1294 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über die Regierungsvorlage (1268 der Beilagen): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)
Bereits Anfang der
90-er Jahre setzten Diskussionen über die Weiterentwicklung und Kodifizierung
der Patientenrechte ein. Schon die ersten Diskussionen dieses Zieles hatten
allerdings gezeigt, dass die Ursachen der eigentlichen Probleme in der Praxis
kaum in nicht bestehenden Patientenrechten liegen, sondern dass die in der
Rechtsordnung längst vorhandenen und durch die Judikatur abgesicherten
Patientenrechte im Alltag bisweilen nur sehr schwer durchgesetzt werden können.
Ein Grund für diese Schwierigkeiten liegt schon darin, dass die Patientenrechte
über eine Vielzahl von Gesetzen verstreut sind. Der Kompetenzlage entsprechend
finden sich Patientenrechte dabei sowohl in Bundes- als auch in Landesrechtsvorschriften.
Als Beispiele für die erstgenannte Gruppe seien das Ärztegesetz 1998, die
Sozialversicherungsgesetze und das Strafgesetzbuch genannt, auf Landesebene
sind Bestimmungen über Patientenrechte u.a. im Rahmen des Kompetenztatbestandes
der Heil- und Pflegeanstalten in den Landeskrankenanstaltengesetzen sowie im
Rahmen der in den ausschließlichen Wirkungsbereich der Länder fallenden
Materien des Gemeindesanitätsdienstes und des Rettungswesens enthalten. Das
Phänomen kompetenzrechtlich mit verschiedenen Aufgaben und unterschiedlichen
Zuständigkeiten verquickter Materien („Querschnittsmaterien“) bringt es mit
sich, dass zur Regelung einer einzelnen Frage stets der Gesetzgeber zuständig
ist, der zur Regelung des jeweils angesprochenen Problembereichs insgesamt
kompetent ist. Dies führt zu der oben erwähnten Zersplitterung der Regelungen
über Patientenrechte, finden sich diese doch im Zusammenhang mit Zivil-, Straf-
und Sozialversicherungsrecht ebenso wie in Ländermaterien.
Ein
Bundespatientenrechtegesetz könnte daher ‑ würde nicht zuvor eine
Verfassungsänderung eine umfassende Bundeskompetenz für Patientenrechte
schaffen ‑ immer nur Teilbereiche lösen, es müsste damit immer unvollständig
sein.
Hinzu kommt, dass
der weitaus größte Teil der Patientenrechte keinesfalls legislatives Neuland
darstellt. Patientenrechte wie Recht auf Verschwiegenheit, Recht auf Behandlung
nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und Recht auf
Spitalsbehandlung bei Anstaltsbedürftigkeit finden sich längst in der positiven
Rechtsordnung, andere essentielle Patientenrechte sind auch ohne ausdrückliche
Regelung seit langem in Literatur und Judikatur unbestritten (z.B. Recht auf
Einsicht in die Krankengeschichte, vgl. OGH 23.5.1984, 10 Ob 550/84). Der
Mangel liegt somit nicht darin, dass diese Rechte nicht vorhanden wären, er liegt
vielmehr in mangelnder Information und in Schwierigkeiten der Durchsetzung.
Der Charakter der
Patientenrechte als Querschnittsmaterie, ihre Zersplitterung über zahlreiche
Vorschriften im Rahmen der Rechtsordnung des Bundes und der Länder, das dadurch
bedingte Informationsdefizit und nicht zuletzt aus diesem Grund verursachte
Schwierigkeiten in der Durchsetzung führten zu der Überlegung, kein eigenes
Patientenrechtegesetz auszuführen, sondern den Versuch zu unternehmen, auf der
Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG, in der sich Bund und
Länder wechselseitig zur Sicherstellung der darin genannten Patientenrechte im
Rahmen ihrer Zuständigkeiten verpflichten, eine losgelöst von der Kompetenzlage
vollständige und übersichtliche Zusammenfassung aller Patientenrechte zu geben
(„Patientencharta“). Dabei soll freilich auch die Möglichkeit genützt werden,
im Rahmen einer solchen Vereinbarung auch eine Weiterentwicklung der
Patientenrechte vorzunehmen und einzelne Lücken zu schließen.
Diese Lösung bietet
den großen Vorteil, dass sowohl längst bestehende wie auch neu zu schaffende
Patientenrechte in einem Stück Bundesgesetzblatt zusammengefasst sind, womit
trotz kompetenzrechtlicher Zersplitterung eine übersichtliche und vollständige
Information möglich ist.
Mit dem Land
Kärnten wurde eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte bereits
in der vorletzten Gesetzgebungsperiode bilateral abgeschlossen (BGBl. I
Nr. 195/1999).
In der letzten
Gesetzgebungsperiode erfolgte ein bilateraler Abschluss mit den Bundesländern
Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark, weiters erfolgte
der Abschluss mit Tirol und Vorarlberg. Nunmehr hat auch das Land Wien den
Wunsch nach einem bilateralen Abschluss geäußert, diesem Wunsch wäre im Sinne
der Weiterentwicklung der Patientenrechte nachzukommen.
Für den Bund
werden sich durch den Abschluss der Vereinbarung keine Mehrkosten ergeben, da
es sich im Wesentlichen um eine Kompilation der sich aus der geltenden
Rechtslage ergebenden Patientenrechte handelt.
Der
Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Vereinbarung in seiner Sitzung am 1. Feber 2006 in
Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem
Berichterstatter die Abgeordneten Ridi Steibl,
Theresia Haidlmayr, Mag. Johann Maier, Karl Donabauer, Beate Schasching, Dr. Erwin Rasinger,
Mag. Christine Lapp, Maria Grander, Dr.
Kurt Grünewald, Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler und Manfred Lackner sowie
die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat.
Bei der Abstimmung
wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses
dieser Vereinbarung zu empfehlen.
Als
Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Elmar Lichtenegger gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
Der Abschluss der Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (1268 der Beilagen) wird genehmigt.
Wien, 2006-02-01
Elmar Lichtenegger Barbara Rosenkranz
Berichterstatter Obfrau