Vorblatt

Problem:

Vor allem der Beitritt zahlreicher neuer Vertragsstaaten zur Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der zunehmende Bekanntheitsgrad der Konvention haben die Zahl der jährlich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte herangetragenen Menschenrechtsbeschwerden stark ansteigen lassen.

Ziel:

Maßnahmen, die die Effizienz des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht nur langfristig sichern, sondern auch steigern sollen.

Inhalt:

Mit dem vorliegenden 14. Protokoll zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) wird die mit dem 11. Protokoll durchgeführte Reform des Kontrollsystems der Europäischen Menschenrechtskonvention (Einrichtung eines ständigen Gerichtshofes, dem allein die Zuständigkeit zur Prüfung von Menschenrechtsbeschwerden zukommt, die von allen Vertragsstaaten unbefristet anerkannt ist) konsequent weitergeführt. Darüber hinaus wird der Europäischen Union die Möglichkeit des Beitritts zur Europäischen Menschenrechtskonvention eröffnet. Die Reformvorhaben zur Steigerung der Effizienz wurden schließlich auch zum Anlass genommen, in der Konvention redaktionelle Bereinigungen vorzunehmen.

Alternativen:

keine

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

keine

Finanzielle Auswirkungen:

keine

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Aufgrund des grundrechtlichen Inhalts kein Widerspruch. Mit Art. 17 des Protokolls wird seitens der EMRK die grundsätzliche Voraussetzung für den in Art. I-9 Abs. 2 des Vertrags über eine Verfassung für Europa vorgesehenen Beitritts der Europäischen Union zur EMRK geschaffen.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Genehmigung gemäß Art. 50 Abs. 3 B-VG (sinngemäße Anwendung des Art. 44 Abs. 1 B-VG).


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Die Anzahl der bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) eingebrachten Beschwerden ist nicht zuletzt durch den Beitritt zahlreicher neuer Vertragsstaaten zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) stark angestiegen. Dies hat einen beträchtlichen Rückstand an offenen Verfahren nach sich gezogen, der es wiederum erforderlich macht, insbesondere Organisation und Verfahren des EGMR entsprechend umzugestalten, um die Erledigung der Beschwerden in angemessener Zeit zu gewährleisten. Das vorliegende Protokoll Nr. 14 zur EMRK über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention (im Folgenden: 14. ZPEMRK) ergänzt die mit dem Protokoll Nr. 11 zur EMRK über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, BGBl. III Nr. 30/1998, gesetzten Reformschritte mit dem Ziel, die langfristige Wirksamkeit des bestehenden Kontrollsystems zu sichern und zu verbessern.

Der Steigerung der Effizienz des EGMR dient vor allem die Übertragung der offensichtlich begründeten Beschwerden, die bisher von siebenköpfigen Kammern behandelt wurden, in die Zuständigkeit der dreiköpfigen Ausschüsse und die Übertragung der Gruppe der offensichtlich unbegründeten Beschwerden („clearly inadmissible cases“) in die Zuständigkeit von Einzelrichtern (Art. 26ff EMRK nF); beides bringt mit sich, dass die betreffenden Beschwerden im vereinfachten Verfahren erledigt werden. Zugleich wird die Möglichkeit eröffnet, Kammern zu bilden, die bloß aus fünf anstatt wie bisher sieben Richtern bestehen.

Darüber hinaus führt das 14. ZPEMRK verbesserte Instrumente zur Umsetzung von Urteilen des EGMR ein (Anträge des Ministerkomitees gemäß Art. 46 Abs. 3 und 4 EMRK nF: Antrag auf Auslegung eines Urteils, um die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen leichter zu bestimmen; Antrag auf Klärung, ob ein Vertragsstaat seiner Verpflichtung zur Befolgung eines rechtskräftigen Urteils des EGMR nachgekommen ist). Außerdem wird die Amtszeit der Richterinnen und Richter auf neun Jahre ohne Möglichkeit der Wiederwahl verlängert (Art. 23 EMRK nF iVm. Art. 21 des 14. ZPEMRK), erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kanzlei des EGMR in bestimmten Bereichen die Funktion von Berichterstattern ohne Stimmrecht (Art. 24 Abs. 2 EMRK nF) und wird dem Kommissar für Menschenrechte des Europarates die Möglichkeit eingeräumt, in einzelnen Verfahren eine Stellungnahme zu erstatten (Art. 36 Abs. 3 EMRK nF).

Weiters werden die Zulässigkeitstatbestände um eine neue Zulässigkeitsschranke für Bagatellbeschwerden erweitert (Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK nF iVm. Art. 20 des 14. ZPEMRK).

Von der Leitidee der Effizienz des EGMR losgelöst schafft das 14. ZPEMRK die Voraussetzung für einen schon lange in Diskussion stehenden Beitritt der Europäischen Union zur EMRK (Art. 59 Abs. 2 EMRK nF) und nimmt Bereinigungen redaktioneller Natur an der EMRK vor.

