Vorblatt

Problem

In der medizinischen und rechtlichen Praxis werden häufig Patientenverfügungen errichtet. Obwohl das Recht des Patienten, seinen Willen zu bestimmten Behandlungen vorweg zu deklarieren, unbestritten ist, werfen solche Verfügungen im Detail doch zahlreiche Rechtsfragen auf. Es ist beispielsweise ungewiss, unter welchen Voraussetzungen diese Erklärungen des Patienten für den Arzt und andere Beteiligte verbindlich sind. Zudem ist nicht geregelt, wie weit derartige Verfügungen gehen können und welche Formerfordernisse dabei eingehalten werden müssen. Auch können Patientenverfügungen, die vielfach die Behandlung im letzten Lebensstadium ansprechen, schwierige rechtliche und ethische Probleme hervorrufen. Diese und andere Umstände führen zu Unsicherheiten: Der Patient kann sich nicht sicher sein, dass seine Erklärung auch wirklich beachtet werden wird. Der behandelnde Arzt hat demgegenüber kein sicheres rechtliches Fundament, auf dem er seine medizinische Entscheidung treffen kann.

Ziel des Vorhabens

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll dieses Rechtsgebiet eindeutig und transparent geregelt werden. Es soll klargestellt werden, in welcher Form und mit welchem Inhalt eine verbindliche Patientenverfügung errichtet werden kann und welche Rechtswirkungen ihr und anderen Erklärungen des Patienten zukommen. Die vorgeschlagenen Regelungen sollen einerseits dem Patienten zugute kommen und ihm eindeutige Vorgaben für derartige Erklärungen bieten. Andererseits soll auch für den behandelnden Arzt und andere an der Behandlung Beteiligte klar und leicht erkennbar sein, welche Folgen eine Patientenverfügung für sie hat.

Der Entwurf berührt nicht die strafrechtlichen Verbote der Mitwirkung am Selbstmord und der Tötung auf Verlangen. Die so genannte „aktive Sterbehilfe“ bleibt weiterhin verboten. Ein in Form einer Patientenverfügung geäußerter Wunsch nach „aktiver Sterbehilfe“ ist auch künftig nicht beachtlich.

Inhalt

Das vorgeschlagene Patientenverfügungsgesetz regelt folgende Belange:

         -       allgemeine Gültigkeitserfordernisse für eine Patientenverfügung;

         -       besondere Voraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung;

         -       Gültigkeitsdauer einer solchen verbindlichen Patientenverfügung;

         -       Beachtlichkeit anderer Patientenverfügungen bei der Ermittlung des Willens des Patienten;

         -      Schutz vor dem Missbrauch solcher Instrumente.

Alternative

Beibehaltung der bisherigen, in der Praxis aber unbefriedigenden Rechtslage.

Finanzielle Auswirkungen

Der Entwurf wird sich auf die öffentlichen Haushalte nicht nachteilig auswirken.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort

Auch auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort wird sich das Vorhaben nicht nachteilig auswirken.

Aspekte der Deregulierung

Der Entwurf verbrieft bestehende Rechte der Patienten und trägt damit zur Stärkung ihrer Autonomie bei. Anliegen der Deregulierung stehen dem Vorhaben daher nicht entgegen.

EU-Konformität

Der Gesetzentwurf regelt einen Bereich, der nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union fällt. Auch sonst widerspricht er den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts nicht.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Problem

Nach dem geltenden Recht ist es einem einsichts- und urteilsfähigen Patienten überlassen, in medizinische Maßnahmen einzuwilligen oder solche abzulehnen. Das aus § 16 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) und aus § 110 des Strafgesetzbuchs (StGB), aber auch aus zahlreichen anderen Regelungen abgeleitete Patientenrecht auf Selbstbestimmung verpflichtet den Arzt dazu, den Patienten vor einer Behandlung aufzuklären und seine „informierte Einwilligung“ einzuholen. Die Entscheidung des Patienten, mit der er eine Behandlung ablehnt, ist im Allgemeinen rechtlich verbindlich. Der Arzt muss diese Entscheidung befolgen, auch wenn er persönlich anderer Meinung ist. Das gilt selbst dann, wenn eine Behandlung medizinisch indiziert ist und der Patient ohne diese voraussichtlich sterben wird. Die Patientenautonomie begrenzt damit die ärztliche Behandlungspflicht.

Ein Patient, der sich nicht mehr rechtswirksam äußern kann, kann jedoch nicht selbst entscheiden. Reicht die Zeit nicht aus, um einen gerichtlichen Sachwalter zu bestellen, so muss der Arzt eine notwendige Behandlung durchführen (s. § 8 Abs. 3 des Kranken- und Kuranstaltengesetzes [KAKuG]). Dabei wird sich der Arzt notgedrungen am objektiv verstandenen Interesse des Patienten orientieren, nicht aber am Willen des Patienten, den er im modernen Klinikalltag in aller Regel nicht ermitteln kann. Solchen von ihm unter Umständen nicht gewollten Situationen kann der Patient dadurch vorbeugen, dass er in einer Patientenverfügung vorweg den eigenen Willen artikuliert.

Die Patientenverfügung ist von der Rechtsordnung bereits anerkannt: Sie wird in § 10 Abs. 1 Z 7 KAKuG und in den auf dieser Grundsatzbestimmung beruhenden landesrechtlichen Ausführungsvorschriften erwähnt. Demnach sind in der Krankengeschichte Verfügungen des „Pfleglings“ zu dokumentieren, in denen er „erst für den Fall des Verlustes seiner Handlungsfähigkeit das Unterbleiben bestimmter Behandlungsmethoden wünscht ...“. Auch nehmen die zwischen dem Bund und den meisten Ländern abgeschlossenen „Vereinbarung(en) zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)“ auf solche Verfügungen in Art. 18 Bedacht. Patientinnen und Patienten haben demnach das Recht, „im vorhinein Willensäußerungen abzugeben, durch die sie sich für den Fall des Verlustes ihrer Handlungsfähigkeit das Unterbleiben einer Behandlung oder bestimmter Behandlungsmethoden wünschen, damit bei künftigen medizinischen Eingriffen soweit wie möglich darauf Bedacht genommen werden kann“. Auf völkerrechtlicher Ebene ist hier das – von Österreich allerdings nicht ratifizierte – Übereinkommen des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin zu nennen. Nach Art. 9 dieses Übereinkommens sind bei einem im Zeitpunkt der Behandlung nicht äußerungsfähigen Patienten Wünsche zu berücksichtigen, die er früher im Hinblick auf eine solche Intervention geäußert hat.

