1028 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Verfassungsausschusses
über
die Regierungsvorlage (836 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein
Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
(Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – BGStG) erlassen wird und das
Behinderten-einstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das
Bundessozialamtsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Bundesgesetz über die
Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das
Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert werden
Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:
Mit dem
gegenständlichen Gesetzentwurf soll die Gleichstellung von Menschen mit
Behinderungen in allen Lebensbereichen gefördert werden. Ausgelöst wurde dieses
Gesetzesvorhaben einerseits durch eine erforderliche Anpassung der
österreichischen Rechtslage an EU-Recht im Bereich der Arbeitswelt, andererseits
durch eine Entschließung aller im Parlament vertretenen Parteien, die
Gleichstellung behinderter Menschen herbeiführen zu wollen.
Seit den neunziger
Jahren ist ein allgemeines Umdenken hinsichtlich der Haltung gegenüber Menschen
mit Behinderungen festzustellen. Die Menschenrechte und das Thema
Gleichstellung haben in der Behindertenpolitik besondere Bedeutung erlangt und
einen Paradigmenwechsel herbeigeführt.
Als Folge dieses
Umdenkens beschloss der Nationalrat, an den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz
des Art. 7 Abs. 1 B‑VG folgende Sätze anzufügen: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die
Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen
Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten“ (BGBl. I
Nr. 87/1997). Laut Gesetzesmaterialien „werde
dadurch ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht
geschaffen, das vor dem Verfassungsgerichtshof durchsetzbar sei; anders als der
allgemeine Gleichheitssatz, der nur für Staatsbürger gelte, solle dieses
Diskriminierungsverbot aber für jeden Menschen gelten. ... Die Bestimmung
biete darüber hinaus einen Beurteilungsmaßstab für die Beurteilung der
Verfassungsmäßigkeit von generellen Rechtsnormen, insbesondere auch dahin, dass
Rechtsvorschriften, die die Benachteiligung durch Behinderungen ausgleichen
sollen, zulässig und erforderlich seien.“
Als erste
Auswirkung dieser neuen Verfassungsbestimmung hat eine Arbeitsgruppe im Jahr
1998 die gesamte Rechtsordnung des Bundes auf explizite und implizite
Benachteiligungen behinderter Menschen durchforstet. Die Ergebnisse dieser
Arbeitsgruppe sind in einem Bericht festgehalten und wurden dem Nationalrat
vorgelegt. Dieser Bericht war dann die Grundlage für ein im Sommer 1999
beschlossenes Bundesgesetz, das in insgesamt 9 Gesetzen Änderungen zur
Beseitigung behinderte Menschen diskriminierender Bestimmungen brachte.
Im
aktuellen Regierungsprogramm 2003 werden im Kapitel Arbeit und Soziales dazu
folgende Ziele festgehalten:
„- Erarbeitung
eines Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes unter Einbeziehung der
Betroffenen, sowie Vorlage eines Bündelgesetzes auf Grundlage der Ergebnisse
aus 1999 einer Arbeitsgruppe im Verfassungsdienst über die Diskriminierung
behinderter Menschen in den verschiedensten Gesetzesmaterien;
- Durchforstung
der Berufsausbildungs- Ausübungs- und Zugangsgesetze auf Diskriminierung behinderter
Menschen;
- Sicherstellung
einer barrierefreien Nutzung bei Um- und Neubauten im gesamten öffentlichen Bereich
inklusive des öffentlichen Verkehrs und der Verkehrsflächen;
- Ermöglichung
eines barrierefreien Zugangs zum E-Government und E-Learning;
- Verbesserung
der Voraussetzungen für Gebärden- und Lautsprache.“
Mit
Entschließung des Nationalrates vom 9. Juli 2003 wurde die Bundesregierung
ersucht, dem Nationalrat möglichst bis Ende 2003 den Entwurf eines
Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes zuzuleiten. Mit der Ausarbeitung
dieses Entwurfes wurde eine Arbeitsgruppe der Bundesregierung betraut, in der
auch Vertreter der Behindertenorganisationen eingebunden waren. Als
Diskussionsgrundlage für die Arbeit in der Arbeitsgruppe der Bundesregierung
diente in erster Linie ein Gesetzentwurf des „Forum Gleichstellung“, eines auf
Initiative der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation zurückgehenden
Zusammenschlusses von Expertinnen und Experten in Sachen
Behindertengleichstellung.