Alle Maßnahmen, die zur Wahrung und Steigerung der Effizienz des EGMR ergriffen werden, basieren auf dem Subsidiaritätsprinzip (vgl. Art. 1 und 19 EMRK): Die Verantwortung für die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte tragen in erster Linie die Vertragsstaaten der EMRK, sodass sie das EMRK-Kontrollsystem auf innerstaatlicher Ebene entsprechend zu unterstützen haben. Durch entsprechende Ausgestaltung der nationalen Rechtsordnungen, die eine Verletzung von Menschenrechten weitgehend verhindert und innerstaatliche Rechtsmittel gegen dennoch eingetretene Verletzungen bereitstellt, wird der EGMR ebenso entlastet wie durch die umgehende und umfassende Durchführung von EGMR-Urteilen, die einen Strukturmangel festgestellt haben. In Summe stellen solche nationale Maßnahmen die wirksamste Prävention gegen Menschenrechtsverletzungen dar und nehmen mittelfristig Druck vom EGMR. Die in diesem Rahmen wünschenswerten Schritte hat der Europarat in mehreren Empfehlungen und Resolutionen zusammengefasst (Declaration Dec-12.05.2004/1E; Recommendation No. R (2000) 2 of the Committee of Ministers on the re-examination or reopening of certain cases at domestic level following judgments of the European Court of Human Rights; Recommendation Rec(2002)13 of the Committee of Ministers on the publication and dissemination in the member states of the text of the European Convention on Human Rights and of the case-law of the European Court of Human Rights; Recommendation Rec(2004)4E of the Committee of Ministers on the European Convention of Human Rights in university education and professional training; Recommendation Rec(2004)5E of the Committee of Ministers on the verification of the compatibility of draft laws, existing laws and administrative practice with the standards laid down by the European Convention of Human Rights; Recommendation Rec(2004)6E of the Committee of Ministers on the improvement of domestic remedies; Resolution Res(2004)3E of the Committee of Ministers on judgments revealing an underlying systemic problem).

Das 14. ZPEMRK bedarf als Änderungsprotokoll gemäß seinem Art. 19 zu seinem In-Kraft-Treten der Ratifizierung aller Vertragsstaaten. Der In-Kraft-Tretens-Zeitpunkt ist zur Zeit nicht abzuschätzen, da im April 2005 noch nicht alle Vertragsstaaten unterzeichnet hatten und lediglich die Ratifikationen von Armenien, Dänemark, Georgien, Irland, Malta, Norwegen und des Vereinigten Königreichs vorlagen; in der Deklaration „Ensuring the effectiveness of the implementation of the European Convention on Human Rights at national and European level“ hat das Ministerkomitee aber die Mitgliedstaaten dringend aufgefordert, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um das 14. ZPEMRK so rasch wie möglich zu ratifizieren, um dessen In-Kraft-Treten spätestens im Mai 2006 zu garantieren.

Entstehungsgeschichte im Überblick:

Bereits mit dem 11. ZPEMRK, das im Jahr 1994 vom Ministerkomitee angenommen wurde und am 1. November 1998 in Kraft getreten ist, wurde das Kontrollsystem der EMRK grundlegend reformiert (siehe zu der Entstehungsgeschichte, den Gründen und den Grundsätzen des 11. ZPEMRK RV 85 BlgNR XIX GP, 26ff). Ein Beweggrund für die tiefgreifenden Reformen war bereits damals, dass die Organe der EMRK auf Grund des Beitritts neuer Vertragsstaaten nach Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks und der Entstehung der Reformstaaten neue Herausforderungen auf sich zukommen sahen. Nun, da der EMRK nahezu alle europäischen Länder angehören (es fehlt derzeit lediglich Belarus) und ihr Kontrollsystem 800 Millionen potentiellen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern offen steht, haben sich die mit dem 11. ZPEMRK getroffenen Vorkehrungen – Vereinfachung des Kontrollsystems durch Zentrierung des Verfahrens beim EGMR - als nicht hinreichend erwiesen.

Die zu Ehren des 50-jährigen Bestehens der EMRK im November 2000 in Rom veranstaltete Ministerkonferenz wurde zum Anlass genommen, auf die exponentiell steigenden Beschwerdezahlen aufmerksam zu machen (vgl. die Jahresberichte des EGMR, wonach im Jahr 1990 5279, im Jahr 1998 18.164, im Jahr 2002 bereits 34.546 und 2004 sogar 40.943 Beschwerden beim EGMR eingebracht wurden). Zugleich wurde eine raschere und umfassendere Durchführung der Urteile des EGMR durch die Vertragsstaaten eingemahnt. In weiterer Folge hat das Ministerkomitee des Europarates zu Beginn des Jahres 2001 zwei Arbeitsgruppen mit dem Mandat eingerichtet, zur Wahrung der Effektivität und damit der Glaubwürdigkeit und Autorität des EGMR in Frage kommende Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten: Die dreiköpfige „Evaluation Group“, der ua der Präsident des EGMR angehörte, einerseits und die „Reflection Group on the Reinforcement of the Human Rights Protection Mechanism“ im Rahmen des Leitungskomitees für Menschenrechte (CDDH) andererseits. Außerdem hat der EGMR selbst schon im Jahr 1999 eine interne Arbeitsgruppe („Working Party on Working Methods“) zur begleitenden kritischen Analyse seiner Arbeitsabläufe und Vorbereitung von Novellen seiner Verfahrensordnung ins Leben gerufen.

