1101 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 670/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

Die Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Barbara Prammer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 7. Juli 2005 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„1. zu § 11a:

Abs. 1: Aufgrund des hohen Alters vieler Antragstellender und der länger als ursprünglich erwarteten Bearbeitungsdauer der Anträge an den Fonds soll die Möglichkeit bestehen, im Laufe des Jahres 2006 mit der Erbringung vorläufiger Leistungen als Vorschüsse auf die endgültig zuzuerkennenden Leistungen zu beginnen. Die Erbringung vorläufiger Leistungen bleibt hierbei an die Voraussetzungen der §§ 11 (Verzichtserklärung) und  44 (Abweisung von Klagen, sog. „Rechtssicherheit“) geknüpft.

Abs. 2: Vorläufige Leistungen sollen nur erfolgen, nachdem alle in den Vereinigten Staaten am 30. Juni 2001 anhängigen Klagen gegen Österreich oder österreichische Unternehmen, die sich aus oder im Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus oder dem Zweiten Weltkrieg ergeben, abgewiesen worden sind. Vorläufige Leistungen sollen nur an Antragstellende ergehen, über deren Antrag eine zumindest teilweise positive Entscheidung ergangen ist, die nicht mehr bekämpft werden kann.

Abs. 3: Vorläufige Leistungen sollen den insgesamt dem oder der Antragstellenden auszubezahlenden Betrag nicht übersteigen. Zur Vermeidung wenig wünschenswerter "Bagatellvorauszahlungen" kann ein Mindestbetrag festgesetzt werden, bei dessen Unterschreitung keine Vorauszahlung erfolgt. Eine sinnvolle Mindesthöhe könnte bei USD 500 liegen.

2. zu § 16 Abs 1:

Die Möglichkeit einer Entscheidung über Forderungen aufgrund entzogener Versicherungspolizzen hängt von Recherchen ab, deren Durchführung mitunter erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Um die rasche Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl bearbeiteter und somit durch vorläufige Leistungen auszahlbarer Fälle jedenfalls sicherzustellen, bekommt das Antragskomitee (aufgrund der damit verbundenen Verwaltungskosten als ultima ratio) die Möglichkeit, im Forderungsverfahren über Versicherungspolizzen mit getrenntem Beschluss zu entscheiden. Eine gleichartige Norm für das Billigkeitsverfahren ist nicht erforderlich, da mangels näherer Vorschriften über die Entscheidungsfindung dort diese Möglichkeit ohnehin besteht.

3. zu § 17:

Dies sichert die Bekämpfbarkeit und damit die Rechtskraft von Teilentscheidungen gemäß § 16 Abs 1.

4. zur Streichung des § 21:

Die Bemessung von Billigkeitszahlungen pro Haushalt hat sich als ein juristisch schwer fassbares, legistisch unzureichend definiertes und administrativ nur unter erheblichem Aufwand durchführbares Konzept erwiesen. § 21 des EF-G idgF sieht darüber hinaus sogar vor, dass Billigkeitszahlungen nicht nur pro (historischem) Haushalt bemessen, sondern auch pro (historischem) Haushalt geleistet werden sollen. Dies ist undurchführbar. Die Haushaltsgemeinschaften gemäß der Definition des § 21 Abs. 2 EF-G idgF. setzen sich oftmals aus Personen zusammen, die, aus unterschiedlichen Erdteilen kommend, unabhängig voneinander Anträge gestellt haben, in denen sie sich auf gemeinsame Vorfahren oder Vorfahren, die in häuslicher Wohngemeinschaft iSd. § 21 EF-G idgF. gelebt haben, beziehen. Die Leistungserbringung kann also aus praktischen Gründen lediglich pro Antragsteller und nicht pro Haushalt erfolgen.

