1205 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über den Antrag 633/A(E) der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der individuellen Förderung

Die Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 12. Mai 2005 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Individuelle Förderung zielt auf die stärkere Ausrichtung des Unterrichts auf die Voraussetzungen, Bedürfnisse und Möglichkeiten jedes/r einzelnen Schülers/in. Die Zukunftskommission stellt in ihrem Abschlussbericht fest, dass Maßnahmen der Individualisierung und inneren Differenzierung von besonderer Bedeutung sind, wenn es darum geht, für SchülerInnen Bereitschaft zum Lernen zu entwickeln. Ziel ist, dass das Lernen in der Schule als sinnvoll, nützlich und emotional befriedigend erlebt werden kann.

Individualisierung ermöglicht außerdem jene differentielle Diagnose und Förderung, durch die Unterricht einen höheren Wirkungsradius erreicht und Benachteiligungen einzelner SchülerInnen durch unterbliebene Förderung vermeidet. Laut Zukunftskommission ist diese Unterrichtsmethode das Erfolgsrezept führender PISA-Staaten. Unterrichtsmethoden, die alle SchülerInnen einer Klasse zu gleichen Aktivitäten bzw. Inaktivitäten veranlassen – so die Zukunftskommission – haben nämlich zur Folge, dass sie bestimmte Personen bevorzugen und andere benachteiligen, insgesamt aber die Möglichkeiten zur Förderung aller SchülerInnen nicht ausschöpfen.

Deshalb – so empfiehlt die Zukunftskommission – sollten Schulen daher zunehmend versuchen, ‚(...) Formen der äußeren Differenzierung durch sinnvolle Formen der inneren Differenzierung (Binnendifferenzierung) zu ergänzen oder zu ersetzen.’ (25) Der Unterricht soll also auf die Voraussetzungen und auf den Entwicklungsstand von Teilgruppen oder einzelner SchülerInnen abgestimmt werden.

Bildungsministerin Gehrer ist bisher nicht bereit entsprechende Maßnahmen zu setzen. Im Gegenteil – sie fordert sogar die Absicherung des differenzierten, gegliederten Schulsystems (also äußere Differenzierung) durch die verfassungsmäßige Verankerung. Der von der Bildungsministerin im Schulpaket I angekündigte bedarfsgerechte, geblockte Förderunterricht wird den Empfehlungen der Zukunftskommission in keiner Weise gerecht.

Individuelle Förderung – so stellt auch die Zukunftskommission für Österreichs Schulen fest – kann derzeit in vielen Fällen durch nur eine Lehrperson in der Klasse nicht geleistet werden. Für die Umsetzung ist es daher notwendig, die Anzahl der FörderlehrerInnen aufzustocken.

Da verschiedene Leistungsstudien zudem den Schluss zulassen, dass der bisherige Förderunterricht nicht die gewünschte Effektivität aufweist, empfiehlt die Zukunftskommission die Durchführung einer Effektivitätsstudie, bei der die Wissenschaft in der Grundschule und der Sekundarstufe I alle gesetzlich vorgesehenen Fördermaßnahmen auf ihre Qualität und ihre Ergebnisse prüft und feststellt, ob die Potentiale genutzt werden. Im Anschluss daran solle ein neues, erfolgversprechendes Konzept für die Förderaktivitäten erstellt werden. (66) Wenn Bildungsministerin Gehrer also bedarfsgerechten Förderunterricht für das Schuljahr 2005/2006 ankündigt, ohne die Effektivität der bisherigen Unterrichtsmethoden zu hinterfragen, ist dies wenig zielführend.“

 

Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 22. November 2005 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Abgeordneter Dieter Brosz.

An der Debatte beteiligten die Abgeordneten Mag. Dr. Alfred Brader, Wolfgang Großruck, Nikolaus Prinz, Christian Faul und Dr. Franz-Joseph Huainigg.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Werner Amon, MBA und Mares Rossmann einen Entschließungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Die Förderung von Schülerinnen und Schülern ist ein grundlegender pädagogischer Auftrag der Schule und ein elementares Prinzip jedes Unterrichts. Förderung meint einerseits die bestmögliche Entwicklung der Leistungspotenziale aller Schülerinnen und Schüler, andererseits soll Förderung Lernversagen – und damit auch negative Beurteilungen – möglichst verhindern. Sie stellt ein wichtiges Qualitätselement von Schule dar.

