Zu Einzelheiten der
Verständigung von der Einleitung des Verfahrens,
insbesondere zu ihrem Zeitpunkt, wird auf § 38 Abs. 4 StPO
zurückzugreifen sein.
2. Juristische
Personen und Gesellschaften sind nicht prozessfähig, bedürfen also zur
Wahrnehmung der dem Beschuldigten entsprechenden Rolle im Verfahren eines Vertreters. Der Entwurf geht davon aus, dass die – nach
Gesetz oder Satzung – zur Vertretung nach außen berufenen Organe auch zur
Vertretung des Verbandes in einem gegen diesen geführten Strafverfahren berufen
sind; einer gesonderten Bestimmung bedarf es daher nicht. In diesem Sinn kann
es auch dem Verband überlassen bleiben, ob er – wenn mehrere Personen in Frage
kommen – eine oder mehrere Personen die Vertretung wahrnehmen lässt und ob er
diese Personen im Lauf der Zeit austauscht; davon ist das Recht des Gerichts zu
unterscheiden, das Erscheinen bestimmter Personen zur Beschuldigtenvernehmung
anzuordnen (vgl. Köck, Prozessuale Aspekte der
Strafbarkeit von Verbänden, JBl 2003, 496 [498 f]).
Von der
Wahrnehmung der dem Beschuldigten entsprechenden Rolle im Verfahren ist die
Rolle des Verteidigers zu unterscheiden. Das Recht des Verbandes, einen oder
mehrere Verteidiger zu bestellen, bleibt daher von diesen Ausführungen ebenso
unberührt wie die Bestimmungen der StPO über die notwendige Verteidigung.
3. Eine Regelung scheint nur für
den Fall erforderlich, dass sich das zur Vertretung nach außen berufenen Organ zur Gänze in
einer Interessenkollision befindet (vgl. Köck,
Prozessuale Aspekte der Strafbarkeit von Verbänden, JBl 2003, 496 [500]): dies
wird der Fall sein, wenn sämtliche Mitglieder dieses Organs selbst der Straftat
verdächtig sind. Bestimmungen für vergleichbare Kollisionslagen finden sich im
Zivil- und Gesellschaftsrecht (§ 271 ABGB, § 76 AktG, § 15a
GmbHG), im Jugendstrafverfahrensrecht (§ 38 Abs. 5 Z 1 JGG) und
– im Hinblick auf die hier interessierende strafrechtliche Verfolgung
juristischer Personen – im belgischen Strafverfahrensrecht (Art. 2bis Code de Procédure Pénale).
Es wird daher
vorgeschlagen (Abs. 2), dass das Gericht eine dritte Person als
„Kollisionskurator“ bestellen soll, wenn sämtliche Mitglieder des zur
Vertretung nach außen befugten Organs selbst im Verdacht stehen, die Straftat
begangen zu haben. Im Strafverfahren bietet es sich an, mit dieser Aufgabe
einen Verteidiger zu betrauen; es wird daher vorgeschlagen, dass das
Gericht einen Verteidiger als Kollisionskurator zu bestellen hat (notwendige
Verteidigung).
Aufgabe des
Verteidigers ist einerseits die Verteidigung im Verfahren, andererseits auch
alles zu unternehmen, um die Bestellung von Personen herbeizuführen, die für
den Verband im Verfahren die Rolle des Beschuldigten wahrnehmen, ohne sich in
Interessenkollision zu befinden. Die diesbezüglichen Aufgaben können nur sehr
allgemein umschrieben werden, weil es je nach Struktur des Verbandes und Lage
des Falles sehr unterschiedliche Konstellationen geben kann. So werden bei
bemakelten Vorstandmitgliedern einer AG deren Aufsichtsrat einzuschalten, bei
einer GmbH die Gesellschafter zu informieren oder bei einem Verein etwa eine
Mitgliederversammlung einzuberufen sein.
Die Tätigkeit des
Verteidigers endet, wenn der Verband entweder selbst einen Verteidiger bestellt
oder einen Vertreter bestellt. Dabei wird es nicht ausgeschlossen sein, dass
die verantwortlichen Organe eine Person bestellen, bei der die dargestellte
Interessenskollision vorliegt: Wenn der Verband dies bewusst in Kauf nimmt, so
besteht kein Anlass, dies nicht zuzulassen.
Die Tragung der
Kosten der Tätigkeit des Verteidigers richtet sich nach § 41 StPO.
4. Nach § 10
Abs. 1 gelten die gegen einen Verband ausgesprochenen Rechtsfolgen auch
gegen den Rechtsnachfolger. Nach dem Vorbild von § 97 Abs. 2 BAO
sieht Abs. 3 vor, dass die Zustellung der die Maßnahme treffenden
Verfügung auch gegen den Rechtsnachfolger wirkt.
Zu § 17
(Vernehmung als Beschuldigter)
Im Strafverfahren
kommt der Unterscheidung, ob jemand als Zeuge oder als Beschuldigter
vernommen werden soll, zentrale Bedeutung zu. Für das Verfahren gegen Verbände
muss daher geregelt werden, welcher der beiden Gruppen die für das Unternehmen
tätigen Personen zuzuordnen sind.
Der ME hatte
vorgeschlagen, als Beschuldigte (nur) jene Entscheidungsträger und Mitarbeiter
zu vernehmen, die der Straftat im Sinn von § 3 des Entwurfs verdächtig
sind oder bereits verurteilt wurden. Im Begutachtungsverfahren wurde dies als
zu eng kritisiert; auch Entscheidungsträger, die selbst nicht der Straftat
verdächtig sind, müssten als Beschuldigte vernommen werden (und damit nicht
unter Wahrheitspflicht aussagen).
Die RV greift
diese Anregung auf und schlägt in Abs. 1 vor,
dass sämtliche Entscheidungsträger im Sinn von Art. 2 Abs. 1
einerseits und jene Mitarbeiter, die der Straftat verdächtig sind oder bereits
verurteilt wurden, andererseits als Beschuldigte zu vernehmen sind. Konsequenterweise sind diese Personen
auch als Beschuldigte zu laden (§ 173 StPO), gegebenenfalls auch
vorzuführen. Ist eine solche Personen auch Beschuldigter in einem gegen sie
selbst geführten Strafverfahren, so wird die Vernehmung unter Einem stattfinden
können.
Es soll in das
Ermessen des Gerichts gestellt werden, ob es die Vertretung durch einen
Machthaber zulässt: die nur im bezirksgerichtlichen Verfahren anwendbare
Bestimmung des § 455 Abs. 2 StPO soll im Verfahren gegen Verbände
immer anwendbar sein.