So klar die Rechtslage damit auf den ersten Blick erscheint, so groß sind die mit Patientenverfügungen verbundenen Unsicherheiten: Nach geltendem Recht gibt es keine Anhaltspunkte dafür, wie weit eine Patientenverfügung gehen kann. So ist beispielsweise offen, welche Folgen es hat, wenn sich der Patient vorab eine bestimmte Behandlung wünscht. Es ist auch unklar, welchen formellen und inhaltlichen Standards die Patientenverfügung genügen muss. Nicht konkret geregelt ist weiter das Verhältnis zwischen einer Patientenverfügung und anderen rechtlichen Rahmenbedingungen für die ärztliche Behandlung. Das gilt im Besonderen für die Schranken, die die strafrechtlichen Bestimmungen über das Verbot der Mitwirkung am Selbstmord und der Tötung auf Verlangen (§§ 77 und 78 StGB) setzen. Das geltende Recht sagt ferner nichts dazu, wie lange eine Patientenverfügung wirkt und was gelten soll, wenn sich der Stand der medizinischen Wissenschaft geändert hat. Darüber hinaus ist es ungewiss, welche Bedeutung die Patientenverfügung im Einzelfall hat, ob es sich um eine für den Arzt und andere Beteiligte (Angehörige, Pflegepersonen, Richter, Krankenanstaltenträger) absolut verbindliche Entscheidung handelt oder ob trotz einer Verfügung für die Behandlung ein gewisser Spielraum verbleibt. Daneben kann die Patientenverfügung auch schwierige ethische Fragen aufwerfen, die je nach dem religiösen oder weltanschaulichen Standpunkt durchaus verschieden beantwortet werden. Letztlich eröffnet sie ein Missbrauchspotenzial, vor allem dann, wenn sich das (vermeintliche) Interesse des Patienten mit Interessen anderer Personen überschneidet.

Das Meinungsspektrum im österreichischen Schrifttum ist breit: Teilweise wird vertreten, dass eine solche Verfügung rechtlich verbindlich ist (so Lachmann, Zur Bindungswirkung des "Patiententestaments", AnwBl 1997, 7 ff. und – allerdings unter Hinweis auf die Schwierigkeit, die Verbindlichkeitsvoraussetzungen im Beurteilungszeitpunkt nachzuvollziehen – Kopetzki, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Aspekte antizipierter Patientenverfügungen, in Kopetzki [Hrsg.], Antizipierte Patientenverfügungen [2000] 38, insbesondere 43 – 45, sowie Kneihs, Zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen, in Kopetzki [Hrsg.], Antizipierte Patientenverfügungen 61 [61 - 64]); teilweise wird ihr bloß Indizwirkung für den mutmaßlichen Patientenwillen zuerkannt (Kerschner, Arzthaftung bei Patientenverfügungen, RdM 1998, 131 ff [„ein Entscheidungselement, ein Kriterium neben anderen“]); andere Lehrmeinungen differenzieren wieder nach den Umständen des Einzelfalls (so u. a. Bernat, Behandlungsabbruch und [mutmaßlicher] Patientenwille, RdM 1995, 51, [55 f.]; Memmer, Das Patiententestament, RdM 1996, 99 ff.; wohl auch Barta/Kaltschmid, Die Patientenverfügung in Europa, in Barta/Kaltschmid [Hrsg.], Die Patientenverfügung – Zwischen Selbstbestimmung und Paternalismus [2005] 13 [37]). Entscheidungen österreichischer Gerichte gibt es – soweit ersichtlich – zu den mit einer Patientenverfügung zusammenhängenden allgemeinen Fragen nicht (zum so genannten „psychiatrischen Testament“ s. OGH EvBl 1999/21).

Der geltende Rechtszustand wird zum größten Teil aus allgemeinen Bestimmungen abgeleitet. Exakte Handlungsanweisungen an den behandelnden Arzt und an andere Beteiligte enthalten diese Bestimmungen und auch die schon erwähnten krankenanstaltenrechtlichen Regelungen aber nicht. Das trägt zur Verunsicherung der Patienten bei, die sich nicht darauf verlassen können, dass ihre Anordnungen im Fall des Falles auch befolgt werden. Das erschwert aber auch die Aufgabe des Arztes, der komplexe Fragen letztendlich in ärztlicher Verantwortung entscheiden muss. Betroffen sind jedoch auch die Angehörigen von Patienten und die mit der Pflege betrauten Personen, die in ohnehin schon schwierigen Situationen mit für sie nicht lösbaren Problemen konfrontiert werden. Das kann letztlich auch die Gerichte treffen, die im Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters mit Problemen befasst werden, die kaum justiziabel sind.

Vorgeschichte des Entwurfs

Der Nationalrat hielt am 29. 5. 2001 eine parlamentarische Enquete zu dem Thema „Solidarität mit unseren Sterbenden – Aspekte einer humanen Sterbebegleitung in Österreich“ ab (III-106 BlgNR XXI. GP). Der Gesundheitsausschuss nahm die Ergebnisse dieser Veranstaltung in seinen Sitzungen am 8. 11. 2001 und am 6. 12. 2001 in Verhandlung. Auf der Grundlage dieser Beratungen verabschiedete der Nationalrat eine Entschließung, nach der praxisorientierte Lösungsmöglichkeiten für Patientenverfügungen auf der Basis des geltenden Rechtes erarbeitet werden sollten. Auch möge ein allfälliger legislativer Handlungsbedarf ermittelt werden (933 BlgNR XXI. GP).

