1029 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (832 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

und über die Anträge

89/A(E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS)

156/A der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Gebärdensprache im Bundes-Verfassungsgesetz anerkannt wird

431/A der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Österreichische Gebärdensprache im Bundesverfassungsgesetz verankert wird

und

449/A(E) der Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache

sowie

über die Bürgerinitiative betreffend „Chanchengleichheit gehörloser Menschen im österreichischen Bildungssystem“ (5/BI)

und

über die Petition betreffend „Chancengleichheit gehörloser Menschen im österreichischen Bildungssystem“ (inhaltlich gleich mit Bürgerinitiative Nr. 5), überreicht von den Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Mag. Christine Lapp, Dr. Helene Partik-Pablé und Theresia Haidlmayr (11/PET)

Zur Regierungsvorlage (832 der Beilagen):

Schätzungen zufolge gibt es in der Europäischen Union heute etwa 1,6 Millionen gehörlose Personen. Eine große Mehrheit der Gehörlosen hat Sprachschwierigkeiten, und die Gebärdensprache ist für die meisten von ihnen eine – oft die einzige – Möglichkeit, sich auszudrücken.

Gebärdensprachen sind wissenschaftlich als eigenständige und vollwertige Sprachen anerkannt. Sie haben eigene grammatische Strukturen, die sich von der Lautsprache des jeweiligen Landes grundlegend unterscheiden (für die Österreichische Gebärdensprache siehe Skant et al., Grammatik der Österreichischen Gebärdensprache, Veröffentlichungen des Forschungszentrums für Gebärdensprache und Hörgeschädigtenkommunikation der Universität Klagenfurt, Bd. 4 [2002]). Die Gebärdensprachen unterscheiden sich von Land zu Land und können auch innerhalb eines Landes verschiedene Dialekte haben. Trotzdem sind sie einander ähnlicher als die verschiedenen Lautsprachen.

In den Jahren 1988 und 1998 hat das Europäische Parlament die Kommission in zwei Entschließungen aufgefordert, dem Rat einen Vorschlag für die offizielle Anerkennung der von den Gehörlosen in den einzelnen Mitgliedstaaten verwendeten Gebärdensprache zu unterbreiten (ABl. Nr. C 187 vom 18.07.1988 S. 236; ABl. Nr. C 379 vom 07.12.1998 S. 66). Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat im Jahr 2003 eine Entschließung angenommen (1598 [2003]), in der sie dem Ministerkomitee empfiehlt, die Mitgliedstaaten dazu zu ermutigen, die auf ihrem Staatsgebiet praktizierten Gebärdensprachen formell anzuerkennen.

In der Europäischen Union ist die Gebärdensprache bisher nur in wenigen Mitgliedstaaten anerkannt worden. In § 17 der Verfassung Finnlands heißt es etwa:

„Die Rechte der Anwender der Gebärdensprache sowie die Rechte jener, die aufgrund einer Behinderung auf Dolmetsch- und Übersetzungshilfe angewiesen sind, werden durch Gesetz gesichert.“

Da die deutsche Sprache gemäß Art. 8 Abs. 1 B-VG, unbeschadet der Rechte der sprachlichen Minderheiten, die Staatssprache der Republik ist, bedarf die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache einer bundesverfassungsgesetzlichen Regelung. Der Nationalrat hat daher die Bundesregierung am 17. November 2004 in einer Entschließung ersucht, ihm den Entwurf einer entsprechenden Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle zuzuleiten. Diesem Wunsch des Nationalrates soll mit dem Entwurf entsprochen werden.

Aus Art. 8 Abs. 3 erster Satz ergibt sich, dass die Österreichische Gebärdensprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten neben der deutschen Sprache gebraucht werden kann. Satz 2 macht deutlich, dass diese Bestimmung nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern der näheren Konkretisierung und Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber bedarf. Im Übrigen ändert diese Bestimmung nichts daran, dass die deutsche Sprache (unbeschadet der Rechte der sprachlichen Minderheiten) die Amtssprache der Republik bleibt, dass sich also die Verwaltungsbehörden und Gerichte sowohl im Verkehr untereinander als auch im Verkehr mit den Beteiligten bzw. Parteien und in ihren Erledigungen der deutschen Sprache zu bedienen haben.