Alle anderen für
den Verband handelnden Personen, also nicht der Tat verdächtige Mitarbeiter,
aber auch externe Berater, sollen nach dem Vorschlag des Entwurfs als Zeugen zu
vernehmen sein (ähnlich im deutschen Recht). Dieser Personenkreis ist durch
Entschlagungsrechte (§§ 152 f StPO) hinreichend geschützt.
Die in Abs. 2 vorgeschlagene Belehrung orientiert
sich an der in der StPO idF des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr.
19/2004, vorgesehenen Belehrung anlässlich der Vernehmung des Beschuldigten
(§ 164 Abs. 1 StPO idF StPRG).
Zu § 18
(Verfolgungsermessen)
1. Die Einführung
einer Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten ist eine tiefgreifende
Neuerung im österreichischen Kriminalrecht und bedeutet Neuland für die
Verfolgungsbehörden, aber auch für die Wirtschaft. Wiewohl sich die
Verantwortlichkeit von Verbänden am Individualstrafrecht orientiert,
unterscheidet sie sich von diesem doch insoweit, als Aspekten der Prävention
eine noch größere Bedeutung zukommt als dort: Einerseits kann von Verbänden
erwartet werden, dass sie aktiv Maßnahmen ergreifen, um der Begehung von Taten
entgegenzuwirken, für die sie verantwortlich gemacht werden könnten.
Andererseits sind auch die vorgeschlagenen Sanktionsmöglichkeiten (Weisungen,
Diversion) noch stärker zukunftsorientiert (und damit präventiv) ausgerichtet
als im Individualstrafrecht.
Vor diesem
Hintergrund bietet es sich an, im Verfahren gegen Verbände von dem im Individualstrafrecht
in Österreich traditionellen Anklagezwang abzugehen und der Anklagebehörde –
innerhalb gewisser Grenzen – die Befugnis einzuräumen, Opportunitätserwägungen
in die Entscheidung einfließen zu lassen, ob ein Verband verfolgt werden soll.
Ein solcher Schritt verstößt nicht gegen die zwischenstaatlichen
Verpflichtungen, zumal die meisten EU-Mitgliedstaaten auch im
Individualstrafrecht das Opportunitätsprinzip kennen (und daher alle Maßnahmen
der Angleichung materiellrechtlicher Bestimmungen in der EU unter der Prämisse
zu sehen sind, dass die Möglichkeit, im Einzelfall von der Verfolgung
abzusehen, der Normalfall ist). Das Opportunitätsprinzip steht auch nicht – wie
in einzelnen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren behauptet – im
Widerspruch zu dem (vom strafprozessualen Legalitätsprinzip zu
unterscheidenden) Legalitätsgrundsatz nach Art. 18 B-VG: Diesem entspricht
auch ein gesetzlich hinreichend determiniertes Verfolgungsermessen (Schroll
in WKStPO § 34, Rz 4; Schroll, Diversion als Ausdruck eines
Paradigmenwechsels der Strafrechtsdogmatik, in FS Moos [1997] 259 [267]; E.
Steininger, Zur aktuellen Diskussion um das strafprozessuale
Legalitätsprinzip und § 42 StGB, JBl 1989, 431).
Der Entwurf sieht
daher – wie auch schon der ME – ein Ermessen der Staatsanwaltschaft vor, ob im
Einzelfall ein Verband verfolgt werden soll.
2. Der ME hat als
Voraussetzung für ein Absehen oder einen Rücktritt von der Verfolgung das
Kriterium vorgeschlagen, ob der Ermittlungs- und Verfolgungsaufwand zur
Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Sanktionen außer Verhältnis
steht. Im Lichte der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens sowie weiterer
Überlegungen soll dieses Kriterium zwar beibehalten, jedoch auf eine breitere
Basis gestellt werden.
In diesem Sinn
wird in Abs. 1 zunächst vorgeschlagen, der
Entscheidung der Staatsanwaltschaft eine umfassende Abwägung aller relevanten
Umstände zu Grunde zu legen. Abzuwägen sind: der den Verband treffende Vorwurf,
konkretisiert durch die Schwere der Tat und das Gewicht der Pflichtverletzung
(vgl. § 3 Abs. 1 Z 2) oder des Sorgfaltsverstoßes (§ 3
Abs. 3 Z 2); die Folgen der Tat (insbesondere der entstandene Schaden
und sonstige negative Tatfolgen, aber auch eingetretene Bereicherung); das
Verhalten des Verbandes nach der Tat (wurden Maßnahmen zur Vermeidung
vergleichbarer Taten ergriffen?); und die rechtlichen Folgen der Tat, wobei
sowohl die nach dem VbVG zu erwartenden Sanktionen, namentlich die
voraussichtliche Höhe einer Geldbuße, als auch bereits eingetretene oder
unmittelbar absehbare rechtliche Nachteile in Betracht zu ziehen sind, die den
Verband (Schadenersatz, Maßnahmen von Verwaltungsbehörden) oder seine
Eigentümer (vgl. den Milderungsgrund des § 5 Abs. 3 Z 6 und die
Erläuterungen dazu) treffen.
Exemplarisch wird
sodann ein Fall angeführt, in dem die Abwägung zu Gunsten einer Einstellung
ausfallen wird: Das bereits im ME enthaltene Kriterium, ob der Ermittlungs- und
Verfolgungsaufwand zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden
Sanktionen außer Verhältnis steht. Bei der Beurteilung der „Bedeutung der
Sache“ wird auf alle Umstände der Tat zu achten sein, insbesondere auf
deren Folgen und die dadurch entstandene Sozialstörung, aber etwa auch auf die
Schwere der Sorgfaltsverstöße. Im Rahmen der Abschätzung der Sanktionen
kann auch berücksichtigt werden, ob zu erwarten ist, dass eine Geldbuße
einbringlich sein wird; ist der Verband etwa weitgehend mittellos (oder in
Konkurs) und ist auch kein Rechtsnachfolger vorhanden (§ 10), bei dem eine
Einbringung zu erwarten ist, so könnte es sich empfehlen, auf die Verfolgung zu
verzichten.
Vor allem im
bezirksgerichtlichen Verfahren wird diese Unverhältnismäßigkeit oft gegeben
sein, sodass dort eine Verfolgung eines Verbandes in vielen Fällen nicht
angezeigt sein wird.
3. In bestimmten
Fällen soll ein Absehen von der Verfolgung jedoch ausgeschlossen sein (Abs.
2): Die in Z 1 und 2 angeführten Ausnahmetatbestände entsprechen den
aus dem Individualstrafrecht wohlbekannten spezial- und generalpräventiven
Gründen, die keiner näheren Erläuterung bedürfen.
