VORBLATT
Problem:
Es gab bisher kein
universelles multilaterales Übereinkommen über die Staatenimmunität; im Rahmen
des Europarats besteht das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität
(BGBl. Nr. 432/1976), dem aber neben Österreich nur sieben weitere Staaten
angehören. Die Staatengemeinschaft war deshalb weitgehend auf
Völkergewohnheitsrecht angewiesen.
Ziel:
Ziel des
Übereinkommens ist die Regelung der Frage der Staatenimmunität auf universeller
Ebene im Sinne der relativen oder beschränkten Immunität, wonach Staaten vor
allem für privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte keine Immunität vor fremden
Gerichten genießen.
Inhalt:
Das Übereinkommen
stellt eine Kodifikation des bestehenden völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts
hinsichtlich der Staatenimmunität im Bereich des Zivilrechts dar; es betrifft
nicht den strafrechtlichen Bereich, was auch in Z 2 der Resolution
A/RES/59/38 der
VN-Generalversammlung festgehalten wird. Das Übereinkommen geht vom Grundsatz
der Immunität fremder Staaten von der Zivilgerichtsbarkeit aus (Art. 5),
führt aber eine Reihe wichtiger Bereiche an, in denen die Staatenimmunität
nicht beansprucht werden kann (z.B. bei privatwirtschaftlichen
Rechtsgeschäften, Arbeitsverträgen, Personen- und Sachschäden usw.;
Art. 10 ff.). Für die Staatenimmunität von Zwangsmaßnahmen sieht es
gesonderte Regelungen vor (Art. 18 ff.).
Alternativen:
Die Anwendung der
Bestimmungen des Übereinkommens als Völkergewohnheitsrecht. Aus Gründen der
Rechtssicherheit ist jedoch die Ratifikation des vorliegenden Übereinkommens
eindeutig vorzuziehen.
Auswirkungen
auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:
Grundsätzlich
keine, jedoch wird durch die Ratifikation des Übereinkommens mehr
Rechtssicherheit hinsichtlich der Klagsmöglichkeiten von Privaten gegen fremde
Staaten, die sich privatwirtschaftlich in Österreich betätigen, geschaffen, was
sich positiv auf den Wirtschaftsstandort auswirken könnte.
Finanzielle
Auswirkungen:
Keine.
Verhältnis
zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:
Die
Rechtsvorschriften der Europäischen Union werden vom vorliegenden Übereinkommen
nicht berührt.
Besonderheiten
des Normerzeugungsverfahrens:
Zustimmung des
Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.
Sonderkundmachung
gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG.
Allgemeiner
Teil
Das Übereinkommen
der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von
der Gerichtsbarkeit hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und
bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den
Nationalrat. Es enthält keine verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden
Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren
Anwendbarkeit im innerstaatlichen
Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß
Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch das
Übereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder
geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß
Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.
Entstehungsgeschichte
Die Immunität
fremder Staaten vor inländischen Gerichten, d.h. die völkerrechtliche Regel,
wonach fremde Staaten inländischen Gerichten nicht unterworfen sind, hat im 20.
Jahrhundert gravierende Änderungen erfahren. Die ursprüngliche Regel sah eine
absolute Immunität vor, abgeleitet von der souveränen Gleichheit der Staaten
und dem Prinzip „par in parem non habet imperium“ (sh. RV 870
der BlgNR, XIII. GP, 37 ff). Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde aber
diese Regel, wonach Staaten Immunität für alle ihnen zurechenbare Akte
genießen, aus unterschiedlichen Gründen immer mehr eingeschränkt: Zum einen
wurden die Staaten immer mehr im privatwirtschaftlichen Bereich tätig, zum
anderen konnten sie etwa keinen Zugang zu Bankkrediten mehr erhalten, sofern
diese nicht gerichtlich einklagbar waren, und schließlich kam ihnen kraft ihrer
Immunität eine von den privaten Wirtschaftstreibenden unterschiedliche Stellung
im Wirtschaftsleben zu, so dass die Wettbewerbsgleichheit gestört wurde.
Schon vor dem
Zweiten Weltkrieg verweigerten einige nationale Gerichte (z.B. in Belgien und
Italien) aus diesen Gründen Staaten eine umfassende, absolute Immunität und
unterwarfen sie der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit, soweit sie
privatwirtschaftlich tätig geworden waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde
insbesondere die Entscheidung des österreichischen OGH vom 10. Februar 1962,
JBL 1962, 43 ff, in diesem Sinne richtungweisend. Doch war dieser Ansatz,
wonach den Staaten Immunität lediglich für acta iure imperii, also
hoheitliche Tätigkeiten, nicht jedoch für acta iure gestionis, also
privatwirtschaftliche Tätigkeiten, zukommen sollte, noch nicht im universellen
Rahmen akzeptiert. Selbst soweit die Theorie der relativen Immunität akzeptiert
war, bestand noch keine Einigkeit über die Abgrenzung zwischen den hoheitlichen
und den privatwirtschaftlichen Akten. Vor allem zwei Kriterien wurden zur
Abgrenzung herangezogen: das Kriterium der Natur des Aktes, wonach der Staat
keine Immunität genießen sollte, soweit er Akte wie Private setzte;
andererseits das Kriterium des Zwecks, wonach es sich dann um einen
hoheitlichen Akt handelte, wenn dieser in Verfolgung eines hoheitlichen Zwecks
gesetzt wurde.
Es bestanden zwar
immer wieder Versuche einer rechtlichen Regelung dieser Materie durch einen
völkerrechtlichen Vertrag, doch blieb dies erst auf Tätigkeiten privater
Organisationen beschränkt - so z.B. durch das Institut de Droit International
seit 1891 (Jahrbuch des Instituts für Internationales Recht, Bd 45 (II) (1954),
293 ff), die Harvard Universität (American Journal of International Law 26
(1932) Suppl., 43 ff) wie auch die International Law Association (Report on the
45th Conference 1952, VI ff). Lediglich in einem speziellen Bereich gelang eine
vertragliche Regelung durch das Brüsseler Internationale Übereinkommen zur
einheitlichen Regelung über die Immunitäten der Staatsschiffe vom 10. April
1926 (samt Zusatzprotokoll vom 24. Mai 1934).
Eine umfassende,
jedoch regional beschränkte Regelung gelang durch das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972,
das im Rahmen des Europarates ausgearbeitet worden war (sh. RV 870
der BlgNR, XIII. GP, 33 f). Für Österreich, das die Initiative zu
diesem Übereinkommen gesetzt hatte, trat es, nachdem es von Österreich und zwei
anderen europäischen Staaten (Belgien und Zypern) ratifiziert worden war, am
11. November 1976 in Kraft (BGBl. Nr. 432/1976). Allerdings blieb der
Geltungsbereich beschränkt, da es lediglich von insgesamt acht Staaten
ratifiziert worden war.
Auf universeller
Ebene nahm sich die International Law Commission (ILC), ein Hilfsorgan der
Vereinten Nationen und dessen hauptsächliches Kodifikationsorgan, dieser
Materie an. Bereits 1949 erachtete sie das Thema der Staatenimmunität als
kodifikationswürdig, doch ersuchte die Generalversammlung erst 1977 die ILC,
die Kodifikation in die Wege zu leiten. Zum Berichterstatter wurde Sompong
Sucharitkul bestellt, der aufgrund von acht Berichten Artikelentwürfe
ausarbeitete, die von der ILC in der ersten Lesung angenommen und im Jahre 1986
der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Stellungnahme vorgelegt
wurden. Für die darauf folgende zweite Lesung bestellte die ILC Motoo Ogiso zum
Berichterstatter, der aufgrund von drei Berichten die bestehenden
Artikelentwürfe im Lichte der Kommentare der Staaten und der weiteren
Diskussion der ILC überarbeitete. Im Jahre 1991 nahm die ILC die
Artikelentwürfe über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums
an und legte sie der Generalversammlung zusammen mit einer Empfehlung vor, eine
Konferenz zur Finalisierung des Übereinkommens einzuberufen. Die
Generalversammlung setzte jedoch erst eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von
Calero Rodiguez ein, um wesentliche Probleme, die durch die Artikelentwürfe
aufgeworfen waren, einer Lösung zuzuführen, bevor eine Konferenz einberufen
würde. Diese Konsultationen, die jeweils in den Jahren 1992 – 1994 im Rahmen
der 6. Kommission der Generalversammlung durchgeführt wurden, konnten zwar die
Hauptprobleme identifizieren, jedoch keine Lösung herbeiführen. In diesen
Erörterungen kristallisierten sich folgende fünf Bereiche als Hauptprobleme
heraus: die Definition des Staates, das Kriterium zur Abgrenzung der acta
iure gestionis von den acta iure imperii, die staatlichen
Unternehmen, Arbeitsverträge sowie die Vollstreckung. In der weiteren Folge
suspendierte die Generalversammlung die Diskussionen und ersuchte die Staaten
um weitere Stellungnahmen und Informationen über die Praxis. Im Jahre 1997
beschloss sie, eine neue Arbeitsgruppe zum Zweck der Ausarbeitung eines
allgemein akzeptablen Textes einzusetzen, in deren Arbeit Anregungen der ILC zu
den fünf Hauptproblemen sowie Kommentare der Staaten über neue Praxis
einfließen sollten. Die ILC bildete im Jahre 1998 eine Arbeitsgruppe unter der
Leitung des österreichischen ILC-Mitglieds Univ. Prof. Dr. Gerhard Hafner, den
Botschafter Chusei Yamada als Berichterstatter unterstützte. Diese
Arbeitsgruppe arbeitete Anregungen in Form von Alternativvorschlägen zu den
fünf Hauptproblemen aus. Im folgenden Jahr bildete die Generalversammlung eine
Arbeitsgruppe der 6. Kommission wieder unter der Leitung von Prof. Hafner.
Angesichts der Schwierigkeiten, zu einem akzeptablen Vertragstext zu gelangen,
ging die Arbeitsgruppe ursprünglich davon aus, lediglich ein „Model Law“ oder
überhaupt nur Prinzipien auszuarbeiten, die jedoch den allgemeinen Konsens über
die relative Immunität reflektieren hätten sollen. Diese Verhandlungen wurden
in den folgenden Jahren weitergeführt, zuerst in der Arbeitsgruppe, später in
einem Ad-Hoc Komitee der Generalversammlung mit gleich bleibendem Vorsitz.
Gleichzeitig wurde auch innerhalb der EU versucht, bei den genannten Problemen
eine Einigung zumindest innerhalb der EU zu erwirken, da selbst unter diesen
Staaten unterschiedliche Positionen hiezu bestanden hatten. Im Jahre 2003
gelang es, die Widerstände gegen ein Übereinkommen unter der Bedingung zu
überwinden, dass einigen Artikeln eigene Interpretationen („Understandings“)
hinzugefügt wurden. Im Jahre 2004 gelang eine Einigung über die Verbindung
dieser Interpretationen mit dem Übereinkommenstext, wurden die Schlussartikel
formuliert und der Text im Ad hoc Komitee angenommen, so dass er im Oktober
2004 dem 6. Komitee zur Annahme vorgelegt werden konnte. Das 6. Komitee nahm ohne
Abstimmung diesen Text als Annex zu einer Resolution an, in der vorgeschlagen
wurde, dieses Übereinkommen ab 17. Jänner 2005 für einen Zeitraum von zwei
Jahren am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung
aufzulegen. Die Resolution wurde Anfang Dezember 2004 vom Plenum der
Generalversammlung als Resolution A/RES/59/38 ohne Abstimmung angenommen. Am
ersten Tag der Unterzeichnungsfrist unterzeichneten Marokko und Österreich
dieses Übereinkommen.
Zur Resolution
A/RES/59/38 ist anzumerken, dass sie im Sinne von Art. 31 des Wiener
Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK), BGBl. Nr. 40/1980, als
Bestandteil des für die Auslegung des Übereinkommens relevanten Zusammenhangs
anzusehen ist. Sie enthält Klarlegungen über den Anwendungsbereich des
Übereinkommens sowie einen Verweis auf die Erklärung des Vorsitzenden des Ad
Hoc Komitees, welche weitere erläuternde Aussagen zum Anwendungsbereich
enthält. Diese Erklärung (A/C.6/59/SR.13) zählt ebenfalls zu dem für die
Auslegung relevanten Zusammenhang gemäß Art. 31 WVK, da die Resolution in
ihrer Präambel ausdrücklich auf diese Erklärung verweist („Taking into
account the statement of the Chairman of the Ad Hoc Committee introducing
the report of the Ad Hoc Committee“). Somit ist der Annahmeakt unmittelbar mit
dieser Erklärung verbunden.