Die Ausführung des Art. 8 Abs. 3 erster Satz obliegt nach dem vorgeschlagenen Art. 8 Abs. 3 zweiter Satz der nach der Kompetenzverteilung des B‑VG zuständigen Gesetzgebung. Entsprechende bundesgesetzliche Regelungen sind bereits erlassen worden (siehe § 185 Abs. 1a ZPO, § 4 Abs. 3 AußStrG, §§ 164 und 198 Abs. 3 StPO, § 76 Abs. 1 AVG, § 313a BAO, §§ 84 Abs. 3, 127 Abs. 1 und 185 Abs. 1 und 2 FinStrG).

 

Zum Antrag 89/A(E):

Die Abgeordneten Theresia Haidlmayr Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Antrag am 26. März 2003 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

In 8 von 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist die Gebärdensprache bereits anerkannt. Österreich ist noch nicht darunter. Für eine gleichberechtigte Teilhabe gehörloser Menschen an der Gesellschaft ist eine gesetzliche Anerkennung der Gebärdensprache dringend notwendig.

Nur dadurch erhalten gehörlose Menschen das gesicherte Recht, in ihrer Erstsprache, der Österreichischen Gebärdensprache, Bildung zu erfahren, mit Behörden zu kommunizieren, in ÖGS Informationen zu erhalten (Fernsehen) und barrierefreien Zugang zu öffentlichen Einrichtungen sowie zum Gesundheitssystem zu bekommen.“

 

Zum Antrag 156/A:

Dieser Antrag  wurde von den Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat am 17. Juni 2003 mit nachstehender Begründung eingebracht:

„In Österreich leben derzeit 9.000 gehörlose Menschen. Weiters sind etwa 450.000 Personen von einer Hörbehinderung betroffen. Diejenigen unter ihnen, die bereits taub geboren wurden oder schon sehr früh ihr Gehör verloren haben, haben vielfach eine andere, eigenständige Sprache als die Hörenden, nämlich die Gebärdensprache. Etwa 10.000 Bürgerinnen und Bürger verwenden die Österreichische Gebärdensprache als Erstsprache. Die Anerkennung der nationalen Gebärdensprachen erfolgte im Europäischen Parlament bereits 1988. Leider wurde bislang keine Richtlinie erlassen, die die Umsetzung in nationales Recht erfordern würde. Verfassungsmäßig verankert ist das „Recht des Gebrauchs der Gebärdensprache" bislang nur in Finnland. Einige andere EU-Staaten haben die Gebärdensprache teilweise regional anerkannt. In Portugal hat die Gebärdensprache insofern Eingang in die Verfassung gefunden, als sie dort als „Ausdruck der Kultur der Gehörlosen" und als deren „Werkzeug" zu „schützen und zu achten" ist. Dieser Bestimmung ist auch der vorliegende Antrag nachempfunden.

Für die Gehörlosen ist die Situation nämlich unbefriedigend. Die für sie so wichtige Gebärdensprache wird vielfach in der Schulzeit zu wenig gefördert. Statt dessen wird – was ohne Zweifel ebenfalls sehr wichtig ist - ausschließlich die Kommunikation zwischen Gehörlosen und Hörenden gelehrt und geübt. Die in dieser Verständigungsart aber wesentlich erschwerte Wissensvermittlung restringiert den „Wortschatz" der Gehörlosen und verringert deren Allgemeinbildung. Sie werden außerdem gezwungen, sich in die Welt der Lautsprache zu integrieren, obwohl ihnen dafür eine wesentliche Voraussetzung fehlt. Das Fortkommen der Betroffenen kann dadurch in vielen Lebensbereichen erschwert werden, sei es im Umgang mit der Behörde, beim Zugang zum Gesundheitssystem, oder einfach nur bei der Informationsbeschaffung oder Unterhaltung.

Die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung soll daher ein Schritt zur Verbesserung der Situation dieser Bevölkerungsgruppe sein.“

 

Zur Bürgerinitiative Nr. 5:

Mag. Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes, hat als Erstunterzeichnerin die Bürgerinitiative, welche vom Österreichischen Gehörlosenbund getragen wurde, eingebracht.