Die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen (zB Eigentum des Geschädigten an der Sache, deren Entzug etc) erfolgt zwangsläufig personen- und nicht haushaltsbezogen. Der "Haushalt" wird letztlich zu einer, das Verfahren massiv komplizierenden, bloßen Verrechnungseinheit, die eine mehr oder minder zufällige Umverteilung der für das Billigkeitsverfahren zur Verfügung stehenden Mittel bewirkt, an deren Gesamtsumme sich dadurch nichts ändert. Alle Verluste, die zu jeweils einem "Haushalt" gehören müssen jeweils aus dem Gesamtbestand von über 19.000 Akten extrahiert werden, um danach wieder einzelne Anteile der Billigkeitszahlung auf die bezughabenden Antragsteller aufteilen zu können.

Die Streichung des § 21 zeitigt also in dem Sinne keinerlei nachteilige Folgen, dass kein Antragsteller, der bei aufrechtem § 21 eine/keine Auszahlung erhalten hätte, nun keine/eine Auszahlung erhält. Die Summe der ausgeschütteten Mittel bleibt gleich. Die Änderung ist somit, soweit dies die Auszahlungen des Fonds betrifft aufkommensneutral.

5. zu § 29:

Die Schiedsinstanz für Naturalrestitutionen des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus hat ersucht, die Frist für die Einbringung von Anträgen an die Schiedsinstanz bis 31. Dezember 2006 zu verlängern. Dieses Ersuchen wird insbesondere damit begründet, dass einige Gebietskörperschaften erst im Laufe des Jahres 2004 die Schiedsinstanz zur Prüfung von Anträgen von Naturalrestitution von öffentlichen Vermögen eingesetzt haben bzw. die Schiedsinstanz erst Ende 2004 von solchen Beschlüssen informiert wurde. Weiters erscheint es möglich, dass noch weitere Gemeinden die Schiedsinstanz zur Prüfung von Anträgen auf Naturalrestitution von öffentlichen Vermögen einsetzen wollen, auch wenn aufgrund der bisherigen Erfahrung der Schiedsinstanz nicht davon auszugehen ist, dass die Anzahl der zu erwartenden weiteren Anträge hoch ist. Mit der Fristverlängerung bis 31. Dezember 2006 soll jedenfalls auch klar demonstriert werden, dass seitens Österreichs alle notwendigen Voraussetzungen zur Umsetzung der im Entschädigungsfondsgesetz und im „Washingtoner Agreement“ verankerten umfassenden Lösungen geschaffen werden. Im Hinblick auf die möglichst rasche Erfüllung aller im Entschädigungsfondsgesetz vorgesehenen Maßnahmen ist zu unterstreichen, dass diese Fristverlängerung bis 31. Dezember 2006 die letzte Fristverlängerung ist.

6. zur Streichung des § 37 Abs. 3:

Gem § 37 Abs. 3 EF-G idgF. ist vorgesehen, dass Verfügungen über öffentliches Vermögen erst nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 29 EF-G erfolgen können. Diese Bindung des zuständigen Ministers hinsichtlich der Rückstellung erscheint im Zusammenhang mit der bei der Erlassung des Gesetzes nicht absehbaren Fristverlängerung nunmehr kontraproduktiv, da das weitere Hemmnis einer Rückstellung, nämlich die Rechtssicherheit, wahrscheinlich in Bälde wegfällt. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat die Schiedsinstanz bereits eine Rückstellungsempfehlung (Weihburggasse 30) ausgesprochen. Eine weitere Verzögerung der Rückstellung an die Antragsteller wäre sowohl für die Antragsteller als auch den jetzigen Eigentümer, das Arbeitsmarktservice, bedauerlich.

Die Schiedsinstanz regt daher an, mit der Fristverlängerung auch gleichzeitig den § 37 Abs. 3 EF-G zu streichen.“

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 22. September 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin die Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Mag. Terezija Stoisits, Herbert Scheibner, Mag. Walter Posch, Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Andreas Khol und DDr. Erwin Niederwieser.

Bei der Abstimmung wurde der im Initiativantrag enthaltene Gesetzentwurf mehrstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2005 09 22

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer          Dr. Peter Wittmann

    Berichterstatterin                  Obmann