Das Übereinkommen
besteht aus sechs Teilen (Teil I: Einleitung, Teil II: Allgemeine Grundsätze,
Teil III: Verfahren, in denen Berufung auf Staatenimmunität nicht möglich ist,
Teil IV: Staatenimmunität von Zwangsmaßnahmen im Zusammenhang mit gerichtlichen
Verfahren, Teil V: Verschiedene Bestimmungen, Teil VI: Schlussbestimmungen)
sowie einer Anlage, die einen integrierenden Teil des Übereinkommens bildet.
Die Übersetzung
des Übereinkommens in die deutsche Sprache wurde auf der Basis eines von
Deutschland übermittelten Übersetzungsentwurfs von Vertretern Österreichs,
Deutschlands und der Schweiz in Wien fertig gestellt. Bis auf wenige Ausnahmen
konnte eine gemeinsame Übersetzung erarbeitet werden.
Besonderer
Teil
Zur
Präambel:
Präambulärparagraph
1 hält fest, dass die Immunität der Staaten ein Grundsatz des Völkerrechts und
als solche allgemein anerkannt ist, woraus zu schließen ist, dass die Fälle, in denen keine Immunität gewährt
wird, eine Einschränkung dieses Grundsatzes darstellen. Schon in der ILC war
das Grundsatz-Ausnahmeverhältnis umstritten; dieser Paragraph bestätigt, dass
die Fälle der Nichtgewährung der Immunität als Ausnahme restriktiv zu
interpretieren sind.
Präambulärparagraph
2 verweist auf die Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen, in deren
Rahmen auch die Staatenimmunität zu interpretieren ist.
Präambulärparagraph
3 erklärt die Motivationen, die diesem Übereinkommen zugrunde liegen: Stärkung
der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit, da durch dieses Übereinkommen
Zweifel über die Gewährung und das Ausmaß der Immunität beseitigt werden, und
durch die dadurch gewonnene Vorhersehbarkeit für größere Stabilität gesorgt
wird.
Präambulärparagraph
4 verweist indirekt darauf, dass die Frage der Staatenimmunität einer
bestimmten Entwicklung unterlag, die bei der Ausarbeitung des Übereinkommens
berücksichtigt wurde.
Präambulärparagraph
5 bestätigt die Weitergeltung des Völkergewohnheitsrechts für nicht durch das
Übereinkommen geregelte Fragen. Dies betrifft unter anderem Fragen der
Rechtsstellung von ausländischen Truppen im Inland.
Zu Teil I:
Einleitung
Teil I legt den
generellen Anwendungsbereich des Übereinkommens sowie die Bestimmung von in
diesem Übereinkommen verwendeten Begriffen fest.
Zu
Art. 1:
Dieser Artikel
bestimmt den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens: Es bezieht sich
auf die Immunität der Staaten und ihres Vermögens und umfasst lediglich die
Immunität von der Gerichtsbarkeit. Entsprechend des Kommentars der ILC
erstreckt sich jedoch die Immunität gemäß diesem Übereinkommen auch auf
Verwaltungsakte, soweit sie mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in Beziehung
stehen (ILC Report 1991, 11).
Diese Bestimmung
des sachlichen Geltungsbereiches ist jedoch im Zusammenhang mit den Artikeln zu
lesen, die anderen Regeln Vorrang einräumen (vgl. die Art. 3 und 26),
sowie den Erklärungen darüber, welche Bereiche von diesem Übereinkommen nicht
erfasst werden (sh. die Erläuterungen zu Art. 3). Insbesondere wurde schon
im Kommentar der ILC festgestellt, dass diese Artikel sich nicht auf
strafrechtliche Verfahren beziehen. Dies wurde auch in der Resolution, mit der
die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen annahm,
bestätigt (Resolution A/RES/59/38). Wie im Allgemeinen Teil der Erläuterungen
ausgeführt, ist diese Resolution im Sinne von Art. 31 WVK als Bestandteil
des für die Auslegung des Übereinkommens relevanten Zusammenhangs anzusehen.
Zu
Art. 2:
Dieser Artikel
enthält die Begriffsbestimmungen mit der Geltung für dieses Übereinkommen.
Zu
Abs. 1:
Zu
lit. a:
Der Begriff des
Gerichts hängt von der Auslegung des Begriffs „richterliche Aufgaben“ ab, deren
Umfang von der jeweiligen Rechtsordnung eines Staates abhängt. Darunter fällt
jedenfalls auch das Ergreifen von Vollstreckungsmaßnahmen, unabhängig davon, ob
diese von gerichtlichen oder administrativen Organen getroffen werden.
Generelles Merkmal der richterlichen Tätigkeit ist die Unabhängigkeit und
Weisungsfreiheit.
Zu
lit. b:
Der Begriff des
Staates hat in den Verhandlungen größere Probleme hervorgerufen. Für den Staat,
seine Organe (i) wie auch seine Vertreter (iv) stellen sich kaum Probleme, da
sie im Namen des Staates handeln.
Es stellt sich
jedoch das Problem, dass für die Bereiche der Immunität der Umstand zu
berücksichtigen ist, dass die verschiedenen Teile des Staates als eigene
Rechtspersonen nach innerstaatlichem Recht rechtlich tätig werden, z.B.
privatwirtschaftliche Verträge abschließen. Gerichtliche Verfahren werden dann
gegen diese einzelnen Rechtsträger angestrengt. Aus diesem Grund ist es
notwendig festzulegen, dass auch einzelne andere Einrichtungen als seine Organe
und Vertreter, selbst wenn sie als eigene Rechtsubjekte handeln, als Teil des
Staates anzusehen sind. Sie genießen dann jene Immunität, die dem Staat
insgesamt zukommt, sofern sie Hoheitsgewalt ausüben.
Eine besondere
Rolle kommt in Bundesstaaten den Gliedstaaten (in Österreich: Bundesländer) zu,
da diese aus eigener Hoheitsgewalt handeln (in eigenem Wirkungsbereich).
Während das Europäische Übereinkommen hiefür nur dann Immunität vorsieht, wenn
der Gesamtstaat eine entsprechende Erklärung abgegeben hat, so geht dieses
Übereinkommen davon aus, dass auch die Gliedstaaten wie der Gesamtstaat
Immunität genießen, soweit sie berechtigt sind, Hoheitsgewalt auszuüben. Dies
gilt auch für andere Gebietskörperschaften, soweit sie in eigenem Namen zu
handeln berechtigt sind (z.B. Gemeinden).
Zu lit c:
Die relative Immunität ist insbesondere von der
Diskussion um die Kriterien geprägt, die die acta iure imperii von jenen
iure gestionis abgrenzen, für die grundsätzlich keine Immunität gewährt
wird. In der Staatenpraxis werden zwei unterschiedliche Kriterien angewendet:
entweder die Natur des Aktes, wonach ein
Staat keine Immunität genießt, wenn er wie eine Privatperson handelt
(z.B. privatwirtschaftliche Verträge abschließt), oder der Zweck des Aktes,
wonach der Staat dann Immunität genießt, wenn der Akt hoheitlichen Zwecken
dient. Dieses Problem verhinderte lange Zeit eine Einigung auf einen
gemeinsamen Übereinkommenstext. Das jeweilige Kriterium wurde insbesondere
damit in Verbindung gebracht, ob es zum Vorteil des kontrahierenden Staates
oder Unternehmens sei. Dem Zweckkriterium wurde vorgeworfen, dass es subjektive
Elemente enthalte. Vor allem in der anglo-amerikanischen Gerichtspraxis erwies
sich aber, dass die Gerichte die unterschiedlichsten Kriterien anwendeten,
weshalb das Institut de Droit International eine Liste von möglichen Kriterien
zur Lösung dieser Frage anführte (sh. die Diskussion in ILC Reports 1999). Die
Arbeitsgruppe der ILC schlug im Jahre 1999 u.a. auch vor, auf eine Definition
der Kriterien überhaupt zu verzichten, zumal lit. c) bereits eine Anzahl
von Vertragstypen als privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte bezeichnet (i -
iii), so dass einer generellen Definition nur mehr beschränkte Bedeutung
zukäme. Die Staatengemeinschaft hielt jedoch eine derartige Definition für
notwendig, wie sie in Abs. 2 enthalten ist.
Zu
Abs. 2:
Die Formulierung
des Kriteriums zur Abgrenzung der acta iure imperii von jenen iure
gestionis geht von der Natur des Aktes aus, wie es der österreichischen
Judikatur sowie dem Europäischen Übereinkommen entspricht (vgl. Art. 7).
Jedoch kommt das Kriterium des Zwecks dann zum Tragen, wenn die Parteien des
Rechtsgeschäfts dies vereinbart haben oder dies der Praxis des Gerichtstaates
entspricht. Somit können die kontrahierenden Parteien dies entweder bereits im
Vertrag oder durch die Wahl des Gerichtsortes bzw. -staates selbst
bestimmen. Für beide
kontrahierenden Parteien ist es somit vorhersehbar, welches Kriterium in einem
Verfahren tatsächlich zur Anwendung kommen wird. Erklären die Parteien ein
österreichisches Gericht für zuständig, so kommt unter den gegenwärtigen
Umständen das Kriterium der Natur des Aktes zur Anwendung, soweit sie nicht in
ihrem Vertrag selbst schon etwas anderes bestimmt haben. In diesem Fall wendet
das österreichische Gericht, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht, das
Kriterium des Zweckes an. Da diese Bestimmung keine stringente Verpflichtung
zur Berücksichtigung des Zweckkriteriums enthält (arg: „soll“ im englischen
Text „should“), geht zwingendes österreichisches Recht vor.
Zu
Abs. 3:
Die in diesem
Artikel enthaltenen Begriffsbestimmungen gelten nur für dieses Übereinkommen.
Sie gelten weder für andere völkerrechtliche Akte noch für Bereiche des
innerstaatlichen Rechts, soweit sich dieses nicht aus der innerstaatlichen
Anwendung dieses Übereinkommens ergibt.
Zu
Art. 3:
Dieser Artikel
grenzt die von diesem Übereinkommen erfasste Immunität von anderen Immunitäten
ab. Dies gilt für die diplomatische Immunität, die im Wesentlichen auf dem
Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961 (WDK), BGBl.
Nr. 66/1966, beruht, sowie für die konsularische Immunität, die im
Wesentlichen durch das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen
(WKK), BGBl. Nr. 318/1969, geregelt ist. Andere hier relevante Regelungen
sind etwa das Übereinkommen über Ad Hoc Missionen von 1969, die Übereinkommen
über Privilegien und Immunitäten verschiedener internationaler Organisationen
oder die Amtssitzabkommen (z.B. das Amtssitzabkommen zwischen Österreich und
der UNIDO etc.). In den Bereich dieser Immunitäten fallen nicht nur die
Missionen und Vertretungen, sondern auch die diesen angehörenden Personen.
Wenn auch
Art. 26 anderen Übereinkommen, die Immunitäten regeln, den Vorrang vor
diesem Übereinkommen einräumt, ist Art. 3 schon deswegen notwendig, weil
diese Immunitäten auch auf Völkergewohnheitsrecht beruhen. Dies gilt auch für
die Immunität, die völkerrechtlich für staatliche Luftfahrzeuge und
Weltraumobjekte (sh. das Übereinkommen über die völkerrechtliche Haftung für
Schäden durch Weltraumgegenstände 1972, BGBl. Nr. 162/1980) eingeräumt
ist.