Der in Z 3
angeführte Ausnahmetatbestand des besonderen öffentlichen Interesses
macht den Kern des Verfolgungsermessens aus: denn welche öffentlichen
Interessen im Einzelfall die Verfolgung angezeigt erscheinen lassen, kann
abstrakt nicht umschrieben werden. Ein Anwendungsfall des öffentlichen
Interesses könnte ein in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallendes
Delikt sein, bei dem aber eine zwischenstaatliche Verpflichtung besteht, eine
Verantwortlichkeit von Verbänden (bzw. von juristischen Personen) vorzusehen.
Bei einem solchen Delikt wäre es nicht erstrebenswert, würde quasi routinemäßig
jedes Verfahren gegen einen Verband eingestellt.
Öffentliches
Interesse wird nicht mit medialer Aufmerksamkeit gleichzusetzen sein.
Zu § 19
(Diversion)
1. Das im
Individualstrafrecht bewährte Instrument der Diversion (§§ 90a ff StPO)
soll auch im Verfahren gegen Verbände nutzbringend angewendet werden können.
Allerdings scheinen nicht alle Formen der Diversion für Verbände geeignet: Der
außergerichtliche Tatausgleich ist spezifisch auf natürliche Personen
zugeschnitten und soll daher hier nicht übernommen werden. Dagegen scheinen die
übrigen in § 90a Abs. 1 StPO angeführten Formen der Diversion auch
auf Verbände anwendbar, nämlich die Zahlung eines Geldbetrages, die Bestimmung
einer Probezeit in Verbindung mit der Erfüllung bestimmter Pflichten und die
Erbringung gemeinnütziger Leistungen.
Eine Beendigung
des Verfahrens gegen Verbände soll grundsätzlich unter den gleichen allgemeinen
Voraussetzungen wie im Verfahren gegen natürliche Personen stattfinden: Es
muss der Sachverhalt hinreichend geklärt sein; eine Einstellung nach § 90
StPO (oder nach § 18 des Entwurfes) kommt nicht in Betracht; die strafbare
Handlung fällt nicht in die Zuständigkeit des Schöffen- oder des
Geschworenengerichts; die Tat hat nicht den Tod eines Menschen zur Folge
gehabt; und günstige spezialpräventive Prognose. Im Übrigen soll aber auf zwei
weitere im Individualstrafrecht enthaltene Voraussetzungen hier verzichtet
werden, nämlich auf das Kriterium der nicht schweren Schuld (§ 90a
Abs. 2 Z 2 StPO) sowie auf entgegenstehende generalpräventive Gründe.
Das Kriterium der schweren Schuld kann auf die Verantwortlichkeit von Verbänden
kaum übertragen werden. Was den Verzicht auf das Kriterium entgegenstehender
generalpräventiver Gründe anlangt, so geht der Entwurf davon aus, dass den
vorgesehenen diversionellen Maßnahmen jedenfalls generalpräventive Wirkung –
also eine Beeinflussung anderer Verbände in Richtung auf größere Normtreue –
innewohnt.
Als Ausgleich für
diesen erleichterten Zugang zur Diversion ist der Entwurf insoweit strenger als
bei natürlichen Personen, als die Gutmachung des durch die
Straftat entstandenen Schadens und die Beseitigung anderer Tatfolgen
unabdingbar sein soll, während von dieser Voraussetzung bei natürlichen
Personen ganz oder teilweise abgesehen werden kann.
2. Die erste Form der Diversion ist (analog zu § 90 Abs. 1
Z 1 StPO) die Zahlung eines Geldbetrages
(Abs. 1 Z 1). Bei dessen Festsetzung wird (zufolge § 14
Abs. 1) § 90c StPO sinngemäß anzuwenden sein, was auch durch das
Klammerzitat zum Ausdruck gebracht werden soll. Unanwendbar ist allerdings jene
Bestimmung, die die Höhe des Geldbetrages mit dem einer Geldstrafe von 180
Tagessätzen entsprechenden Betrag begrenzt (§ 90c Abs. 2 Satz 1
StPO). Statt dessen soll sich die Festlegung des Geldbetrages an der in den
§§ 4 und 5 geregelten Bemessung von Geldbußen orientieren; es wird
vorgeschlagen, dass der Geldbetrag mit höchstens 50 Tagessätzen bemessen werden
kann.
Die zweite Form der Diversion (Abs. 1 Z 2) besteht
in der Bestimmung einer Probezeit in Verbindung damit, dass sich der
Verband – soweit möglich und zweckmäßig – einer oder mehrerer jener Maßnahmen
unterzieht, die nach § 8 Abs. 3 Gegenstand einer Weisung sein können.
In diesem Fall werden die Bestimmungen des § 90f StPO sinngemäß anzuwenden
sein.
Der ME hatte
vorgesehen, dass die bloße Einstellung unter Bestimmung einer Probezeit, also
ohne begleitende Maßnahmen, nicht möglich sein solle. Im Begutachtungsverfahren
wurde darauf hingewiesen, dass damit in Fällen, in denen solche Maßnahmen
entweder nicht angezeigt sind oder bereits vom Verband aus eigenem ergriffen
wurden, die Probezeit als Diversionsform ausfällt. Daher schlägt der Entwurf
nun vor, die Voraussetzungen analog zum Individualstrafrecht zu regeln („soweit
möglich und zweckmäßig“, vgl. § 90f Abs. 2 StPO).
Die dritte Form
der Diversion sind gemeinnützige Leistungen (Abs. 1 Z 3).
Der ME hatte diese Form noch nicht vorgesehen. Im Begutachtungsverfahren ist
dagegen in einzelnen Stellungnahmen überzeugend dargelegt worden, dass auch
Verbände gemeinnützige Leistungen erbringen können. Diese werden sich
allerdings inhaltlich häufig von gemeinnützigen Leistungen, die durch natürliche
Personen erbracht werden, unterscheiden; insbesondere scheinen die Begrenzungen
in § 90e Abs. 1 StPO allzu sehr auf natürliche Personen zugeschnitten
und sollen daher nach dem Entwurf auf Verbände nicht anzuwenden sein. Die bloße
Leistung eines Geldbetrages (z.B. an karitative Organisationen) wird regelmäßig
noch nicht als gemeinnützig (vgl. § 90d Abs. 2 StPO) anzusehen sein.
3. Dass auch das Gericht
auf eine diversionelle Erledigung hinzuwirken hat und das Verfahren mit
Beschluss einstellen kann (§ 90b StPO), ergibt sich zwar schon über
§ 14 Abs. 1, soll aber in Abs. 2
ausdrücklich festgehalten werden.
Im Übrigen sind
die Bestimmungen des IXa. Hauptstücks der StPO sinngemäß anzuwenden (§ 14
Abs. 1).
Zu § 20
(Einstweilige Verfügungen)
1. Schon der ME
hat eine Bestimmung vorgeschlagen, die in einem frühen Verfahrensstadium die Sicherung der Einbringung einer zu erwartenden Geldbuße
ermöglichen sollte. Inhaltlich orientierte sich diese einstweilige Verfügung an
der bereits in § 144a StPO zur Sicherung einer Abschöpfung der
Bereicherung oder eines Verfalls vorgesehenen einstweiligen Verfügung.