Im Rahmen der Lehrpläne sind 36 Jahresstunden pro Klasse in der Volksschule und 72 Jahresstunden je Klasse in der Hauptschule und AHS-Unterstufe an Förderstunden möglich. Zur Evaluierung des tatsächlichen Personaleinsatzes wurde eine entsprechende Analyse für das kommende Schuljahr (Vergleich Planung und tatsächlicher Einsatz) vorgesehen. Auch das Berichtwesen über den Einsatz der Förderstunden soll verbessert werden. Diese Vorhaben wurden bereits in einem Erlass an alle Landeschulräte/Stadtschulrat für Wien mitgeteilt. Darüber hinaus soll in Zukunft jede Schule ein standortspezifisches Förderkonzept ausarbeiten. Die Richtlinien und Hilfestellungen dafür werden in einem Rundschreiben festgehalten.

Der Förderunterricht wird in Zukunft über das Unterrichtsjahr hinweg flexibel und den Bedürfnissen der Kinder entsprechend durchgeführt. Dabei ist auch darauf zu achten, dass der Förderunterricht zu entsprechender Tageszeit stattfindet. Dazu wurde der vielfache Elternwunsch geäußert, Förderunterricht aufgrund der Aufnahmekapazitäten der Kinder nicht vor dem Regelunterricht anzusetzen.

 

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg und Mares Rossmann einen Entschließungsantrag eingebracht, dem folgende Begründung beigegeben war:

„Jedes Kind soll entsprechend seinen Talenten, Bedürfnissen und Fähigkeiten individuell gefördert werden. Speziell für gehörlose Schülerinnen und Schüler ist die individuelle Förderung von großer Bedeutung.

Unter den pädagogischen Expertinnen und Experten wird seit längerem diskutiert, ob der Lautsprachenunterricht oder der Gebärdensprachenunterricht der bessere Weg zur Sprachförderung von gehörlosen Kindern sei.

Derzeit wird der Lehrplan für gehörlose Schüler überarbeitet. Es wäre wichtig, dass im Zuge der Überarbeitung auf diese individuelle Förderung und den Leitgedanken des bilingualen Unterrichts eingegangen wird. Um dies sicherzustellen, sind auch selbst gehörlose beziehungsweise schwerhörige Pädagoginnen und Pädagogen als Fachexperten zur Lehrplanentwicklung bei zu ziehen.

Um das Ausbildungsprofil von gehörlosen Kindern zu verbessern, sind die Erfahrungen des derzeitigen Unterrichts unter besonderer Berücksichtigung des Einsatzes von Gebärdensprache zu evaluieren. Dazu soll an den Bundesgehörloseninstituten Wien und Salzburg eine Stichproben artige Erhebung durchgeführt werden, bei der vor allem festgestellt wird, wie viele Absolventinnen und Absolventen mit einem Sonderschul- oder Hauptschulabschluss die Schulkarriere beendeten und wie viele mit Maturaniveau eine weiterführende Schule beziehungsweise die Universität besuchten.“

 

Bei der Abstimmung fand der Entschließungsantrag 633/A(E) keine Mehrheit.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Amon, MBA und Mares Rossmann betreffend gezielter Einsatz des Förderunterrichts wurde mit Stimmenmehrheit angenommen.

Der von den Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg und Mares Rossmann eingebrachte Entschließungsantrag betreffend individuelle Förderung von gehörlosen Kindern und Jugendlichen wurde einstimmig angenommen.

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Wolfgang Großruck gewählt.

 

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossenen Entschließungen (Anlagen 1 und 2) annehmen.

Wien, 2005 11 22

              Wolfgang Großruck Werner Amon, MBA

       Berichterstatter                  Obmann