Die Unterzeichneten setzen sich für die Gleichbehandlung aller Menschen ein, das bedeutet insbesondere den gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Wissen auch für Gehörlose. Das Recht auf eine Muttersprache ist Grundvoraussetzung und Schlüssel für Bildung, Ausbildung und Wissenserwerb und damit für die Gesamtheit aller Chancen in der eigenen Lebensplanung. Nur die österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ermöglicht es gehörlosen Menschen in Österreich, jene Sprachkompetenz zu entwickeln, die hörende Menschen in Lautspra-chen, zB. Deutsch, erreichen.

Das Abdrängen von gehörlosen Menschen in die für sie nicht einmal durchschnittlich erlernbare Lautsprache ist eine Diskriminierung und macht tausende gehörlose Menschen unnötigerweise zu lebenslangen ‚Sozialfäl-len’. Auf jeden Fall schränkt sie deren Bildungs- und somit soziale Aufstiegschancen drastisch ein.

Die Unterzeichneten halten deshalb weiterhin die Anerkennung der österreichischen Gebärdensprache als nicht-ethnische Minderheitensprache für unbedingt notwendig. Darüber hinaus ist eine umfassende Neuorien-tierung im Bereich der Gehörlosenbildung notwendig. Dies betrifft die Bereiche Frühförderung, Schulen, Be-rufsausbildung und Universitäten.

Die Unterzeichneten unterstützen und fordern folgende konkrete Maßnahmen:

Frühförderung:

• Früherkennung von gehörlosen Babies und Kleinkindern sowie Elternschulung;

• Errichtung von neutralen Beratungsstellen unter Einbeziehung qualifizierter gehörloser Mitarbeiter für Eltern von gehörlosen Kindern (die existierenden Beratungseinrichtungen beschränken sich auf die einseitige, oft rein medizinische Darstellung der Gehörlosigkeit als ‚Defekt’ und versprechen de-ren - in Wahrheit nie zufriedenstellend mögliche - Behebung durch medizinische Maßnahmen. Bera-

tung über Gebärdensprache, Gehörlosenkultur und Bildungschancen wird derzeit überhaupt nicht angeboten);

• rechtzeitige kostenlose Gebärdensprachkurse für Eltern und Kinder mit gehörlosen Fachleuten als wesentliche Grundlage für den geeigneten vorschulischen Spracherwerb;

• Förderung im Kindergarten und in der Volksschule: Einsatz bilingualer Förderungs- und Bildungs-maßnahmen unter Einbeziehung der Gebärdensprache.

Schule:

• Hörende LehrerInnen, die gehörlose SchülerInnen unterrichten, müssen die Gebärdensprache beherr-schen und nach gebärdensprachlichen Standards beurteilt werden. Gehörloses Fachpersonal sollte Prüfungsfunktionen ausüben. (Nach aktueller Rechtslage müssen in Österreich LehrerInnen an Ge-hörlosenschulen die Gebärdensprache NICHT können. Ein überwiegender Teil hat nicht einmal Grundkenntnisse der Gebärdensprache!);

• Die Qualität der Gehörlosenbildung, geschehe sie nun integrativ oder speziell, muss auf den Stan-dard der Regelschulausbildung angehoben werden. Der Lehrplan an Schulen muss die Fächer ‚Ge-hörlosenstudien’ und ‚Gebärdensprachstudien’ sowie bilinguale Methoden (Einsatz von Gebärden-sprache und Schrift-/Lautsprache sowohl als Unterrichtssprache als auch Unterrichtsgegenstand) ein-schließen. Gehörloses Fachpersonal soll diese Fächer unterrichten;

• Die Adaptierung von völlig sinnlosen Unterrichts- und Prüfungsformen ist notwendig (z.B. schriftli-che Englischprüfung statt wie bisher mündliche, keine Musikerziehung für gehörlose SchülerInnen, statt dessen spezielle Gebärdensprache für gehörlose LehramtsanwärterInnen und KindergärtnerIn-nen, sie beinhaltet Vermittlung der Gebärdensprache als Kunstform wie Gebärdenlieder, -poesie etc.);