Die gesetzliche
Umsetzung des beschriebenen Vorhabens soll nunmehr im Wesentlichen in zwei
Bundesgesetzen erfolgen:
- dem
Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (Artikel 1 des Entwurfes), das ein
Diskriminierungsverbot sowie das Schlichtungsverfahren regelt,
- einer
Novelle zum Behinderteneinstellungsgesetz (Artikel 2 des Entwurfes), in
der das Diskriminierungsverbot für den Bereich der Arbeitswelt festgeschrieben
wird. In dieser Novelle erfolgt die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG, ABl.
L 303/16 vom 2. Dezember 2000, für den Bereich Menschen mit
Behinderungen.
Darüber hinaus
sind einzelne Bestimmungen im Bundesbehindertengesetz, im
Bundessozialamtsgesetz, im Gleichbehandlungsgesetz, im Bundesgesetz über die
Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie im
Bundes-Gleichbehandlungsgesetz zu ändern.
Im Hinblick auf
die Umsetzung von EU-Recht ist jedenfalls eine gesetzliche Anpassung
erforderlich. Die Europäische Union hat in den Jahren 2000 bis 2002 auf der
Grundlage der Artikel 13 und 141 Abs. 3 EG-Vertrag drei
Antidiskriminierungsrichtlinien beschlossen bzw. geändert. Neben der geänderten
Richtlinie über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und der neuen
sogenannten Antirassismus-Richtlinie ist das die ebenfalls neue Richtlinie
2000/78/EG des Rates (Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf). Letztere
gilt sowohl für den privaten als auch für den öffentlichen Sektor.
Für alle anderen
von Diskriminierung betroffenen Personenkreise außer Menschen mit Behinderungen
wurde die Umsetzung für den privatwirtschaftlichen Bereich im
Gleichbehandlungsgesetz, das bisher nur Diskriminierungen auf Grund des
Geschlechts im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis verbot, vorgenommen.
Die besonderen Regelungen für den öffentlichen Dienst des Bundes erfolgten im
Bundes-Gleichbehandlungsgesetz. Entsprechende Gesetze der Länder sind teilweise
schon in Kraft bzw. befinden sich zumindest im Stadium der Begutachtung.
Der
Diskriminierungstatbestand der Behinderung wurde, um den besonderen
Bedürfnissen dieses Personenkreises gerecht zu werden, im Bereich der
Bundeskompetenz nicht in die beiden Gleichbehandlungsgesetze aufgenommen. Die
erforderliche Umsetzung der Richtlinie soll im Behinderteneinstellungsgesetz
erfolgen. Dies soll der Übersichtlichkeit und Rechtsklarheit für die
Betroffenen, insbesondere auch für die rechtsunterworfenen Dienstgeber dienen,
da alle Bestimmungen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen dann
in einem Gesetz geregelt wären.
Auf Grund
des engen inhaltlichen Konnexes soll im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz in
wesentlichen Bereichen eine inhaltliche Angleichung an die nationale Umsetzung der Richtlinie
2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf erfolgen, die
Diskriminierungen auf Grund der Religion oder der Weltanschauung, einer
Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verbietet
(Gleichbehandlungs-Rahmenrichtlinie). So wurden die Definitionen der
unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung sowie die Rechtsfolgen bei
Verletzung des Diskriminierungsverbots weitgehend unter Berücksichtigung der
Richtlinie formuliert.
Auf Grund der
Komplexität der Materie wurde zusätzlich zur Begutachtung ein Vorbegutachtungsverfahren
durchgeführt. Auf der Grundlage der zahlreichen Stellungnahmen sowie von
Gesprächen mit Vertretern der Behindertenorganisationen, der Länder, der
Ressorts und der Sozialpartner wurde der ursprüngliche Entwurf maßgeblich
abgeändert, und zwar insbesondere in folgenden Bereichen:
Kompetenzbestimmung:
Da auf der
Grundlage der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eine Regelung für
alle Gesellschaftsbereiche nur durch die Schaffung eines neuen
Kompetenztatbestands Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen erzielbar
gewesen wäre, ein Konsens für die Schaffung einer solchen neuen Verfassungsbestimmung
sich aber als nicht herstellbar erwies, soll nunmehr das Diskriminierungsverbot
nur für jene Bereiche geregelt werden, die sich in Bundeskompetenz befinden.
