Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Mag.a Terezija Stoisits

zum Bericht 1055 der Beilagen über die Regierungsvorlage (952 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Asylgesetz 2005, ein Fremdenpolizeigesetz 2005 und ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erlassen sowie das Fremdengesetz 1997, das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Sicherheits­polizeigesetz, das Gebührengesetz 1957, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtspaket 2005)

 

Grundsätzliche Kritik

 

Trotz der massiven Kritik von RechtsexpertInnen, Asylbetreuungs-NGOs, vom UNHCR (UN-Flüchtlingshochkommissariat) und der Opposition wegen Verfassungs- und Menschenrechtswidrigkeiten wurde im Oktober 2003 ein verschärftes Asylgesetz mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ im Nationalrat beschlossen. Zwei wesentliche Eckpfeiler dieses Gesetzes, das Neuerungsverbot in Berufungsverfahren und der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in Berufungsverfahren, wurden im Oktober 2004 vom Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben und der verfassungsmäßige Vollzug anderer kritisierter Bestimmungen vom VfGH gefordert und eingemahnt. Obwohl damit die Reparatur des verfassungswidrigen Asylgesetzes vom VfGH aufgetragen war, lautete die Antwort des damaligen Innenministers auf den VfGH-Entscheid, „nicht alles, was Recht sei, sei auch gut“. Statt einer verfassungskonformen Reform des Asylgesetzes kündigte Strasser danach ein völlig neues Asylgesetz an. Seine Nachfolgerin, Frau Ministerin Prokop, legte den Entwurf eines völlig neuen Asylgesetzes vor, nicht einmal neun Monate nach Inkrafttreten des Asylgesetzes 2003.

 

Die Notwendigkeit, das Asylgesetz völlig neu zu kodifizieren, kann in diesem Fall nicht sachlich argumentiert werden. Vielmehr steht der Verdacht im Raum, dass durch die Neukodifikation die in den letzten Jahren ergangene Judikatur des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofs missachtet werden soll. Vieles im neuen Gesetz wäre neu, in langwierigen Verfahren vor den Höchstgerichten auszujudizieren und – wie beim letzten Asylgesetz – würden verfassungswidrige Bestimmungen in der Zwischenzeit monate- (oder eventuell jahrelang) angewandt. Die, die die Rechnung für dieses politische Kalkül zahlen müssen, sind die AsylwerberInnen, bei denen es oft um Leben und Tod gehen kann.

Die Grünen wurden vom Innenministerium nur vor der Vorlage des Begutachtungsentwurfs zu Gesprächen eingeladen. Diese Gelegenheit, Stellung zu beziehen, Vorschläge zu machen und Bedenken zu äußern, nutzten die Grünen auch und nahmen zu allen Vorhaben von Innenministerin Prokop Stellung. Obwohl die größere Oppositionspartei SPÖ offensichtlich auch weiterhin an Verhandlungen zum Fremdenrechtspaket teilnahm, waren die Grünen ab dem Begutachtungsverfahren nicht mehr in Gespräche und Verhandlungen zur Novellierung der maßgeblichen Gesetze, die Asyl, Einreise, Aufenthalt und Integration der AusländerInnen und den UBAS betreffen, eingebunden.

 

Der Begutachtungsentwurf wurde „auf dem Weg zur Regierungsvorlage“ in maßgeblichen Punkten wie z.B. bei der sogenannten Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt oder auch bei der amtswegigen Haftprüfung bei der Schubhaft abermals verschärft. Die ÖVP-BZÖ-Regierung nimmt das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zur Verfassungswidrigkeit des Asylgesetzes offensichtlich zum Anlass, sämtliche Gesetze, die die Einreise, den Aufenthalt, die Niederlassung und die Ausreise von AusländerInnen regeln, einer massiven Verschärfung zu unterziehen.

 

Die Hauptannahmen der Regierungsvorlage sind, dass unberechtigte Asylanträge nicht die Ausnahme, sondern die Regel seien und rigoros und mit hohen Geldstrafen, Schubhaft und Freiheitsstrafen bekämpft werden müssten; dass AusländerInnen, die sich in Österreich aufhalten oder nach Österreich einwandern wollen, potenzielle Rechtsbrecher und Kriminelle seien und nur Missbrauch im Sinne hätten, weshalb sie mit einem Fremdenpolizeigesetz mit sicherheitspolizeilichen und strafrechtlichen Bestimmungen zu behandeln wären.

 

Daher sind die Haupttendenzen des Fremdenrechtspakets:

*      eine weitere Verpolizeilichung des Asylwesens und des Asylverfahrens,

*      die Einführung von sicherheitspolizeilichen Befugnissen (wie beispielsweise Festnahme) für die Asylbehörden,

*      die Wiedereinführung eines Fremdenpolizeigesetzes,

*      die Einführung einer für Asylwerber eigens vorgesehenen Schubhaft zur „Sicherung des Asylverfahrens“,

*       weitreichende Auskunfstpflichten für Menschen, die mit AusländerInnen zu tun haben,

*      drakonische Strafen für angebliche Hilfe zum unbefugten Aufenthalt, die aber auch Unschuldige treffen können und werden.