Ein besonderes
Problem stellt die Beziehung der in diesem Übereinkommen geregelten Immunität
zu jenen Immunitäten dar, die staatliche Organe ratione personae
genießen. Art. 3 nennt lediglich die Immunität, die den Staatsoberhäuptern
in ihrer persönlichen Eigenschaft schon kraft Völkergewohnheitsrecht zukommt. In der Praxis kommt
jedoch auch anderen höheren Staatsorganen (z.B. Regierungschefs, Außenminister)
eine derartige Immunität zu (vgl. das Urteil des Internationalen Gerichtshofs
im Arrest Warrant Fall, ICJ Reports 2004, para 51: “The Court would
observe at the outset that in international law it is firmly established that,
as also diplomatic and consular agents, certain holders of high-ranking office
in a State, such as the Head of State, Head of Government and Minister for
Foreign Affairs, enjoy immunities from jurisdiction in other States, both civil
and criminal.”). Der Kommentar
der ILC zu dieser Bestimmung geht auch davon aus, dass neben dem
Staatsoberhaupt auch andere höherrangige Staatsorgane derartige Immunität
genießen; er verzichtete aber auf eine Aufzählung, da eine erschöpfende Liste
dieser Organe nicht erstellt werden konnte und dies der Entwicklung des
Völkerrechts anheim gestellt ist (ILC Report 1991, 36). Die Erklärung des
Vorsitzenden des Ad Hoc Ausschusses, in dem der Text des Übereinkommens fertig gestellt
wurde, Prof. Hafner, bestätigt diese Interpretation, da er feststellte: „Thus,
for example, the express mention of heads of State in article 3 should not be
read as suggesting that the immunity ratione personae of other state officials
was affected by the Convention.“ (A/C.6/59/SR.13, para. 37). Bei der Auslegung des Übereinkommens ist diese
Erklärung ebenso wie die Resolution A/RES/59/38 im Sinne des Art. 31 WVK
zu beachten (sh. dazu die Ausführungen im Allgemeinen Teil der Erläuterungen).
Zu
Art. 4:
Art. 4 ist
von Art. 28 WVK betreffend die Nichtrückwirkung inspiriert und legt den
zeitlichen Anwendungsbereich fest. Er bestimmt, dass dieses Übereinkommen nur
für jene Verfahren gilt, die nach Inkrafttreten des Übereinkommens für die
betreffenden Staaten begonnen wurde. Dadurch wird die Immunität dieses
Übereinkommens zu einem bloßen Verfahrenshindernis, da sie nicht vom Zeitpunkt
jenes Aktes abhängt, der Gegenstand des Verfahrens ist.
In dieser Hinsicht
entspricht diese Regelung dem Art. 35 Abs. 1 und 2 des Europäischen
Übereinkommens, enthält jedoch nicht die dort in Abs. 3 enthaltene
zusätzliche zeitliche Beschränkung, wonach das Europäische Übereinkommen auch
nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, die vor seinem Inkrafttreten gesetzt
wurden.
Von diesem Artikel
sind aber sonstige, auf anderen völkerrechtlichen Verträgen oder auf
Völkergewohnheitsrecht beruhende Immunitäten unberührt.
Zu Teil II:
Allgemeine Grundsätze
Teil II bestimmt den Grundsatz der Staatenimmunität und legt auch fest,
welche Handlungen eines Staates einen Verzicht auf die Immunität implizieren.
Zu Artikel
5:
Diese
Kernbestimmung legt das grundlegende Prinzip der Staatenimmunität fest, wonach
Staaten aus dem völkerrechtlichen Grundsatz „par in parem non habet
imperium“ heraus vor fremden Gerichten nicht geklagt werden können wie auch
ihr Vermögen keiner Vollstreckung unterliegt, sofern nicht dieses Übereinkommen
davon Ausnahmen vorsieht (arg „nach Maßgabe dieses Übereinkommens“). Es handelt
sich bei diesem Grundsatz bereits um eine Regel des allgemeinen
Völkergewohnheitsrechts, wie es sich durch die Annahme dieses Übereinkommens in
der Generalversammlung der Vereinten Nationen ohne Votum, d.h. durch einen
Konsensus, bestätigte.
Zu
Art. 6:
Zu
Abs. 1:
Diese Bestimmung
definiert die Substanz der Immunität und verpflichtet den Staat, dafür zu
sorgen, dass seine Gerichte ex officio die Immunität feststellen. Es
wird auf diese Weise auch gesichert, dass der Staat nicht ausdrücklich die
Immunität einwenden muss, damit sie gewährt werden kann. Doch setzt diese
Bestimmung die Feststellung der Zuständigkeit des Gerichts voraus, damit und
bevor Immunität gewährt werden kann.
In Österreich ist
hiefür Art. IX EGJN maßgebend, worin jedoch Gerichtsbarkeit und Immunität
gleichgesetzt werden (RGBl. Nr. 110/1895 idF BGBl. I
Nr. 140/1997). Das Gericht ist verpflichtet, selbst festzustellen, ob
Immunität vorliegt; im Zweifel hat es hierüber die Erklärung des BMJ
einzuholen. Allerdings ist es wegen des verfassungsrechtlich verankerten
Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art. 94 B-VG) an diese
Erklärung rechtlich nicht gebunden (sh. EvBL 2001/139). Gemäß § 42 JN hat
das Gericht seine Unzuständigkeit in jedem Stand des Verfahrens wahrzunehmen
sowie im Fall der Immunität die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens
auszusprechen.
Zu
Abs. 2:
Das Verfahren, in
dem die Immunität zur Geltung kommt, ist dann begonnen, wenn der Staat im Sinne
des Art. 2 als Partei im Verfahren benannt ist. Allerdings kommt die
Immunität auch dann zur Geltung, wenn der Staat zwar nicht ausdrücklich als
Partei im Verfahren benannt ist, er jedoch in seinen Rechten betroffen sein
kann oder das Verfahren zumindest auf die Beeinträchtigung seiner Rechte
abzielt. Damit ist auch sichergestellt, dass der Staat in jeglichem Verfahren
vor einem ausländischen Gericht Immunität genießt, selbst wenn er bloß implizit
in das Verfahren involviert ist.
Zu
Art. 7:
Zu
Abs. 1:
Die wichtigste
Ausnahme von der Immunität ergibt sich aus der ausdrücklichen Unterwerfung
eines Staates unter die Gerichtsbarkeit eines anderen Staates durch seine
Zustimmung, wodurch es dem Staat verwehrt ist, seine Immunität einzuwenden.
Diese Immunitätseinschränkung steht neben den Fällen, in denen die Immunität ipso
iure nicht zur Geltung kommt, wie z.B. bei den privatwirtschaftlichen Akten
(sh. z.B. Art. 10).
Bei Vorliegen
dieser Zustimmung kann das Gericht dem Staat gegenüber handeln, als sei es eine
Privatperson (jedoch mit gewissen Besonderheiten wie z.B. betreffend die
Vorrechte während des Verfahrens, siehe Art. 24). Diese vorliegende
Bestimmung verpflichtet jedoch nicht den Staat, seine Gerichtsbarkeit
auszuüben, sondern räumt ihm diesbezüglich nur das Recht dazu ein, das durch
andere innerstaatliche oder völkerrechtliche Regeln wieder beschränkt sein kann.
Eine generelle
Zustimmung genügt nicht, sondern es muss ersichtlich sein, dass der Staat
hinsichtlich der bestimmten anhängigen Sache auf die Immunität verzichtet hat
(arg: „hinsichtlich dieser Sache oder dieses Falles ausdrücklich“). Dieser
Verzicht kann erfolgen durch einen völkerrechtlichen Vertrag (lit. a),
durch einen Vertrag zwischen den im Verfahren verfangenen Parteien oder durch
eine Erklärung vor dem Gericht (die auch mündlich sein kann) oder eine
schriftliche Mitteilung. Die Zustimmung muss durch jenes Organ erfolgen, das
zum Abschluss dieser Abkommen oder der Verträge bzw. zur Abgabe dieser
Erklärung gehörig befugt ist. In einem Verfahren, in dem ein Gliedstaat eines
Bundesstaates involviert ist, kann der Immunitätsverzicht aufgrund eines
zwischenstaatlichen Abkommens zwischen dem anderen Staat und dem Gerichtsstaat,
eines Vertrages zwischen diesem Gliedstaat und der anderen Verfahrenspartei
oder einer Erklärung des Gliedstaates vor dem betreffenden Gericht erfolgen.
Zu
Abs. 2:
Die Zustimmung zur
Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates (sog. Rechtswahl) bedeutet nicht
die Zustimmung zur Ausübung dessen Gerichtsbarkeit.
Zu
Art. 8:
Zu
Abs. 1:
Eine implizite
Zustimmung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ergibt sich daraus, dass der Staat
sich freiwillig an einem Verfahren beteiligt. Dies kann dadurch erfolgen, dass
er das Verfahren selbst anhängig gemacht hat, sich als Intervenient beteiligt
oder sonst zur Hauptsache eingelassen hat. Lit. b, zweiter Satz, berücksichtigt
die Möglichkeit, dass der Staat erst später Informationen über seine Immunität
erhält. In diesem Fall kann er die Immunität geltend machen, muss dies jedoch
bei der frühestmöglichen Gelegenheit einwenden.
Zu
Abs. 2:
In manchen
Staaten, insbesondere in „common law“ - Staaten, kann eine Gerichtentscheidung,
z.B. eine actio in rem, Wirkungen für Dritte haben. Dem Staat ist in
solchen Fällen die Möglichkeit gewahrt, seine Immunität geltend zu machen, ohne
dass diese Geltendmachung schon als Einlassung in das Verfahren gilt. Es gilt
nicht als Einlassung in die Hauptsache (Abs. 1), wenn sich der beklagte
Staat unter Berufung auf seine Immunität gegen die Ausübung der Gerichtsbarkeit
zur Wehr setzt. Gleichermaßen steht ihm das Recht zu, in einem Verfahren, in
dem er nicht Partei ist, sein Recht an dem Vermögen nachzuweisen, das
Verfahrensgegenstand ist, ohne dass er damit auf seine Immunität verzichtet.
Bringt er jedoch eine Klage hinsichtlich dieses Vermögens ein, so ist dies mit
dem Verlust der Immunität verbunden.
Zu Abs. 3:
Gleichermaßen
verliert ein Staat nicht schon dadurch seine Immunität, dass sein Vertreter als
Zeuge vor dem Gericht eines anderen Staates erscheint. Diese Regelung
beeinträchtigt jedoch nicht die Immunitäten, die Vertreter von Staaten aufgrund
anderer völkerrechtlicher Regeln genießen, wie z.B. aufgrund der diplomatischen
oder konsularischen Immunitäten (vgl. Art. 31 Abs. 2 WDK oder
Art. 44 Abs. 1 WKK sowie die Amtssitzabkommen).
Zu
Abs. 4:
Entsprechend der
allgemeinen Regel, dass das Gericht selbst die Immunität wahrzunehmen hat, kann
auch die bloße Nichtbeteiligung an einem Verfahren nicht schon als implizite
Zustimmung zur Gerichtsbarkeit ausgelegt werden, wobei diese Nichtbeteiligung
sowohl beabsichtigt wie auch unbeabsichtigt erfolgen kann. Da ein Staat nicht
gezwungen werden kann, sich der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates zu
unterwerfen, kann auch ein Versäumnisurteil nicht ergehen, sofern nicht
festgestellt ist, dass schon aufgrund anderer Regeln Immunität nicht gewährt
ist (sh. Art. 23).
Zu
Art. 9:
Zu
Abs. 1:
Der freiwilligen
Einlassung in ein gerichtliches Verfahren kommt die Erhebung einer Widerklage
gleich. Dies gilt in mehreren Richtungen: Wenn der Staat ein Verfahren
einleitet und gegen ihn Widerklage aus demselben Rechtsverhältnis oder
Sachverhalt wie die Erstklage erhoben wird, kann er sich nicht auf Immunität
berufen.
Zu
Abs. 2:
In gleichem Sinn
kann sich ein Staat, der einem Verfahren als Intervenient beitritt, bei einer
Widerklage gegen ihn aus demselben Rechtsverhältnis oder Sachverhalt heraus
nicht auf die Immunität berufen. Allerdings gilt das Handeln als amicus
curiae nicht als derartiger Verzicht auf die Immunität.
Zu
Abs. 3:
Wenn ein Staat in
einem Verfahren gegen ihn selbst eine Widerklage erhebt, dann kann er sich
weder im Verfahren der Widerklage noch im Hauptverfahren auf die Immunität
berufen; das Erheben der Widerklage gilt als impliziter Verzicht auf die
Immunität.
