Minderheitsbericht
gemäß § 42 Abs. 4 GOG
der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion
durch die Abgeordneten Riepl
und GenossInnen
zur
Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein
Beschäftigungsförderungsgesetz (BeFG) erlassen wird sowie das
Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das
Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das
Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das
Dienstleistungsscheckgesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und das
Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (1075 dB)
Für die
Sozialdemokratische Parlamentsfraktion sind grundsätzlich alle Maßnahmen, die
erfolgreich zu einer Senkung der Arbeitslosenrate beitragen und eine
Reintegration in den Arbeitsmarkt gewährleisten, zu begrüßen.
Mit dem in der
Regierungsvorlage enthaltenen Kombilohnmodell wird diesen Anforderungen jedoch
nicht entsprochen.
Im
gegenständlichen Fall handelt es sich um die Subventionierung von schlecht
bezahlten Tätigkeiten, nach denen am freien Markt wenig Nachfrage besteht.
ArbeitgeberInnen werden durch diese Vorgangsweise in ihrem Festhalten an
unterdurchschnittlicher Bezahlung bestärkt und das Anbieten von
Niedriglohnarbeitsplätzen ist aus sozialdemokratischer Sicht nicht
förderungswürdig.
Wie den
Erläuterungen zu entnehmen ist, soll dieses Modell Arbeitslose zur Annahme von
ansonsten schlecht entlohnten Arbeitsverhältnissen – vor allem im Bereich von
(einfachen) Bürotätigkeiten und im Handel – motivieren. Diese Lohnstützung
führt möglicherweise dazu, dass Unternehmen bereits bestehende
Arbeitsverhältnisse lösen, um die für sie nunmehr „billigeren“ Arbeitslosen
einzustellen.
Generell ist
festzuhalten, dass der Ansatz, dass eine Förderung der Beschäftigung im
Niedriglohnsektor sich – laut Vorblatt der Erläuterungen zur Regierungsvorlage
– positiv auf die Beschäftigung und die Wohlfahrtssituation in Österreich
auswirken wird, verfehlt ist. Es kann nicht Ziel der Maßnahme sein, den
Niedriglohnsektor zu fördern und weiter auszubauen, um ohnedies benachteiligte
Personengruppen langfristig in diesem zu integrieren. In diesem Zusammenhang
ist auch auf die Situation von Frauen hinzuweisen, die gehäuft in
Beschäftigungsverhältnissen im Niedriglohnsektor tätig sind und von einer
solchen Verfestigung vermehrt betroffen wären.
Die
Benachteiligung von Frauen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt in mehreren
Dimensionen (Zugang zu existenzsichernder Beschäftigung, Aufstiegschancen,
Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern, Vereinbarkeit von
Familienarbeit und Beruf) gehört zu den massivsten Strukturproblemen auf dem
österreichischen Arbeitsmarkt.
Frauen haben es
besonders schwer, ihr Interesse an eigenständiger Existenzsicherung durch
unselbstständige Erwerbstätigkeit auf dem österreichischen Arbeitsmarkt
umzusetzen. Obwohl auf den ersten Blick auch die bereinigte Beschäftigungsstatistik
einen Zuwachs an Beschäftigung suggeriert, zeigt sich bei genauerer Analyse,
dass der Zuwachs an registrierter Beschäftigung nur durch eine deutliche
Ausweitung der Teilzeitarbeit zulasten von Vollzeitarbeitsplätzen erreicht
wurde.
Im Wesentlichen wird
das auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vorhandene und in den letzten Jahren
zurückgehende Arbeitsvolumen auf immer mehr ArbeitnehmerInnen verteilt, anstatt
dass es durch geeignete Maßnahmen ausgebaut würde.
Folgerichtig ist
die Teilzeitarbeit in Österreich schnell angestiegen und liegt die
Teilzeitquote in Österreich mit knapp 23% (2004) deutlich über dem
EU-Durchschnitt. Teilzeitarbeit ist aber höchst ungleich zwischen den
Geschlechtern verteilt. Während die Teilzeitquote bei den Männern noch deutlich
unter 10% liegt, wird sie in absehbarer Zeit bei den Frauen die 50%-Marke
erreichen. Generell haben es daher immer mehr erwerbsinteressierte Personen
immer schwerer, durch Beschäftigung eine eigenständige Existenzsicherung zu
erreichen. Vor allem für Frauen wird dies zu einem immer öfter nicht mehr
realisierbaren Ziel.
Diese Entwicklung
wird bereits in der Sozialhilfestatistik der Länder sichtbar, so sind z.B.
bereits rund 15% der Sozialhilfe-EmpfängerInnen in Wien unselbstständig
erwerbstätig. Gleichzeitig zeigen die Arbeitsmarktdaten, dass die Beschäftigung
in Niedriglohn-Branchen wie Reinigung, Tourismus, Handel, persönliche
Dienstleistungen überwiegend weiblich ist.
Vor diesem
Hintergrund will nun die Regierung ein Modell zur Förderung der Beschäftigung
schaffen, das neben einer Lohnstützung für Arbeitnehmer auch noch aus einer
Lohnnebenkostensubvention für Betriebe, die Niedriglohn-Arbeitsplätze anbieten,
besteht.