Der – damals zuständige – Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen richtete aufgrund dieser Entschließung im Jahre 2001 eine Arbeitsgruppe ein, die sich bis zum Sommer 2003 in mehreren Sitzungen mit dem Thema beschäftigte. Ziel dieser Arbeiten war es, auf der Grundlage des geltenden Rechts einen nicht verbindlichen Leitfaden zu erstellen, der Ärzten und anderen am Behandlungsgeschehen Beteiligten als Unterstützung und Richtschnur dienen sollte. Dazu kam es letztlich trotz inhaltlich recht weitgehender Übereinstimmung aufgrund des Widerstandes von Teilen der Gruppe jedoch nicht.

Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat daraufhin auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe einen Entwurf für ein Patientenverfügungsgesetz verfasst und zur allgemeinen Begutachtung versendet. Diesen Entwurf haben das Gesundheitsressort und das Bundesministerium für Justiz in weiterer Folge unter Einbeziehung der Ergebnisse der Begutachtung umgestaltet. In diese Arbeiten sind auch die Diskussionen auf der Richterwoche 2005 eingeflossen, die sich unter dem Generalthema „Recht und Würde im Alter“ u. a. mit der Patientenverfügung beschäftigt hat. Das Vorhaben ist darüber hinaus in weiteren Sitzungen mit Experten der unterschiedlichsten Disziplinen erörtert und auch in der so genannten „Bioethik-Kommission“ beraten worden.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs

Verfügt jemand, dass im Fall einer in der Zukunft liegenden Krankheitssituation eine bestimmte medizinische Behandlung unterbleiben soll, so entscheidet er nicht über eine konkrete und gegenwärtige (unmittelbar bevorstehende) Heilbehandlung. Vielmehr gibt er damit vorweg seinen Willen für künftige (mögliche oder wahrscheinliche) Situationen bekannt, die sich häufig nicht konkret abschätzen lassen und für die auch die Aufklärung im Vorhinein zumeist reichlich abstrakt bleiben muss. Mit Recht wird von manchen darauf hingewiesen, dass in solchen Fällen vor allem auch die dynamische Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit unter dem Einfluss eines progredienten oder terminalen Krankheitsverlaufes und von Grenzerfahrungen nicht – auch nicht vom Betroffenen selbst – prognostizierbar ist. Dies setzt der Verbindlichkeit eines pro futuro geäußerten Patientenwillens Grenzen. Er kann daher einer in einer konkret abschätzbaren Situation gegenwärtig geäußerten Ablehnung einer bestimmten Heilbehandlung nicht ohne weiteres gleich gehalten werden.

Der Entwurf nimmt diese Bedenken auf und legt zunächst fest, was unter einer Patientenverfügung zu verstehen ist, nämlich eine Willenserklärung, mit der ein Patient bestimmte Behandlungen vorweg für den Fall ablehnt, dass er nicht mehr einsichts- und urteilsfähig ist oder sich nicht mehr äußern kann. Für solche Erklärungen werden allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen vorgesehen, etwa dass sie nur vom Patienten selbst (und nicht von einem Vertreter) abgegeben werden können und dass sie den allgemeinen Anforderungen an zivilrechtliche Erklärungen entsprechen müssen. Was die Wirksamkeit und die Auswirkungen einer Patientenverfügung angeht, so soll aufgrund der erwähnten Besonderheit der vorab erklärten Ablehnung eine Behandlung künftig differenziert werden: Sie soll „verbindlich“ sein, wenn sie strenge formelle und inhaltliche Voraussetzungen erfüllt und auf einer umfassenden ärztlichen Aufklärung beruht. Durch die inhaltlichen Vorgaben soll einerseits verhindert werden, dass die Behandlung bestimmter Krankheiten unreflektiert abgelehnt werden kann. Die besonderen Errichtungsvorschriften sollen andererseits dem Umstand Rechnung tragen, dass das Vorliegen der inhaltlichen Voraussetzungen schwieriger zu beurteilen ist als bei aktuellen Willenserklärungen. Nur eine diesen Anforderungen genügende Verfügung soll den Arzt, aber auch andere Beteiligte, wie etwa Pflegepersonen, Angehörige oder das von wem auch immer angerufene Gericht, unmittelbar binden. Eine Patientenverfügung, die die besonderen formellen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, soll zwar nicht verbindlich, aber immerhin doch beachtlich für die Ermittlung des Patientenwillens sein.

Durch diese Differenzierung soll einerseits die Patientenautonomie gefördert werden. Andererseits soll sicher gestellt sein, dass die Patientenverfügung auch tatsächlich Ausfluss einer selbstbestimmten und überlegten Entscheidung des Patienten ist und klare und eindeutige Handlungsanweisungen für die Ärzte enthält.

Der Wunsch nach aktiver direkter Sterbehilfe kann nicht Teil einer Patientenverfügung sein. Die bestehenden strafrechtlichen Grenzen werden nicht angetastet. Der Arzt soll auch nicht über den Umweg einer Patientenverfügung zur Mitwirkung am Selbstmord verhalten werden können. Gleiches gilt für die strafrechtlich verpönte Tötung auf Verlangen.

Finanzielle Auswirkungen

Durch dieses Bundesgesetz entstehen dem Bund, den Ländern, den Städten und den Gemeinden keine zusätzlichen Kosten.

Kompetenzgrundlage

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf die Kompetenztatbestände „Zivilrecht“ und „Gesundheitswesen“ des Art. 10 Abs. 1 Z 6 und Z 12 B-VG.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort

Das vorgesehene Patientenverfügungsgesetz wird sich auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort nicht negativ auswirken.

Aspekte der Deregulierung

Mit dem vorgeschlagenen Entwurf soll die Patientenautonomie gestärkt werden. Aspekte der Deregulierung, wie sie in Art. 1 § 1 des Deregulierungsgesetzes angesprochen werden, stehen dem Vorhaben daher nicht entgegen.

EU-Konformität

Der Bereich der Patientenverfügungen wird im Gemeinschaftsrecht nicht geregelt. Der Entwurf entspricht auch sonst in allen Belangen dem europäischen Recht.