Zu Teil III:
Verfahren, in denen Berufung auf Staatenimmunität nicht möglich ist
Während Teil II jene Fälle regelt, in denen der Staat explizit oder
implizit auf seine Immunität verzichtet, behandelt Teil III jene Fälle, in
denen der Staat schon ipso iure keine Immunität genießt.
Zu
Art. 10:
Zu Abs. 1:
Diese Bestimmung legt den Grundsatz fest, dass sich ein Staat bei
Vornahme eines privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäfts im Sinne von Art. 2
in einem Verfahren aus diesem Rechtsgeschäft nicht auf die Immunität berufen
kann. Voraussetzung ist, dass das ausländische Gericht nach seinem Internationalen
Privatrecht (einschließlich des internationalen Verfahrensrechts) zuständig
ist, wofür unterschiedliche Anknüpfungspunkte bestehen (z.B. Ort des
Vertragsabschlusses etc.). Sachlich ist diese Bestimmung jedoch auf
Rechtsgeschäfte mit ausländischen natürlichen oder juristischen Personen
beschränkt, so dass Rechtsgeschäfte eines Staates mit natürlichen oder
juristischen Personen seiner eigener Staatsangehörigkeit (zur „ausländischen“
juristischen Person sh. § 10 IPR-Gesetz) davon nicht erfasst sind, selbst
wenn ein ausländisches Gericht zuständig sein sollte.
Zu Abs. 2:
Die in Abs. 1 bestimmte Regelung gilt jedoch nicht bei einem
Rechtsgeschäft zwischen Staaten, selbst wenn dieses privatwirtschaftlicher
Natur ist sowie bei einer gegenteiligen Vereinbarung zwischen den am
Rechtsgeschäft beteiligten Parteien. Die erstgenannte Einschränkung reflektiert
die Praxis etwa von Entwicklungsländern, Abkommen mit anderen Staaten über
Nahrungshilfe als privatrechtliche Rechtsgeschäfte abzuschließen. Die Finanzierung
derartiger Hilfe kann lediglich durch Gewährung der Immunität gesichert werden.
Die zweitgenannte Einschränkung entspricht auch dem Vorrang der
Willensübereinstimmung der am Rechtsgeschäft Beteiligten in der Definition der
privatwirtschaftlichen Tätigkeit in Art. 2, da auch dort die Parteien
selbst bestimmen können, dass das Zweckkriterium zur Anwendung gelangen soll.
Dem Staat ist es freigestellt, mit seinem Vertragspartner jede andere Art der
Streitbeilegung zu vereinbaren.
Zu Abs. 3:
Die Frage der staatlichen Unternehmen und ihrer rechtlichen Stellung hat
große Schwierigkeiten in der Ausarbeitung des Übereinkommens verursacht. Sie
resultierten insbesondere daraus, dass die Verhandlungen über das Übereinkommen
in einer Zeit erfolgten, als das Wirtschaftssystem vor allem der früheren
kommunistischen Staaten großen Änderungen unterworfen wurde, die auch die
staatlichen Unternehmen betrafen, da früher rein staatliche Tätigkeiten
privaten Gesellschaften übertragen wurden, an denen der Staat jedoch Eigentum behielt.
Das zweite damit verknüpfte Problem betrifft die Gefahr einer
Unterkapitalisierung dieser Unternehmen; Staaten können versucht sein, die
Kapitaldecke des von ihnen eingerichteten Unternehmens sehr niedrig zu halten,
um sich finanzieller Verpflichtungen leichter zu entziehen, da die Klage nur
gegen das Unternehmen erfolgen würde. Von Seiten größerer Industriestaaten
wurde deshalb im Laufe der Verhandlungen immer urgiert, eine
Durchgriffsmöglichkeit auf den Staat zu verankern, doch traf diese Forderung
auf große Widerstände.
Der in diesem Absatz enthaltene Kompromiss trennt die staatseigenen
Unternehmen vom Staat, sofern sie eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen,
selbständig vor Gericht auftreten können und eigenes Vermögen besitzen oder
darüber verfügen. Verfahren gegen derartige Unternehmen berühren nicht die
Immunität der Staaten, allerdings nur soweit, als sie ihnen zukommt.
Gleichzeitig wurde eine in der Anlage zum Übereinkommen enthaltene Auslegung
dieser Bestimmung (zum Verhältnis zwischen der Anlage und dem Übereinkommen
siehe unter Art. 25) vereinbart, dass „Immunität“ so zu verstehen ist, wie
es dieses Übereinkommen vorsieht, so dass der Verweis in diesem Absatz auf die
Immunität des Staates keine Ausweitung der Immunität mit sich bringt. Außerdem
wurde auch vereinbart, dass dieser Absatz weder die Frage der
Durchgriffshaftung noch Fragen der vorsätzlichen falschen Angabe der
finanziellen Deckung oder der bewussten Unterkapitalisierung beeinträchtigt.
Somit ist etwa in einem Verfahren gegen einen Staat wegen einer
Durchgriffshaftung (sofern dies zulässig ist) die Frage der Immunität nach
diesem Übereinkommen erneut zu beurteilen.
Zu Art. 11:
Arbeitsverträge sind
von der Definition der privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäfte in Art. 2
Abs. 1 lit. c (iii) ausdrücklich ausgenommen, so dass Art. 10
nicht auf Arbeitsverträge anzuwenden ist. Art. 11 bezieht sich auf
Arbeitsverträge mit einem Staat, die zur Gänze oder teilweise im Gebiet eines
anderen Staates - des Gerichtsstaates - durchgeführt werden oder durchgeführt
werden sollen. In einem solchen Fall gibt es drei Parteien, die
unterschiedliche Interessen verfolgen: Der arbeitgebende Staat beschäftigt
Arbeitnehmer außerhalb seines Staatsgebiets, und zwar meist in Einrichtungen
wie diplomatischen oder konsularischen Missionen, Kulturinstitutionen,
Handelsvertretungen, Bildungseinrichtungen, Wirtschaftsunternehmen oder
militärischen Einrichtungen. Eine Überprüfung eines Arbeitsverhältnisses zu
solchen Einrichtungen durch ein Gericht eines anderen Staates könnte implizit
deren interne Struktur und deren - allenfalls hoheitliche - Tätigkeit berühren
und somit die Souveränität des arbeitgebenden Staates verletzen. Der
arbeitgebende Staat hat daher oft ein Interesse an einer möglichst
eingeschränkten Überprüfung solcher Arbeitsverhältnisse. Demgegenüber ist der
Gerichtsstaat daran interessiert, seine Arbeitsgesetzgebung auf seinem gesamten
Gebiet durchzusetzen und vor allem seinen eigenen Staatsbürgern
arbeitsrechtlichen Schutz auch gegenüber anderen Staaten zu gewähren. Für den
Arbeitnehmer wiederum ist eine Klagemöglichkeit am Ort der Durchführung seines
Arbeitsverhältnisses oft günstiger, als den arbeitgebenden Staat vor dessen
eigenen Gerichten zu belangen.
Zu
Abs. 1:
Gemäß dieser Bestimmung
kann sich der arbeitgebende Staat grundsätzlich nicht auf Immunität vor dem Gericht des Ortes der
Durchführung eines Arbeitsverhältnisses berufen. Abs. 2 normiert jedoch
Ausnahmen von diesem Grundsatz. Weiters können der arbeitgebende Staat und der
Gerichtsstaat Immunität des arbeitgebenden Staates vereinbaren.
Zu
Abs. 2:
In der Fassung der ILC
1991 umfasste die Ausnahme des lit. a noch Arbeitnehmer, die mit der
Ausübung von Hoheitsgewalt eng verbundene Aufgaben erfüllen („functions closely
related to exercise of governmental authority“). Darunter fallen nach dem
Kommentar der ILC 1991 unter anderem auch Sekretäre und Übersetzer (ILC Report,
UN Doc
A/46/10, 96). Demgegenüber ist
die Gruppe der Arbeitnehmer in der nunmehrigen Fassung auf solche Arbeitnehmer
eingeschränkt, die bestimmte Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt erfüllen
(„perform particular functions in the exercise of governmental authority“).
Unter Ausübung von Hoheitsgewalt im Sinne dieser Bestimmung ist nicht nur
hoheitliches Handeln im Gegensatz zu privatwirtschaftlichem Handeln des Staates
zu verstehen, sondern jedenfalls auch die Wahrnehmung der in Art. 3 WDK
und Art. 5 WKK definierten Aufgaben diplomatischer und konsularischer
Missionen.
Lit. b gewährt dem arbeitgebenden
Staat Immunität in Streitigkeiten aus Arbeitverhältnissen mit seinem
diplomatischen und konsularischen Personal (i - iv). Die Bestimmung (iv)
bezieht sich nur auf Personen, die diplomatische Immunität genießen, nicht
jedoch auf das Verwaltungs- und technische Personal einer Mission. Letztere
Arbeitnehmer können aber allenfalls unter lit. a subsumiert werden. Die in
der Anlage enthaltene vereinbarte Auslegung zu Art. 11 verweist in diesem
Zusammenhang auf Art. 38 WDK und Artikel 71 WKK, wonach der Empfangsstaat
seine Hoheitsgewalt nur so ausüben darf, dass er die Mission bei der
Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht ungebührlich behindert.
Lit. c gewährt dem
arbeitgebenden Staat Immunität im Fall bestimmter Streitgegenstände, deren Überprüfung durch die Gerichte eines
anderen Staates als Gefahr für die hoheitlichen Rechte eines souveränen Staates
angesehen werden. Die Bestimmung soll gemäß dem Kommentar der ILC 1991 jedoch
keine Immunität in Verfahren gewähren, die auf Entschädigungszahlungen wegen ungerechtfertigter
Entlassung gerichtet sind (ILC Report, UN Doc A/46/10, 100).
Gemäß der in der Anlage
enthaltenen vereinbarten Auslegung zu Art. 11 bezieht sich der Ausdruck
Sicherheitsinteressen in lit. d sowohl auf die Sicherheit des Staates als
auch auf die Sicherheitsinteressen diplomatischer und konsularischer Missionen.
Die Bestimmung des
lit. e zu Staatsangehörigkeit und ständigem Aufenthalt des Arbeitnehmers
unterscheidet sich wesentlich von der diesbezüglichen Regelung des Europäischen
Übereinkommens über die Staatenimmunität. Ständiger Aufenthalt im Gerichtsstaat
oder Staatsbürgerschaft des Gerichtsstaats ist gemäß Art. 11 nicht
Voraussetzung für die Jurisdiktion des Gerichtsstaates, und zwar aufgrund des
Grundsatzes der Nicht-Diskriminierung, wie er auch im EG-Vertrag (Art. 12
EGV) niedergelegt ist.
Gemäß lit. f
können der arbeitgebende Staat und dessen Arbeitnehmer – unter ordre
public-Vorbehalt zugunsten des Gerichtsstaates – Immunität des arbeitgebenden
Staates vereinbaren.
Zu
Art. 12:
Ein Staat kann sich auch dann nicht auf die Immunität berufen, wenn
gegen ihn Zivilklagen wegen Personen- und Sachschäden erhoben werden. Jedoch
gilt dies nur, wenn das schädigende Ereignis dem beklagten Staat zuzurechnen
ist, im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaates stattfand und der Täter/Schädiger
sich dort auch aufhielt. In erster Linie ist hier an Verkehrsunfälle gedacht.
Es kommt hiebei weder darauf an, ob es sich um einen Akt iure imperii
oder iure gestionis handelt, noch, ob der Geschädigte die
Staatsangehörigkeit des Staates besitzt, in dem der Sachverhalt verwirklicht
wurde. Wieweit Schadenersatz gefordert werden kann, hängt schließlich von der lex
loci delicti commissi ab. Allerdings kann hier nur auf Entschädigung in
Geld geklagt werden.
Vorbild für diese Bestimmung ist Art. 11 des Europäischen
Übereinkommens, der in dieser Hinsicht wiederum Art. 10 Z 4 des
Haager Übereinkommens vom 1. Februar 1971 über die Anerkennung und
Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen folgt
(sh. RV 870 der BlgNR, XIII. GP, 43).
Im Zusammenhang mit diesem Artikel wurde auch darauf hingewiesen, dass
einige Staaten den Verlust der Immunität auch für zivilrechtliche Klagen gegen
andere Staaten im Fall von schweren Menschenrechtsverletzungen vorsehen (vgl. z.B.