• Angleichung des Sonderschullehrplanes an den Regellehrplan mit Schwerpunkt auf bilingualem Unterricht und der Gebärdensprache als eigenem Unterrichtsfach;

• Themen wie z.B. Gehörlosenkunst, Gehörlosen-Geschichte müssen verpflichtend in den Lehrplan eingebaut werden;

• Entwicklung und Förderung von visuellen Lehrmitteln (siehe z.B. das Angebot des Dänischen Lehrmittelzentrums Døveskolerner Materialcenter);

• Neuorientierung des ‚Ausbildungslehrganges zum Lehramt für gehörlose und schwerhörige Kinder’ mit Erhöhung des Besuchs des Gebärdensprachkurses von derzeit 40 auf 510 Stunden mit Prüfung, (siehe z.B. das in Schweden praktizierte Modell).

Berufsausbildung:

• Gehörlose müssen die Möglichkeit haben, eine Berufsausbildung IHRER Wahl zu treffen, und dür-fen an diesem selbstgewählten Weg nicht durch Sprachbarrieren gehindert werden. In Ausbildung stehende Jugendliche müssen ein Recht auf kostenfreie Begleitung durch DolmetscherInnen haben;

• Gehörlose ArbeitnehmerInnen müssen bei wichtigen Besprechungen, Teamsitzungen etc. eine Dol-metscherin/einen Dolmetscher zu Verfügung gestellt bekommen;

• Der diskriminierende Ausschluss von gehörlosen PädAk-Studierenden muss beseitigt werden. (Der-zeit erhalten PädAk-AbsolventInnen - mit Begründungen wie die Unfähigkeit, Musikunterricht durchzuführen - nur ein ‚Zertifikat’, aber kein Lehramtszeugnis. Diese AbsolventInnen bleiben so in der Hierarchie von Gehörlosenschulen immer nur ‚HelferInnen’, obwohl gerade sie für die Kinder unersetzliche Ansprechpersonen sind.)

• Gehörlose müssen in Berufen, die besonders gehörlosenrelevant sind und in denen es derzeit ein großes Defizit an gehörlosen SpezialistInnen gibt, besonders gefördert werden (LehrerInnen, SprachwissenschaftlerInnen, ÄrztInnen etc.)

Universitäten:

• Der Zugang zu höherer Bildung muss auch für Gehörlose möglich sein. Das vom Bundessozialamt bereitgestellte Budget für DolmetscherInnen reicht nicht, um den durchgängigen Besuch und die ak-tive Teilnahme an Vorlesungen und Seminaren zu sichern. Studierende müssen ein Recht auf Dol-metscherInnen haben, wo sie es als notwendig empfinden.“

 

Zur weiteren Behandlung der Anliegen der Bürgerinitiativen hat der Präsident des Nationalrates die Bürgerinitiative auf Ersuchen desAausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen dem Verfassungsausschuss zugewiesen.

 

Zur Petition Nr. 11:

Die Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Mag. Christine Lapp, Dr. Helene Partik-Pablé und Theresia Haidlmayr haben die mit der Bürgerinitiative Nr. 5 gleichlautende Petition dem Nationalrat am 7. Juli 2003 überreicht:

 

Aufgrund eines Ersuchens des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen hat der Präsident des Nationalrates die Petition dem Verfassungsausschuss zur weiteren Behandlung zugewiesen.

 

Zum Antrag 431/A:

Der vorliegende Antrag wurde von den Abgeordneten Theresis Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen, am 7. Juli 2004 im Nationalrat eingebracht. Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Weltweit gibt es mehrere tausend Gebärdensprachen. Seit 30 Jahren gibt es eine Gebärdensprachforschung, die sich mit diesem Kommunikationsmittel beschäftigt. Mittlerweile ist die Gebärdensprache in 11 Ländern der EU als eigenständige Sprache anerkannt. Es gibt mehrere Dokumente, die zu einer Anerkennung der Gebärdensprache auffordern, zuletzt gab es im April 2003 eine Empfehlung des Europarates.