Bei den Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass mehr als 90% aller an den EGMR gerichteten Beschwerden als unzulässig zurückgewiesen werden (im Jahr 2003 beispielsweise entfielen darauf 96% aller Erledigungen) und dass von den übrigen Beschwerden ein hoher Prozentsatz auf Fälle entfällt, die auf einen Strukturmangel der Rechtsordnungen der Vertragsstaaten zurückgehen, zu dem der EGMR ohnehin bereits ein Musterurteil („pilot judgment“) gefällt hat (so entfielen zB im Jahr 2003 60% aller vom EGMR gefällten Urteile auf „repetitive cases“). Daher bot es sich an, einen Schwerpunkt auf Lösungen zu legen, die die Vorprüfungen von Beschwerden möglichst effizient gestalten und die Richterinnen und Richter in diesem Verfahrensstadium weitestgehend entlasten. Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchungen sollte Lösungsmöglichkeiten auf der Ebene der Vertragsstaaten beleuchten, zum einen, um Menschenrechtsverletzungen überhaupt zu vermeiden, und zum anderen, um den hohen Prozentsatz der von vornherein aussichtslosen Beschwerden, der die Kapazitäten des EGMR empfindlich bindet, zu senken. Schließlich sollte die Phase der Durchführung von Urteilen des EGMR untersucht werden, um die Belastung des EGMR durch Massen- bzw. idente Beschwerden zu minimieren.

Nach den ersten Beratungen zur Klärung der prinzipiellen Positionen fällten die Expertinnen und Experten der „Reflection Group“ die Entscheidung, dass bloß solche Maßnahmen näherer Erörterung unterzogen werden sollten, die den einzigartigen Charakter des Kontrollsystems der EMRK, insbesondere dessen Gerichtscharakter, das Individualbeschwerderecht und die Überwachung der Durchführung der Urteile durch das Ministerkomitee des Europarates, in keiner Weise antasten. Dies ist insoweit hervorzuheben, als die „Evaluation Group“ die Übernahme des certiorari-Systems des US-Supreme Court favorisierte, dem es ins reine Ermessen gestellt ist, welche Beschwerden er einer eingehenden Prüfung für würdig erachtet.

In den Arbeitsgruppen und insbesondere in der erwähnten „Reflection Group“ herrschte rasch Einigkeit darüber, dass die Besetzung der Kammern und Ausschüsse des EGMR verkleinert werden könnte, ohne die Prinzipien der geografischen Balance und der Kollegialentscheidungen aufzugeben oder Abstriche in der Qualität der Rechtsprechung befürchten zu müssen. Im Hinblick auf den hohen Prozentsatz an offensichtlich berechtigten Beschwerden („manifestly well-founded cases“, „repetitive cases“, „clone cases“), bei deren Erledigung weitgehend auf Vorjudikatur zurückgegriffen werden kann und die daher keines besonders hohen richterlichen Argumentationsaufwands bedürfen, kam man überein, dass sie künftig von den dreiköpfigen Ausschüssen in einem summarischen Verfahren behandelt werden sollten. Um diese Ausschüsse nicht zu überfrachten, wurde nach einigen Diskussionsrunden Konsens darüber erzielt, die Entscheidung ganz offensichtlich unbegründeter Beschwerden Einzelrichtern zu überantworten, die von nicht-richterlichen, nicht-stimmberechtigten Juristinnen und Juristen der Kanzlei als Berichterstatter unterstützt werden sollten. Technisch-redaktionelle Überarbeitungen der EMRK bedurften keiner tiefgehenden Erörterung.

Dahingegen erfolgten intensive Diskussionen zu Vorschlägen, zur Prüfung der großen Zahl von offensichtlich unbegründeten Beschwerden eine Gruppe von Richtern einzusetzen, deren Auswahlkriterien und Ernennungserfordernisse nicht so strenger Natur wie die der „normalen“ Richter wäre („Assessor-Lösung“) sein sollten. Die Einrichtung eines eigenen „Filterorgans“ wurde als Rückkehr zum alten zweigeteilten Kontrollsystem, wie es vor dem 11. ZPEMRK bestanden hat, abgelehnt. Ebensowenig Unterstützung fanden beispielsweise der Vorschlag regionaler Menschenrechtsgerichtshöfe I. Instanz, der Einführung von Vorabentscheidungsverfahren und der Erhöhung der Zahl der pro Vertragsstaat ernannten Richter für Länder, auf die eine besonders hohe Beschwerdezahl entfällt. Am heftigsten umstritten war die Einführung eines neuen Unzulässigkeitstatbestandes, der den „Filterprozess“ der neu eingelangten Beschwerden maßgeblich beschleunigen sollte und der die Gefahr in sich barg, das Individualbeschwerderecht auszuhöhlen. Die Verhandlungen dazu benötigten Jahre und endeten mit einem Kompromiss (Art. 35 Abs. 3 lit. b EMKR nF iVm. Art. 20 des 14. ZPEMRK).

Mitte des Jahres 2003 lagen hinreichende Ergebnisse der oben erwähnten drei Arbeitsgruppen zu den internen Abläufen des EGMR sowie aussagekräftige Statistiken, aber auch Lösungsansätze nicht zuletzt in Form eines Schweizerisch-Deutschen Entwurfes vor, die das Ministerkomitee des Europarates veranlassten, eine „Drafting Group“ unter Vorsitz der Schweiz mit der Formulierung eines 14. ZPEMRK zu beauftragen.

Begleitend zu den Expertengesprächen fanden auf Europaratsebene Seminare und Anhörungen nicht nur von Organen des Europarates, wie dem Kommissar für Menschenrechte und der Parlamentarischen Versammlung, sondern auch unter Mitwirkung von Mitgliedern nationaler Verfassungsgerichtshöfe und von NGOs statt (zB „Partners for the Protection of Human Rights: reinforcing interaction between European Court of Human Rights and national courts”, 9. und 10 September 2002 in Straßburg; NGO-Hearings im Jänner 2003 und am 26. und 27. Februar 2004). Dabei brachte sich der Kommissar für Menschenrechte mit der Anregung ein, er könnte in den Verfahren als Drittintervenient seine auf seinen Missionen gewonnenen Erfahrungen nutzbar machen und auf diese Weise im Einzelfall erforderliche Ermittlungen beschleunigen. Von besonderem Gewicht war jedoch stets die Haltung des (Plenums des) EGMR zu den jeweiligen Tätigkeitsberichten der „Reflection Group“ bzw. „Drafting Group“, der sich etwa nur zögernd dem Vorschlag eines zusätzlichen Unzulässigkeitstatbestandes anschließen und erst im Februar 2004 einer Kompromissformel näher treten konnte.