 

Besonderer Teil

1. Abschnitt (Allgemeine Bestimmungen)

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Die Bestimmung regelt den Anwendungsbereich des vorgeschlagenen Gesetzes: Es geht um die inhaltlichen und die formellen Voraussetzungen für Patientenverfügungen, aber auch um die rechtliche Wirksamkeit solcher Erklärungen. Dabei soll zum besseren Überblick des Rechtsanwenders gleich einleitend auf die unterschiedlichen Arten von Patientenverfügungen hingewiesen werden, nämlich die verbindliche Patientenverfügung (die im 2. Abschnitt in den §§ 4 – 7 geregelt wird) und die für die Ermittlung des Patientenwillens beachtliche Verfügung (für die im 3. Abschnitt die §§ 8 und 9 nähere Bestimmungen enthalten).

Zu § 2 (Begriffe)

Unter einer Patientenverfügung versteht der Entwurf eine Willenserklärung, mit der eine einsichts-, urteils- und äußerungsfähige Person im Voraus eine bestimmte medizinische Behandlung für den Fall ablehnt, dass sie nicht mehr einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist. Der Verfasser dieser Verfügung (der Entwurf bezeichnet ihn in § 2 Abs. 2 der Einfachheit halber als Patient, auch wenn er im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung noch nicht erkrankt sein muss) sorgt damit für den Fall vor, dass er später – beispielsweise infolge einer Erkrankung, eines Unfalls, einer körperlichen oder geistigen Schwäche oder einer Medikation – nicht mehr zu einer aktuellen Entscheidung oder Äußerung seines Willens fähig sein sollte. Die Patientenverfügung kann zum einen dann bedeutsam sein, wenn der Patient seinen Willen nicht mehr äußern kann, also wenn er sich nicht mehr mündlich, durch Zeichen oder durch technische Hilfsmittel mit seiner Umwelt klar verständigen kann. Die Patientenverfügung kann aber zum anderen auch nach dem Verlust der Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten zum Tragen kommen. Wenn der Patient zum Zeitpunkt der medizinischen Behandlung noch eine autonome Entscheidung treffen und diese auch artikulieren kann, gilt seine aktuelle Entscheidung. Sie geht einer in Form einer Patientenverfügung gekleideten Willenserklärung vor.

Gegenstand einer Patientenverfügung kann nur die Ablehnung einer bestimmten medizinischen Behandlung sein; Maßnahmen im Bereich der Pflege unterliegen nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Deshalb kann der Patient nicht vorweg seine Grundversorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, die Teil der Pflege ist, ausschließen. Auch kann er den Arzt in seiner Verfügung nicht dazu verhalten, eine bestimmte Behandlung vorzunehmen. Anspruch auf eine medizinisch nicht indizierte Behandlung hat der Patient nicht, hier stößt sein Selbstbestimmungsrecht an rechtliche Grenzen. Im Einklang mit den bisher in diesem Bereich geltenden Bestimmungen (§ 10 Abs. 1 Z 7 KAKuG, Art. 18 der Patientencharta) kann in einer Patientenverfügung daher nur eine bestimmte Behandlung abgelehnt werden.

Zu § 3 (Höchstpersönliches Recht, Fähigkeit der Person)

Nach § 3 des Entwurfs muss der Patient bei der Errichtung seiner Verfügung bestimmten allgemeinen Anforderungen entsprechen: Er muss im Zeitpunkt der Verfassung seiner Willenserklärung über die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügen. Er muss also in der Lage sein, den Grund und die Bedeutung der von ihm abgelehnten Behandlung einzusehen. Darüber hinaus muss er aber auch über die Fähigkeit verfügen, seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen. Er muss also hinsichtlich der Diagnose, der Behandlungsmöglichkeiten und ihrer Alternativen sowie ihrer Risiken und Chancen den Wert der von seiner Entscheidung umfassten Güter und Interessen erfassen und sein Verhalten danach ausrichten können. Dabei kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an.

Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit muss im Zeitpunkt der Errichtung der Patientenverfügung vorliegen. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass der Patient auch weiterhin einsichts- und urteilsfähig bleibt. Seine Verfügung soll ja gerade dann eingreifen, wenn er nicht mehr selbst entscheiden kann oder wenn er seinen Willen nicht mehr artikulieren kann (s. auch § 7 Abs. 3 des Entwurfs).

Bei der Errichtung einer Patientenverfügung kann sich der Patient nicht vertreten lassen, er kann nur selbst, also höchstpersönlich verfügen. Hat das Gericht einen Sachwalter bestellt, so kann der Patient dennoch ohne dessen Zustimmung oder Genehmigung eine wirksame Patientenverfügung errichten. Der Sachwalter kann dagegen in einem solchen Fall nicht für den Patienten vorweg wirksam handeln.

2. Abschnitt (Verbindliche Patientenverfügungen)

Die §§ 4 – 7 des Entwurfs sehen einige inhaltliche und formelle Standards für verbindliche Patientenverfügungen vor. Der Verfasser muss die medizinischen Behandlungen, die er verweigert, einigermaßen konkret in seiner Erklärung umschreiben (§ 4 des Entwurfs). Er muss darüber hinaus über das Wesen und die Folgen seiner Verfügung für die medizinische Behandlung umfassend durch einen Arzt aufgeklärt werden (§ 5 des Entwurfs). Zudem muss die Errichtung einer verbindlichen Verfügung erhöhten Anforderungen genügen. Der Patient kann die Verfügung nur vor einem Rechtsanwalt, Notar oder rechtskundigen Patientenvertreter errichten, der ihn über die Folgen seiner Erklärung sowie über die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs zu belehren hat (§ 6 des Entwurfs). Letztlich soll die Wirksamkeitsdauer einer Patientenverfügung zeitlich mit einer Frist von fünf Jahren begrenzt werden (§ 7 des Entwurfs). Alle diese Kautelen sollen die Gewähr dafür bieten, dass verbindliche Patientenverfügungen mit ihren unter Umständen gravierenden Auswirkungen den tatsächlichen Willen des informierten Patienten wiedergeben. Eine diesen Voraussetzungen entsprechende Verfügung bindet Arzt und Pflegepersonal ebenso wie Angehörige; eines Sachwalters bedarf der Patient dann insoweit – also soweit es um die Zustimmung zur medizinischen Behandlung geht, die in der Patientenverfügung wirksam abgelehnt wird – nicht.