Die Länder hätten also die Umsetzung der Rahmenrichtlinie in ihren
Zuständigkeitsbereichen mittels Landesgesetzen vorzunehmen. Die Länder haben
vorgeschlagen, gemeinsame Standards zwischen Bund und Ländern in einer
Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG festzulegen.
Gebärdensprache:
Die
verfassungsrechtliche Verankerung der Gebärdensprache soll aus
rechtssystematischen Gründen im Artikel 8 B‑VG erfolgen. Das ändert
natürlich nichts daran, dass es sich bei benachteiligender Nichtzugänglichkeit
von Lebensbereichen für gehörlose Menschen um eine Diskriminierung im Sinne
dieses Bundesgesetzes handeln kann.
Verfahren:
Abweichend vom
ersten Entwurf soll das Verfahren nun nicht mehr in einem eigenen Gesetz
geregelt werden. Auch von der Errichtung einer eigenen – in Hoheitsverwaltung
entscheidender – Schlichtungsbehörde soll Abstand genommen werden. Das Schlichtungsverfahren
wird im gegenständlichen Entwurf nunmehr als Aufgabe des Bundessozialamts
definiert. Dem gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen auf
Grund einer Diskriminierung im Arbeitsleben und in sonstigen Lebensbereichen
soll ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt
vorgeschaltet werden.
Dadurch sollen die
Erfahrung und die Expertise bereits bestehender Behördenstrukturen genutzt
werden, damit auch Synergieeffekte erzielt und Mehrkosten gering gehalten sowie
der Aufbau von zusätzlichen Bürokratien vermieden werden.
Weiters wird mit
dem vorliegenden Gesetzentwurf im arbeitsrechtlichen Teil eine Anpassung an das
EU-Recht vorgenommen, die darüber hinaus gehenden Teile sind jedenfalls mit
EU-Recht kompatibel.
Parallel zum
gegenständlichen Entwurf haben die für das Gleichbehandlungsgesetz und das
Bundes-Gleichbehandlungsgesetz zuständigen Ressorts Novellen insbesondere mit
Einfügung der komplementären Kollisionsbestimmungen eingebacht (Artikel 5 bis
7).
Finanzielle Auswirkungen:
Grundsätzlich wird
darauf hingewiesen, dass gemäß Artikel 7 B‑VG niemand wegen seiner
Behinderung benachteiligt werden darf, und sich die Republik (Bund, Länder und
Gemeinden) dazu bekennt, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten
Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Daraus
folgt, dass Bund, Länder und Gemeinden seit Geltung dieser Bestimmung zur
Herstellung von Gleichbehandlung verpflichtet sind. Der Bund hat sich im
§ 73 des Bundesvergabegesetzes 2002 zu größtmöglicher
Barrierefreiheit neu errichteter und generalsanierter Bundesgebäude
verpflichtet. Gegenständlicher Gesetzentwurf regelt nicht eine positive
Verpflichtung zu barrierefreier Gestaltung, sondern nur die Rechtsfolgen der
Verletzung des Diskriminierungsverbots.
Sohin kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Bund etwa Kosten für
barrierefreie Gestaltung von Gebäuden unmittelbar aus gegenständlichem
Gesetzentwurf erwachsen. Bei den Schadenersatzleistungen wegen Verletzung des
Diskriminierungsverbots wird davon ausgegangen, dass die Verwaltung
grundsätzlich gesetzeskonform vorgeht und daher nur wenige
Schadenersatzleistungen in einem derzeit nicht schätzbaren Ausmaß anfallen
werden. Insgesamt würden
gerundet 2,3 Mio. Euro anfallen; ca. die Hälfte der Kosten kann der
unverzichtbaren Umsetzung von EU-Recht zugeordnet werden. Im Einzelnen:
Personalkosten:
Es entstehen
Personalkosten im Bereich des Bundesministeriums für soziale Sicherheit,
Generationen und Konsumentenschutz für 12 A/A1/a/v1/B/A2/b/v2 und
4 C/A3/c/v3 Bedienstete, die sich jährlich auf 795 000 Euro
belaufen. Im Bereich des Bundesministeriums für Justiz betragen diese für
4 R1a/R1b, 4 v3/c und 4 v4/d jährlich 535 000 Euro,
somit insgesamt jährlich 1 330 000 Euro.