Das alles hat mit einer rechtsstaatlichen Haltung nichts zu tun. Jene Parteien, die im Innenausschuss der Regierungsvorlage mit nur geringfügigen Änderungen zugestimmt haben, betreiben massiven Abbau der Menschenrechte von AusländerInnen und schaffen ein „Zwei-Klassen-System“ innerhalb des Rechtsstaats, das die elementarsten Rechte von AusländerInnen wie das Recht auf Freiheit, Recht auf Familienleben und das Hausrecht massivst einschränkt. Diesem Rechtsstaatsabbau für einen Teil der Bevölkerung Österreichs werden die Grünen selbstverständlich nicht zustimmen.

 

 

Regelungen im Detail:

 

Asylgesetz

 

- Zu den Definitionen von Verfolgung, Verfolgungsgrund und Nachfluchtgründen

Durch eine unzulässige Einengung der Definition von Verfolgung, die von der der GFK (Genfer Flüchtlingskonvention) abweicht und diese einschränkt, erfolgt eine unzulässige Beschränkung der Verfolgungsgründe und des Flüchtlingsbegriffs. Diese Paragraphen sind ersatzlos zu streichen.

 

- Zur Konstruktion einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Durch die Konstruktion einer der GFK widersprechen innerstaatlichen Fluchtalternative sollen Asylanträge mit dem Verweis auf diese angebliche Fluchtalternative abgewiesen werden dürfen, wenn „AsylwerberInnen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann“. Dieses Abwälzen der Verantwortung für Schutzgewährung auf nicht mehr funktionierende staatliche Strukturen oder gar auf bewaffnete Milizgruppen, die einen Teil des Staatsgebietes beherrschen, steht der Logik der Flüchtlingskonvention diametral entgegen. Denkbar ist beispielsweise der Fall, dass afghanische Flüchtlinge, die in Österreich Schutz vor Verfolgung suchen, mit dieser Bestimmung zur Schutzgewährung an die Taliban verwiesen werden, wenn/da diese einen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Die Bestimmungen zur „innerstaatlichen Fluchtalternative“ sind ersatzlos zu streichen.

 

- Zu Entscheidungen im Zulassungsverfahren nach eingeschränkter Prüfung

Mit der Neuregelung des Zulassungsverfahrens werden Entscheidungen im Zulassungsverfahren bereits auf Grundlage von rudimentären Befragungsergebnissen nach eingeschränkter Prüfung von Anträgen möglich. Und dies, obwohl im Zulassungsverfahren bloß eine Befragung zur Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Asylwerbers stattfindet, die „sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat“. Das ist nicht im Sinne des Rechtsstaatsprinzips und des Art. 11 Abs. 2 B-VG und abzulehnen.

 

- Zur unzulässigen Schaffung einer „antizipierten Ausweisung“

Aufgrund der Annahme bzw der Prognose, „dass der Antrag auf internationalen Schutz“ - auf Grundlage von rudimentären Befragungsergebnissen nach eingeschränkter Prüfung von Anträgen - „ab- oder zurückzuweisen sein wird“, hat die Behörde ein Ausweisungsverfahren einzuleiten. Da die Einleitung des Ausweisungsverfahrens bloß mit Aktenvermerk zu dokumentieren, nichtsdestotrotz der zuständigen Fremdenpolizeibehörde, aber nicht dem Betroffenen mitzuteilen ist, stellt dies zusätzlich eine verfassungswidrige Ausschaltung des Rechtsschutzes dar.   

 

- Zur Abschaffung der Schutzbestimmungen für Traumatisierte und Folteropfer

Eine große Errungenschaft des Asylgesetzes 2003, die von Flüchtlingsorganisationen ausdrücklich begrüßt wurde, war die Schutzklausel für traumatisierte AsylwerberInnen betreffend Zulassung zum inhaltlichen Asylverfahren. Dies wird nun wieder rückgängig gemacht und durch die Neudefinition von Traumatisierung fällt der Schutz für diese Gruppe gänzlich weg. Damit verzichtet Österreich auch auf sein Selbsteintrittsrecht (in ein Asylverfahren) welches laut EU-Recht gegeben wäre und handelt wider die Judikatur des VfGH, der in seinen Erkenntnissen ein Gebot des Selbsteintritts aufgestellt hat. Wie auch amnesty international in der Stellungnahme zur Regierungsvorlage festhält, ist diese Regelung zu Traumatisierten ein inhaltsleeres Feigenblatt.

Durch die neuen schärferen Schubhaftbestimmungen und den Wegfall des Schutzes wird es möglich, dass Traumatisierte in Schubhaft kommen und beispielsweise während der Klärung der Frage, welches EU-Land für ihr Asylverfahren zuständig ist (Dublin-Verfahren), monatelang in Schubhaft gehalten werden. Trotz der Kritik von Ärzten und TraumaexpertInnen in der Sitzung des Innenausschusses am 20.6.2005 und der Information, was eine solche Haftsituation bei traumatisierten Menschen auslöst, wurde weder an der Definition von Trauma noch an den verschärften Schubhaftbestimmungen etwas geändert.

