1080 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (1059 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden und

über den Antrag 525/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, das die Überprüfung des Ermessens gem. § 35 Abs. 2 SMG in den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 11a StPO aufnimmt

Der vorliegende Entwurf enthält Änderungen der StPO, des StAG und des Tilgungsgesetzes.

Anlässlich der Beschlussfassung des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, am 26. Februar 2004 hat der Nationalrat die Entschließung „Verbesserung des Opferschutzes“ (43/E der Beilagen, XXII. GP) einstimmig verabschiedet. Der Bundesminister für Justiz wird in ihr um Prüfung ersucht, inwieweit die durch das Strafprozessreformgesetz geschaffenen Verbesserungen der Opferrechte bereits vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes in die bis Ende 2007 geltende Strafprozessordnung (StPO) eingebaut werden können, um diese Vorteile bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu verwirklichen und dem Nationalrat eine entsprechende Regierungsvorlage zuzuleiten. Der vorliegende Entwurf versteht sich als Umsetzung dieser Entschießung. Durch ihn sollen die dringlichsten Verbesserungen im Bereich der Verbesserung der Opferrechte ohne allzu große Eingriffe in die Systematik der bis Ende 2007 geltenden StPO aufgenommen werden. Dabei wird soweit wie möglich auf die Balance mit der Stellung des Beschuldigten Rücksicht genommen. Die Begriffe halten sich an die Sprache der geltenden StPO.

Das bereits derzeit vom Bundesministerium für Justiz geförderte Institut der Prozessbegleitung soll noch vor dem 1. Jänner 2008 eine gesetzliche Grundlage erhalten und darauf gestützt eine flächendeckende Versorgung mit Einrichtungen der Prozessbegleitung gewährleistet werden. Darüber hinaus sollen weitere durch das Strafprozessreformgesetz geschaffene Verbesserungen der Opferrechte bereits in die bis Ende 2007 geltende StPO eingebaut werden, wobei darauf geachtet werden soll, keine allzu großen Eingriffe in deren Systematik und die zu Grunde liegende Balance der Rechte der Verfahrensbeteiligten vorzunehmen. Der geltende Gesetzestext soll daher so weit wie möglich beibehalten und die wesentlichen Verbesserungen in diesen integriert werden. Insbesondere sollen Informations- und Verständigungspflichten der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Personen ausgeweitet werden, die durch eine strafbare Handlung in ihren Rechten verletzt wurden. Gerichte und Staatsanwaltschaften sollen verpflichtet werden, diese Personen stets mit Achtung und Würde zu behandeln.

Die Abgeordneten Mag, Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen haben am 10. Feber 2004 den gegenständlichen Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„§ 35 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG) ordnet die Zurücklegung einer Anzeige wegen Erwerbs oder Besitzes einer geringen Menge von Suchtmittel zum eigenen Gebrauch an. § 35 Abs. 2 SMG legt es in das Ermessen der Staatsanwaltschaft (und des Gerichtes - § 37 SMG), ob bei sonstigen Verstößen gegen § 27 oder § 30 SMG (also z.B. Erwerb und Besitz nicht ausschließlich zum eigenen Gebrauch, sondern auch Weitergabe wie Mitrauchenlassen, Erwerb von mehr als der geringen Menge). Wenn der Staatsanwalt/die Staatsanwältin und das Gericht (§ 37 SMG) im Falle des Erwerbs oder Besitzes einer geringen Menge zum eigenen Gebrauch die Anzeige nicht zurücklegt, kann dies durch ein Rechtsmittel bekämpft werden.

Wenn hingegen das Erstgericht im Falle des § 35 Abs. 2 SMG eine Zurücklegung ablehnt, kann dies nach der Rechtsprechung des OGH nicht durch ein höheres Gericht überprüft werden (OGH 29.10.2002, 14 Os 93/02 sowie 28.11.2002, 15 Os 110/02).

Dies führt zu dem unbefriedigenden Zustand, dass die in Österreich bestehenden etwa 140 Bezirksgerichte letztinstanzlich darüber entscheiden, in welchen Fällen eine diversionelle Erledigung durch Zurücklegung nach § 35 Abs. 2 SMG erfolgt. Dies widerspricht einem Grundsatz im österreichischen Rechtssystem, dass in Rechtsfragen prinzipiell die Höchstgerichte, zumindest aber Rechtsmittelinstanzen angerufen werden können. Eine einheitliche Rechtsprechung ist wegen der Häufigkeit der Fälle erstrebenswert.