In Österreich wurde das Reformprojekt beispielsweise am 7. und 8. Februar 2003 an der Karl-Franzens-Universität Graz im Rahmen des Symposions „Die Zukunft des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“ vorgestellt und erörtert (siehe dazu EuGRZ 2003, 93ff); weitere Diskussionen erfolgten im Rahmen des Symposiums am Österreichischen Institut für Menschenrechte am 28. und 29. November 2003 in Salzburg (siehe dazu Karl [Hrsg.], Internationale Gerichtshöfe und nationale Rechtsordnungen, Kehl‑Straßburg‑Arlington 2005).

Schließlich konnte das 14. ZPEMRK am 13. Mai 2004 für die Vertragsstaaten der EMRK zur Unterzeichnung und Ratifikation aufgelegt werden. Österreich hat das Protokoll am 10. November 2004 unterzeichnet.

Finanzielle Auswirkungen:

Da das 14. ZPEMRK im Wesentlichen organisatorische Maßnahmen für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie die Änderung der Vorschriften für das Verfahren vor diesem Gerichtshof vorsieht, sind für Österreich in finanzieller Hinsicht keine Auswirkungen zu erwarten.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG („Bundesverfassung“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Aufgrund seiner verfassungsergänzenden und verfassungsändernden Natur bedarf der vorliegende Staatsvertrag der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 und 3 B-VG; eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG ist nicht erforderlich.

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Art. 22 Abs. 2 EMRK):

Art. 22 Abs. 2 regelte bisher die Nachbesetzung von frei werdenden Richterstellen sowie die Besetzung von Richterstellen nach Beitritt neuer Vertragsstaaten; der Entfall dieser Bestimmung resultiert aus der Neuregelung der Amtszeit der Richterinnen und Richter in Art. 23, die den Abs. 2 gegenstandslos werden lässt.

Zu Art. 2 (Art. 23 EMRK):

Die Amtszeit der Richterinnen und Richter beträgt derzeit in der Regel sechs Jahre, ihre Wiederwahl ist zulässig. Die nunmehr für alle Richterinnen und Richter vorgesehene einmalige Funktionsperiode von neun Jahren dient der Stärkung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter, die in Zusammenhang mit Vorkommnissen um die Verlängerung von Richtern in den vergangenen Jahren nicht im wünschenswerten Ausmaß gewährleistet schien. Künftig erfolgt bei einem unvorhergesehenen Ausscheiden einer Richterin oder eines Richters keine Nachbestellung für den Rest der Amtszeit des ursprünglichen Amtsinhabers mehr, sondern sogleich die Neubestellung für die volle Amtszeit von neun Jahren. Diese einfache allgemeine Regel ermöglicht eine laufende Erneuerung der Richterinnen und Richter und damit die Kontinuität des EGMR.

Art. 21 des 14. ZPEMRK enthält Übergangsbestimmungen für die derzeit am EGMR tätigen Richter, um die Auswirkungen des neuen Systems abzumildern.

Um vor dem Hintergrund der Altersgrenze der Richterinnen und Richter (Vollendung des 70. Lebensjahres) den Kreis von in Frage kommenden und wünschenswerten Kandidaten nicht zu sehr zu beschränken, wurde davon abgesehen, eine Altersgrenze für Kandidaten festzulegen. Es empfiehlt sich allerdings, dass nur solche Personen vorgeschlagen werden, von denen auszugehen ist, dass sie zumindest die Hälfte der neunjährigen Amtszeit absolvieren.

Zu Art. 3 und 4 (Art. 24 EMRK):

Durch die Neufassung des Art. 23 EMRK betreffend Amtszeit und Entlassung der Richterinnen und Richter kann der bisher in Geltung stehende Art. 24 („Entlassung“) durch eine Regelung der Kanzlei des EGMR und der aus dem Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kanzlei gewählten Berichterstatter (siehe Art. 27 nF) ersetzt werden, die im Wesentlichen auf dem bisher in Geltung stehenden Art. 25 („Kanzlei und wissenschaftliche Mitarbeiter“) basiert. Der vorgesehene Art. 24 Abs. 1 unterscheidet sich vom aktuellen Art. 25 dahingehend, dass künftig der Hinweis auf „wissenschaftliche Mitarbeiter“ entfällt. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass solche Mitarbeiter in der Praxis des EGMR keine eigenständige Bedeutung erlangt haben.

Zur neuen Gruppe der Berichterstatter, die die Einzelrichterinnen und Einzelrichter bei ihrer Tätigkeit nach Art. 27 EMRK unterstützen sollen, wird der EGMR selbst eine Linie, insbesondere für Anzahl, Voraussetzungen, Art und Dauer der Bestellung, zu bestimmen haben. Neben bewährten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kanzlei kommen hier auch Juristinnen und Juristen in Frage, die entsprechende Erfahrung auf dem Gebiet der Menschenrechte und insbesondere der EMRK im jeweiligen nationalen Rechtssystem sowie entsprechende Sprachenkenntnisse vorweisen können. Auch für diesen Personenkreis finden die für Kanzleimitarbeiter geltenden Rekrutierungsverfahren und dienstrechtlichen Bestimmungen Anwendung. Besondere Erwähnung finden hier etwa die Voraussetzungen der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit.