Einzelne
Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren haben sich gegen ein solches
Instrument ausgesprochen; dieses habe im Individualstrafrecht keine
Entsprechung und sei daher „systemfremd“ oder sogar im Hinblick auf den
Gleichheitsgrundsatz bedenklich.
Dem ist jedoch
entgegenzuhalten, dass ein schematischer Vergleich zwischen Geldstrafe im
Individualstrafrecht und Verbandsgeldbuße zu kurz greift. Im Individualstrafrecht
ist die primäre Sanktion die Freiheitsstrafe; und zur Sicherung deren
Vollstreckung steht in bestimmten (schweren) Fällen die Untersuchungshaft
(Haftgrund Fluchtgefahr) zur Verfügung. Da die Geldstrafe lediglich im unteren
Kriminalitätsbereich zur Anwendung kommt, scheinen Maßnahmen zu ihrer Sicherung
nicht erforderlich. In jenem Bereich des Individualstrafrechts dagegen, in dem
die Geldstrafe die primäre Sanktion ist, sieht das geltende Recht eine
Sicherungsmöglichkeit vor: Im Finanzstrafrecht kann die Einbringung der
Geldstrafe mittels einstweiliger Verfügung gesichert werden (§ 207a
FinStrG).
2. Der Entwurf
hält daher an dem vorgeschlagenen Sicherungsinstrument grundsätzlich fest,
umschreibt die Voraussetzungen aber präziser als im ME. Die einstweilige
Verfügung setzt zunächst einen dringenden Verdacht (vgl. § 180 StPO)
voraus, dass der Verband für eine bestimmte Straftat verantwortlich sei.
Weiters muss anzunehmen sein, dass über ihn eine Verbandsgeldbuße verhängt
werden wird. Schließlich muss „auf Grund bestimmter Tatsachen“ (auch dieser
Begriff ist aus § 180 StPO entnommen) zu befürchten sein, dass die
Einbringung gefährdet oder wesentlich erschwert würde, wenn keine einstweilige
Verfügung angeordnet wird.
Es soll auch
möglich sein, nur einen Teil der Geldbuße mittels einstweiliger Verfügung
abzusichern („wenn und soweit“). Bei der Prognose wird auch zu berücksichtigen
sein, ob eine bedingte Nachsicht zu erwarten ist; nur soweit nicht mit
bedingter Nachsicht zu rechnen ist, wird eine einstweilige Verfügung zulässig
sein, weil für den bedingt nachgesehenen Teil schon begrifflich von
Einbringlichkeit nicht gesprochen werden kann.
Kein Grund für die
Erlassung einer einstweiligen Verfügung wäre etwa die Befürchtung, dass – etwa
wegen sich abzeichnender schlechterer Ertragslage – eine niedrigere Bemessung
der Geldbuße zu erwarten ist. Ein Anlass für die Erlassung einer einstweiligen
Verfügung wird daher regelmäßig nicht in Vorgängen der üblichen
Geschäftstätigkeit liegen, sondern vielmehr in Vorgängen, die der
Beiseiteschaffung von Vermögen dienen (Übertragung an gutgläubige Dritte,
Verbringung ins Ausland).
Es sollen
dieselben Sicherungsmittel zur Anwendung kommen, die in der StPO (§ 144a
Abs. 2) vorgesehen sind. Auch die übrigen Bestimmungen der StPO
(§ 144a Abs. 3 bis 7) sollen anwendbar sein; subsidiär gilt (wie nach
§ 144a Abs. 1 letzter Satz StPO) die Exekutionsordnung.
Zu § 21
(Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße)
1. Im
Individualstrafrecht beginnt das Hauptverfahren mit der Anklage: (§§ 207
ff StPO), vor dem Einzelrichter und dem Bezirksgericht dagegen mit bloßem
Strafantrag (§§ 451 Abs. 1, 483 f StPO).
Analog dazu soll
das Hauptverfahren gegen den Verband mit einem Antrag auf Verhängung einer
Verbandgeldbuße eingeleitet werden (Abs. 1).
Der ME hatte
vorgesehen, dass dieser Antrag in allen Fällen, also auch vor dem Einzelrichter
und dem Bezirksgericht, die Form einer Anklageschrift haben und dass dem
Verband in allen Fällen ein Einspruch gegen den Antrag zustehen soll; über den
Einspruch hätte im bezirksgerichtlichen Verfahren der Gerichtshof erster
Instanz zu entscheiden gehabt.
Dieser Vorschlag
ist im Begutachtungsverfahren auf Kritik gestoßen. Insbesondere wurde darauf
hingewiesen, dass durch die getrennte Prüfung der Anklage in den Verfahren vor
dem Bezirksgericht und dem Einzelrichter (amtswegig nach §§ 451
Abs. 2, 485 StPO im Hinblick auf natürliche Personen; Entscheidung des
übergeordneten Gerichtshofes über den Einspruch beim Verband) die Verbindung
der Verfahren gegen den Verband mit jenen gegen natürliche Personen unterlaufen
werde.
Der Entwurf trägt
dieser Kritik Rechnung und schlägt vor, dass auf einen Antrag auf Verhängung
einer Verbandgeldbuße im Verfahren vor dem Geschworenen- und Schöffengericht
die Bestimmungen über die Anklageschrift, im Verfahren vor dem Einzelrichter
und dem Bezirksgericht dagegen jene über den Strafantrag anzuwenden sind
(sodass ein Einspruch in den zuletzt genannten Verfahren nicht in Betracht
kommt). Im Hinblick darauf, dass die Feststellung der Verantwortlichkeit eines
Verbandes häufig die Lösung komplizierter Rechts- und Tatsachenfragen
voraussetzen wird, wird jedoch vorgeschlagen, dass auch in Strafanträgen „der
Sachverhalt zusammenzufassen und zu beurteilen“ (diese Formulierung wird aus
§ 211 Abs. 2 StPO idFd StPRG entnommen) ist, aus dem sich die
Verantwortlichkeit des Verbandes (§ 3) ergibt.
2. Entsprechend
dem bereits mehrfach angesprochenen Ziel, das Strafverfahren gegen natürliche
Personen und das Verfahren gegen den Verband gemeinsam zu führen, muss der
Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße gegen einen Verband mit Anklagen
oder Strafanträgen gegen natürliche Personen verbunden werden, wenn dies
nach § 15 möglich ist (Abs. 2).