Zu § 4 (Inhalt)

Damit eine Patientenverfügung verbindlich ist, muss sie bestimmte – hohe – Anforderungen erfüllen, die typischerweise gewährleisten, dass der Patient eine wohlüberlegte, ernsthafte Entscheidung trifft. Die Patientenverfügung ist in diesem Sinn nur dann unmittelbar verbindlich, wenn die vorweggenommene Situation der tatsächlich vorliegenden entspricht. Das setzt nach § 4 des Entwurfs voraus, dass die medizinischen Maßnahmen, die abgelehnt werden, in der Erklärung eindeutig umschrieben werden. Hiefür kann es freilich nicht auf eine detaillierte Aufzählung aller erdenkbaren Fälle, in denen bestimmte Maßnahmen unterbleiben sollen, ankommen. Es reicht aus, wenn aus dem Gesamtzusammenhang der Patientenverfügung hervorgeht, welche medizinischen Behandlungen abgelehnt werden. Allzu allgemeine Formulierungen, wie das Verbot eines „menschenunwürdigen Daseins“, der Wunsch nach der Unterlassung einer „risikoreichen Operation“, die Ablehnung einer „künstlichen Lebensverlängerung“ oder das Verlangen nach einem „natürlichen Sterben“, werden aber wieder zu unbestimmt sein und als Direktiven ausscheiden. Sie können nur für die Ermittlung des relevanten Patientenwillens eine wesentliche Hilfe sein.

Aus der Patientenverfügung muss zudem hervorgehen, dass der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt. Der aufklärende Arzt hat in der Patientenverfügung darzulegen, dass der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt (s. näher § 5 des Entwurfs und die Erläuterungen hiezu). Mit dieser inhaltlichen Voraussetzung einer verbindlichen Patientenverfügung soll verhindert werden, dass die Behandlung bestimmter Krankheiten unreflektiert abgelehnt werden kann. Diese Einschränkung der Patientenautonomie vermeidet es auch, dass frühzeitige und uninformierte Entscheidungen „schlagend werden“.

Findet sich die Bestätigung in der Urkunde, dass der Patient die Folgen seiner Verfügung im Errichtungszeitpunkt zutreffend abschätzen konnte, so wird der behandelnde Arzt also in erster Linie prüfen müssen, ob die in der Patientenverfügung beschriebene Situation dem Zustand des nunmehr einsichts-, urteils- oder äußerungsunfähigen Patienten entspricht. Nur in diesem Fall sind die Anordnungen des Patienten unmittelbar verbindlich.

Zu § 5 (Aufklärung)

§ 5 des Entwurfs fordert weiter als inhaltliche Voraussetzung einer Patientenverfügung, dass der Patient über das Wesen und die Folgen einer Patientenverfügung für die medizinische Behandlung (gesundheitliche Folgen bei Unterlassung der Behandlung, Behandlungsalternativen usw.) ärztlich aufgeklärt wird. Auf die ärztliche Aufklärung kann der Patient bei Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung – anders als sonst – nicht verzichten.

Damit ein Patient sein Recht auf Selbstbestimmung in Anspruch nehmen kann, muss er alle Informationen erhalten, die Grundlage seiner Entscheidung sind. Der Arzt muss den Patienten dabei in einer für den medizinischen Laien verständlichen Form informieren. Dies soll nicht nur für die Entscheidung eines Patienten über die aktuelle Vornahme einer Behandlung gelten, sondern auch für die verbindliche Patientenverfügung, bei der die Erklärung des Patienten und die Behandlung zeitlich auseinander fallen. Für dieses inhaltliche Erfordernis sprechen aber auch andere, insbesondere praktische, Gründe: Informationsdefizite über die moderne Medizin, über ihre Mittel und Möglichkeiten und über deren Einsatz, können zu falschen Vorstellungen und missverständlichen Formulierungen führen. Darüber hinaus wird es dem nicht medizinisch geschulten Laien oft schwer fallen, seine Vorstellungen entsprechend zu artikulieren. Auch diesbezüglich ist die Aufklärung eines Arztes unerlässlich, da der Patient das Risiko ungenauer Erklärungen selbst trägt.

Der aufklärende Arzt muss schließlich auch prüfen, ob der Patient die Rechtsfolgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt (s. § 4 Satz 2 des Entwurfs). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Patientenverfügung auf eine Behandlung einer Krankheit bezieht, an der der Patient selbst oder ein naher Angehöriger (etwa sein Ehegatte oder Lebensgefährte oder Personen, die mit ihm oder seinem Ehegatten in gerader Linie oder bis zum vierten Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind, sowie Wahl- und Pflegekinder; vgl. § 4 Anfechtungsordnung, § 32 Konkursordnung) leidet oder gelitten hat. Die zutreffende Einschätzung der Folgen der Patientenverfügung kann sich aber auch aus vergleichbaren Umständen ergeben, etwa wenn der Patient selbst über lange Zeit mit bestimmten Krankheitsbildern beruflich zu tun hatte und für sich selbst eine solche Behandlung nicht will oder wenn er bestimmte Behandlungsmethoden aus religiösen Gründen ablehnt.

Die Vornahme der eingehenden Aufklärung und das Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit müssen vom aufklärenden Arzt in der Verfügung selbst (falls der Arzt bei der Errichtung nach § 6 des Entwurfs anwesend ist) oder auch in einer gesonderten – später als Anhang der Patientenverfügung fungierenden – Urkunde dokumentiert werden. Er hat dabei auch darzulegen, dass und aus welchen Gründen der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt. Wird die Patientenverfügung in Anwesenheit des Arztes (s. § 6) errichtet, so erfüllt dieser durch die Aufnahme einer Kopie derselben (samt den ärztlichen Vermerken auf der Urkunde) in die Krankengeschichte gleichzeitig die ihm krankenanstalten- oder arztrechtlich vorgegebenen Dokumentationspflichten (vgl. § 14 des Entwurfs).