Section 221 des U.S. Anti-Terrorism and Effective Death Penalty Act of
1996). In den Verhandlungen konnte weder in der ILC noch in der
Generalversammlung die Überzeugung gewonnen werden, dass eine derartige
Einschränkung der Immunität bereits allgemein akzeptiert oder akzeptabel sei.
Dies bestätigte sich auch etwa im Fall Al-Adsani vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (Case of Al-Adsani v. The United Kingdom,
Application no. 35763/9, Urteil vom 21. November 2001). Eine Aufnahme dieser Immunitätseinschränkung
in das Übereinkommen hätte schließlich das gesamte Projekt des Übereinkommens
gefährdet.
Weiters stellte sich auch die Frage, wieweit sich dieses
Übereinkommen auf militärische
Aktivitäten bezieht. Der Kommentar der ILC stellt hiezu fest, dass sich diese
Bestimmung nicht auf „situations involving armed conflicts“ (ILC Report, UN
Doc. A/46/10, 106) beziehe. Anlässlich der Erläuterung des Übereinkommen in der
Generalversammlung der Vereinten Nationen erklärte der Vorsitzende des Ad Hoc
Komitees, Prof. Hafner: „The
general understanding had always prevailed that they were not. In any case,
reference should be made to the Commission’s commentary on article 12, stating
that “neither did the article affect the question of diplomatic immunities, as
provided in article 3, nor did it apply to situations involving armed
conflicts”. It had to be borne in mind that the preamble stated that the rules
of customary international law continued to govern matters not regulated by the
provisions of the Convention.” Die
Resolution, mit der dieses Übereinkommen angenommen wurde (Resolution A/RES/59/38), verweist auf diese Erklärung,
so dass auch diese Aussage Bestandteil des interpretationsrelevanten
Zusammenhangs wurde (sh. dazu die Ausführungen im Allgemeinen Teil der
Erläuterungen).
Zu
Art. 13:
Diese Bestimmung
listet jene Verfahren auf, die sich im Zusammenhang mit dem Vermögen eines
Staates ergeben können und die typisch für die privatwirtschaftliche Verwaltung
sind. Das Verfahren kann sich auf Verfahren gegen einen Staat über
(lit. a) Rechte an unbeweglichem Vermögen (einschließlich Verfahren über
Immissionen, Grundpfandrechte, Besitzstörungen, Bestehen von Miet- und
Pachtverhältnissen) beziehen; Voraussetzung ist, dass sich die Liegenschaft im
Gerichtsstaat befindet. Weiters sind hier einbezogen (lit. b) Verfahren
betreffend Rechte an beweglichem und unbeweglichem Vermögen im Fall einer
Erbschaft, Schenkung oder im Fall von erb- und herrenlosen Vermögen, wobei dies
nicht durch die Belegenheit der Sache im Gerichtsstaat bedingt ist. Schließlich
wird ebenfalls keine Immunität im Fall von Verfahren gegen einen Staat
hinsichtlich seiner Rechte an Vermögensverwaltungen gewährt. Die Aufzählung von
Treuhandvermögen, Konkursmasse und Liquidationsmasse einer Gesellschaft ist
nicht taxativ.
Von dieser
Immunitätseinschränkung bleibt jedoch jenes Vermögen unberührt, das aufgrund
anderer völkerrechtlicher Regeln der nationalen Gerichtsbarkeit entzogen ist,
wie etwa diplomatisches Vermögen aufgrund des Diplomatenrechts. Außerdem steht
diese Bestimmung unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Vereinbarung zwischen
den betreffenden Staaten.
Die in der Anlage
zum Übereinkommen enthaltene vereinbarte Auslegung hält fest, dass der Begriff
„Feststellung“ weit auszulegen sei, da er auch Fragen der Bewertung und
Beurteilung des wesentlichen Gehalts dieser Rechte umfasst. Diese Auslegung
reflektiert somit einen schon im Kommentar der ILC enthaltenen Gedanken (sh.
ILC Report, UN Doc A/46/ 10, 112).
Zu
Art. 14:
Im Fall eines Verfahrens wegen geistigen und gewerblichen Eigentums kann
sich ein Staat ebenfalls nicht auf die Immunität berufen. Die Begriffe des
geistigen oder gewerblichen Eigentums sind sehr weit gefasst, um alle möglichen
Fälle abzudecken (arg: „jeder anderen Form von geistigem oder gewerblichem
Eigentum“). Voraussetzung ist jedoch, dass diese Rechte im Gerichtsstaat
gesetzlichen Schutz genießen. Auch für diese Bestimmung gilt die schon für
Art. 13 vereinbarte Auslegung des Begriffs „Feststellung“.
Diese Ausnahme von der Immunität findet sich auch in einer Reihe
nationaler Gesetze (wie z.B. von Großbritannien, Singapur, Pakistan oder
Australien; vgl. ILC Report, UN Doc. A/46/10, 112, Fn. 171). In Österreich fand
diese Ausnahme von der Immunität ihre Bestätigung vor allem in der
richtungweisenden OGH Entscheidung Dralle gg CSSR von 1950
(ÖJZ 1950, 341).
Die Begründung für diese Immunitätsbeschränkung ist schon darin zu
finden, dass das Rechtssystem des Gerichtsstaates rechtlichen Schutz für diese
Rechte gewährt oder der Staat womöglich selbst durch die Registrierung von
Patenten und ähnlichen Rechten in diesen Staaten sich freiwillig dessen
Rechtsordnung unterwirft. Die Immunitätseinschränkung gilt nicht nur für die
Fälle, in denen ein Staat seine Rechte geltend macht, sondern auch in Verfahren
gegen Staaten wegen einer Verletzung dieser Rechte im Gerichtsstaat
(lit. b). Diese Immunitätseinschränkung präjudiziert jedoch nicht
Entscheidungen über die extraterritoriale Wirkung solcher Verletzungen wie etwa
durch Enteignungen.
Zu
Art. 15:
Zu Abs. 1:
Diese Bestimmung betrifft Verfahren betreffend die Beteiligung eines
Staates an einer Gesellschaft oder anderen Vereinigung, somit die
Mitgliedschaft des Staates daran, bezieht sich jedoch nicht auf ein Verfahren,
das den Staat als Gläubiger oder Schuldner einer derartigen Vereinigung
betrifft. Es ist dabei unerheblich, ob diese Vereinigung eine juristische
Person ist, so dass in Österreich auch die OHG und die KG darunter fallen. Die
Beschränkung der Immunität gemäß dieser Bestimmung setzt voraus, dass an der
Gesellschaft oder Vereinigung auch andere als Staaten oder internationale
Organisationen (im Sinne von zwischenstaatlichen internationalen
Organisationen) beteiligt sind und nach dem Recht des Gerichtsstaates gegründet
oder ihre Hauptniederlassung dort hat. Es muss somit ein genuine link zwischen
dem Gerichtsstaat und der Gesellschaft oder Vereinigung im Sinne der
Gründungstheorie oder der Sitztheorie bestehen, da dieser so definierte Staat
auch am ehesten Einblick in die Verhältnisse der Gesellschaft oder Vereinigung
besitzt.
Diese Immunitätsbeschränkung wird damit begründet, dass der Staat durch
seine Beteiligung an der Gesellschaft oder Vereinigung sich freiwillig der
Jurisdiktion des Gerichtsstaates unterworfen hat.
Zu Abs. 2:
Diese Immunitätsbeschränkung gilt jedoch nicht, wenn entweder der
betreffende Staat mit dem Gerichtsstaat etwas anderes vereinbart hat, die
Streitparteien dies schriftlich vereinbart haben oder die Satzung der
betreffenden Gesellschaft oder Vereinigung etwas anderes vorsieht, da auch
daraus ein Einvernehmen der betreffenden möglichen Streitparteien betreffend
allfällige Verfahren der Streitbeilegung abzuleiten ist.
Zu
Art. 16:
Die Frage der Immunität von Staatsschiffen ist schon sehr lange Gegenstand
völkerrechtlicher Regelungen, wie etwa des Brüsseler Übereinkommens vom 10.
April 1926 zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der
Staatschiffe sowie des Zusatzprotokolls vom 24. Mai 1934. Während das
Europäische Übereinkommen bewusst keine Regelung darüber traf (vgl.
Art. 30), da die meisten europäischen Staaten Partei dieser Übereinkommen
sind, kann das vorliegende Übereinkommen wegen seines universellen
Geltungsanspruchs auf eine eigenständige Regelung dieser Materie nicht verzichten.
Die Immunitätsbeschränkung betrifft Schiffe, die einem Staat gehören
oder von ihm eingesetzt werden, in dieser Hinsicht jedoch für „andere als nicht
privatwirtschaftliche staatliche Zwecke“. Diese Umschreibung der hoheitlichen
Zwecke ergab sich aus der Schwierigkeit eines ansonst notwendigen doppelten
Kriteriums (vgl. ILC Report, UN Doc. A/46/10, 123).
Im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (BGBl.
Nr. 885/1995) wird der Begriff „Staatsschiffe, die anderen als
Handelszwecken dienen“ verwendet, um jene Schiffe zu bezeichnen, die Immunität
genießen (vgl. Art. 29, 32 und 236). Jedenfalls ist sowohl schon im
Brüsseler Übereinkommen von 1926 als auch im allgemeinen Seerecht, zuletzt im Seerechtsübereinkommen
der Vereinten Nationen, bereits die Immunitätsbeschränkung betreffend
Staatsschiffe verankert, wie sie auch die vorliegende Bestimmung vorsieht.
Der Begriff „Schiff“ bezieht sich auf Seeschiffe („seagoing vessels“
siehe Kommentar der ILC, UN Doc. A/46/10, 119), somit nicht auf Binnenschiffe.
Zu Abs. 1:
Dieser Absatz bestimmt, dass die für ein Verfahren entscheidende, andere
als nicht privatwirtschaftliche Verwendung eines derartigen Schiffes zum
Zeitpunkt der Entstehung des Klagegrundes gegeben sein muss. Zusätzlich zu der
Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereiches dieses Übereinkommens (vgl.
Art. 4) kommt es hier auf den Zeitpunkt des betreffenden Sachverhalts an.
Die Klagsarten können vielfältiger Natur sein; insbesondere das „Admiralty law“
des anglo-amerikanischen Rechtskreises kennt die unterschiedlichsten Arten.
Wegen des universellen Geltungsanspruchs dieses Übereinkommens verzichtet
deshalb diese Bestimmung auf eine Identifikation der verschiedenen Klagsarten.
Der Begriff „Einsatz“ ist hier in weitem Sinne zu verstehen, da er auch jene
Sachverhalte umfasst, die in Abs. 3 und 4 geregelt sind, den Transport von
Gütern oder Personen. Im Entwurf der ILC waren noch einzelne Sachverhaltstypen
aufgezählt, wie Schiffszusammenstöße und andere Unfälle, Unterstützung und
Rettung, Reparatur, Versorgung und andere das Schiff betreffende Verträge sowie
Folgen der Meersverschmutzung. Da aber schon in diesem Entwurf diese Auflistung
lediglich demonstrativer Natur war, wurde sie im endgültigen Text
fallengelassen.
Gleichzeitig ist nicht notwendig, dass der Staat Eigentümer des Schiffes
ist; es genügt auch dass er das Schiff etwa in der Form eines „bare boat
charter“ benützt oder sonst eine Form der Kontrolle ausübt. Der Verweis auf das
„sonst zuständige Gericht“ reflektiert wieder die Trennung zwischen
gerichtlicher Zuständigkeit und Immunität.
Eine besondere Situation kann sich daraus ergeben, dass der Staat zwar
Eigentümer ist, jedoch eine eigenständige Gesellschaft es verwendet. Der
Kommentar der ILC hält dazu fest, dass in einer derartigen Situation diese
Gesellschaft der Gerichtsbarkeit des Forumstaates unterliegt (ILC Report, A/
46/10, 123).
Zu Abs. 2:
Diese Immunitätsbeschränkung findet jedoch keine Anwendung auf
Kriegsschiffe und Flottenhilfsschiffe, unabhängig von ihrem Verwendungszweck.
Gleiches gilt für andere Schiffe, die ausschließlich für nicht
privatwirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden wie etwa Zollschiffe,
Polizeiboote udgl.