Auch die durch den Abänderungsantrag von ÖVP-BZÖ-SPÖ hinzugefügte Bestimmung zur Aufschiebung der Durchführung der Ausweisung ändert nichts an der retraumatisierenden Wirkung einer Ausweisung für einen traumatisierten Menschen, da die Ausweisung dadurch nur aufgeschoben wird und das Wissen um die bevorstehende, da nur aufgeschobene Ausweisung, für die traumatisierte Person eine verlängerte Verunsicherung und psychische Qual darstellt.

 

- Zur exzessiven Ausweitung von Schubhaft auf AsylwerberInnen

Sowohl der UNHCR als auch Flüchtlings-NGOs haben in ihren Stellungnahmen sowie im ExpertInnenhearing im Innenausschuss am 20.6.2005 betont, dass Schubhaft für AsylwerberInnen die absolute Ausnahme und nicht die Regel zu sein hat und nur in Einzelfällen, und selbst dort erst nach Anwendung aller gelinderen Mittel in Frage kommen kann. Stattdessen haben ÖVP, BZÖ und SPÖ mit ihrem Beschluss der Regierungsvorlage in Form des Abänderungsantrags die Einführung von regelmäßiger Schubhaft für AsylwerberInnen beschlossen. Denn die Schubhaft bleibt zulässig bis zur Entscheidung des UBAS und darüber hinaus, wenn dieser eine zurück- oder abweisende Entscheidung trifft. Diese exzessive Anwendung von Schubhaft bei AsylwerberInnen ist ganz klar EMRK(Europäische Menschenrechtskonvention) -widrig.

 

- Zur Verankerung von Zwangsbehandlung und Zwangsernährung

Die beschlossene Regierungsvorlage sieht die Verankerung von Zwangsbehandlung und Zwangsernährung von hungerstreikenden Schubhäftlingen vor. Das ist eine strafrechtlich relevante eigenmächtige Heilbehandlung. Trotz gegenteiliger Behauptungen von ÖVP- und SPÖ-Abgeordneten im Innenausschuss sprechen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage eine sehr klare Sprache: „Um die Vollziehung in gesonderten Situationen – insbesondere bei schlechtem Gesundheitszustand eines Fremden, dessen Abschiebung möglich ist – gewährleisten zu können, soll eine vorübergehende etwaige Unterbringung in den gerichtlichen Gefangenenhäusern zur unbedingt erforderlichen Heilbehandlung nach den Kautelen des Strafvollzugsgesetzes möglich sein“.

Und selbst bei der Behandlung in Krankenanstalten, „wenn es der Gesundheitszustand des Fremden erfordert“, haben die ÖVP, BZÖ und SPÖ mit dem Abänderungsantrag den in der Regierungsvorlage noch vorhandenen Zusatz der Notwendigkeit der Zustimmung des Betroffenen zur Heilbehandlung gestrichen. Das heißt, dass bei hungerstreikenden Schubhäftlingen nicht nur bei der vorübergehenden Unterbringung in einer Justizanstalt, sondern auch bei der vorübergehenden Unterbringung in einer Krankenanstalt der Zwang eingeführt wird und die betroffenen zwangsweise ernährt werden können. Dabei bedeutet die Möglichkeit der Zwangsernährung schon im Strafrecht eine grundrechtliche Gratwanderung. Ihre Ausdehnung auf Menschen, die nur zur Sicherung eines Verwaltungsverfahrens (Ausweisung und Abschiebung) angehalten werden, ist deshalb grundrechtlich höchst problematisch.

 

- Zur Verletzung des Datenschutzes durch extensive Ermächtigung zur Sammlung und Übermittlung personenbezogener Daten von AsylwerberInnen

Die Bestimmungen der Regierungsvorlage stehen im Widerspruch zu § 1 Abs 2 Datenschutzgesetz, zur Datenschutzkonvention des Europarates und zur EG-Datenschutzrichtlinie. Trotz massiver – und mehrmaliger - Einwände des UNHCR zur beabsichtigten Ermächtigung zur Sammlung und Übermittlung personenbezogener Daten von AsylwerberInnen wurden nur einige der Kritikpunkte und Anregungen in den Abänderungsantrag aufgenommen. Zum Beispiel bei der Bestimmung § 57 Abs 4: „Die Sicherheitsbehörden haben dem Bundesasylamt die bei ihnen erarbeiteten erkennungsdienstlichen Daten von Fremden zu übermitteln, von denen das Bundesasylamt im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 55 unterschiedliche Daten derselben Art ermittelt hat“, hat der Datenschutzrat der Republik kritisiert, dass „der Regelungsgehalt nicht klar ist“ und eine Überarbeitung angeregt. Diese ist auch mit dem Abänderungsantrag nicht erfolgt. Eine bloße Ausschussfeststellung zum Regelungsgehalt dieses Paragraphen, wie sie erfolgt ist, ist nicht ausreichend, da sie nicht Teil des Gesetzes ist und keine ausreichende Klarstellung für vollziehende Behörden darstellt.

In Zukunft soll ein Datenaustausch zwischen österreichischen Behörden und jenen des Herkunftsstaates des Asylwerbers bereits im Rahmen eines Asylverfahrens möglich sein. Bis zur endgültigen Klärung, ob jemand Flüchtling ist oder nicht, muss dieser Datenaustausch allerdings unterbleiben, da sonst Flüchtlinge einer weiteren Verfolgung durch den Herkunftsstaat ausgesetzt werden könnten.