Die Gebärdensprache wird auch von schwerhörigen Menschen benutzt. Etwa 10.000 BürgerInnen in Österreich verwenden die Österreichische Gebärdensprache als Erstsprache. Bisher wurde im Schulsystem vor allem auf den Erwerb der Lautsprache wert gelegt. Dies führt jedoch zu einem Defizit beim Wortschatz und der Allgemeinbildung gehörloser Kinder. Die Erlernung der Gebärdensprache als erste Sprache ist nicht nur für die sprachliche, sondern auch für die psychosoziale Entwicklung gehörloser Kinder sehr wichtig.

Mittlerweile wird in vielen Ländern, wie z.B. Schweden, Finnland, Irland, Griechenland, ein bilinguales Unterrichtssystem verwendet. Auch in Österreich bekam ein Schulversuch mit einer bilingualen Klasse (Gebärdensprache und Lautsprache) eine europäische Auszeichnung.

Die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung ist daher ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Bildungs- und Lebenssituation von gehörlosen Menschen.“

 

Zum Antrag 449/A(E):

Die Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen, haben den vorliegenden Antrag am 29. September 2005 im Nationalrat eingebracht. Die Begründung lautete wie folgt:

„Die Gebärdensprache ist für viele gehörlose Menschen in Österreich oftmals die wichtigste Kommunikationsmöglichkeit. Auch wenn verschiedene Gesetze bereits die Verwendung der Gebärdensprache z.B. vor den Gerichten oder Verwaltungsbehörden ermöglichen, fehlt eine eindeutige Verankerung der österreichischen Gebärdensprache in der österreichischen Bundesverfassung.

In Entsprechung einer Entschließung des Nationalrates vom 9. Juli 2003 hat der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz am 19. Jänner 2004 den Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes vorgelegt und zu einer Vorbegutachtung versendet. In diesem Entwurf war auch eine Verfassungsbestimmung enthalten, mit der die Österreichische Gebärdensprache anerkannt werden sollte. Im Rahmen der Vorbegutachtung wurde aber von mehreren Seiten eingewendet, dass aus rechtssystematischen Gründen eine Regelung im B-VG geschehen sollte. Der Begutachtungsentwurf des Behindertengleichstellungsgesetzes enthält daher keine Regelung zur Gebärdensprache.

Die Antragsteller wollen klarstellen, dass diese technische Ausgliederung aus dem Behindertengleichstellungsgesetz nicht bedeutet, dass die Frage der Anerkennung der Gebärdensprache unerledigt bleiben soll.“

 

Der Verfassungsausschuss hat zunächst zur Vorbehandlung der Anträge 89/A(E) sowie 156/A am 1. Juli 2003 einen Unterausschuss eingesetzt. Diesem Unterausschuss wurden am 29. Juni 2004 die Petition Nr. 11 sowie die Bürgerinitiative Nr. 5, am 19. Oktober 2004 die Anträge 431/A und 449/A(E) sowie in der Sitzung am 28. April 2005 die Regierungsvorlage 832 der Beilagen zugewiesen. Berichterstatterin zu den Anträgen 89/A(E) und 431/A war die Abgeordnete Theresia Haidlmayr, zum Antrag 156/A die Abgeordnete Mag. Christine Lapp, über die Petition Nr. 11 sowie über die Bürgerinitiative Nr. 5 berichtete die Abgeordnete Maria Grander und schließlich erstattete der Abgeordnete Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler den Bericht zum Antrag 449/A(E).

Dem Unterausschuss des Verfassungsausschusses zur Vorbehandlung der oben angeführten Verhandlungsgegenstände gehörten seitens des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Dr. Alfred Brader, Maria Grander, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Barbara Riener und Mag. Walter Tancsits, seitens der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Christine Lapp und Mag. Walter Posch, vom Freiheitlichen Parlamentsklub die Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé sowie vom Grünen Klub die Abgeordnete Theresia Haidlmayr an.

Zur Obfrau wurde die Abgeordnete Mag. Christine Lapp, zu ihrem Stellvertreter der Abgeordnete Dr. Alfred Brader sowie zur Schriftführerin die Abgeordnete Maria Grander gewählt.

 

Der Unterausschuss befasste sich in insgesamt 3 Sitzungen, nämlich am 9. Juli 2003, am 1. Juli 2004 sowie am 28. Juni 2005 mit der ihm zugewiesenen Materie.