Zu Abs. 3 und 4:
Keine Immunität wird in Verfahren gewährt, die sich auf die Beförderung
von Ladung beziehen. Obwohl der hier erfasste Tatbestand auch schon in
Abs. 1 erfasst ist, bezieht sich dieser Absatz ausdrücklich darauf, da er
mit Gedanken des Umweltschutzes und der drohenden Verschmutzung der Meersumwelt
motiviert wurde (sh. ILC Report, A/46/10, 126). Diesem Gedanken
entsprechen auch die einschlägigen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der
Vereinten Nationen in Abschnitt XII, wo entsprechende Verfahren der nationalen
Behörden vorgesehen sind. Art. 236 des Seerechtsübereinkommens verankert
auch ausdrücklich die Immunität von Staatsschiffen, die ausschließlich für
andere als Handelszwecke genutzt werden, woraus zu schließen ist, dass andere
Staatsschiffe keine Immunität in dieser Hinsicht genießen.
Diese Immunitätseinschränkung gilt jedoch nicht für Ladung an Bord der
allgemein unter Immunität gestellten Schiffe (sh. Abs. 2) sowie solche
Ladung, die ausschließlich einer nicht privatwirtschaftlichen Nutzung dient
oder dafür bestimmt ist.
Zu Abs. 5:
Das grundsätzliche Prinzip, dass der Staat in privatwirtschaftlichen
Tätigkeiten den Privaten gleichgestellt ist, findet darin seinen Ausdruck, dass
ihm auch alle Rechtsbehelfe wie einem Privaten offen stehen, wenn ihm keine
Immunität zukommt. Wenn auch dieser Grundsatz im Zusammenhang mit dem Artikel
betreffend Schiffe verankert ist, so ist er dennoch von allgemeiner Bedeutung
für alle Verfahren, in denen dem Staat keine Immunität zukommt.
Zu Abs. 6:
Die Frage des Nachweises des Verwendungszwecks eines Schiffes wirft im
konkreten Verfahren große Beweisschwierigkeiten auf. Aus diesem Grund bestimmt
dieser Absatz, dass eine Bescheinung der zuständigen Organe des Staates dafür
ausreicht. In erster Linie kommt hiefür der diplomatische Vertreter eines
Staates in Betracht, andernfalls kann auch von einer zentralen zuständigen
Behörde des Staates eine Bestätigung erbracht werden. Diese gilt dann als Nachweis der Zweckbestimmung, schafft
jedoch keine presumptio iuris et de iure.
Zu
Art. 17:
Es entspricht derzeit einer weithin gepflogenen Praxis von Staaten, ein
schiedsfreundliches Klima dadurch zu schaffen, dass sie eine bestimmte
Kontrolle der Schiedsverfahren vor den staatlichen Gerichten vorsehen. Soweit
die Gerichte eines Staates zuständig sind, sich mit Schiedsgerichten und deren
Verfahren zu befassen, bewirkt die Zustimmung eines Staates zu einem
schiedsgerichtlichen Verfahren einen Verzicht auf die Immunität in derartigen
Verfahren. Allerdings gilt dies nur für schiedsgerichtliche Verfahren
betreffend privatwirtschaftliche Rechtsgeschäfte auf der Basis von Verträgen
zwischen einem Staat und ausländischen natürlichen oder juristischen Personen.
Somit gilt diese Bestimmung nicht für Verfahren vor dem International Center
for the Settlement of Investment Disputes, auch wenn die in der Anlage
enthaltenen vereinbarten Auslegungen hiezu erklären, dass privatwirtschaftliche
Rechtsgeschäfte auch Investitionsangelegenheiten umfassen.
Die Einschränkung der Immunität gilt lediglich für bestimmte Verfahren
vor staatlichen Gerichten betreffend die Schiedsvereinbarung, das Verfahren
oder den Schiedsspruch; insbesondere kann nicht die Vollstreckung des
Schiedsspruches auf diese Weise begehrt werden, es kann lediglich die
Gültigkeit des Schiedsspruchs zum Gegenstand eines Verfahrens gemacht werden.
Die Aufzählung der Verfahren, bei denen Immunität nicht geltend gemacht werden
kann, entspricht grosso modo jenen Klagen, die aufgrund von Art. 6
des UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration von 1995 in die
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen können (Besetzung der
Schiedsgerichte, Verfahren, rechtswidriges Verhalten eines Schiedsrichters,
Zuständigkeit des Schiedsgerichts, Nichtigerklärung eines Schiedsspruchs).
Zu Teil IV: Staatenimmunität
von Zwangsmaßnahmen im Zusammenhang mit
gerichtlichen Verfahren
Während die vorhergehenden Teile sich mit dem Erkenntnisverfahren
befassen, regelt dieser Teil die Immunität im Vollstreckungsverfahren. Dieser
Bereich der Staatenimmunität galt immer als besonders gravierender Eingriff in
die staatliche Souveränität, weshalb sich auch bisher kaum eine allgemein
akzeptierte Haltung herausbildete. Selbst das Europäische Übereinkommen über
die Staatenimmunität sah keinen Verzicht auf die Immunität im
Vollstreckungsbereich vor, sondern verpflichtet lediglich die Staaten, die
Urteile fremder Gerichte zu erfüllen (sh. RV 870 der BlgNR, XIII. GP,
47). Das vorliegende Übereinkommen sieht jedoch auch hiefür eine
Immunitätseinschränkung vor, so dass sich die Möglichkeit ergibt, Exekutionsverfahren
gegen das Vermögen anderer Staaten durchzuführen. Das im Wesentlichen
entscheidende Kriterium zur Unterscheidung zwischen dem der Vollstreckung
unterliegenden und dem anderen Vermögen ergibt sich vor allem aus dem Zweck,
dem dieses Vermögen dient. Dieses Kriterium entspricht auch der bisherigen
österreichischen Judikatur, die bei Vollstreckungsmaßnahmen anders als im
Erkenntnisverfahren auf den Zweck abstellt.
Zu
Art. 18:
Der von der ILC der Generalversammlung im Jahre 1991 vorgelegte Entwurf
sah noch keine Unterscheidung zwischen den Maßnahmen vor einer gerichtlichen Entscheidung und jenen,
die einer gerichtlichen Entscheidung folgen, vor. Diese Differenzierung wurde
erst im Laufe der späteren Verhandlungen getroffen, um eine generelle Lösung zu
ermöglichen. Die in diesem Artikel angesprochenen Zwangsmaßnahmen, die vor
einer gerichtlichen Entscheidung angeordnet werden, sind vor allem solche zur
Verfahrenssicherung. Die genannten Maßnahmen sind lediglich in demonstrativer
Weise aufgezählt (arg „beispielsweise“).
Damit Vermögen eines Staats hiefür herangezogen werden kann, bedarf es
entweder einer Zustimmung des Staates (mittels eines internationalen oder
anderen Vertrags oder durch Erklärung vor dem Gericht) oder es muss sich um
Vermögen handeln, das zur Anspruchsbefriedigung bestimmt ist. Das Vermögen muss
im Eigentum des Staates (im Sinne der Definition von Art. 2) stehen.
Die Wirkung dieser Bestimmung ist jedoch eingeschränkt durch
Art. 24, der dem Staat bestimmte Vorrechte und Immunitäten während eines
Verfahrens einräumt. So z.B. ist er von Sicherheitsleistungen oder
Hinterlegungen in einem Verfahren befreit.
Zu
Art. 19:
Diese Bestimmung
ist die zentrale Bestimmung betreffend die Vollstreckung von Urteilen. Gemäß
ILC Kommentar stellt die Immunität gegenüber der Vollstreckung „the last
fortress, the last bastion of State immunity“ dar (ILC Report, UN Doc. A/46/10,
135), woraus sich der große Fortschritt erklärt, den dieses Übereinkommen mit
der Möglichkeit von Vollstreckungen in Staatsvermögen erzielt hat. Die
betreffenden staatlichen Vollstreckungsmaßnahmen sind hier ebenfalls nur
demonstrativ aufgezählt.
Wie schon bei
Zwangsmaßnahmen vor einer gerichtlichen Entscheidung (Art. 18) können
Urteilsvollstreckungsmaßnahmen in erster Linie dann getroffen werden, falls der
Staat implizit oder ausdrücklich diesen Maßnahmen zugestimmt hat (lit. a).
Diese Zustimmung kann durch eine internationale Vereinbarung zwischen den
betreffenden Staaten (beklagter Staat und Gerichtstaat), eine
Schiedsvereinbarung oder einen schriftlichen Vertrag zwischen den am
Rechtsgeschäft Beteiligten sowie eine Erklärung des beklagten Staates vor dem
Gericht oder eine schriftliche Mitteilung erfolgen. Diese Zustimmung kann
inhaltlich unterschiedlich ausgerichtet sein: Sie kann sich auf alle oder
lediglich bestimmte Maßnahmen oder auf bestimmtes Vermögen beziehen. Eine
Rücknahme der Zustimmung kann nur vor dem Verfahrensbeginn durch actus
contrarius, zumindest entsprechend den Bedingungen, unter denen die
Zustimmung gegeben wurde, erfolgen, so dass eine vor dem Gericht gegebene
Zustimmung nicht mehr zurückgezogen werden kann.
Gemäß lit. b
kann auch auf jenes Vermögen gegriffen werden, das ausdrücklich zur
Anspruchsbefriedigung aus dem betreffenden Streitfall bestimmt wurde.
Die meisten Diskussionen hat lit. c hervorgerufen; es konnte jedoch
Übereinstimmung darüber erzielt werden, dass ipso iure, d.h. ohne
Erfordernis eines speziellen Einverständnisses des Staates, in bestimmtes
Vermögen vollstreckt werden kann.
Allerdings bestehen mehrere Bedingungen für die Zulässigkeit einer derartigen
Vollstreckung: Es obliegt dem Kläger nachzuweisen, dass das entsprechende
Vermögen für andere als nicht privatwirtschaftliche Zwecke genutzt oder
zumindest dafür bestimmt ist. Diese Nutzung oder Zweckbestimmung muss zu jenem
Zeitpunkt bestehen, zu dem die Vollstreckung begehrt wird. Außerdem muss sich
das Vermögen im Gerichtsstaat befinden, wodurch die Vollstreckung in ein
Vermögen, das sich in einem anderen Staat befindet, mittels eines
Vollstreckungsabkommens (z.B. die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates
vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl.
Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1, sog. Verordnung Brüssel I)
ausgeschlossen ist. Hinsichtlich der Verordnung Brüssel I ist insbesondere auf
deren Art. 71 zu verweisen, wonach diese Verordnung
Übereinkommen unberührt lässt, denen die Mitgliedstaaten angehören und die für
besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder
die Vollstreckung von Entscheidungen regeln. Es ist auch festzuhalten, dass die
Verordnung Brüssel I und Art. 19 des vorliegenden Übereinkommens
unterschiedliche Materien regeln: Art. 19 bezieht sich – anders als die
Verordnung – nicht auf die Anerkennung einer Vollstreckungsentscheidung,
sondern bestimmt lediglich, in welches Vermögen vollstreckt werden darf.
Schließlich ist auch berücksichtigt, dass ein Staat im Sinne des
Art. 2 aus mehreren Rechtsträgern im Sinne des innerstaatlichen Rechts
besteht, weshalb nur auf jenes Vermögen gegriffen werden darf, dass jenem
Rechtsträger zuzuordnen ist, gegen den das Verfahren gerichtet war. Vor allem
im privatwirtschaftlichen Bereich kommt z.B. den Gebietskörperschaften eigene
Rechtspersönlichkeit zu, so dass ein Urteil gegen sie nur in jenes Vermögen
vollstreckt werden kann, das ihnen zukommt.
Die in der Anlage enthaltene vereinbarte Auslegung zu Art. 19 hält
auch fest, dass unter diesen Rechtsträgern sowohl der Staat als selbständiger
Rechtsträger als auch andere staatliche Einrichtungen mit selbständiger
Rechtspersönlichkeit zu verstehen sind. Außerdem legt diese Auslegung fest,
dass die Beziehung zwischen dem Vermögen und dem betreffenden Rechtsträger in
einem weiteren Sinne als bloß „Eigentum“ oder „Besitz“ zu verstehen ist, so
dass auch auf Vermögen gegriffen werden kann, das in einem anderen Zusammenhang
mit dem Rechtsträger steht. Somit kann auch auf Vermögen gegriffen werden,
dessen Eigentümer der Gesamtstaat ist, das jedoch etwa vom übrigen staatlichen
Vermögen für die Zwecke des bestimmten staatlichen Rechtsträgers abgesondert
ist. Dies steht in Zusammenhang mit der Auslegung zu dieser Bestimmung, worin
wie zu Art. 10 festgehalten wird, dass dadurch die Fragen der
Durchgriffshaftung oder der vorsätzlichen falschen Angabe der finanziellen
Deckung oder der bewussten Unterkapitalisierung nicht präjudiziert werden.