Trotz ein paar Zurücknahmen der ursprünglich intendierten massiven Erweiterung der Sammlung und behördlichen Weiterleitung personenbezogener Daten von AsylwerberInnen bleibt die Tatsache, dass die Regierungsfraktionen und die SPÖ einen überschießenden, die Datenschutzbestimmungen verletzenden Ausmaß der Datensammlung und –weitergabe betreffend AsylwerberInnen beschlossen haben.

 

- Zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit von AsylwerberInnen

Durch die Einführung von Gebietsverboten für AsylwerberInnen im Zulassungsverfahren dürfen diese sich 20 Tage lang nur mehr im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde frei bewegen, in der sie versorgt werden. Diese Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist unverhältnismäßig und sachlich nicht gerechtfertigt, da es ihrer nicht bedarf, damit AsylwerberInnen dem Verfahren zur Verfügung stehen. Außerdem ist sie kaum vollziehbar.

 

- Zur Abweichung vom AVG bei der Zustellung von ab- oder zurückweisenden Bescheiden

Ab- oder zurückweisende Asylbescheide sollen nicht mehr direkt und automatisch den RechtsvertreterInnen der AsylwerberInnen zugestellt werden, sondern direkt den AsylwerberInnen und erst danach den RechtsvertreterInnen, was bei einer sofort durchsetzbaren Ausweisung die Ausschaltung der RechtsvertreterInnen und die Verletzung des Prinzips des effektiven Rechtsschutzes bedeutet.

 

- Zum neuen System der Zu- und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei Berufungen

Durch die Einführung eines komplexen System der Zu- und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung durch den UBAS wird einerseits die Rechtssicherheit erheblich geschwächt, denn selbst der deutschen Sprache Mächtige werden dieses System kaum durchschauen können, geschweige denn sprach- und rechtskundige AsylwerberInnen. Außerdem wird eine Abschiebung während laufenden Asylverfahrens und trotz erhobener Berufung gegen die Asylentscheidung der ersten Instanz möglich, wenn die zweite Instanz nicht schnell reagiert und die aufschiebende Wirkung zuerkennt oder die Zuerkennung dieser wieder aufhebt.

 

- Zum EMRK-widrigen Familienbegriff des Asylgesetzes

Im Widerspruch zur EMRK erkennt der Familienbegriff des Asylgesetzes nur bereits im Heimatland der AsylwerberInnen geschlossene oder bestandene Ehen an. Zusätzlich wird der Familienbegriff vom neuen Asylgesetz auf die Kernfamilie eingeschränkt.

 

- Zum völligen Fehlen von Bestimmungen für Dolmetscher

Auch im neuen Asylgesetz fehlt ein Kriterienkatalog mit einer „Jobdiscription“ inklusive Ausbildungserfordernissen, Rechten und Pflichten und Auswahlkriterien. Wer als Dolmetsch im Asylverfahren zugelassen wird, muss aber genau festgelegt werden und darf nicht dem Gutdünken von Angestellten des Bundesasylamtes überlassen werden.

 

- Zur fehlenden Bestimmung über Dolmetscher desselben Geschlechts bei Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung

Bei AsylwerberInnen, die einen Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung geltend machen oder bei denen ein solcher vorliegt, sollte nicht nur die Einvernahme durch Personen desselben Geschlechts bzw. des Geschlechts der Wahl der AsylwerberInnen erfolgen, sondern auch die Übersetzung. Dies ist im Asylgesetz keinesfalls berücksichtigt.

 

- Zu Verfassungswidrigkeiten im Flughafenverfahren

Die Anhaltung und das Verfahren im Flughafenverfahren – bei AsylwerberInnen, die über einen Flughafen einreisen und einen Asylantrag einbringen – steht im Spannungsverhältnis mit Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und Art. 18 B-VG. Das Gesetz sieht z.B. nur eine Einvernahme und kein Parteiengehör vor. Außerdem wird eine verfassungswidrige Verkürzung der Berufungsfrist im Flughafenverfahren auf sieben Tage vorgesehen.

 

Fremdenpolizeigesetz

 

Der in den Neunzigern eingeschlagene Weg, das Einwanderungswesen in und mit Aufenthaltsgesetzen zu regeln und vom fremdenpolizeilichen Denken wegzukommen, wird wieder rückgängig gemacht. Denn aus dem Fremdengesetz wird wieder ein Fremdenpolizeigesetz, das noch dazu durch den Transfer von sicherheitspolizeilichen und strafrechtlichen Bestimmungen vom Sicherheitspolizeigesetz und der Strafprozessordnung ins „Fremdenrecht„ nicht nur einen massiven polizeilichen Charakter erhält, sondern auch einen markant strafrechtlichen Charakter. Die Sprache des Fremdenpolizeigesetzes ist mehr noch als die des Asylgesetzes xenophob und verdeutlicht eine Sichtweise, die in AusländerInnen potenzielle RechtsbrecherInnen, missbräuchliche RechtsnutzerInnen und Kriminelle vermutet. Entsprechend sind auch die Signale: 

Verschärfung der Geld- und Freiheitsstrafen,

Ausweitung und Verlängerung der Schubhaft,

Rücknahme von Aufenthaltsverfestigungen beispielsweise für die zweite Generation

und

die faktische Rücknahme des Hausrechts von AusländerInnen bzw. bei allen Personen, bei denen irregulär aufhältige AusländerInnen vermutet werden.