Als Motiv für den
Gesetzesvorschlag nicht ausgesprochen, aber durch die Konstruktion des
vorgeschlagenen Kombilohn-Modelles jedenfalls bewirkt wird eine Erhöhung des
Arbeitsplatzangebotes in den so genannten „Niedriglohn-Sektoren“. Das
vorgeschlagene Modell dient somit nicht nur zur Förderung der Beschäftigung von
so genannten „benachteiligten Personengruppen“ auf Niedriglohn-Arbeitsplätzen,
sondern mindestens ebenso sehr zur Förderung der Erhöhung der Zahl von
Niedriglohn-Arbeitsplätzen in Österreich.
Aufgrund der
Anreizwirkung der Lohnsubvention ist damit zu rechnen, dass ein Großteil der
neu geschaffenen Niedrigstlohn-Arbeitsplätze durch Aufspaltung von
Ganztagsstellen oder Teilzeitstellen mit relativ höherer Stundenanzahl in
förderbare „Minijobs“ erfolgt.
Darüber hinaus
haben Entwicklungen, die zur Herausbildung neuer bzw. zur Verfestigung und
Ausdehnung von Arbeitsfeldern im Niedriglohnsektor führen, nachweislich zu
einer Verschlechterung der Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt geführt. Der
massive Anstieg von Ausgaben im Sozial- und Gesundheitsbereich steht in
direktem Zusammenhang mit diesen Entwicklungen.
Außerdem wird
bemerkt, dass die Förderung der Arbeitgeber genau mit 15 vH
festgeschrieben wird, jene der Arbeitnehmer jedoch von der Richtlinie des AMS
abhängen soll (max. 50 % des Arbeitslosengeldbezugs, Entgeltobergrenze
1.000 Euro). Da die Höhe der Förderung in den einzelnen Bundesländern
unterschiedlich ausfallen kann, könnte es zu einer Ungleichbehandlung der
Arbeitnehmer kommen. Nicht einsichtig ist in diesem Zusammenhang, warum
Arbeitgeber gerade in jenen Bereichen, in denen die Lohnkosten schon im
untersten Bereich angesiedelt sind, direkt mittels einer finanziellen Beihilfe
gefördert werden sollen.
Aus dieser
Regelung ergeben sich für die betroffenen Zielgruppen keine Perspektiven, dass
es nach der Förderphase zur Vollzeitbeschäftigung, höherem Einkommen bzw.
Weiterbeschäftigung kommt.
Nach den
Erläuterungen sollen insbesondere Jugendliche unter 25 Jahren von der Maßnahme
betroffen sein. Eine solche Maßnahme ist nur dann sinnvoll, wenn sie der
besseren beruflichen Qualifizierung von Jugendlichen dient, um ihnen die
Integrierung auf dem Arbeitmarkt zu ermöglichen. Es kann nicht Ziel dieser
Maßnahme sein, gerade Jugendliche in schlecht qualifizierten Berufen
langfristig zu beschäftigen.
Aus
sozialdemokratischer Sicht ist es beschäftigungs- und sozialpolitisch nicht
hinnehmbar, dass junge Menschen am Anfang ihrer Erwerbskarriere über das
Kombilohn-Modell in eine nur mehr äußerst schwer reversible, hochprekäre
Berufs- und Einkommenskarriere „hineingefördert“ werden sollen.
Bei dieser
Zielgruppe sind Investitionen in Qualifikation und in manchen Fällen in
persönliche und soziale Stabilisierung angezeigt, um das Potenzial dieser
jungen Menschen für den österreichischen Arbeitsmarkt voll aufzuschließen und
die Chancen der Betroffenen auf eine erfolgreiche Berufskarriere mit
angemessener Einkommensentwicklung verbessern zu können.
Sie über die
Beschäftigung auf Niedrigstlohn-Arbeitsverhältnisse de facto von einer Teilhabe
am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt auszugrenzen, kann weder
wirtschafts- noch sozial- und gesellschaftspolitisch hingenommen werden.
In etwas
abgestufter Art gelten diese Argumente auch für die Zielgruppe der über
45-jährigen Langzeitarbeitslosen – auch diese Personen haben noch bis zu 20 Jahre
Verbleib auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen und brauchen dafür die notwendige
Unterstützung statt eines „Parkens“ auf Niedrigstlohn-Arbeitsplätzen.
Das Absenken des
Lohnniveaus und der gezielte Aufbau von Niedriglohn-Sektoren kann aber nicht
als geeigneter Weg erscheinen, die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen
Volkswirtschaft im Binnenmarkt bzw. im globalen Zusammenhang zu erhöhen.
Vielmehr dürfte
diese Kombilohn-Regelung dem EU-Wettbewerbs- und Beihilfenrecht widersprechen.
Denn die Lohnsubvention könnte eine verbotene staatliche Beihilfe darstellen.
Darüber hinaus werden kleine und mittlere Betriebe benachteiligt, weil bereits
jetzt beschäftigte ArbeitnehmerInnen gekündigt und auf Basis des
Kombilohnmodells neu eingestellt werden können, derartige Maßnahmen von
größeren Betrieben auch bedenkenlos zu ihrem Vorteil gesetzt werden und KMUs
einschlägigen Studien zufolge ihre Personalstände zu halten versuchen.
Die
Sozialdemokratische Parlamentsfraktion lehnt aus all diesen Überlegungen die
mit dieser Regierungsvorlage vorgestellte Lohnsubvention für Betriebe im Rahmen
der Kombilohnförderung ab.
Ulrike
Königsberger-Ludwig Erika
Scharer Dr.
Richard Leutner
Franz
Riepl Mag.
Christine Lapp