Verwaltungssachkosten:
Es wurden
angesetzt:
- für die
Berechnung der Sachkosten 12% der Personalkosten,
- für die
Berechnung der Kosten für Raumbedarf durchschnittlich 9,30 Euro je m² bei
einem Raumbedarf von 14 m² je Bediensteten, bei Richtern von 25 m²
(inkl. anteilige Fläche für Verhandlungsräumlichkeiten),
- für die
Berechnung der Verwaltungsgemeinkosten 20% der Personalkosten.
Die
Verwaltungssachkosten belaufen sich demnach im Bereich des Bundesministeriums
für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz jährlich auf
280 000 Euro. Im Bereich des Bundesministeriums für Justiz betragen
diese jährlich 195 000 Euro, somit insgesamt jährlich
475 000 Euro.
Kosten für
Mediation:
Unter der Annahme,
dass jährlich ca. 1 000 Fälle einer Mediation zugeführt werden, und dass
je Fall durchschnittlich fünf Mediationsstunden erforderlich sind, belaufen
sich die Gesamtkosten unter Zugrundelegung eines Kostenfaktors von
100 Euro je Mediationsstunde jährlich auf ca. 500 000 Euro.
Reisekosten:
Personen, die der
Einladung zur Auskunftserteilung im Schlichtungsverfahren nachkommen, haben Anspruch
auf Ersatz der notwendigen Reisekosten. Unter Zugrundelegung der Annahme von
einer jährlichen Fallzahl von ca. 500 (bei den weiteren ca. 500 Fällen
wird davon ausgegangen, dass auf Grund des Wohnortes keine Reisekosten
anfallen) mit durchschnittlich je 5 Mediationsstunden errechnen sich
2 500 Reisebewegungen. Berücksichtigt man je Fall durchschnittlich
insgesamt 70 km für die An- und Abreise und einen Kostenfaktor von
13,40 Euro (inkl. Verpflegungsmehraufwand gemäß § 14 Gebührenanspruchsgesetz 1975)
betragen die Reisekosten jährlich ca. 33 500 Euro.
Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 29. Juni 2005 in Verhandlung genommen. Den Beratungen wurden Mag. Michael Swoboda, ÖAR Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, und Mag. Michael Krispl, Arbeitsbündnis Österreichs für Behindertenrechte, als Experten beigezogen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Berichterstattung durch den Abgeordneten Maximilian Walch, die Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Theresia Haidlmayr, Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Christine Lapp, Barbara Riener, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Mag. Karin Hakl, Dr. Günther Kräuter, ferner die Bundesministerin für soziale Sicherheit,Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner, der Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek und der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak.
Im Zuge der
Debatte haben die Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg und Maximilian Walch
einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Zu Art. 1 § 14 Abs. 4:
Durch diese
Bestimmung soll dem Behindertenanwalt ein Überblick in zusammengefasster Form
über in der Praxis vorkommende Fälle verschafft werden.
Zu Art. 1 § 19:
Durch die
Neuformulierung des § 19 soll verhindert werden, dass die Übergangsfristen
eine völlige Untätigkeit im Bereich der Diskriminierung durch physische
Barrieren rechtfertigen würden. Durch den neu gestalteten Abs. 5
wären geringfügige Adaptierungen, wenn sie geeignet wären, die Diskriminierung
zu beseitigen – im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung des § 6 – von den
Übergangsbestimmungen der Abs. 2 bis 4 nicht umfasst bzw. bereits zu einem
früheren Zeitpunkt davon ausgenommen.
Der Begriff der
funktionalen Einheit (Abs. 6) ist dabei als jene
Mindestwirkungseinheit zu verstehen, die barrierefrei gestaltet werden müsste,
um eine barrierefreie Inanspruchnahme beispielsweise einer Dienstleistung und
damit das Hintanhalten einer Diskriminierung zu ermöglichen. Könnte
beispielsweise im Jahr 2014 die barrierefreie Zugänglichkeit der Bahnsteige
eines Bahnhofs mit einem Betrag unter € 5 000 hergestellt werden, so
sollte der Verweis auf die diesen Betrag übersteigenden Kosten für die
barrierefreie Gestaltung der Gesamtanlage als Grundlage für eine Zurückweisung
einer Klage nicht ausreichen.