Nur wenn dies
ausnahmsweise nicht möglich ist, ist ein selbstständiger Antrag auf
Verhängung einer Verbandsgeldbuße zu stellen (Abs. 3). Über einen
solchen Antrag hat das Gericht in einem selbstständigen Verfahren nach
öffentlicher mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden; gegen ein
solches Urteil sind dieselben Rechtsmittel zulässig wie gegen ein Urteil, das
im verbundenen Verfahren ergangen ist (§ 24).
Zu § 22
(Hauptverhandlung und Urteil)
1. Wurden die
Anklagen gegen natürliche Personen und der Antrag auf Verhängung einer
Verbandsgeldbuße verbunden und daher auch das Beweisverfahren im Rahmen der
Hauptverhandlung gemeinsam geführt (dies wird der Normalfall sein), so soll
nach dem Entwurf ein besonderes Verfahren der Urteilsfällung stattfinden
(Abs. 1 bis 3). Ähnlich wie § 256 Abs. 2 StPO eine – in
das Ermessen des Vorsitzenden gestellte – Trennung der Schlussvorträge und der
Urteilsverkündung in die Schuldfrage einerseits und die Straffrage
(einschließlich Privatbeteiligtenansprüche und Kosten) andererseits vorsieht,
soll – allerdings zwingend – eine Trennung von Schlussvorträgen und
Urteilsverkündung in jene betreffend die natürlichen Personen und jene
betreffend den Verband stattfinden. Das vorangehende Beweisverfahren ist davon
nicht betroffen, findet also gemeinsam statt.
Im Rahmen des ersten
Abschnitts sollen also zunächst die Schlussvorträge zu Schuld und Strafe
der natürlichen Personen und die Verkündung des diesbezüglichen Urteils
stattfinden.
Im daran
anschließenden zweiten Abschnitt sollen die Schlussvorträge und die
Urteilsverkündung zu den Voraussetzungen der Verantwortlichkeit des Verbandes,
also etwa zur Frage, ob gebotene und zumutbare Vorkehrungen zur Verhinderung
solcher Taten unterlassen wurden, und zu den über den Verband auszusprechenden
Sanktionen stattfinden.
Hat der erste
Abschnitt mit Schuldsprüchen der natürlichen Personen geendet, so soll die
Hauptverhandlung ohne weiteres mit dem zweiten Abschnitt fortgesetzt werden (Abs. 2).
Hat dagegen der erste Abschnitt mit Freisprüchen (aller) natürlichen Personen
geendet, so bedarf es zur Fortsetzung der Hauptverhandlung gegen den Verband
einer besonderen Erklärung des öffentlichen Anklägers, die dieser binnen drei
Tagen abzugeben hat (Abs. 3). Gibt er diese Erklärung nicht ab, so
kommt dies einer Zurückziehung der Anklage gleich, und das Gericht wird auch
den Verband freizusprechen haben (§ 259 Z 2 StPO). Andernfalls wird
die Hauptverhandlung im zweiten Abschnitt mit Schlussvorträgen und
Urteilsverkündung gegenüber dem Verband fortgesetzt.
2. Die Abs. 4
und 5 enthalten Bestimmungen, die jene der StPO über den Inhalt von
Urteilen und Urteilsausfertigungen ergänzen sollen.
Unabhängig davon,
ob die Verfahren gemeinsam geführt wurden, hat jedes gegen einen Verband
verkündetes Urteil bei Nichtigkeit (analog zu § 260 Abs. 1 Z 1
und 2 StPO) auszusprechen, für welche Tat der Verband auf Grund welcher
Umstände für verantwortlich befunden wird; daneben hat es die in § 260
Abs. 1 Z 3 bis 5 StPO angeführten Inhalte (Sanktion, Bezeichnung der
angewendeten Gesetzesbestimmungen, Privatbeteiligtenansprüche, Kosten)
aufzuweisen (Abs. 4).
Für den Inhalt der
Urteilsausfertigung kann weitestgehend auf § 270 Abs. 2 StPO
verwiesen werden (Abs. 5); der in dieser Bestimmung enthaltene Verweis auf
§ 260 StPO ist so zu verstehen, dass dessen durch Abs. 4
modifizierter Inhalt gemeint ist.
Zu § 23
(Hauptverhandlung und Urteil in Abwesenheit)
Die
Strafprozessordnung (§§ 427, 459) sieht vor, dass unter bestimmten
Voraussetzungen in Abwesenheit des Beschuldigten die Hauptverhandlung
durchgeführt und das Urteil gefällt werden kann.
Der Entwurf
schlägt vor, dass auch dann, wenn der Verband in der Hauptverhandlung nicht
vertreten ist, also weder durch vertretungsbefugte Organe noch durch einen
Verteidiger, das Gericht die Hauptverhandlung durchführen, die Beweise
aufnehmen und das Urteil verkünden kann. Voraussetzung dafür ist allerdings bei
sonstiger Nichtigkeit (wie auch nach § 427 StPO), dass die Vorladung zur
Hauptverhandlung wirksam, also zu eigenen Handen (§ 16 Abs. 1),
zugestellt wurde und in der Ladung diese Rechtsfolgen angedroht wurden.
Es soll dem
Gericht freistehen, ob es die Hauptverhandlung durchführt und das Urteil fällt
(„kann“). Kann daher mangels Beteiligung des Verbandes der Sachverhalt nicht
hinreichend geklärt werden, so wird eine Urteilsfällung nicht in Betracht kommen.
Das Urteil ist dem
Verband zuzustellen (Satz 2), und zwar zu eigenen Handen (§ 16
Abs. 1); durch die Zustellung werden die Rechtsmittelfristen ausgelöst.
Als Rechtsmittel kommt neben der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung der
Einspruch gegen das Abwesenheitsurteil (§ 427 Abs. 3 StPO) in
Betracht.
Zu § 24
(Rechtsmittel)
Die StPO sieht
gegen Urteile der Schöffen- und der Geschworenengerichte Nichtigkeitsbeschwerde
und (Straf)Berufung (§§ 280, 344 StPO), gegen Urteile des Einzelrichters
und des Bezirksgerichtes (volle) Berufung vor (§§ 463, 489 StPO), gegen
Abwesenheitsurteile schließlich den Einspruch (§ 427 Abs. 3 StPO).
Dieselben Rechtsmittel sollen auch gegen Urteile über Verbände ergriffen werden
können. Dies soll unmissverständlich klargestellt werden, auch wenn es sich
auch schon aus § 14 Abs. 1 erschließt. Klargestellt werden soll auch,
dass kein Unterschied besteht, ob das Urteil gegen den Verband im verbundenen
(§ 21 Abs. 2) oder im selbstständigen Verfahren (§ 21 Abs.
3) ergangen ist (anders als im selbstständigen Verfahren nach § 445
StPO).