Zu Art. 5 (Art. 25 EMRK):

Art. 25 beruht auf dem bisherigen Art. 26. Er wird lediglich um die neue Aufgabe der Antragstellung nach Art. 26 Abs. 2 nF (Antrag auf Herabsetzung der Zahl der Richter in den Kammern) ergänzt.

Die in den lit. b und c des Art. 25 nF angesprochene „Kammer“ bezieht sich auf die „Sektionen“ des EGMR, dh. auf Verwaltungseinheiten bestehend aus zehn Richterinnen und Richtern. Sie decken sich nicht mit dem in Art. 26 Abs. 1 erster Satz nF verwendeten Begriff der siebenköpfigen Kammern.

Zu Art. 6 (Art. 26 EMRK):

Die aus dem bisherigen Art. 27 bekannte Zusammensetzung der verschiedenen Spruchkörper des EGMR erfährt dahingehend Ergänzungen, dass Einzelrichterinnen und Einzelrichter eine neue Zuständigkeit zugewiesen bekommen, und dass das Plenum des EGMR beim EGMR beantragen kann, für einen bestimmten Zeitraum die Anzahl der Richter je Kammer von sieben auf fünf herabzusetzen. Zur Wahrung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Einzelrichter bestimmt Abs. 3, dass Einzelrichterinnen und -richter von der Prüfung jener Beschwerden ausgeschlossen sind, die sich gegen jene Vertragsstaaten richten, für die sie gewählt wurden.

Darüber hinaus wird der Modus der Bestellung von ad-hoc-Richterinnen und ‑richtern umgestellt: Während derzeit in jedem einzelnen Verhinderungsfall des für den jeweiligen Vertragsstaates gewählten Richters ein ad-hoc-Richter bestellt werden muss, soll künftig jeder Vertragsstaat eine Reihe von in Frage kommenden Personen nominieren, aus denen der Präsident des EGMR im Bedarfsfall wählt. Damit entfällt die derzeit bestehende – und kritisierte - Möglichkeit der Vertragsstaaten, Richter in einem laufenden Verfahren auszuwählen.

Zu Art. 7 (Art. 27 EMRK):

Art. 27 EMRK lehnt sich am bisherigen Art. 28 an und umschreibt die Befugnisse der Einzelrichterinnen und ‑richter. Diese beschränken sich im Wesentlichen auf die Zurückweisung von ganz offensichtlich unzulässigen Individualbeschwerden bzw. Streichungen aus der Liste, wenn dies ohne jegliche weitere Prüfung auf Grundlage ständiger Rechtsprechung des EGMR erfolgen kann („clear cut cases“). Sobald Zweifel über die Zulässigkeit entstehen, ist die Beschwerde einem Ausschuss oder einer Kammer abzutreten. Damit ist die Anwendung des neuen Unzulässigkeitstatbestandes des Art. 35 Abs. 3 lit. b durch Einzelrichterinnen und –richter naturgemäß vorerst ausgeschlossen; Art. 20 des 14. ZPEMRK behält seine Anwendung jedenfalls in den ersten beiden Jahren nach In-Kraft-Treten des Zusatzprotokolls den Kammern und der Großen Kammer vor.

Wenn auch Einzelrichterinnen und –richter von zwei Berichterstattern unterstützt werden, bleibt die Verantwortung für die getroffene Entscheidung ausschließlich beim Richter.

Zu Art. 8 (Art. 28 EMRK):

Zu der schon bisher den Ausschüssen zukommenden Befugnis, ganz offensichtlich unzulässige Beschwerden – einstimmig - für unzulässig zu erklären bzw. zu streichen, tritt die Befugnis, offensichtlich begründete Beschwerden für zulässig zu erklären und sogleich in der Sache zu entscheiden. Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn zum Gegenstand der Beschwerde bereits eine gefestigte Rechtsprechung des EGMR besteht. Damit sollten die zahlreichen Massen- und identen Beschwerden („repetitive cases“, „clone cases“) in vereinfachter Form rasch erledigt werden können. Um die Identifizierung der für diese Form der Erledigung geeigneten Beschwerden zu erleichtern, ist der EGMR in jüngster Zeit dazu übergegangen, jene Urteile, in denen er einen strukturellen Mangel der Rechtsordnung eines Vertragsstaates feststellte, entsprechend zu bezeichnen. Er kommt damit einem Ersuchen des Ministerkomitees nach (Resolution Res(2004)3E of the Committee of Ministers on judgments revealing an underlying systemic problem; für diese Urteile wurde der Begriff „pilot judgments“ geprägt).

Zum Verfahren ist festzuhalten, dass sich der Ausschuss im Regelfall damit wird begnügen können, die Beschwerden oder Gruppen gleichartiger Beschwerden dem betroffenen Vertragsstaat mit dem Hinweis zur Kenntnis zu bringen, dass hiezu eine gefestigte Rechtsprechung des EGMR bestehe. Teilt der Vertragsstaat diese Auffassung, so steht der Fällung eines Urteiles nichts mehr entgegen. Tritt der Vertragsstaat der Auffassung des EGMR jedoch entgegen oder wendet er das Vorliegen von Unzulässigkeit im Einzelfall ein, erschwert dies zwar die Entscheidungsfindung, steht aber gegebenenfalls der sofortigen Fällung eines Urteils nicht entgegen, sofern die erforderliche Einstimmigkeit erzielt wird. Mit anderen Worten, die Vertragsstaaten haben diesbezüglich kein Vetorecht. Dies schließt nicht aus, dass ein Ausschuss eine Beschwerde aufgrund der Stellungnahme des Vertragsstaates etwa wegen Nichterschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe als offensichtlich unzulässig zurückweist.