Im Falle eines
Feriendorfs wäre beispielsweise die funktionale Einheit ein Bungalow
einschließlich des Zugangs zu diesem und den gemeinschaftlich genützten
Angeboten der Anlage (zB Swimmingpool, Restaurant, Diskothek, Bar). Die
Dienstleistung „Urlaub im Feriendorf“ kann bereits durch barrierefreie
(Um-)Gestaltung eines Bungalows samt Nebenangeboten auch von einem auf die
Benutzung eines Rollstuhls angewiesenen Gast in Anspruch genommen werden. Die
Zulässigkeit einer Klage (als formale Prozessvoraussetzung) wäre vor dem
Hintergrund einer barrierefreien Gestaltungsmöglichkeit eines Bungalows samt
Nebenangeboten unter der Betragsgrenze im Sinne der Übergangsbestimmung der
Abs. 5 und 6 zu bejahen. Ob überhaupt der Umbau eines Bungalows
tatsächlich zumutbar gewesen wäre, wäre dann in einem zweiten Schritt im
Prozess nach § 6 dieses Bundesgesetzes inhaltlich zu prüfen.
Keinesfalls
zulässig als Grundlage für eine Zurückweisung einer Klage wäre das Vorbringen,
dass der für die behauptete Diskriminierung verantwortliche Rechtsträger
bereits an anderem Ort Investitionen in Höhe der Betragsgrenze zur Herstellung
von Barrierefreiheit getätigt habe (beispielsweise in dem Sinne, dass eine
Lebensmittelkette im Falle einer Barriere in einer Filiale in Vorarlberg auf
Investitionen in Wien verwiese).
Zu Art. 3 Z 1:
Die Anzahl der
Beiratsmitglieder soll sich durch die Aufnahme des Behindertenanwalts nicht
weiter erhöhen.
Zu Art. 3 Z 1a:
Durch die
Mitgliedschaft im Bundesbehindertenbeirat soll die Position des
Behindertenanwalts gestärkt werden.
Zu Art. 3 Z 2:
Die Änderung soll
klarstellen, dass sich der Bericht auch mit den Auswirkungen des
Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes auseinanderzusetzen hat.“
Die von der
Abgeordneten Theresia Haidlmayr eingebrachten Abänderungsanträge
betreffend die völlige Barrierefreiheit, die Diskriminierungsfreiheit der
Förderungspolitik des Bundes, die zweckmäßige und effektive Durchsetzung von
Gleichstellungsrechten, das Prozesskostenrisiko, die Beweislastregel, die
Verbandsklage und Nebenintervention, das Inkrafttreten des Gesetzes sowie den
Bundesbehindertenbeirat fanden
nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.
Bei der Abstimmung
wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des
oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg
und Maximilian Walch mit Stimmenmehrheit angenommen.
Ein von den
Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg und Maximilian Walch
eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit der
Beschlussfassung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes wurde
mehrstimmig beschlossen. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:
„In den letzten
Jahren wurden verschiedene Maßnahmen zur Gleichstellung von Menschen mit
Behinderungen in allen Lebensbereichen ergriffen. So wurde 1997 Art. 7 B-VG
dahingehend ergänzt, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt
werden darf und sich die Republik dazu bekennt, die Gleichbehandlung von
behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen
Lebens zu gewährleisten.
1998 wurde im
Bundeskanzleramt eine Arbeitsgruppe zur Durchforstung der österreichischen
Bundesrechtsordnung im Hinblick auf behinderte Menschen benachteiligende
Bestimmungen eingesetzt, die einen Bericht erstellt hat, auf dessen Grundlage
in insgesamt neun Gesetzen entsprechende Änderungen vorgenommen wurden.
Mit dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz wird nun ein zentraler Schritt zur Gleichstellung gesetzt. Dieses Gesetz ist allerdings auf die Regelungskompetenz des Bundes eingeschränkt.
Wesentliche
Regelungsbereiche für Menschen mit Behinderungen fallen jedoch in die Kompetenz
der Länder. Insbesondere ist hier das Baurecht im Hinblick auf die
barrierefreie Gestaltung von Bauwerken zu nennen.
Es sollte daher an
die Länder mit dem Ziel herangetreten werden, in ihre Bauordnungen Vorschriften
für barrierefreies Bauen im Hinblick auf Neubauten bis zum Jahr 2007
vorzusehen.