Zu § 25
(Verfahren beim Widerruf einer bedingten Nachsicht)
Steht ein Widerruf
einer bedingten Nachsicht einer Buße wegen neuerlicher Verurteilung des
Verbandes während der Probezeit an, so wird schon nach § 14 das in
§ 494a StPO geregelte Verfahren anzuwenden sein. Diese Bestimmungen
bedürfen aber insofern einer Anpassung an die Besonderheiten des
vorgeschlagenen Gesetzes, als die sachliche Zuständigkeit an ein bestimmtes
Ausmaß von Freiheitsstrafen anknüpft (§ 494a Abs. 2 StPO). Im
Verfahren gegen Verbände soll statt dessen an die Anzahl der Tagessätze
angeknüpft werden: der Widerruf von Bußen oder Teilen einer Buße von mehr als
55 Tagessätzen soll dem Gerichtshof, von mehr als 100 Tagessätzen dem Schöffen-
oder Geschworenengericht vorbehalten sein.
Zu § 26
(Verständigung der zuständigen Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörde)
Die in § 26
vorgeschlagenen Bestimmungen sollen vor allem eine ausreichende Information der
zuständigen Verwaltungs- oder Aufsichtsbehörde sicherstellen; bei dieser
Behörde wird es sich zumeist um die Gewerbebehörde handeln; bei bestimmten
Unternehmensbereichen werden aber andere Behörden in Betracht kommen (z.B. die
Finanzmarktaufsicht). Betrifft die Straftat den Arbeitnehmerschutz, wird
zuständige Behörde auch die Arbeitsaufsichtsbehörde sein, also das
Arbeitsinspektorat.
Zunächst soll
diese Behörde vom Gericht von der Einleitung und der Beendigung eines
Verfahrens gegen einen Verband zu verständigen sein, wobei die Verständigung
von der Beendigung durch Übermittlung einer Ausfertigung des Urteils oder des
Einstellungsbeschlusses zu geschehen hat (Abs. 1).
Die Regelung in
§ 26 Abs. 2, dass das Gericht die Behörde ersuchen kann, an der
Überwachung der Einhaltung einer Weisung oder einer Maßnahme im Rahmen der
Diversion nach § 19 Abs. 1 Z 2 mitzuwirken, hat im Wesentlichen
deklaratorischen Charakter (Amtshilfe, Art. 22 B-VG). Gleiches gilt
für die analoge Bestimmung für die Staatsanwaltschaften in § 26 Abs. 3.
Die
vorgeschlagenen Bestimmungen lassen es den Strafverfolgungsbehörden,
insbesondere der Staatsanwaltschaft, unbenommen, in jeder Lage des Verfahrens
die Unterstützung der zuständigen Verwaltungsbehörde in Anspruch zu nehmen,
wenn dies zweckmäßig erscheint, etwa zur Aufklärung über dem Verband im
Verwaltungsverfahren erteilte Auflagen oder zur Frage, ob der Verband in der
Vergangenheit Auflagen eingehalten hat.
Zu § 27
(Vollstreckung von Verbandsgeldbußen)
1. Der Einbringung
von über natürliche Personen nach dem StGB (oder nach Nebengesetzen) verhängte
Geldstrafen wird dadurch Nachdruck verliehen, dass der Vollzug der
Ersatzfreiheitsstrafe angedroht wird.
Diese Möglichkeit
kommt bei gegen Verbände verhängten Geldbußen nicht in Betracht (siehe oben
Erläuterungen zu § 4, Pkt. 6.). Der Entwurf schlägt daher in Abs. 1
vor, dass der Verband zur Zahlung binnen 14 Tagen aufzufordern ist; zahlt er
nicht, so ist die Geldbuße nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz 1962
einzubringen (vgl. § 409 Abs. 1 und 2 StPO).
2. In Abs. 2
wird ein besonderer Grund eines Zahlungsaufschubs vorgeschlagen, der die
Schadensgutmachung fördern soll. Der Umstand der Schadensgutmachung ist bei der
Strafbemessung von großer Bedeutung (§ 5 Abs. 3 Z 4). Hat der
Verband bei Fällung des Urteils den Schaden noch nicht gutgemacht und konnte
daher diese nicht mildernd berücksichtigt werden, so kann eine spätere
Gutmachung in Anwendung des § 31a StGB zu einer nachträglichen
Strafmilderung führen. Da eine Schadensgutmachung – etwa bei einer großen Zahl
von Geschädigten – zeitaufwändig und schwierig sein kann, besteht die Gefahr,
dass die Geldbuße zuvor vollstreckt wird. Um einem Verband eine zusätzliche
Möglichkeit (und einen zusätzlichen Anreiz) zur Schadensgutmachung zu geben,
kann bei schon absehbarer Schadensgutmachung auf Antrag ein Aufschub in der
Dauer von bis zu sechs Monaten gegeben werden, damit der Verband dann einen
Antrag auf nachträgliche Milderung stellen kann.
3. In Anlehnung an
§ 409a StPO wird weiters vorgeschlagen, dass das Gericht Zahlungsaufschub
durch Ratenzahlung gewähren kann (Abs. 3). Der letzte
Teilbetrag ist spätestens nach zwei Jahren zu zahlen; bei Verzug mit zwei Raten
soll Terminverlust eintreten.
Zum 4.
Abschnitt (Schlussbestimmungen)
Zu § 28
(In-Kraft-Treten)
In Hinblick auf die
Notwendigkeit, dass sich die Normadressaten – juristische Personen und
Personengesellschaften – auf die neue Rechtslage einstellen, scheint eine
gewisse Legisvakanz geboten. Andererseits sollte diese aber nicht zu lange
sein, weil Österreich bereits mit der Erfüllung internationaler Verpflichtungen
in Verzug ist. Es wird daher ein Inkrafttreten am 1.1.2006 vorgeschlagen.
Zu § 29
(Verweisungen) und § 30 (Vollziehung)
Hier werden die
üblichen Bestimmungen über Verweisungen und geschlechtsspezifische Formen sowie
die übliche Vollzugsklausel vorgeschlagen.
Zu Artikel 2
bis 8 (Änderungen des Mediengesetzes, des Lebensmittelsicherheits- und
Verbraucherschutzgesetzes, des Patentgesetzes, des Markenschutzgesetzes 1970,
des Halbleiterschutzgesetzes, des Musterschutzgesetzes 1990 und des
Gebrauchsmustergesetzes):
1. Einzelne
Gesetze des Nebenstrafrechts (vor allem im Immaterialgüterrecht) sehen vor,
dass der Betriebs- oder Unternehmensinhaber (teils
auch der Leiter) – unabhängig davon, ob es sich um
eine natürliche oder eine juristische Person handelt – neben dem (im Betrieb
beschäftigten) Täter zu bestrafen ist, wenn er die
Rechtsverletzung „nicht verhindert“ (§ 91 UrhG, § 159 Abs. 2
PatG, § 60 Abs. 3 und § 68h Abs. 3 MarkenSchG, § 22
Abs. 2 HlSchG, § 35 Abs. 2 MusterSchG, § 42 Abs. 2
GMG, § 19 Abs. 1 UWG). In den erwähnten Gesetzen (mit Ausnahme des
UrhG) ist weiters angeordnet, dass die soeben erwähnte Strafbestimmung bei
Unternehmen, deren Inhaber „eine Gesellschaft, eine Genossenschaft, ein Verein
oder ein anderes, nicht zu den physischen Personen gehöriges Rechtssubjekt“
ist, auf die Organe dieses Rechtssubjektes anzuwenden ist, wenn sie sich einer solchen Unterlassung
schuldig gemacht haben.