Zu
Art. 20:
Art. 20
reflektiert eine Regel, die im Völkergewohnheitsrecht verankert ist: Der Verzicht
auf die Immunität im Erkenntnisverfahren impliziert nicht einen Verzicht auch
im Vollstreckungsverfahren. Dies entspricht auch Art. 32 Abs. 4 WDK.
Diese Regel gilt
aber nur für jene Fälle, wo ein Verzicht notwendig ist, d.h. dies findet nicht
Anwendung dort, wo bereits ipso iure im Vollstreckungsverfahren die
Immunität nicht gewährt wird.
Zu
Art. 21:
In dieser
Bestimmung werden demonstrativ bestimmte Vermögensarten aufgelistet, die der
Vollstreckung entzogen sind, indem sie als solche bezeichnet werden, die zu
anderen als privatwirtschaftlichen Zwecken im Sinne von Art. 19
lit. c benützt werden oder dafür bestimmt sind. Ein Grundgedanke dieser
Ausnahme von der Vollstreckung besteht darin, dass eine Vollstreckung in diese
Vermögenswerte einen Konflikt zwischen den beteiligten Staaten heraufbeschwören
könnte oder zumindest die Situation verschärfen würde.
Zu
Abs. 1:
In erster Linie
wird hier dem auch in Art. 25 WDK verankerten Grundsatz ne impediatur
legatio Rechnung getragen, so dass für hoheitliche Zwecke genütztes
Vermögen keiner Beschlagnahme unterliegt, wie es fester Bestandteil von
Entscheidungen verschiedener Gerichte ist, z.B. OGH 25.8.1998, ZfRV 1999,
22, und 30.4.1986, JBl. 1986, 733 = SZ 59/76, sowie das deutsche
Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 1977 (BVerfGE
46, 342), aber auch von spanischen und italienischen Gerichtsentscheidungen
(siehe Hazel Fox QC, The Law of State Immunity, 2002, 398). Es handelt sich in
lit. a hiebei um Vermögen, das im Zusammenhang mit diplomatischen
Tätigkeiten steht. Während das Wiener Übereinkommen über diplomatische
Beziehungen keine besondere Aussage über die rechtliche Stellung von Bankkonten
der diplomatischen Missionen trifft, ist hier ausdrücklich festgehalten, dass
auch Bankkonten zu diesem der Vollstreckung entzogenen Vermögen gehören. Diese
Regelung entspricht dem Völkergewohnheitsrecht sowie der international
geteilten Auslegung von Art. 25 WDK, wie sich an den Entscheidungen z.B.
des District Court, District of Columbia, im Fall Liberian Eastern Timber
Corporation (LETCO) v. Liberia sowie des belgische Cour d’appel de
Bruxelles im Fall Leica AG v. Central Bank of Irak et Etat Irakien, am
15. Februar
2000, des US District Court im Fall Foxworth v. Permanent Mission of the
Republic of Uganda to the UN bestätigt.
In Österreich
wurde schon bisher die Vollstreckung in Bankkonten der Botschaften verweigert;
im Fall Exekution in Botschaftskonten wurde nicht auf die Unterscheidung
zwischen privatwirtschaftlicher und hoheitlicher Zweckbestimmung des Kontos
abgestellt, sondern wurde die Vollstreckung in laufende allgemeine Bankkonten
einer ausländischen Vertretungsbehörde im Inland verweigert (JBl. 1986, 733).
Der OGH hielt dabei in seiner Entscheidung vom 30. April 1986 fest: „Er schließt
sich vielmehr insbesondere wegen der diesbezüglichen Abgrenzungsschwierigkeiten
der auch in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
vertretenen Meinung an, dass das allgemeine Völkerrecht den Schutzbereich
zugunsten des fremden Staates sehr weit zieht und auf die typische, abstrakte
Gefahr für die Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Vertretung abstellt.
Forderungen auf einem laufenden allgemeinen Bankkonto der Vertretungsbehörde
eines fremden Staates im Inland, das (auch) zur Deckung der Ausgaben und Kosten
der Vertretungsbehörde bestimmt ist, unterliegen daher der Zwangsvollstreckung
im Inland ohne Zustimmung des fremden Staates nicht.“ (GZ 3Ob38/86).
Dieses Vermögen bezieht sich nicht nur auf solches der bilateralen diplomatischen
oder konsularischen Missionen (vgl. Art. 28 WKK), sondern auch der
Sondermissionen (vgl. Art. 22 des Übereinkommens über Sondermissionen
1969), der Missionen von Vertretern wie auch Beobachtern bei internationalen
Organisationen (vgl. z.B. Abschnitt 31 des Amtssitzabkommens mit der
UNIDO 1998, BGBl. III Nr. 100/1998), als auch der Vertretungen
bei internationalen Konferenzen. In letzterer Hinsicht handelt es sich um
zwischenstaatliche Konferenzen, an denen Staatenvertreter teilnehmen, und sind
auch Beobachterdelegationen (soweit sie Staaten vertreten) eingeschlossen.
Dem generellen
Prinzip entspricht auch der in lit. b verankerte Schutz des Vermögens
militärischer Art (soweit es dem Staat im Sinne von Art. 2 gehört) oder
für die Wahrnehmung militärischer Aufgaben bestimmten Vermögens vor
Zwangsmaßnahmen.
Allgemeine
Diskussionen hat immer schon die Frage nach der Stellung des Vermögens einer
Zentralbank oder anderen Währungsbehörde eines Staates aufgeworfen,
insbesondere, wenn diese eine eigene Rechtspersönlichkeit innehatte. Lit. c
hält fest, dass diese Vermögen aufgrund seiner einem Hoheitszweck eines Staates
dienenden Funktion, der Regelung der Währung nämlich, ebenfalls der
Beschlagnahme entzogen sind, selbst wenn es sich bei der Währungsbehörde um
eine eigenständige Rechtspersönlichkeit handelt.
Dem Schutz des
Selbstverständnisses eines Staates entspricht es, das kulturelle Erbe gegen
Zwangsmaßnahmen besonders zu schützen, wie es in lit. d reflektiert ist.
Sind jedoch derartige Gegenstände zum Verkauf bestimmt, so verlieren sie diesen
Schutz, da in diesem Fall der Staat selbst bereit ist, diese Gegenstände zu
veräußern.
Aus einem
vergleichbaren Motiv heraus ist gemäß lit. e auch Vermögen geschützt, das
Gegenstand wissenschaftlicher, kultureller oder historischer Ausstellungen ist.
Davon sind jedoch nicht erfasst etwa dem Staat gehörende Ausstellungsstücke
industrieller oder kommerzieller Natur.
Zu
Abs. 2:
Wie schon aus
Abs. 1 hervorgeht, dient die dort enthaltene Auflistung lediglich dem
Zweck, Beispiele für Vermögen anzugeben, das für nicht privatwirtschaftliche
Zwecke genutzt oder hiefür bestimmt ist. Abs. 2 bestätigt diese
Zweckbestimmung des Abs. 1, da er ausdrücklich festhält, dass die
Zustimmung eines Staates von dieser Auflistung nicht beeinträchtig ist. Somit
kann eine Vollstreckung selbst in jenes Vermögen ergehen, das unter diese
Aufzählung fällt, soweit der Staat seine Zustimmung in dem in Art. 18 und
19 lit. a und b geforderten Maße gegeben hat.
Zu Teil V:
Verschiedene Bestimmungen
Dieser Abschnitt
des Übereinkommens befasst sich mit verfahrensrechtlichen Materien.
Zu
Art. 22:
Zu
Abs. 1:
Dieser Absatz
regelt das Verfahren für die Zustellung von Klagen oder anderen Schriftstücken
in Verfahren gegen Staaten. Diese Regelung ist vom Motiv getragen, entweder das
Einverständnis des beklagten Staates für die Art der Zustellung zu fordern
oder, andernfalls, dessen Außenministerium als zuständige Stelle zum Empfang
der Mitteilungen zu bestimmen.
Die Zustellung
richtet sich in erster Linie nach den Gerichtstaat und den beklagten Staat
bindenden internationalen Abkommen wie z.B. dem Haager Übereinkommen vom 1.
März 1954 betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, BGBl.
Nr. 91/1957. Unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union –
ausgenommen Dänemark – ist jedoch die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des
Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher
Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl.
Nr. L 160/37 vom 30.6.2000) anzuwenden. Gemäß deren Art. 20
kommt ihr Vorrang vor den Bestimmungen zu, die in den von den Mitgliedstaaten
geschlossenen bilateralen oder multilateralen Übereinkünften oder
Vereinbarungen enthalten sind, insbesondere vor Art. IV des Protokolls zum
Brüsseler Übereinkommen von 1968 und vor dem Haager Übereinkommen vom 15.
November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher
Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen. Doch hindert diese
Verordnung „einzelne Mitgliedstaaten nicht daran, Übereinkünfte oder Vereinbarungen
zur weiteren Beschleunigung oder Vereinfachung der Übermittlung von
Schriftstücken beizubehalten oder zu schließen, sofern sie mit dieser
Verordnung vereinbar sind.“
Die Zustellung
kann auch im Wege einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem beklagten
Staat erfolgen, sofern dies mit dem Recht des Gerichtsstaats vereinbar ist
(lit. b).
Subsidiär kann die
Zustellung auf diplomatischem Weg an das Außenministerium des beklagten Staates
vorgenommen werden. Da nicht die Botschaft des Staates genannt ist, ist auch
sichergestellt, dass eine zuständige Stelle besteht, selbst wenn keine
diplomatische Vertretung des Gerichtsstaats im beklagten Staat besteht. Als
diplomatischer Weg ist dann eine Übermittlung anzusehen, die entweder über die
in einem Drittstaat befindliche Botschaft des Gerichtsstaates erfolgt, wenn
dessen Leiter im beklagten Staat mitakkreditiert ist, oder etwa durch eine
Schutzmacht. Schließlich kann auch auf jede sonstige vom beklagten Staat
akzeptierte Weise die Zustellung erfolgen, sofern dies mit dem Recht des
Gerichtsstaats vereinbar ist. Auf diese Weise wird einerseits dem Interesse
beider im Verfahren beteiligten Parteien entsprochen, andererseits eine
Vielfalt von Zustellmöglichkeiten vorgesehen.
Zu
Abs. 2:
Wie schon im
Europäischen Übereinkommen über die Staatenimmunität vorgesehen (Art. 16
Abs. 3), gilt auch hier der Eingang der Schriftstücke beim
Außenministerium als Datum der Zustellung, soweit dieses die nach Abs. 1
lit. c (i) zuständige Stelle ist. Da in allen anderen Fällen für die Art
der Zustellung das Einverständnis des beklagten Staates erforderlich ist,
richtet sich dann das Datum der Zustellung nach diesem Einverständnis.
Zu
Abs. 3:
Die Übersetzung
der Schriftstücke in die Amtssprache des beklagten Staates (siehe Art. 8
B-VG) ist nur soweit obligatorisch, als es erforderlich ist. Für die
Beglaubigung der Übersetzung sind die einschlägigen Staatsverträge maßgebend
(z.B. Art. 3 Abs. 3 des Haager Prozessübereinkommens 1954).
Zu
Abs. 4:
Die Einlassung in
die Hauptsache heilt Mängel der Zustellung. Dadurch, dass er sich in die
Hauptsache einlässt, gibt der Staat zu erkennen, dass er vom Verfahren
rechtzeitig erfahren hat und sich entsprechend darauf vorbereiten konnte. Eine
Bestreitung der Zuständigkeit oder Geltendmachung der Immunität genügt jedoch
nicht, um dieses Erfordernis zu erfüllen.