Weiters sieht § 6
Abs. 1 des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes vor, dass eine mittelbare
Diskriminierung auf Grund einer Behinderung dann nicht vorliegt, wenn die
Beseitigung von Barrieren rechtswidrig wäre. In den Erläuterungen zur
Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung wird dazu beispielhaft festgehalten,
dass etwa die Beseitigung von Barrieren wie etwa der Einbau einer Rampe
denkmalschutzrechtlich untersagt sein kann.
Aus § 4 Abs. 1
Denkmalschutzgesetz ergibt sich, dass jede Veränderung eines unter Denkmalschutz
stehenden Denkmals einer Bewilligung bedarf. Es ist nun davon auszugehen, dass
zur Beseitigung einer Diskriminierung, die eine Veränderung eines Denkmals
bewirkt, ein Antrag zur Veränderung des Denkmals zu stellen ist.
Es ist daher bei der Vollziehung des Denkmalschutzgesetzes sicherzustellen, dass bei Anträgen auf Veränderungen eines Denkmals um eine mittelbare Diskriminierung im Sinn des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes zu beseitigen, der Diskriminierungsschutz von Menschen mit Behinderungen ausreichend berücksichtigt wird.
Die Verbesserung
der Zugänglichkeit von Angeboten für Menschen mit Behinderungen als eine
Voraussetzung zur Hintanhaltung von mittelbaren Diskriminierungen von Menschen
mit Behinderungen könnte umfassender und rascher erfolgen, wenn die
entsprechenden Maßnahmen öffentlich gefördert würden. In diesem Sinne ist es
eine Aufgabe der gesamten Bundesregierung, im jeweiligen Wirkungsbereich der
Ressorts bei der Vergabe von Förderungen ein besonderes Augenmerk auf
Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen zu richten.
Eine nachhaltige
Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen setzt auch einen Bewusstseinswandel
der Bevölkerung voraus. Die Einführung dieser neuen Rechtsmaterie bedarf daher
einer Begleitung in Form einer ausgewogenen und objektiven Information aller vom Gesetzespaket
betroffenen Personen. Das Inkrafttreten des Behindertengleichstellungspakets
sollte daher durch Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit flankiert werden.
Die Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm
für die XXII. Gesetzgebungsperiode zu den verschiedensten Maßnahmen für
behinderte Menschen bekannt und unter anderem auch die Durchforstung der
Berufsausbildungs-, Ausübungs- und Zugangsgesetze auf Diskriminierung
behinderter Menschen in das Programm aufgenommen. Aufbauend auf den Ergebnissen
dieser Arbeiten soll daher eine Regierungsvorlage betreffend die Beseitigung
von Benachteiligungen für behinderte Menschen dem Nationalrat vorgelegt werden.“
Ferner beschloss
der Verfassungsausschuss mehrstimmig folgende Feststellungen:
Unbeschadet der Verpflichtung, für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen zu treffen, wird durch die vorgesehenen Änderungen nicht die Einstellung oder Ernennung einer Person vorgeschrieben, wenn diese Person – nach einem auch durch das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot gebotenen strengen Maßstab – für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.
Der Verfassungsausschuss stellt zu § 6 (1) Behindertengleichstellungsgesetz fest, dass das Denkmalschutz-Gesetz in § 5 eine Interessensabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen fordert. Bei dem im Behinderten-Gleichstellungsgesetz erlassenen Diskriminierungsverbot handelt es sich um ein solches Interesse, das im Rahmen der Güterabwägung dem Denkmalschutz gegenüberzustellen ist.
Der Verfassungsausschuss stellt zu § 8 (2) Behindertengleichstellungsgesetz weiters fest, dass die in § 8 zitierte Bestimmung „vom Bund genutzte Gebäude“ keine Erstreckung des Geltungsbereiches auf von Bundesmuseen oder Universitäten genutzte Gebäude zulässt. Der Bundesgesetzgeber hat nämlich anlässlich der organisationsrechtlichen Neugestaltung dieser Einrichtungen diese ausdrücklich den auch für andere Private geltenden Regeln – etwa dem allgemeinen ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und nicht dem Bundes-Bedienstetenschutzgesetz – unterstellt. Im Übrigen erstreckt sich der Geltungsbereich des Behindertengleichstellungsgesetzes auf diese Einrichtungen im gleichen Umfang wie für andere Privatrechtsträger.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige
Zustimmung erteilen;
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien,
2005 06 29
Maximilian
Walch Dr. Peter Wittmann
Berichterstatter Obmann