Der für den am Verfahren beteiligten Vertragsstaat gewählte Richter ist nicht zwingend Mitglied des Ausschusses, da seine Mitwirkung im allgemeinen insoweit nicht erforderlich erscheint, als das Vorliegen gefestigter Rechtsprechung Voraussetzung für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens durch den Ausschuss ist. Art. 28 Abs. 3 bestimmt allerdings, dass der so genannte „nationale Richter“ eingeladen werden kann, an die Stelle eines der Ausschussmitglieder zu treten. Dies wird wohl dann der Fall sein, wenn sich im Zuge des Verfahrens seine Beiziehung unerlässlich erweist, etwa zur Klärung der Frage der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe; die Erforderlichkeit der Beiziehung dieses Richters dürfte jedoch gerade Beschwerdefälle kennzeichnen, die nicht „ohne weitere Prüfung getroffen werden“ können und sohin letztlich gar nicht in die Zuständigkeit der Ausschüsse nach Art. 28 Abs. 1 lit. b fallen.

Zu Art. 9 (Art. 29 EMRK):

Mit dieser Bestimmung erhält die schon bisher in Einzelfällen geübte Praxis des EGMR, in geeigneten Fällen über Zulässigkeit und Begründetheit einer Beschwerde gleichzeitig zu entscheiden, eine Legitimation. Diese Praxis wird für Individualbeschwerden zum Regelfall, für Staatenbeschwerden wird das bisherige Regime der gesonderten Zulässigkeitsentscheidung beibehalten, es sei denn, der EGMR entscheidet anderes.

Zu Art. 10 (Art. 31 EMRK):

Mit der neuen lit. b wird der neuen Zuständigkeit der Großen Kammer gemäß Art. 46 Abs. 4 Rechnung getragen (Entscheidung über einen Antrag des Ministerkomitees auf Feststellung, ob ein Vertragsstaat seinen aus Art. 46 Abs. 1 erwachsenden Verpflichtungen nachgekommen ist).

Zu Art. 11 (Art. 32 EMRK):

Die Erwähnung des Art. 46 in Art. 32 Abs. 1 trägt ebenfalls den neuen Kompetenzen des EGMR im Rahmen der Überwachung der Durchführung der Urteile des EGMR Rechnung.

Zu Art. 12 (Art. 35 Abs. 3 EMRK):

Diese Bestimmung ergänzt erstmals die seit Bestehen der EMRK im Wesentlichen unverändert gebliebenen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Individualbeschwerde (ursprünglich Art. 26f, seit dem 11. ZPEMRK Art. 35). Der Vorschlag, mit weiteren Zulässigkeitshürden das erste Prüfen der Beschwerden („filtering“) zu erleichtern und zu beschleunigen, wurde in den Verhandlungen zum 14. ZPEMRK am intensivsten und längsten erörtert, da er den Kern des Individualbeschwerderechts und die Grundgedanken, auf denen das Kontrollsystem der EMRK aufbaut, berührt.

Ausgehend von der im September 2001 erfolgten Anregung der „Evaluation Group“, sich am System des US Supreme Court zu orientieren, dh. den EGMR zu ermächtigen, alle Beschwerden abzulehnen, „die keine besonderen Konventionsfragen aufwerfen“ („empower the Court to decline to examine in detail applications raising no substantial issue under the Convention“), wurde mit dem so genannten Schweizerisch-Deutschen Vorschlag im Dezember 2002 ein erster Entwurf zu einer Novellierung des Art. 35 vorgelegt: Er enthielt gewisse Sicherungen gegen eine interpretative Ausweitung des Tatbestandes zu Lasten der Beschwerdeführer: „Der Gerichtshof erklärt eine nach Artikel 34 erhobene Individualbeschwerde für unzulässig, … wenn dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil entstanden ist und der Fall weder eine schwerwiegende Frage der Auslegung oder Anwendung dieser Konvention oder der Protokolle dazu noch eine andere Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft“. Auf dieser Grundlage wurde bis April 2004 unter Einbeziehung weiterer Experten intensivst weiterverhandelt (siehe die Entstehungsgeschichte im Überblick), bis vor dem Hintergrund der weiterhin bedrohlich ansteigenden Beschwerdezahlen ein Kompromiss erzielt werden konnte, der neben dem den Beschwerdeführer entstandenen Nachteil die Erfordernisse der Achtung der Menschenrechte sowie die gebührende Prüfung der Rechtssache durch ein innerstaatliches Gericht in den Mittelpunkt rückt: Der Gerichtshof darf künftig Individualbeschwerden für unzulässig erklären, „wenn er der Ansicht ist, dass dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil entstanden ist, es sei denn, die Achtung der Menschenrechte, wie sie in dieser Konvention und den Protokollen dazu anerkannt sind, erfordert eine Prüfung der Begründetheit der Beschwerde, und vorausgesetzt, es wird aus diesem Grund nicht eine Rechtssache zurückgewiesen, die noch von keinem innerstaatlichen Gericht gebührend geprüft worden ist“.