Die über die vorläufige Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft (§ 35 ff SMG) und die vorläufige Einstellung durch das Gericht (§ 37 SMG) sind Sonderbestimmungen für eine diversionelle Erledigung. Sie ist bereits 1997 mit dem Suchtmittelgesetz geschaffen worden, bevor die Diversion im Jahr 1999 im österreichischen Strafprozessrecht generell eingeführt wurde. Bei Einführung der allgemeinen Diversionsbestimmungen im IXa. Hauptstück der StPO wurden die Nichtigkeitsgründe nur hinsichtlich der neuen generellen Diversionsbestimmungen ergänzt. Die älteren Sonderbestimmungen im SMG wurden hingegen nicht berücksichtigt, was zu den oben ausgeführten Defiziten im Rechtsschutz geführt hat.

Als Lösung des Problems schlagen wir daher vor, die Nichtanwendung der §§ 35 Abs. 2 oder 37 SMG als Nichtigkeitsgrund in § 281 Abs. 1 Z 10a StPO normieren „wenn nach dem IXa. Hauptstück oder nach §§ 35 Abs. 2 und 37 SMG vorzugehen gewesen wäre“.

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage und den Antrag 525/A in seiner Sitzung am 20. September 2005 in Verhandlung genommen.

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer berichtete zur Regierungsvorlage, Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits zum Antrag 525/A.

An der Debatte beteiligten sich außer den Berichterstattern die Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Dr. Helene Partik-Pable, Mag. Ruth Becher, Mag. Elisabeth Grossmann und Dr. Johannes Jarolim sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger und die  Ausschussobfrau  Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pable und Mag. Dr, Maria Theresia Fekter einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Artikel I Z 7 und 8

Eingriffe in die gefestigte Auslegung der Nichtigkeitsgründe nach der Rechtssprechung des OGH will der Justizausschuss auf das notwendige Ausmaß reduzieren. Die Formulierung der durch die Regelung der Diversion im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz notwendigen Änderung der §§ 281 Abs. 1 Z 10a und 345 Abs. 1 12a StPO soll daher auf den bisherigen Wortlaut zurückgeführt werden.

Zu Artikel II

Zu Z 1

Die Änderung des Art. 88a B-VG und § 65a RDG (Erhöhung des Anteil der Sprengelrichter von 2 auf 3 Prozent) soll auch auf staatsanwaltschaftlicher Ebene nachvollzogen werden, wobei diese Änderung zur Vermeidung einer mehrfachen Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes in dieses Vorhaben aufgenommen werden soll. Insoweit ist auch keine Verfassungsänderung erforderlich, weil keine Verfassungsbestimmung die Ernennung von Staatsanwälten auf „bestimmte“ Stellen vorsieht. Durch die Anhebung des zulässigen Anteils von Sprengelstaatsanwälten von 5 auf 6 Prozent soll in den Oberstaatsanwaltschaftssprengeln Graz und Linz mit derzeit jeweils rund 40 Staatsanwaltsplanstellen der Einsatz von maximal zwei Sprengelstaatsanwälten ermöglicht werden. Im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck bleibt es bei einem Sprengelstaatsanwalt, im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien könnten statt bisher maximal vier nunmehr fünf Planstellen zur Ernennung von Sprengelstaatsanwälten herangezogen werden.

Zu Z 2 und 3

Mit dem Berufsrechtsänderungsgesetz für Notare und Rechtsanwälte 2005 (BMJ-B16.800/0004-I 6/2005) soll der Elektronische Rechtsverkehr (ERV) ausgeweitet und auf  eine neue Grundlage gestellt werden; in diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, den ERV auch für eine verbesserten und beschleunigte Kommunikation mit den Staatsanwaltschaften verfügbar zu machen.

Zu Artikel III Z 1 und 2

Diese Änderungen betreffen bloß technische Anpassungen an das mittlerweile im BGBl kundgemachte Fremdenrechtspaket (siehe Artikel 12, BGBl. I Nr. 100/2005).“

Weiters brachte die Abgeordnete Bettina Stadlbauer einen Abänderungsantrag zur Strafprozessordnung ein.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrags  Dr. Helene Partik-Pable und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter einstimmig angenommen. Der Abänderungsantrag Bettina Stadlbauer wurde teilweise angenommen.

Der Antrag 525/A ist miterledigt.

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2005 09 20

Mag. Heribert Donnerbauer Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

       Berichterstatter                     Obfrau