Zu
Art. 23:
Eine
Versäumnisentscheidung kann nur ergehen, wenn der Staat vom Verfahren in der
vorgeschriebenen Weise Kenntnis erlangte, er Zeit zur Vorbereitung hatte und
bewusst auf ein Erscheinen vor Gericht verzichtete.
Zu
Abs. 1:
Aus diesem Grund
darf eine Versäumnisentscheidung nur ergehen, wenn die Klagszustellung
ordnungsgemäß im Sinne von Art. 22 erfolgte und eine bestimmte Frist (vier
Monate) ab Klagszustellung verstrichen ist. Als Zeitpunkt der Klagszustellung
gilt der Moment, an dem die Zustellung tatsächlich erfolgte oder ex lege
als bewirkt gilt (so etwa im Zeitpunkt des Eingangs im Außenministerium).
Ungeachtet dessen, ob der Staat vor Gericht erscheint oder nicht, hat das
Gericht sich zu vergewissern, ob nicht Immunität vorliegt. Liegt sie vor, darf
das Gericht ebenfalls keine Versäumnisentscheidung erlassen, selbst wenn die
Bedingungen der Klagszustellung erfüllt sind (sh. § 42 JN).
Zu Abs. 2:
Erlässt das
Gericht eine Versäumnisentscheidung, so ist eine Abschrift davon dem Staat auf
jene Weise zuzustellen, die auch für die Klagszustellung gilt. Sie ist wieder
in eine Amtssprache des beklagten Staates zu übersetzen, soweit dies
erforderlich ist.
Zu
Abs. 3:
Dem Staat muss
eine entsprechende Zeitspanne zur Verfügung stehen, um allenfalls Rechtsmittel
gegen eine Versäumnisentscheidung einlegen zu können. Diese Frist muss
mindestens vier Monate betragen, sofern nicht das Recht des Gerichtsstaates eine
längere Frist vorsieht.
Zu
Art. 24:
Zu
Abs. 1:
Der beklagte Staat
genießt eine Sonderstellung in Verfahren vor ausländischen Gerichten, da auch
übergeordnete Interessen wie der nationalen Sicherheit zu berücksichtigen sind.
Aus diesem Grund muss es ihm möglich sein, die Vorlage bestimmter Unterlagen
oder bestimmte für das Verfahren erforderliche Handlungen zu verweigern.
Diese
Sonderregelung zugunsten des Staates ist mit einem Verweis auf mögliche
innerstaatliche Vorschriften begründet, die es einem Staat verbieten, bestimmte
Dokumente einem ausländischen Gericht vorzulegen. Zwar dürfen dem Staat keine
Geldbußen oder sonstige Strafen deswegen auferlegt werden, doch kann das
Gericht dieses Verhalten in seine Beweiswürdigung oder sonstige Beurteilung in
der Hauptsache einbeziehen.
Zu
Abs. 2:
Die besondere
Stellung des Staates in einem Verfahren vor dem Gericht eines anderen Staates
kommt auch darin zum Ausdruck, dass ihm als Beklagter zur Sicherung der
Verfahrenskosten keine Prozesskostensicherheitsleistung (cautio judicatum
solvi) oder sonstige Hinterlegung auferlegt werden darf. Diese Bestimmung
findet sich ebenfalls schon in Art. 17 des Europäischen Übereinkommens, wo
die Verpflichtung zur Zahlung der Verfahrenskosten ausdrücklich festgelegt
wird, soweit sie dem Staat vom Gericht auferlegt werden. Wenn auch das
vorliegende Übereinkommen diese letztgenannte Pflicht nicht erwähnt, so befreit
ihn dies nicht von der Bezahlung der Verfahrenskosten. Diese Pflicht resultiert
schon aus dem Grundgedanken des Übereinkommens, dass in den Fällen, wo der
Staat keine Immunität genießt, ihm im Wesentlichen dieselbe rechtliche Stellung
wie einer Privatperson zukommt.
Zu Teil VI:
Schlussbestimmungen
Zu
Art. 25:
In den
Verhandlungen, die zum vorliegenden Übereinkommen führten, wurde eine Einigung
von der Annahme bestimmter Auslegungen zu einzelnen Bestimmungen abhängig
gemacht. Diese Auslegungen sind in der Anlage zu diesem Übereinkommen
enthalten. Es stand jedoch zur Diskussion, in welcher Weise diese Auslegungen
mit dem Übereinkommen selbst verknüpft werden sollten. Der Kompromiss wurde
darin gefunden, dass die Anlage zum integrierenden Bestandteil des
Übereinkommens erklärt wurde. Dadurch ist das Übereinkommen schon aus einer
kontextuellen Interpretation heraus, wie es von Art. 31 WVK gefordert ist,
in engem Zusammenhang mit der Anlage auszulegen. Allerdings ist in der
Einleitung zur Anlage gleichzeitig festgehalten, dass die dort enthaltenen
Auslegungen die Bestimmungen des Übereinkommens nicht zu ändern vermögen.
In diesem
Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass dieses Übereinkommen keine
Bestimmung betreffend Vorbehalte enthält. Somit kommt das Vorbehaltsregime der
WVK zur Anwendung, wonach Vorbehalte soweit erlaubt sind, als sie nicht Ziel
und Zweck des Übereinkommens widersprechen (Art. 19 WVK). Auf diese Weise
soll eine bestimmte Flexibilität erhalten werden, die es Staaten erlaubt, das
Übereinkommen mit Vorbehalt anzunehmen.
Zu
Art. 26:
Es bestehen
bereits mehrere Übereinkommen, die immunitätsrechtliche Fragen regeln; so etwa
das schon erwähnte Brüsseler Internationale Übereinkommen zur einheitlichen
Regelung über die Immunitäten der Staatsschiffe vom 10. April 1926 (samt
Zusatzprotokoll vom 24. Mai 1934), oder sämtliche Übereinkommen, welche
diplomatische oder konsularische Immunitäten vorsehen (sh. die Erläuterungen zu
Art. 3). Dazu zählt auch das Europäische Übereinkommen über
Staatenimmunität.
Die vorliegende
Bestimmung sieht vor, dass alle diese bestehenden Verträge, seien sie bi- oder
multilateraler Natur, vom vorliegenden Übereinkommen unberührt bleiben. Es ist
dadurch nicht auszuschließen, dass das Gericht eines Staates, der Partei etwa
dieses Übereinkommens wie auch des Europäischen Übereinkommens ist, in drei verschiedenen Fällen allenfalls
drei unterschiedliche Regime anwenden muss, dieses Übereinkommen, das
Europäische Übereinkommen oder Völkergewohnheitsrecht, abhängig von dem Staat,
der Verfahrenspartei ist. Da jedoch nur wenige Staaten das Europäische
Übereinkommen ratifiziert haben, wurde diese Komplexität als vernachlässigbar
angesehen.
Zu
Art. 27:
Die Bestimmung
über die Beilegung von Streitigkeiten folgt der analogen Bestimmung im
Übereinkommen der Vereinten Nationen über internationale Wasserläufe.
Dementsprechend unterliegen Streitigkeiten zuerst Verhandlungen. Wenn sie auf
diese Weise nicht innerhalb von sechs Monaten beigelegt werden können, wird ein
Schiedsverfahren zwischen den Streitparteien vereinbart. Gelingt die Einigung
nicht innerhalb weiterer sechs Monate, so kann jede der Streitparteien den
Internationalen Gerichtshof in Übereinstimmung mit seinem Statut anrufen.
Dieses
Schiedsverfahren kann jedoch mittels einer Erklärung anlässlich der
Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung dieses Übereinkommens
oder des Beitritts zu diesem ausgeschlossen werden. Diese Erklärung hat eine
reziproke Wirkung, da dann die andere Streitpartei an dieses Verfahren dem
erklärenden Staat gegenüber ebenfalls nicht gebunden ist. Allerdings kann sich
eine Vertragspartei zu jedem Zeitpunkt diesem Verfahren wieder unterwerfen,
indem sie dies dem Generalsekretär der Vereinten Nationen notifiziert.
Von dieser
Bestimmung bleibt jedoch unbeschadet die sonst erfolgte Anerkennung der
Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs etwa durch eine einseitige
Erklärung nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts des Internationalen
Gerichtshofs (für Österreich sh. BGBl. Nr. 249/1971) oder durch das
Europäische Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten (BGBl.
Nr. 42/1960). Das in der vorliegenden Bestimmung vorgesehene
Schiedsgericht geht nur dann dem so anerkannten Internationalen Gerichtshof
vor, als die Unterwerfungserklärung einen lex specialis Vorrang (sh. die
österreichische Unterwerfungserklärung) enthält.
Die Erklärung nach
Abs. 2 ist nicht als ein Vorbehalt anzusehen, der gemäß Art. 19 WVK
alle anderen Vorbehalte ausschließt. Art. 19 WVK bestimmt, dass ein
Vorbehalt nicht erlaubt ist, wenn „der Vertrag vorsieht, dass nur bestimmte
Vorbehalte gemacht werden dürfen, zu denen der betreffende Vorbehalt nicht
gehört“. Um diesen Eindruck zu vermeiden, wurde auch statt dem Begriff
„Vorbehalt“ der Ausdruck „Erklärung“ verwendet. Die Wirkung des Art. 19
WVK hätte die Erklärung nach Art. 27 des vorliegenden Übereinkommens nur
gehabt, wenn dessen Formulierung diese Absicht explizit gemacht hätte.
Zu den
Art. 28, 29, 30, 31, 32 und 33:
Die Bestimmungen
betreffend die Unterzeichnung, Zustimmung, das Inkrafttreten, die Kündigung,
den Depositar und den authentischen Wortlaut entsprechen der Praxis der
Vereinten Nationen.
Zu erwähnen ist,
dass die Frist für die Unterzeichnung zwei Jahre ab 17. Jänner 2005 beträgt, um
den Staaten genügend Zeit zu geben, sich mit dem Übereinkommen vertraut zu
machen.
Die Zahl der für
das Inkrafttreten erforderlichen Parteien ist im Vergleich zu anderen im Rahmen
der Vereinten Nationen ausgearbeiteten Übereinkommen niedrig gehalten (30
Staaten), um ein möglichst rasches Inkrafttreten zu ermöglichen.
Obwohl dieses
Übereinkommen als Wiedergabe des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts gilt
(Kodifikation), enthält es dennoch im Gegensatz zu den anderen Kodifikationen,
jedoch in Übereinstimmung mit dem Europäischen Übereinkommen (Art. 40),
eine Kündigungsklausel. Die Praxis beweist auch, dass selbst jene
Übereinkommen, die wegen ihres kodifikatorischen Charakters keine
Kündigungsklausel enthielten, von einigen Staaten gekündigt wurden. Im Fall
einer Kündigung bleibt das Übereinkommen jedoch noch auf Verfahren anwendbar,
die vor dem Wirksamwerden der Kündigung eingeleitet worden waren.
Als Depositar
wurde der Generalsekretär der Vereinten Nationen bestimmt, der die üblichen
Aufgaben des Depositars, insbesondere jene der Informationsübermittlung,
wahrnimmt.
Die authentischen
Wortlaute sind die offiziellen Sprachen der Vereinten Nationen.
Zur Anlage:
Wie schon in der
Beschreibung der Genesis des Übereinkommens dargestellt, war die Einigung über
den Text des Übereinkommens durch die Aufnahme bestimmter Auslegungen bestimmt,
die in der Anlage enthalten sind. Der Eingangswortlaut der Anlage stellt
sicher, dass diese Auslegungen weder neue Rechte oder Pflichten der Staaten
stipulieren können, noch die Rechte oder Pflichten der Staaten aus dem
Hauptteil des Übereinkommens zu ändern vermögen, da sie lediglich deren
Auslegung dienen.
Die Erläuterungen
zu den einzelnen vereinbarten Auslegungen finden sich in jenen zu den einzelnen
Bestimmungen.
Die
Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der
Genehmigung des Übereinkommens gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu
beschließen, dass dessen arabische, chinesische, russische
und spanische Sprachfassungen dadurch kundgemacht werden, dass sie zur
öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
aufliegen.
Daran anknüpfend
wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß
§ 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser
Sprachfassungen Abstand genommen.
Die gesamte
Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf. Überdies
ist dieser Staatsvertrag auf der Homepage des Parlaments unter
http://www.parlament.gv.at abrufbar.