 

 

- Zur Verschärfung der Schubhaftbestimmungen und Verlängerung der Schubhaft

Die Obergrenze der Schubhaft wird von derzeit sechs Monaten innerhalb von zwei Jahren auf zehn Monate hinaufgesetzt. Vom Vorhaben, die Schubhaft zeitlich unbeschränkt zu verhängen, ist die Regierung nach massiver Kritik von Menschenrechts- und RechtsschutzexpertInnen zwar wieder abgegangen. Aber auch die pauschale Verlängerung der zulässigen Schubhaftdauer stellt eine gravierende Verschärfung dar und löst das Problem der nicht immer gegebenen Abschiebbarkeit nicht (keine Flüge in Krisengebiete, fehlende Dokumente, Herkunftsländer anerkennen Staatbürgerschaft nicht, kein Heimreisezertifikat vorhanden usw). Die amtswegige Haftprüfung soll erst nach einem halben Jahr Schubhaft erfolgen. Die regelmäßige Prüfungsfrist nach der ersten amtswegigen Haftprüfung wird von sechs Wochen auf acht Wochen hinaufgesetzt. Auf allen Linien findet also bei der Schubhaftdauer und der amtswegigen Überprüfung, ob Schubhaft noch aufrechtzuerhalten ist, eine Verschärfung statt.

 

- Zur Verbannung der hier aufgewachsenen Jugendlichen der „zweiten Generation“

Das Verbot der Verbannung von hier aufgewachsenen Jugendlichen mit ausländischer Staatsbürgerschaft unter allen Umständen wird abgeschafft. Schon nach einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren kann ein hier geborener oder seit seinem zweiten Lebensjahr hier aufgewachsener Mensch abgeschoben werden, auch wenn er überhaupt keinen Bezug zum Herkunftsland seiner Eltern hat. Nach dem Begutachtungsverfahren ist diese Bestimmung über die „2. Generation“ sogar noch einmal verschärft worden.

 

- Zum neuen Tatbestand „Erschleichung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels“

Ebenfalls nach dem Begutachtungsverfahren als Verschärfung hinzugekommen ist der neue Tatbestand der „Erschleichung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels“. „Wer in einem Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder Aufenthaltstitels vor der zur Ausstellung eines solchen Titels berufenen Behörde wissentlich falsche Angaben macht, um sich einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen“. Dies betrifft explizit auch AsylwerberInnen (siehe Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage). Abgesehen davon, dass AsylwerberInnen oft mit gefälschten Dokumenten einreisen müssen, da sie in dem Land, in dem sie verfolgt wurden, keinen offiziellen Reisepaß erhalten würden und diese Bestimmung daher eine massive Kriminalisierung von AsylwerberInnen bedeutet, ist die Freiheitsstrafe von einem Jahr auch völlig unverhältnismäßig zur Tat.

 

- Zur Einführung eines „Rückkehrverbots“ für AsylwerberInnen

Eine andere nach dem Begutachtungsverfahren hinzugekommene Verschärfung ist die Bestimmung des „Rückkehrverbots“ für AsylwerberInnen, wenn „auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft“. Allerdings ist auch als so eine bestimmte Tatsache zu werten, wenn jemand zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt oder bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist, wegen Prostitution rechtskräftig bestraft wurde oder bei illegaler Beschäftigung betreten wurde. „Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechts“. Dann soll zwar ein faktischer Abschiebeschutz gelten, aber ein Aufenthaltsrecht ist das nicht. Und zusätzlich kann der Aufenthalt auf das Gebiet einer Bezirksverwaltungsbehörde beschränkt werden. Das läuft auf eine Illegalisierung von AsylwerberInnen hinaus, die in Konflikt mit bestimmten Gesetzen gekommen sind. Es sind zusätzliche Strafbestimmungen bzw. –handlungen gegen Menschen, die wegen Gesetzesübertretungen bereits bestraft wurden bzw. nach den enstprechenden Gesetzen sowieso bestraft werden.

 

- Zu Widersprüchen bezüglich Handlungsfähigkeit von Minderjährigen nach dem Asyl- und dem Fremdenpolizeigesetz

Die Handlungsfähigkeit im fremdenpolizeilichen Verfahren ist derzeit laut Fremdengesetz ab 16 Jahren gegeben. Vom Vorhaben des Ministerialentwurfs, diese Grenze auf 14 Jahre herabzusenken, musste die Regierung zwar aufgrund des großen Aufschreies abgehen, die Handlungsfähigkeit soll aber weiterhin bei ab 16 Jahren bleiben, obwohl diese laut Asylgesetz erst ab der Volljährigkeit gegeben ist. Wie seit Jahren kritisiert wird, ist es kaum vorstellbar, dass ein sprach- und rechtsunkundiger 16-jähriger ausländischer Jugendlicher im Verfahren seine Rechte gut wahrnehmen kann.