Der neue Tatbestand ist als flexibles Instrument zu verstehen, das dem EGMR zur Bewältigung künftiger Beschwerdezahlen zur Verfügung gestellt wird. Insbesondere der Begriff des „erheblichen Nachteils“ bedarf als unbestimmter Rechtsbegriff der Auslegung des EGMR und hat ua. zum Ziel, den EGMR in die Lage zu versetzen, auch aus einem anderen Grund des Art. 35 EMRK unzulässige Beschwerden einfacher erledigen zu können.

Art. 35 Abs. 3 lit. b kann dazu führen, dass Beschwerden, die nach den bisherigen Gegebenheiten erfolgreich gewesen wären, nunmehr zurückzuweisen sind. Um das Individualbeschwerderecht jedoch angemessen abzusichern, wurden zwei Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Die erste ist Art. 37 Abs. 1 zweiter Satz entnommen, der es dem EGMR bereits jetzt erlaubt, Beschwerden aus der Liste zu streichen, wenn „eine weitere Prüfung aus anderen vom Gerichtshof festgestellten Gründen nicht gerechtfertigt ist“ und sofern nicht „die Achtung der Menschenrechte, wie sie in dieser Konvention und den Protokollen dazu anerkannt sind,“ eine Fortsetzung der Prüfung der Beschwerde erfordert. Die zweite Absicherung, die auch dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung tragen soll, besteht darin, dass der an den EGMR herangetragene Fall bereits von einem Gericht des belangten Vertragsstaates gebührend geprüft sein muss, um es dem EGMR zu ermöglichen, von der Bagatellklausel Gebrauch zu machen. Damit wird sichergestellt, dass die vor dem EGMR erhobenen Konventionsbedenken mindestens einmal, nämlich entweder auf innerstaatlicher oder auf europäischer Ebene, gerichtlich geprüft werden. Um eine gebührende Prüfung in diesem Sinn wird es sich jedoch nur dann handeln, wenn das innerstaatliche Gericht auf die vorgebrachten Bedenken im Einzelnen eingeht und seine Entscheidung aus der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR nachvollziehbar ableitet.

Gemäß Art. 20 Abs. 2 des 14. ZPEMRK ist der neue Tatbestand aus Gründen der Rechtssicherheit auf Beschwerden, die schon vor dem In-Kraft-Treten des Protokolls für zulässig erklärt worden sind, nicht anzuwenden. Weiters ist er in den ersten beiden Jahren bloß von den Kammern und der Großen Kammer, nicht hingegen von Einzelrichterinnen und –richtern anzuwenden.

Zu Art. 13 (Art. 36 Abs. 3 EMRK):

Das hiermit dem Kommissar für Menschenrechte des Europarates eingeräumte Recht der Drittintervention beruht auf dem Gedanken, dass die im Rahmen der Tätigkeit des Kommissars in den betreffenden Ländern gewonnenen Erfahrungen insbesondere das Identifizieren struktureller Mängel in den betroffenen Rechtsordnungen bzw. in anderen Vertragsstaaten erleichtern. Zugleich wird der Kommissar, dessen Einrichtung lediglich auf der Resolution des Ministerkomitees (99)50 vom 7. Mai 1999 beruht, erstmals in einem Normakt des Europarates erwähnt. Der hauptsächliche Aufgabenbereich des Kommissars erlaubt es nicht, ihm auch ein Antrags- oder ein Beschwerderecht einzuräumen oder ihn auf andere Weise stärker in das Kontrollsystem der EMRK einzubinden.

Zu Art. 14 (Art. 38 EMRK):

Dieser Artikel beruht auf dem bisherigen Art. 38 Abs. 1 lit. a und erweitert diesen dahingehend, dass Ermittlungen nunmehr jederzeit - anstatt wie bisher erst nach Erklärung einer Beschwerde als zulässig – vorgenommen werden können.

Zu Art. 15 (Art. 39 EMRK):

Diese gänzlich neu gefasste Bestimmung fasst die bisher in den Art. 38 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 sowie Art. 39 geregelten Voraussetzungen für und Modalitäten von Vergleichen zusammen. Vergleichsweise Bereinigungen von Beschwerdefällen unter der Ägide des EGMR stellen insbesondere auch bei mehreren identen Beschwerdefällen, die keine neuen Rechtsfragen aufwerfen („repetitive cases“, „clone cases“), eine Möglichkeit dar, den Beschwerdeführern rasch zu einem Ergebnis zu verhelfen und zugleich den EGMR zu entlasten. Dieses Instrument soll daher beibehalten und den übrigen Verfahrensneuerungen des 14. ZPEMRK entsprechend angepasst werden. Die EMRK erlaubt nun den Abschluss von Vergleichen ausdrücklich in jedem Verfahrensstadium und nicht mehr bloß nach der Zulässigkeitserklärung einer Beschwerde. Sie untermauert damit allerdings bloß eine vom EGMR ohnehin bereits gepflogene Praxis.

Abs. 4 stellt eine neue Bestimmung dar, die die Überwachung der Durchführung von Vergleichen dem Ministerkomitee zuweist, wie dies gemäß Art. 46 Abs. 2 bisher bloß bei Urteilen der Fall war. Deshalb hat sich der EGMR teilweise damit beholfen, Vergleiche in Urteilsform zu kleiden, um sicher zu gehen, dass sie auch entsprechend realisiert werden. Werden aber Vergleiche formell als Urteil behandelt, so besteht für Vertragsstaaten vielfach kein entsprechender Vergleichs-Anreiz mehr.

