Vorblatt

Problem:

Auf Grund der Sonderbestimmung des Art. II des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mussten der Beitrittsvertrag oder einzelne seiner Bestimmungen nicht als „verfassungsändernd“ bezeichnet werden. Analoge Regelungen enthielten die Bundesverfassungsgesetze über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam, über den Abschluss des Vertrages von Nizza, über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union und über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa. Es ist daher unklar, welche Bestimmungen des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union „verfassungsändernd“ sind und daher ausdrücklich als solche bezeichnet werden müssten.

Lösung:

Erlassung eines Bundesverfassungsgesetzes nach dem Muster der genannten Bundesverfassungsgesetze.

Alternativen:

Inkorporation einer entsprechenden bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung in das B‑VG.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich sowie finanzielle Auswirkungen:

Keine, weil sich das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz inhaltlich auf die Ermächtigung zum Abschluss eines bestimmten Staatsvertrages beschränkt.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Welche Voraussetzungen für eine Ratifikation des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union erfüllt sein müssen, richtet sich ausschließlich nach den verfassungsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates. Gemeinschaftsrecht bzw. Unionsrecht wird durch das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz daher nicht berührt.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gemäß Art. 44 Abs. 1 B‑VG.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Zur Frage der ausdrücklichen Bezeichnung der Bestimmungen des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union als „verfassungsändernd“:

Der Staatsvertrag über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (im Folgenden: Beitrittsvertrag), BGBl. Nr. 45/1995, wurde auf Grund der besonderen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung des Art. I des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (im Folgenden: EU-BeitrittsBVG), BGBl. Nr. 744/1994, abgeschlossen. Auf Grund der Sonderbestimmung des Art. II EU-BeitrittsBVG brauchten der Beitrittsvertrag oder einzelne seiner Bestimmungen nicht als „verfassungsändernd“ bezeichnet zu werden. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 1546 d. B. XVIII. GP, 4) wird dies damit begründet, dass „eine genaue Bezeichnung jener Teile des Beitrittsvertrages (einschließlich insbesondere des darin verwiesenen Unionsvertrages und EU-Sekundärrechts), welche verfassungsändernd sind, kaum möglich und eine verfassungsrechtliche Verankerung des gesamten Beitrittsvertrages äußerst unzweckmäßig wäre. Dies nicht zuletzt wegen des Vorranges aller Arten unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts vor innerstaatlichem Recht (und zwar grundsätzlich einschließlich bundesverfassungsrechtlicher Vorschriften)“. Durch diese Vorgangsweise musste voraussetzungsgemäß unklar bleiben, welche Bestimmungen des Beitrittsvertrages nun tatsächlich „verfassungsändernd“ (und welche nur „gesetzändernd“) sind.

Die Verträge von Amsterdam und Nizza, der Vertrag über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union sowie der Vertrag über eine Verfassung für Europa sahen jeweils immer auch Änderungen von Primärrecht vor, das bereits Gegenstand eines der früheren Verträge gewesen war, weshalb sich bei ihrem Abschluss dasselbe rechtstechnische Problem wie bei Abschluss des Beitrittsvertrages stellte. Um dieses Problem zu lösen, wurden in die zum Abschluss dieser Verträge ermächtigenden Bundesverfassungsgesetze dem Art. II EU-BeitrittsBVG analoge Regelungen aufgenommen (vgl. Art. I des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I Nr. 76/1998, Art. 1 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl. I Nr. 120/2001, Art. 1 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union, BGBl. I Nr. 53/2003, sowie Art. 1 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa, BGBl. I Nr. 12/2005). Es erscheint zweckmäßig, die eingeschlagene Vorgangsweise auch beim Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union beizubehalten und von einer ausdrücklichen Bezeichnung des Vertrages oder einzelner seiner Bestimmungen als „verfassungsändernd“ abzusehen.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das vorgeschlagene Bundesverfassungsgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Bundesverfassung“).

Besonderer Teil

Die Formulierung des Entwurfes folgt im Wesentlichen der des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa. Der in Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl. I Nr. 120/2001, und in Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union, BGBl. I Nr. 53/2003, enthaltene Hinweis auf den „verfassungsergänzenden“ Inhalt der Bestimmungen der jeweiligen Verträge wurde – wie auch im Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa – nicht aufgenommen (vgl. zur Begründung RV 789 d. B. XXII. GP).

Art. 1 Abs. 3 stellt klar, dass die Abs. 1 und 2 Sonderbestimmungen zu den Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes über Staatsverträge sind; soweit in Art. 1 Abs. 1 und 2 nicht anderes bestimmt ist, bleiben diese Bestimmungen (wie zB Art. 49 Abs. 2 B‑VG) jedoch anwendbar.