 

- Zur faktischen Abschaffung des Hausrechts

Die derzeit schon umfassenden Befugnisse zum Betreten und Durchsuchen von Grundstücken, Räumen, Betriebsstätten sowie Fahrzeugen werden massiv ausgeweitet: schon die Annahme, dass „darin mindestens fünf Fremde aufhältig sind und sich darunter Fremde befinden, die nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sind ...“ genügt für das Betreten und die Durchsuchung. Weder vorher noch nachher ist für diese Durchsuchungen ein richterlicher Befehl notwendig. Das bedeutet die faktische Abschaffung des Hausrechts.

 

- Zur Verpolizeilichung der Eheschließung

Das ursprüngliche Vorhaben der Bundesregierung, das Recht auf Eheschließung für AusländerInnen abzuschaffen, indem der Standesbeamte vor der Eheschließung bei der zuständigen Sicherheitsbehörde anfragt und die Eheschließung verweigert, wenn Ermittlungen wegen eines Vergehens nach dem Fremdenpolizeigesetz laufen, wurde nach massiven Protesten fallengelassen (siehe Ministerialentwurf Personenstandsgesetz § 43 Abs 3 & 4: „Der Standesbeamte hat für Verlobte, von denen wenigstens einer ein Drittstaatsangehöriger ist, bei der zuständigen Sicherheitsbehörde anzufragen“, ob Ermittlungen  wegen einer zu verfolgenden, gerichtlich strafbaren Handlung vorliegen (zB. arrangierte Ehe oder Adoption, Schlepperei ua). Geblieben ist aber die Bestimmung, dass die Personenstandsbehörde, die die Ehefähigkeit ermittelt, dieses unverzüglich der zuständigen Fremdenpolizeibehörde mitzuteilen hat, wenn wenigstens einer der Verlobten ein Drittstaatsangehöriger ist. Das bedeutet eine Verpolizeilichung auch des Zivilrechts und der Eheschließung.

 

- Zu Unbestimmtheit der „Aufenthaltsehe“ und „Aufenthaltsadoption“ und den drakonischen Strafen

Die neu ins Gesetz eingeführten Begriffe der „Aufenthaltsehe“ und „Aufenthaltsadoption“ sind nicht hinreichend determiniert, so daß Willkür Tür und Tor geöffnet wird. Angesichts der Unschärfe der Definitionen ist zu erwarten, dass Fremdenpolizeibehörden nach ihrem Eindruck, dass "ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK nicht geführt wird", sogenannte „Aufenthaltsehen“ und „Aufenthaltsadoptionen" „feststellen" werden.

Gleichzeitig sind massive Geld- und Freiheitsstrafen für Eingehen oder Vermittlung von „Aufenthaltsehen“ bzw. „Aufenthaltsadoptionen“ vorgesehen: z.B. für das Eingehen einer solchen Ehe eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. Wer mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, eine Ehe eingeht, ist gar mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Angesichts der fehlenden Verhaltensmaßstäbe, an die der Vorwurf von Aufenthaltsehe“ und „Aufenthaltsadoption“ gekoppelt sind, ist zu befürchten, dass aufgrund von Vermutungen und Annahmen Anzeigen erstattet und Freiheitsstrafen verhängt werden.

 

- Zur Verschärfung des Tatbestands „Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt“

Aus dem Tatbestand der „entgeltlichen Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt“ (derzeit bloße Verwaltungsübertretung und geahndet mit Geldstrafe bis zu 3600 Euro) wird „Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt“, der mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen ist. Dafür ist das Vorliegen eines Vermögensvorteils nicht mehr nötig! Bei Vorliegen eines „nicht bloß geringfügiges Entgelt“ ist eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorgesehen, bei Gewerbsmäßigkeit eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren !!! Die Bestimmung und die Strafen wegen Gewerbsmäßigkeit hat die Regierung erst nach dem Begutachtungsverfahren hinzugefügt.

 

- Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung auch im remdenpolizeigesetz

Neu im Vergleich zur jetzigen Rechtslage ist, dass nicht nur im Asylgesetz, sondern auch im FPG die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung verankert wird, und zwar bei Berufungen gegen ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot.

 

Bundesbetreuungsgesetz

 

- Trotz Novellierung des Bundesbetreuungsgesetzes fehlt eine klare Kompetenzregelung auf Verfassungsebene für die Zuständigkeit zur Unterbringung und Versorgung von AsylwerberInnen weiterhin.

 

- Das Fehlen eines Rechtsmittels im Bereich der Grundversorgung durch die Länder stellt eine mangelhafte Umsetzung der EU-Richtlinie über Mindeststandards bei der Aufnahme von AsylwerberInnen dar und steht im Widerspruch zur EU-Richtlinie, die einen klaren Rechtsanspruch von AsylwerberInnen auf Unterbringung und Versorgung verankert.

 

 

Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

 

Mit dem Entwurf eines neuen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes will die Regierung im Windschatten des fragwürdigen neuen Asylgesetzes weitere massive Verschärfungen im „Ausländerrecht“ einführen. Die Bestimmungen sollen legale Niederlassung weiter erschweren und für bereits Niedergelassene die rechtliche Integration und eine Aufenthaltssicherheit noch unerreichbarer machen.