Zu § 6 (Errichtung)

Bei Patientenverfügungen kann sich für den behandelnden Arzt und für andere mit solchen Erklärungen Befasste ein besonderes Dilemma ergeben: Die inhaltlichen Voraussetzungen der Verbindlichkeit der Erklärung des Patienten sind nämlich vielfach weitaus schwieriger festzustellen als bei aktuellen Willenserklärungen. Nur bei solchen besteht „die Möglichkeit des Nachfragens, der Präzisierung oder des Widerrufs“. Bei der Patientenverfügung ist man dagegen auf die Auslegung einer „mehr oder weniger bestimmten Erklärung“ angewiesen (s. Kopetzki in Kopetzki, Antizipierte Patientenverfügungen 38, 46 f.).

§ 6 des Entwurfs will diese für die Praxis überaus problematische Unsicherheit eindämmen, indem für verbindliche Patientenverfügungen besondere Errichtungs- und Formvorschriften statuiert werden. Demnach muss eine verbindliche Patientenverfügung schriftlich vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einem rechtskundigen Patientenvertreter (einem juristischen Mitarbeiter der „Patientenanwaltschaft“ im Sinn des § 11e KAKuG) errichtet werden. Der Ausdruck „schriftlich“ ist dabei im Verständnis des § 886 ABGB auszulegen, die Erklärung muss vom Patienten im Allgemeinen eigenhändig unterfertigt werden. Die strengere Form des Notariatsakts reicht immer aus. Auch muss die Erklärung datiert werden, zumal nur dadurch die Frage beantwortet werden kann, ob eine Verfügung im Sinn des § 7 des Entwurfs noch verbindlich ist.

Mit dem Erfordernis der Errichtung der Patientenverfügung vor einer rechtskundigen Person soll insbesondere sichergestellt werden, dass die Verfügung in ihrer Formulierung auch verständlich ist und den Anforderungen dieses Gesetzesentwurfs entspricht.

Der Patient muss nach § 6 Abs. 1 des Entwurfs weiter über die Folgen der Patientenverfügung sowie die Möglichkeit ihres jederzeitigen Widerrufs belehrt werden. Nach § 5 des Entwurfs muss der Patient u. a. über die gesundheitlichen Folgen der Patientenverfügung und mögliche medizinische Alternativen der abgelehnten Behandlung durch einen Arzt aufgeklärt werden. Bei der Belehrungspflicht nach § 6 Abs. 1 des Entwurfs geht es dagegen um die Information über die rechtlichen Auswirkungen der Erklärung des Patienten. Der Rechtsanwalt, Notar oder Patientenvertreter muss den Patienten über das Wesen der verbindlichen Erklärung belehren und ihn vor allem darauf aufmerksam machen, dass seine Entscheidung vom Arzt in aller Regel befolgt werden muss, selbst dann nämlich, wenn die Behandlung medizinisch indiziert ist und der Patient ohne diese voraussichtlich sterben wird. Der Patient muss ferner auch darüber informiert werden, dass der behandelnde Arzt in solchen Situationen auch nicht Angehörige befassen oder das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters einleiten kann. Die Pflicht zur rechtlichen Aufklärung über die Auswirkungen einer verbindlichen Patientenverfügung wird schließlich auch eine Belehrung über die Alternativen zu einem solchen Schritt, etwa die Verfassung einer nicht verbindlichen Verfügung, enthalten.

Nach § 6 Abs. 2 des Entwurfs hat der Rechtsanwalt, Notar oder Patientenvertreter die Vornahme dieser Belehrung in der Patientenverfügung (also in der Urkunde selbst, aber auch in einem Anhang dazu) unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift zu bestätigen.

Der Entwurf lässt es zu, dass ein Patient seine Erklärung in Anwesenheit eines Rechtsanwalts, Notars oder Patientenvertreters selbst errichtet und unterschreibt. Es reicht aber auch aus, wenn eine solche Person die Urkunde für den Patienten nach einem vorangegangenen Gespräch aufsetzt und diese dann vom Patienten unterfertigt wird. Die nach § 5 des Entwurfs erforderliche Aufklärung durch den Arzt muss entweder vorher stattgefunden haben oder im Zuge der Errichtung der Patientenverfügung erfolgen. Im ersteren Fall hat der Patient die vom Arzt verfasste gesonderte Urkunde vorzuweisen; sie ist als Anhang der Patientenverfügung beizufügen. Im zweiten denkbaren Fall, dass der Notar, Rechtsanwalt oder Mitarbeiter der Patientenanwaltschaft den Patienten in der Krankenanstalt aufsucht, können die ärztlichen Vermerke direkt auf der Patientenverfügung vorgenommen werden.

Zu § 7 (Erneuerung)

Da die medizinische Wissenschaft sich ständig weiter entwickelt und die Haltung des Patienten gegenüber einer von ihm zunächst abgelehnten medizinischen Maßnahme im Lauf der Zeit sich auch ändern kann, ist es zweckmäßig, die Wirksamkeitsdauer einer verbindlichen Patientenverfügung zeitlich zu begrenzen. Der Entwurf sieht dafür eine Frist von fünf Jahren vor. Für diesen Zeitraum können die Entwicklungen in der Medizin, im Krankheitsverlauf, aber auch in den Pflege- und Behandlungsmethoden vorweg einigermaßen abgesehen werden.

Wenn der Patient an seiner Patientenverfügung weiterhin festhalten will, muss er sie nach einer erneuten ärztlichen Aufklärung unter Einhaltung der Formerfordernisse des § 6 des Entwurfs nach Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer (oder auch noch rechtzeitig vorher) erneuern. Dabei soll es genügen, wenn er auf die von ihm bereits verfasste Verfügung Bezug nimmt. Der Entwurf verlangt also nicht die Errichtung einer neuen Verfügung.

Mit diesem Erneuerungserfordernis wird sichergestellt, dass sich der Patient nach einer bestimmten Zeit wieder mit seiner Verfügung auseinander setzt. Das bietet ihm die Gelegenheit, mögliche Fortschritte in der Medizin zu berücksichtigen. Er wird damit mittelbar aber auch dazu verhalten, seine Verfügung auch immer wieder grundsätzlich zu überdenken. Dies kann dazu führen, dass der Patient nachträglich Änderungen vornimmt (Abs. 2). Solche Änderungen sind – wie ein Widerruf – jederzeit und ohne Angabe von Gründen möglich; anders als beim Widerruf sind aber auf nachträgliche Änderungen die Bestimmungen über die Errichtung einer Patientenverfügung entsprechend anzuwenden. Die Änderungen können auch an einer bereits früher getroffenen Verfügung vorgenommen werden. Sie dürfen dabei aber nicht die Klarheit und Übersichtlichkeit der ursprünglichen Erklärung beeinträchtigen oder gar zu Widersprüchen führen. Bei jeder nachträglichen Änderung der Patientenverfügung gemäß Abs. 2 beginnt die in Abs. 1 vorgesehene Frist von fünf Jahren neu zu laufen.