In den erwähnten
Gesetzen des Immaterialgüterrechts (mit Ausnahme des UrhG) ist schließlich
vorgesehen, dass der „Inhaber des Unternehmens“ für
über „die Organe“ verhängte Geldstrafen zur
ungeteilten Hand mit dem Verurteilten haftet
(§ 159 Abs. 3 PatG, § 60 Abs. 4 und § 68h
Abs. 4 MarkenSchG, § 22 Abs. 3 HlSchG, § 35 Abs. 3
MusterSchG, § 42 Abs. 3 GMG). Bestimmungen über eine Haftung
juristischer Personen (teils auch anderer Rechtssubjekte) für Geldstrafen
(teils auch für Verfalls- und Wertersatzstrafen, Verfahrenskosten usw.), die
gegen natürliche Personen verhängt wurden, sind auch in § 28 FinStrG,
§ 35 MedienG und § 69 LMG bzw. zukünftig § 86 LMSVG
vorgesehen (vgl. auch schon oben im Allgemeinen Teil, C.1.).
2. Ausgehend von
der Feststellung, dass diese Bestimmungen ähnliche rechtspolitische Zwecke wie
die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten verfolgen, stellte der ME
in den Erläuterungen zur Erwägung, diese Bestimmungen aufzuheben. Als weiteres
für die Aufhebung sprechendes Argument führte der ME an, die Bestimmungen seien
nicht unproblematisch, soweit eine Bestrafung oder Haftung unabhängig davon
angeordnet wird, ob dem Betriebsinhaber etc. ein Vorwurf gemacht werden kann.
Insofern sei die Verantwortlichkeit von Verbänden das zielgenauere Instrument.
Als gegen eine (gänzliche) Aufhebung sprechende Argumente führte der ME an,
dass die bestehenden Bestimmungen einfach handhabbar seien und dass die
Verbandsverantwortlichkeit in jenen Fällen, in denen der Unternehmens- oder
Betriebsinhaber kein Verband ist, also vor allem bei Einzelunternehmern, nicht
eingreifen könne.
Schließlich wies
der ME darauf hin, dass es, sollte die Haftung für Geldstrafen, die gegen ein
anderes Rechtssubjekt verhängt worden sind, im Grundsatz beibehalten werden,
unvertretbar wäre, diese Haftung mit der eigenständigen Verantwortlichkeit von
Verbänden zu kumulieren. Es wäre daher unumgänglich, die eine Rechtsfolge auf
die andere anzurechnen.
Unter den
Stellungnahmen, die sich zu dieser Problematik geäußert haben, halten sich
zahlenmäßig die Befürworter und die Gegner einer Aufhebung die Waage.
3. Zunächst ist
festzuhalten, dass es offensichtlich lediglich auf rechtshistorischen
Zufälligkeiten beruht, ob für bestimmte Straftatbestände solche
Sonderregelungen vorgesehen sind. Warum dies im Immaterialgüterrecht oder im
Wettbewerbsrecht notwendig ist, dagegen bei dem Wirtschaftsstrafrecht
zuzurechnenden Delikten des StGB (zB. §§ 123, 146, 151, 153b, 153c – e,
168b, 180 ff., 307, 308) nicht, ist sachlich nicht begründbar. Ebenso
wenig ist verständlich, warum es für das In-Verkehr-Setzen von gesundheitsschädlichen
oder verfälschten Lebensmitteln eine Haftungsbestimmung gibt, nicht jedoch für
das In-Verkehr-Setzen von gesundheitsschädlichem oder verfälschtem Wein
(§ 62 WeinG). Hingewiesen sei auch darauf, dass die Haftungsbestimmung im
DevisenG mit dem DevisenG 2004 ersatzlos entfallen ist und dass in dem mit
den angeführten Tatbeständen des Immaterialgüterechts vergleichbaren Tatbestand
des § 25 des Sortenschutzgesetzes 2001 solche Bestimmungen fehlen.
Weiteres Indiz für
die mangelnde sachliche Rechtfertigung ist, dass in den erwähnten Gesetzen
teils alle drei erwähnten Regelungen – Strafbarkeit des Leiters bzw. Inhabers,
wenn er die Begehung nicht verhindert; Anwendbarkeit dieser Strafbestimmung auf
das Organ; Haftung juristischer Personen etc. für Geldstrafen –, teils nur
einzelne davon enthalten sind und dass sie auch inhaltlich unterschiedlich
ausgestaltet sind.
Festzuhalten ist
weiters, dass die praktische Relevanz der Bestimmungen begrenzt ist. Nach den
Tatbeständen des Immaterialgüterrechts kommen schon Verurteilungen kaum vor;
die Straftatbestände nach dem LMG kommen zwar in der Praxis durchaus häufig
vor, auch hier ist aber die Haftungsbestimmung von geringer Bedeutung.
4. Es gibt daher
gute Gründe, schon die Strafbarkeit des Leiters bzw. Inhabers, der die Begehung
einer Tat durch unterstellte Personen nicht verhindert, sowie die Anwendbarkeit
dieser Strafbestimmung auf Organe von juristischen Personen bzw. anderen (von
natürlichen Personen verschiedenen) Rechtssubjekten aufzuheben. Zu einer solchen
Entscheidung bedarf es jedoch eines eingehenden Diskussionsprozesses; dieser
hat aber bisher noch nicht stattgefunden, sodass der Entwurf davon absieht, in
diesen beiden Bereichen Änderungen vorzuschlagen. Eine Aufhebung dieser
Bestimmungen scheint auch nicht unmittelbar aufgrund der
Verbandsverantwortlichkeit, sondern eher aus allgemeinen strafrechtlichen
Überlegungen indiziert.