 

- Beim Nachweis der Unterhaltsmittel für einen Aufenthaltstitel gibt es eine massive Verschärfung: Während früher Sozialhilfe-Richtsätze als Maßstab für einen gesicherten Lebensunterhalt herangezogen wurden, sollen in Zukunft ASVG-Richtsätze als Maßstab gelten. Diese sind wesentlich höher (ASVG: für eine Einzelperson: 663 E, für Ehepaare: 1.030 E. pro Kind zusätzlich 70,56 E: Sozialhilferichtsatz Wien: Paar mit Kind: 693,05 E ). Die neuen Einkommensgrenzen bauen für alle Drittstaatsangehörigen, die sich legal niederlassen oder ihre Niederlassung verlängern wollen, neue Hürden auf. Auch die Österreichische Rektorenkonferenz kritisiert die Anhebung der Richtsätze, da sie für ausländische Studierende eine Erhöhung der Nachweispflicht um etwa 30 % bewirkt und somit ein unnötiges Mobilitätshindernis schaffen könnte.

Zusätzlich soll in Zukunft der Unterhaltsanspruch als Einkommen nicht nur nach dessen Rechtsgrundlage, sondern auch nach der tatsächlichen Höhe und der tatsächlichen Leistung beurteilt werden. Damit werden Ausländerinnen, deren Ex-Gatten bzw die Kindsväter die Einhaltung der Unterhaltspflicht verweigern, bestraft, indem ihnen der legale Aufenthalt verweigert oder weggenommen wird (Unterhaltsvorschuß gilt nicht als Einkommen für einen Aufenthaltstitel, niedrige oder fehlende Unterhaltsleistung durch den Kindsvater vermindert das Einkommen für einen Aufenthaltstitel).

 

- Nachgezogene Familienmitglieder von niedergelassenen AusländerInnen bleiben durch ihr Aufenthaltsrecht nicht nur weiterhin jahrelang vom Zusammenführenden abhängig, es wird auch noch eingeführt, dass ihr Aufenthaltsrecht ohne ihr Wissen untergehen kann, wenn der Aufenthaltstitel des Zusammenführenden nicht mehr besteht. Mit dem neuen Terminus des Untergehens von Aufenthaltstiteln wird eine neue Situation geschaffen, in der der Aufenthaltstitel auch ohne Ungültigerklärung und vor allem ohne Kenntnis der Betroffenen (und also auch ohne Berufungsmöglichkeit) erlischt. Gleichzeitig sind hohe Verwaltungsstrafen für unbefugten Aufenthalt, aber auch für Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt bis zur Freiheitsstrafe vorgesehen!

 

- Der Rechtsanspruch auf Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels nach fünfjährigem Aufenthalt und bei Vorliegen der Voraussetzungen wird abgeschafft und in eine Kann-Bestimmung verwandelt, was eine massive Rücknahme von bereits erreichten Standards und die Wiedereinführung von Ermessensentscheidungen betreffend unbefristeter Aufenthaltstitel bedeutet.

 

- Obwohl viel Energie in die Verschärfung von Bestimmungen gegen AusländerInnen geflossen ist, wurde auf der anderen Seite kaum an Rechte und Rechtsschutz für AusländerInnen gedacht, z.b. für die Opfer von Menschenhandel. Das völlige Fehlen von Bestimmungen zum Schutz für die Opfer von Menschenhandel steht im Widerspruch zur vorhandenen EU-Richtlinie 2004/81/EG und zu der in Verhandlung befindlichen Anti-Trafficking-Konvention des Europarates.

 

- Für die Familienzusammenführung wird als Voraussetzung ein Mindestalter von 18 Jahren eingeführt mit dem Argument, so Zwangsehen vorzubeugen. Das Vorhaben, ein Mindestalter von 21 Jahren einzuführen (Ministerialentwurf) wurde zwar verworfen, aber auch die neue Voraussetzung stellt eine Verschärfung dar. Der Verweis der Regierung auf die EU-Richtlinie betreffend Familienzusammenführung läuft ins Leere, da die Richtlinie nicht die Einführung eines Mindestalters vorschreibt, sondern besagt, dass Mitgliedsstaaten ein Mindestalter für Familienzusammenführung vorsehen können, das allerdings höchstens 21 Jahre betragen darf. Aber auch beim Argument gegen Zwangsehen gibt es ein großes Problem: Wenn die Regierung vorgibt, mit dieser Bestimmung Zwangsehen bis 18 Jahre zu verhindern, was passiert dann mit anderen mutmaßlichen Zwangsehen, z.B. nach dem Alter von 18 Jahren?

 

- Bei den Erteilungsvoraussetzungen für die Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen kommt erschwerend hinzu, dass der betreffende Ausländer die sogenannte Integrationsvereinbarung erfüllt haben muss.

 

- Bei der Haftungserklärung (früher Verpflichtungserklärung) wird vorgeschrieben, dass sie mindestens fünf Jahre gültig sein muss. Wie auch die Rektorenkonferenz in ihrer Stellungnahme anmerkt, können diese und andere sehr restriktive Bestimmungen zur Haftungserklärung ua zu einer nicht wünschenswerten Einschränkung der Bildungsmobilität (und der Mobilität allgemein) führen.