Von dem Erneuerungserfordernis sind nach Abs. 3 aber diejenigen Fälle ausgenommen, in denen der Patient nach Errichtung der Patientenverfügung innerhalb der Gültigkeitsdauer die Einsichts- Urteils- oder Äußerungsfähigkeit verliert und deshalb eine zeitgerechte Erneuerung nicht stattfinden kann. Auf solche Situationen zielt die Patientenverfügung definitionsgemäß ab.

3. Abschnitt (Beachtliche Patientenverfügung)

Zu den §§ 8 und 9 (Voraussetzungen; Beachtung des Patientenwillens)

Wenn eine Patientenverfügung im Einzelfall nicht unmittelbar verbindlich ist, etwa weil sie nicht ausreichend bestimmt ist, weil der Patient nicht ausreichend aufgeklärt wurde, weil die Erklärung nicht nach den Vorschriften des § 6 errichtet wurde oder weil sie nicht erneuert wurde, so soll dies doch nicht zur Folge haben, dass die Erklärung des Patienten bedeutungslos ist. Darüber hinaus soll dem Patienten auch die Möglichkeit eingeräumt werden, Patientenverfügungen zu errichten, die zwar nicht verbindlich sind, aber doch in die Behandlungsentscheidung des Arztes einfließen sollen. Auch eine nicht verbindliche Patientenverfügung soll also beachtet werden, nämlich als ein – wesentliches – Hilfsmittel für die Ermittlung des relevanten Patientenwillens. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Mangel dem Patienten ungewollt unterlaufen ist oder ob er seine Verfügung gezielt als bloße Orientierungshilfe errichtet hat.

Schon nach geltendem Recht kann der mutmaßliche Wille des Patienten für die weitere ärztliche Behandlung maßgebend sein, wenn er selbst keine Entscheidung mehr treffen kann. Abgesehen von Fällen der Gefahr im Verzug, in denen der Arzt notwendige Behandlungen unmittelbar vorzunehmen hat (dies ergibt sich aus den derartige Situationen abschließend regelnden Bestimmungen des § 8 Abs. 3 KAKuG und der §§ 282 sowie 146c Abs. 3 ABGB; s. Ganner, Selbstbestimmung im Alter [2005], 286 f.), muss die Einwilligung des Patienten durch die Zustimmung eines gerichtlich bestellten Sachwalters ersetzt werden. Das erübrigt sich nach dem Konzept des Entwurfs, wenn die Patientenverfügung verbindlich ist. Andernfalls muss ein Sachwalter bestellt werden. Für diesen ist auch eine nicht verbindliche Patientenverfügung beachtlich. Er hat zwar bei seiner Entscheidung das Wohl des Betroffenen zu wahren. Ob eine Behandlung dem Wohl des Patienten entspricht, ist aber nicht allein nach objektiven Kriterien zu messen. Vielmehr spielen hier auch subjektive Momente – etwa aktuell geäußerte Wünsche – eine Rolle (vgl. § 273a Abs. 3 ABGB). Der Sachwalter hat daher die Patientenverfügung bei seiner Entscheidung ins Kalkül zu ziehen. Das Gleiche gilt für das Sachwaltergericht, wenn es aufgrund der Bedeutung der Behandlung für den Patienten die Entscheidung des Sachwalters genehmigen muss. In solchen Fällen muss aufgrund einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt werden, wie der Betroffene in der gegebenen Situation entscheiden würde, wenn er seinen Willen noch kundtun könnte. Dazu muss nach Anhaltspunkten gesucht werden, die seinen Willen erkennen lassen. Diese Anhaltspunkte müssen bewertet und gegeneinander abgewogen werden. Dazu gehören etwa die religiöse oder weltanschauliche Überzeugung, persönliche Wertvorstellungen des Patienten, aber auch frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen. Für solche Fälle kann die Patientenverfügung eine gewichtige und authentische Entscheidungshilfe für die Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens sein.

§ 9 des Entwurfs stellt Kriterien zur Verfügung, nach denen sich die Beachtlichkeit einer Patientenverfügung richtet. Auch wenn an eine beachtliche Patientenverfügung nicht derselbe Maßstab wie an eine verbindliche angelegt wird, ist sie doch kein „rechtliches Nichts“. Sie liefert im Gegenteil umso größere Anhaltspunkte für den maßgeblichen Patientenwillen, je eher sie den Voraussetzungen der §§ 4 bis 7 des Entwurfs entspricht. Eine beachtliche Patientenverfügung ist stets bei der Ermittlung des Willens des Patienten heranzuziehen. Je näher sie einer verbindlichen Patientenverfügung kommt, umso größere Bedeutung wird ihr zukommen.

4. Abschnitt (Gemeinsame Bestimmungen)

Zu § 10 (Unwirksamkeit)

Eine verbindliche und eine beachtliche Patientenverfügung müssen ganz allgemein die in § 10 des Entwurfs angeführten Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllen. Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, so darf die Patientenverfügung bei der Behandlung nicht beachtet werden. Bei diesen Kriterien handelt es sich zum einen um Umstände, die allgemein für das Vorliegen einer zivilrechtlich wirksamen Willenserklärung gefordert werden (vgl. etwa die §§ 869 ff. ABGB). Sie sollen hier wiederholt werden, um dem nicht unbedingt zivilrechtskundigen Rechtsanwender die Prüfung einer Patientenverfügung zu erleichtern. Zum anderen sieht der Entwurf Wirksamkeitsvoraussetzungen vor, die besonders auf die spezifische Erklärung in einer Patientenverfügung abgestimmt sind.