5. Unmittelbar
durch die Einführung der Verbandsverantwortlichkeit indiziert sind dagegen
Änderungen bei der dritten Gruppe von Bestimmungen, der Haftung juristischer
Personen (teils auch anderer Rechtssubjekte) für Geldstrafen (teils
auch für Verfahrenskosten), zu denen bestimmte für die juristische Person etc.
tätige Personen verurteilt worden sind. Es wäre völlig unvertretbar, wollte man
einen Verband einerseits für eine Straftat, die ein Entscheidungsträger
(§ 3 Abs. 2 VbVG) oder ein Mitarbeiter (§ 3 Abs. 3 VbVG)
begangen hat, verantwortlich machen und ihn deshalb zu einer Geldbuße
verurteilen, andererseits ihn auch noch für die Geldstrafe haften lassen, die
über den Mitarbeiter oder Entscheidungsträger verhängt wurde. Dies wäre als
Doppelsanktionierung anzusehen.
Neben den bereits
oben (2.) angeführten Argumenten ist noch darauf hinzuweisen, dass bei den
geltenden Haftungsbestimmungen ein Wertungswiderspruch auch darin liegt, dass
eine Haftung zwar bei Geldstrafen eingreift, eine Heranziehung des
Betriebsinhabers jedoch nicht in Betracht kommt, wenn über die unterstellte
Person eine Freiheitsstrafe verhängt wird, es sich also um eine gravierende Tat
handelt.
Betroffen sind im
einzelnen das MedienG, das LMG (bzw. das LMSVG) und die Gesetze des
Immaterialgüterrechts.
Zu
Artikel 2 (Änderungen des MedienG)
§ 35 MedienG
sieht vor, dass der Medieninhaber eines periodischen Mediums für Geldstrafen
und Verfahrenskosten einschließlich der Kosten der Urteilsveröffentlichung zur
ungeteilten Hand mit einem wegen eines Medieninhaltsdeliktes Verurteilten
haftet; bei einem nach Ausspruch der Haftung eintretenden Wechsel in der Person
des Medieninhabers haftet der neue Medieninhaber mit dem früheren. Der
Medieninhaber ist zur Hauptverhandlung zu laden und hat die Rechte des
Beschuldigten (§ 41 Abs. 6 MedienG).
Ein Vergleich
dieser Bestimmungen mit den Voraussetzungen des VbVG ergibt folgende wesentliche
Unterschiede:
Die Haftung ist an
die Verurteilung des Täters geknüpft, ohne dass der Medieninhaber die
Möglichkiet hätte, sich von ihr durch Hinweis auf die Einhaltung der gebotenen
Sorgfalt o.ä. zu befreien; sie ist also eine verschuldensunabhängige Haftung.
Nach dem VbVG löst die Tat (jedenfalls des Mitarbeiters) nicht ohne weiteres
die Verantwortlichkeit des Verbandes aus, vielmehr muss eine
Sorgfaltsverletzung durch Entscheidungsträger hinzukommen. Die Regelung des
VbVG scheint daher in höherem Maße sachgerecht.
Unterschiedlich
ist auch der Kreis der Haftenden. Medieninhaber kann eine natürliche Person,
aber auch ein Verband im Sinn des VbVG sein. Überdies tritt die Haftung nur
ein, wenn es sich um ein periodisches Medium handelt. Diese Abgrenzungen hat
der Gesetzgeber des Mediengesetzes (1981) aus dem alten Pressegesetz
übernommen. Zwingende Gründe, die für die Beibehaltung dieser Abgrenzungen
sprechen, sind nicht ersichtlich.
Aus den bereits im
Einleitungsabschnitt (zu Artikel 2 bis 8) dargestellten Gründen sowie im
Hinblick auf die größere Zielgenauigkeit, nicht zuletzt aber auch aus Gründen
der Rechtseinheitlichkeit und –vereinfachung wird daher vorgeschlagen,
§ 35 MedienG aufzuheben.
Diese Aufhebung
zieht eine Folgeänderung in § 41 Abs. 7 MedienG nach sich.
Zu Artikel 3
(Änderungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes)
Nach § 69 LMG
(im Wesentlichen gleichlautend § 86 LMSVG) haftet der Betriebsinhaber für
Geldstrafen, Kosten der Urteilsveröffentlichung und als Bereicherung
abgeschöpfte Geldbeträge, zu deren Zahlung ein Arbeitnehmer oder Beauftragter
seines Betriebes wegen einer Lebensmittel-Straftat verurteilt worden ist, es
sei denn, dass der Verurteilte die strafbare Handlung nicht im Rahmen der
dienstlichen Obliegenheiten des Betriebes begangen hat. Der Betriebsinhaber ist
zur Hauptverhandlung zu laden und hat die Rechte des Beschuldigten.
Die Bestimmung ist
sowohl auf Betriebsinhaber anwendbar, die Verbände im Sinn des vorgeschlagenen
VbVG sind, als auch auf andere Rechtsträger (insbesondere auf
Einzelunternehmer).
Es wird daher
vorgeschlagen, Verbände vom Anwendungsbereich des § 86 LMSVG auszunehmen.
Da das LMSVG am
1.1.2006 in Kraft treten wird, erübrigt sich eine gesonderte Bestimmung über
das In-Kraft-Treten der Änderung.
Zu Artikel 4
bis 8 (Änderungen des Patentgesetzes, des Markenschutzgesetzes 1970, des
Halbleiterschutzgesetzes, des Musterschutzgesetzes 1990 und des
Gebrauchsmustergesetzes):
Die
strafrechtlichen Bestimmungen des Patentgesetzes, des Halbleiterschutzgesetzes,
des Musterschutzgesetzes 1990 und des Gebrauchsmustergesetzes sind erst
kürzlich an jene des Markenschutzgesetzes 1970 angepasst worden (Patentrechts-
und Gebührennovelle 2004, BGBl. I Nr. 149/2004).
Die Haftung trifft
„eine Gesellschaft, eine Genossenschaft, einen Verein oder ein anderes, nicht
zu den physischen Personen gehöriges Rechtssubjekt“; diese Umschreibung deckt
sich weitgehend mit der Definition des Verbandes in § 1 VbVG, insbesondere
ist keine Haftung von Einzelunternehmern vorgesehen. Der Anwendungsbereich der
geltenden Bestimmungen geht daher nicht über jenen des VbVG hinaus. Eine
Aufhebung der Bestimmungen würde daher jedenfalls keine materiellrechtlichen
Lücken entstehen lassen.
Offen bleibt nach
der geltenden Rechtslage, welche verfahrensrechtliche Stellung das haftende
Rechtssubjekt hat; Bestimmungen wie in § 35 MedienG oder in § 69 LMG
fehlen. Insoweit bringt das VbVG Klarheit.
Da die
rechtspolitischen Zwecke der geltenden Bestimmungen durch das VbVG
gleichermaßen erreicht werden und das VbVG durch seine Verfahrensbestimmungen
überdies einen wesentlichen Fortschritt an Rechtssicherheit bringt, wird
vorgeschlagen, die Haftungsbestimmungen in den Gesetzen des
Immaterialgüterrechts entfallen zu lassen.