Zu Art. 16 (Art. 46 EMRK):

Die für die Durchführung von Urteilen schon bisher maßgeblichen Abs. 1 und 2 des Art. 46 werden durch zwei Instrumente verbessert, die die Erfüllung der Überwachungsfunktion des Ministerkomitees erleichtern sollen. Die bisherige Tätigkeit des Ministerkomitees hat mehrere Problembereiche erkennen lassen. So können Auffassungsunterschiede über die in Folge eines Urteils im Einzelfall zu treffenden Maßnahmen bestehen. Die rasche und vollständige Umsetzung von Urteilen ist jedoch, abgesehen schon vom menschenrechtlichen Aspekt allein, von maßgeblicher und unmittelbarer Bedeutung für die Zahl der vor dem EGMR anhängigen Beschwerden.

Der neue Abs. 3 eröffnet dem EGMR die unbefristete Möglichkeit, ein Urteil über Antrag des Ministerkomitees auszulegen, verleiht ihm hingegen nicht die Zuständigkeit, von einem Vertragsstaat vorgenommene Durchführungsmaßnahmen zu bewerten. Der neue Abs. 4 ermächtigt das Ministerkomitee, den EGMR zur Prüfung der Frage anzurufen, ob ein Vertragsstaat seiner Verpflichtung, ein Urteil des EGMR durchzuführen, nachgekommen ist; das dazu ergehende Urteil kann gemäß Abs. 5 allerdings lediglich feststellen, ob dies der Fall ist. Die Verhängung von Geldstrafen, wie sie in vergleichbaren Verfahren vom EuGH ausgesprochen werden, ist nicht vorgesehen – vor allem auf Grund des weit geringeren Integrationsstandes im Bereich des Europarates.

Während der EGMR bisher von Fragen der Durchführung seiner Urteile weitestgehend unberührt blieb, indem dieser Bereich stets einem politischen Organ des Europarates überantwortet war, werden nun in engem Ausmaß der judizielle und der diplomatische Bereich des Kontrollsystems der EMRK miteinander verknüpft. Da beide neuen Instrumente aber an einen mit Zweidrittelmehrheit der zur Teilnahme an den Sitzungen des Ministerkomitees Berechtigten gefassten Beschluss des Ministerkomitee gebunden sind, kann davon ausgegangen werden, dass sie bloß ausnahmsweise zur Anwendung gelangen werden und der EGMR nicht Gefahr läuft, von derartigen Anträgen über Gebühr beansprucht zu werden. Die Bedeutung dieser Instrumente dürfte eher präventiver Natur sein, da sie es dem Ministerkomitee erlauben, politischen Druck künftig in besser dosierter Weise als bisher auszuüben, zumal das bisher dem Ministerkomitee zur Verfügung stehende Instrumentarium bloß erlaubte, Resolutionen zu verabschieden oder aber den Entzug von Stimmrechten im Ministerkomitee oder überhaupt den Ausschluss aus dem Europarat auszusprechen.

Zu Art. 17 (Art 59 EMRK):

Art. 59 sah den Beitritt zur EMRK bislang bloß für Mitglieder des Europarates vor. Das 14. ZPEMRK öffnet nun die EMRK prinzipiell auch der Europäischen Union und setzt damit einen rechtspolitisch überaus bedeutsamen ersten Schritt. Ein allfälliger Beitritt der Europäischen Union (siehe dazu Art. I-9 des EU-Verfassungsvertrages sowie Protokoll 32 zum Verfassungsvertrag) bedarf aber jedenfalls noch weiterer Anpassungen der EMRK, sobald das Ergebnis von Verhandlungen über nähere Details eines Beitritts vorliegt. Art. 59 Abs. 2 ist vom Bestreben getragen, solchen Verhandlungen nicht vorzugreifen.

Zu Art. 18f und 22 (Schluss- und Übergangsbestimmungen):

Diese Bestimmungen entsprechen den Muster-Schlussklauseln des Europarates. Die Natur des 14. ZPEMRK schließt Vorbehalte gänzlich aus, sodass keine Bestimmung über die Erklärung von Vorbehalten aufgenommen wurde.

Das In-Kraft-Treten des 14. ZPEMRK ist an die Ratifikation durch alle Vertragsstaaten der EMRK geknüpft. Um eine rasche Umsetzung der Reformmaßnahmen herbei zu führen, wurde eine Frist von drei Monaten nach Überreichung der letzten Ratifikation bestimmt. Demgegenüber war für das 11. ZPEMRK eine Frist von einem Jahr vorgesehen.

Zu Art. 20f (Schluss- und Übergangsbestimmungen):

Das 14. ZPEMRK soll bereits auf alle bei In-Kraft-Treten des 14. ZPEMRK beim EGMR und dem Ministerkomitee anhängigen Verfahren Anwendung finden. Lediglich für den neuen Unzulässigkeitstatbestand des Art. 35 Abs. 3 lit. b sind Ausnahmen vorgesehen: Zum einen ist er auf Beschwerden, die schon vor dem In-Kraft-Treten des Protokolls für zulässig erklärt worden sind, aus Gründen der Rechtssicherheit nicht anzuwenden. Da sich außerdem zu seiner Auslegung erst eine Rechtsprechung bilden muss, ist es zum andern nur konsequent, dass er in den ersten beiden Jahren bloß von den Kammern und der Großen Kammer, nicht hingegen von Einzelrichtern angewendet werden darf.

Art. 21 trifft die im Hinblick auf die Verlängerung der Amtszeit der Richter gemäß Art. 23 EMRK nF erforderliche Übergangsregelung. Sie stellt eine sukzessive Erneuerung des EGMR und damit seine Kontinuität sicher.