1227 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (1116 der Beilagen): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität

 

Die internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden hat sich in jüngster Zeit mit dem Anwachsen der Anforderungen an sie deutlich intensiviert. Beispiele dafür sind das Schengener Durchführungsübereinkommen, Initiativen der Europäischen Union, wie die Schaffung des Europäischen Polizeiamtes, oder der Vereinten Nationen zur Intensivierung der Polizeikooperation.

Die Republik Österreich ist darüber hinaus mit damaligen Kandidaten und nunmehrigen Mitgliedern der Europäischen Union in Mittel- und Osteuropa eine Sicherheitspartnerschaft eingegangen, um einen Beitrag zum Aufbau eines ungeteilten Europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu leisten und einen hohen Sicherheitsstandard in der Region auch nach der Erweiterung der Europäischen Union zu gewährleisten. Ein Element dieser Strategie ist der Abschluss von bilateralen Übereinkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit.

Die staatenübergreifende polizeiliche Zusammenarbeit mit Anrainerstaaten, wie hier der Republik Ungarn, ist dabei von besonderer Bedeutung.

Der vorliegende Vertrag hat die Verstärkung der Zusammenarbeit der zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten bei der Vorbeugung, Verhinderung  und Aufklärung  von strafbarer Handlungen zum Ziel.

Der Vertrag enthält sowohl Regelungen zur informationellen als auch zur operationellen Zusammenarbeit durch Einschreiten von Organen der Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet des anderen Vertragsstaates für sicherheits- und kriminalpolizeiliche Zwecke. Der Vertrag sieht eine teilweise Annahme von Kooperationsmechanismen aus dem Schengener Regelungswerk vor, nämlich die grenzüberschreitende Observation und die Nacheile - unabhängig von der Abschaffung der Grenzkontrollen - sowie die vertiefte Verpflichtung zur polizeilichen Amtshilfe. Eine Simulation der Teilnahme Ungarns am Schengener Regelungswerk einschließlich der Abschaffung der Grenzkontrollen kann aufgrund der in Schengen begründeten Verpflichtungen der Republik Österreich durch einen Staatsvertrag nicht erfolgen.

Der Vertrag ermöglicht eine verstärkte regionale Zusammenarbeit der Behörden in den jeweiligen Grenzgebieten und verfahrensmäßige Erleichterungen im grenzüberschreitenden Amtshilfeverkehr.

Die Regelungen ergänzen die Bestimmungen über die internationale polizeiliche Amtshilfe gemäß § 2 Abs. 1 und dem 2. Hauptstück des Bundesgesetzes über die internationale polizeiliche Kooperation (Polizeikooperationsgesetz - PolKG; BGBl. I Nr. 104/1997) und präzisieren sie zum Teil.

Die Regelungen über die informationelle Kooperation werden durch Datenschutzbestimmungen ergänzt.

Die Befugnisse zur operationellen Kooperation ermöglichen es den Organen der Sicherheitsbehörden in bestimmten Einzelfällen auch auf dem Hoheitsgebiet des Nachbarstaates einzuschreiten. Hierdurch wird jene völkerrechtliche Grundlage geschaffen, die § 16 Abs. 1 PolKG als Voraussetzung für diesen Kooperationsbereich festlegt. Die österreichischen Sicherheitsbehörden und ihre Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Ausübung dieser Befugnisse auch die Bestimmungen des 3. Hauptstückes des PolKG zu beachten.

Neben den bereits aus dem SDÜ bekannten Befugnissen der grenzüberschreitenden Observation und Nacheile sowie der Möglichkeit des Austausches von Verbindungsbeamten enthält der Vertrag noch weitere neue Instrumente der Zusammenarbeit, und zwar die Befugnis zur Durchführung kontrollierter Lieferungen (über den Bereich der Bekämpfung der Drogenkriminalität hinaus), die Möglichkeit des Einsatzes verdeckter Ermittler, die Ermächtigung zur Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen und den Einsatz gemischter Streifendienste im grenznahen Raum.

Auf Grundlage des Vertrages wird die Einrichtung gemeinsamer Kontaktdienststellen zur Erleichterung des Informationsaustausches ermöglicht.

Zur Restitution von Schäden, die bei der Ausübung grenzüberschreitender Befugnisse verursacht werden, enthält der Vertrag besondere Haftungsbestimmungen.

Eine finanzielle Mehrbelastung für die Republik Österreich ist mit der Durchführung des Vertrages nicht verbunden.

 

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Er enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter.

 

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Der Staatsvertrag ist in deutscher und ungarischer Sprache abgefasst, wobei jeder Text gleichermaßen authentisch ist.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 29. November 2005 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Karl Freund der Ausschussobmann Abgeordneter Rudolf Parnigoni.

 

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität (1116 der Beilagen) wird genehmigt.

Wien, 2005 11 29

Karl Freund Rudolf Parnigoni

       Berichterstatter                  Obmann