 

Am 1. Juli 2004 hielt der Unterausschuss ein Hearing mit Experten ab und beschloss die Aufhebung der Vertraulichkeit der Verhandlungen. Die Experten in alphabetischer Reihenfolge: Univ. Doz. Dr. Franz Dotter, Universität Klagenfurt, Florian Gravogl, WITAF, Mag. Dr. Gerhard Hesse, Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, Franz Jank, Hallo Hört!, Salzburger Verein zur Förderung und Integration hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher, Mag. Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes, Mag. Dr. Verena Krausneker, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Wien, Johann Neuhold, Österreichischer Schwerhörigenbund, Prof. Wilfried Schögl, Landes-Lehranstalt für Hör- und Sehbildung, Linz und Dir. Mag. Katharina Strohmayer, Bundesinstitut für Gehörlosenbildung, Wien. Ferner wurden dieser Sitzung die Gebärdensprach-Dolmetscherinnen Barbara Gerstbach und Brigitta Mikulasek sowie der Gebärdensprach-Dolmetscher Ferdinand Leszecz beigezogen.

 

An den Beratungen im Unterausschuss nahmen die Abgeordneten Mag. Christina Lapp, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Dr. Alfred Brader, Theresia Haidlmayr, Dr. Helene Partik-Pablé, Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Ruth Becher und Barbara Riener sowie der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt teil.

 

Über die Regierungsvorlage 832 der Beilagen wurde Einvenehmen erzielt.

 

Die Vorsitzende des Unterausschusses Mag. Christine Lapp berichtete dem Verfassungsausschuss in seiner Sitzung am 29. Juni 2005 mündlich über die Beratungen im Unterausschuss. An der daran anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Theresia Haidlmayr, Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Christine Lapp, Barbara Riener, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Mag. Karin Hakl und Dr. Günther Kräuter, ferner die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek und der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak.

 

Im Zuge der Debatte brachten die Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Mag. Christine Lapp, Dr. Helene Partik-Pablé und Theresia Haidlmayr einen Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage 832 der Beilagen mit folgender Begründung ein:

„Mit der Abänderung soll noch deutlicher hervorgehoben werden, dass es sich bei der Österreichischen Gebärdensprache um eine eigenständige und vollwertige Sprache handelt. Die weiteren Abänderungen sind rein formaler Natur.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in 832 der Beilagen in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Mag. Christine Lapp, Dr. Helene Partik-Pablé und Theresia Haidlmayr einstimmig angenommen. Die Anträge 89/A(E), 156/A, 431/A und 449/A(E) sowie die Petition Nr. 11 und die Bürgerinitiative Nr. 5 gelten als miterledigt.

 

Ein von den Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Mag. Christine Lapp und Dr. Helene Partik-Pablé eingebrachter Entschließungsantrag betreffend die Bedeutung der Österreichischen Gebärdensprache für gehörlose Menschen wurde einstimmig angenommen. Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Mit dem Gesetzesbeschluss betreffend die bundesverfassungsrechtliche Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache als eigenständige Sprache durch Anfügung eines neuen Art. 8 Abs. 3 B-VG wird nunmehr der Forderung von Gehörlosenverbänden auf verfassungsrechtliche Verankerung der österreichischen Gebärdensprache Rechnung getragen. Gleichzeitig soll aber auch die Wichtigkeit einer der Bedeutung der Gebärdensprache für gehörlose Menschen gerecht werdenden Rechtslage betont werden.“

 

Ein von der Abgeordneten Theresia Haidlmayr eingebrachter Entschließungsantrag zum gleichen Gegenstand fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Ferner traf der Ausschuss mehrstimmig folgende Feststellungen:

Der Ausschuss geht davon aus, dass es durch die Anerkennung der Gebärdensprache zu keiner Schlechterstellung von schwerhörigen Menschen, insbesondere von Menschen mit Cochlea–Implantaten hinsichtlich der hörgerichteten lautsprachlichen Förderung und technischer Hörhilfen kommt.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Mag. Christine Lapp gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2005 06 29

Mag. Christine Lapp Dr. Peter Wittmann

    Berichterstatterin                  Obmann