 

- Zur sogenannten "Integrationsvereinbarung"

Auch mit dieser Novelle hält die Regierung am gescheiterten Zwangskonzept zur Sprachvermittlung fest. Statt das nötige bundesweite Netz von leistbaren Alphabetisierungs- und Sprachkursen mit Kinderbetreuung aufzubauen - was seit der Einführung der "Integrationsvereinbarung" nicht getan wurde - erweitert die Regierung einfach den Kreis der zu Verpflichtenden und erhöht den Stundenausmaß von 100 auf 300 Stunden. Auch diese Zwangsbestimmungen werden allerdings nicht zum Erwerb von Sprachkenntnissen führen.

 

Die meisten Ausnahmen von der Integrationsvereinbarungspflicht werden abgeschafft. Ausgenommen sind nur mehr AusländerInnen, die schriftlich erklären, dass ihre Niederlassung die Dauer von 12 Monaten innerhalb von 24 Monaten nicht überschreiten soll; Personen, die zum Zeitpunkt der Erfüllungspflicht unmündig sind oder denen aufgrund ihres hohen Alters oder ihres Gesundheitszustandes die Erfüllung nicht zugemutet werden kann, Schlüsselkräfte und ihre Familienangehörigen und besondere Führungskräfte. Nicht mehr ausgenommen sind also Schulpflichtige(!), begünstigte Drittstaatsangehörige von EU-BürgerInnen ua. Außer der Ausnahmegruppen werden alle Drittstaatsangehörigen, die sich länger als ein Jahr in Österreich aufhalten wollen, zum Eingehen einer Integrationsvereinbarung - die allerdings aufgrund des Zwangscharakters keine Vereinbarung ist - verpflichtet.

 

Das im Begutachtungsentwurf vorgesehene Kostenbeteiligungssystem zwischen Bund, Ländern, ArbeitgeberInnen und den Betroffenen für die vorgesehenen Module wurde von der Bundesregierung wieder verworfen, ArbeitgebervertreterInnen und die Bundesländer haben sich im Rahmen des Begutachtungsverfahrens offensichtlich erfolgreich aus der vorgesehenen Kostenbeteiligung herausreklamiert. Geblieben ist allerdings die Zwangsverpflichtung der betroffenen EinwanderInnen zur Kostenbeteiligung.

 

- Das Vorliegen einer „Aufenthaltsehe“ und „Aufenthaltsadoption“ wird ein Ausschließungsgrund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Da die Definitionen von "Scheinehe" und "Scheinadoption" allerdings ungestimmt sind, ist zu erwarten, dass Fremdenpolizeibehörden einfach nach ihrem Eindruck, dass "ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK nicht geführt wird", sogenannte "Scheinehen" und "Scheinadoptionen" "feststellen" werden und die Aufenthaltsbehörde daraufhin Aufenthaltstitel verweigern wird.

 

Gesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS)

 

- Zur Errichtung einer Außenstelle des UBAS in Linz

Die Aufstockung der Zahl der UBAS-Senatsmitglieder und allgemein des Personals des UBAS sind sehr zu begrüßen und wurde von den Grünen seit Jahren gefordert. Allerdings bleibt weiter fraglich, ob das Ausmaß der Ressourcenaufstockung ausreichend ist, um dem Ziel der Verkürzung der Verfahrensdauer im Asylverfahren gerecht zu werden.

Nicht nachvollziehbar ist, warum die Aufstockung durch die Errichtung einer Aussenstelle des UBAS in Linz erfolgt. Nötig ist vielmehr, dass die Aufstockung von UBAS-Senatsmitgliedern und weiterem Personal allein dem bisherigen UBAS zugute kommt. Sollte eine Aussenstelle errichtet werden, erhöht dies den Personalbedarf abermals. Nach Auskünften der Innenministerin im Innenausschuss ist allerdings eine weitere Aufstockung nicht geplant.

 

- Zu erweiterten Befugnissen des Disziplinaranwalts

Der schon derzeit bestehende Disziplinaranwalt des UBAS erhält mit dem Beschluss des neuen UBAS-Gesetzes weitestgehende Befugnisse wie z.B. Erstattung von Disziplinaranzeigen an die Vollversammlung und Beschwerdeerhebung an den Verwaltungsgerichtshof gegen die Entscheidung der Vollversammlung. Der vom Innenministerium zu bestellende Disziplinaranwalt soll offensichtlich – ausgestattet mit neuen Befugnissen – die Geschwindigkeit der Verfahrensführung und Aktenerledigung von unabhängigen UBAS-Senatsmitgliedern nicht nur kontrollieren, sondern auch bis zum Höchstgericht Beschwerden über diese erheben können. Damit wird die bisherige Regelung, dass gegen Entscheidungen der Vollversammlung des UBAS kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist und auch kein außerordentliches Rechtsmittel vorgesehen war, abgeschafft. Diese Bestimmungen sind alarmierende Zeichen für den Versuch, die Unabhängigkeit von UBAS-Senatsmitgliedern durch die Androhung von Disziplinaranzeigen durch den Disziplinaranwalt auszuhöhlen.