Die Patientenverfügung muss frei von Willensmängeln sein, also frei und ernstlich erklärt und nicht durch Irrtum, List, Täuschung oder physischen oder psychischen Zwang veranlasst worden sein (§ 10 Abs. 1 Z 1 des Entwurfs). Die Erklärung ist ernstlich, wenn der Patient mit dem erkennbaren Willen handelte, eine gültige Verfügung zu treffen. Weiter entkräften konkrete Hinweise, wonach der Patient bei Errichtung seiner Erklärung einem Irrtum (auch über die Beweggründe) unterlag, seine Verfügung. Gleiches gilt, wenn er bei Errichtung der Verfügung getäuscht wurde oder unter physischem oder psychischem Zwang stand. Das kann insbesondere auch dann der Fall sein, wenn auf den Patienten ein unangemessener finanzieller oder auch nur gesellschaftlicher Druck ausgeübt wurde, eine bestimmte Behandlung in Zukunft abzulehnen. Ergeben sich aus der Verfügung selbst oder aus anderen Umständen Hinweise auf solche Umstände, so ist die Patientenverfügung unwirksam.

Ihr Inhalt muss weiter strafrechtlich zulässig sein (§ 10 Abs. 1 Z 2 des Entwurfs). Patientenverfügungen gehen bisweilen inhaltlich über Behandlungsverbote hinaus, indem der Patient aktiv auf die Behandlung Einfluss nehmen will. Er kann jedoch nichts rechtlich Verbotenes (§ 879 ABGB) vom Arzt verlangen. In Österreich ist die „aktive direkte Sterbehilfe“ verboten. Das soll auch so bleiben. Deshalb ist der in einer Patientenverfügung artikulierte Wunsch nach einer solchen aktiven direkten Sterbehilfe nicht bindend. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 des Entwurfs ist eine Patientenverfügung auch dann nicht wirksam, wenn sich seit dem Zeitpunkt der Errichtung oder der letzten Erneuerung der Fortschritt der Medizin derart wesentlich geändert hat, dass die ursprünglich erfolgte Aufklärung des Patienten nicht mehr ausreichend war, um die nun zu beurteilende medizinische Entscheidung abzudecken (clausula rebus sic stantibus).

Eine Patientenverfügung ist letztlich dann nicht wirksam, wenn sie der Patient selbst widerruft oder selbst zu erkennen gegeben hat oder gibt, dass er daran nicht mehr gebunden sein will (§ 10 Abs. 2 des Entwurfs). Der Patient kann die von ihm getroffene Verfügung jederzeit – formfrei – widerrufen. Dabei ist es – anders als nach allgemeinen Regeln – nicht erforderlich, dass er noch einsichts- und urteilsfähig ist. Der Widerruf kann nicht nur ausdrücklich (schriftlich oder mündlich), sondern auch durch ein schlüssiges Verhalten (d. h. durch Handlungen, die eindeutig als Widerruf anzusehen sind) erklärt werden. Hier ist z. B. an die Vernichtung der Verfügung durch deren Zerreißen zu denken.

§ 11 (Sonstige Inhalte)

§ 11 des Entwurfs stellt klar, dass die Wirksamkeit einer Patientenverfügung durch allfällige zusätzliche Erklärungen, wie etwa die Nennung bestimmter Kontaktpersonen, nicht beeinträchtigt wird.

Zu § 12 (Notfälle)

Nach § 12 des Entwurfs sollen Maßnahmen der medizinischen Notfallversorgung durch das vorgesehene Patientenverfügungsgesetz nicht beeinträchtigt werden. Im Besonderen sollen solche Maßnahmen, deren Aufschub das Leben oder die Gesundheit des Patienten gefährden kann, nicht durch die Suche nach einer Patientenverfügung hinausgezögert werden. Das gilt auch für die im Anschluss an die unmittelbare Notversorgung folgenden Behandlungen in weiteren Versorgungseinrichtungen. Wenn aber in einer Notfallseinrichtung oder in einer anderen Versorgungseinrichtung eine Patientenverfügung in der Krankengeschichte dokumentiert ist, muss diese auch in Notfällen beachtet werden.

Zu § 13 (Pflichten des Patienten)

Nach § 13 des Entwurfs kann sich ein Patient durch eine Patientenverfügung nicht einer ihm durch besondere Rechtsvorschriften auferlegten Verpflichtung, sich (z. B. bei bestimmten übertragbaren Krankheiten) medizinisch behandeln zu lassen, entziehen. Die sich aus einer solchen besonderen Bestimmung ergebende Behandlungspflicht bleibt unabhängig von der Patientenverfügung in vollem Umfang bestehen.

Zu § 14 (Dokumentation)

Der aufklärende Arzt (§ 5 des Entwurfs) und der behandelnde Arzt haben vor ihnen errichtete und ihnen zugemittelte Patientenverfügungen in die Krankengeschichte bzw. die ärztliche Dokumentation (§ 51 Ärztegesetz 1998) aufzunehmen. Dies kann etwa durch die Anfertigung einer Kopie erfolgen.

In der ärztlichen Dokumentation ist nach den Vorgaben des § 51 ÄrzteG 1998 auch festzuhalten, aus welchen Gründen im Einzelfall der Arzt die notwendige Mitwirkung an einer Patientenverfügung ausschließt und deshalb die Patientenverfügung nicht zustande kommen kann. Ist für den Arzt die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten gegeben, so muss dies auf der Urkunde nicht weiter dokumentiert werden. Findet sich auf der Patientenverfügung kein Hinweis auf die Einsichts- und Urteilsfähigkeit, so kann davon ausgegangen werden, dass diese im Zeitpunkt der Errichtung gegeben war.

Zu § 15 (Verwaltungsstrafbestimmung zum Schutz vor Missbrauch)

Die Errichtung einer Patientenverfügung muss stets im Ermessen des Patienten liegen und darf nicht durch äußere Zwänge beeinflusst werden. Vor allem sollen nicht wirtschaftliche oder gesellschaftliche Zwänge den Patienten veranlassen, eine bestimmte Behandlung abzulehnen.

Besondere Bedeutung erhält dies beim Zugang oder Erhalt von Versorgungsleistungen. Hier darf die Errichtung einer Patientenverfügung oder auch die Unterlassung einer solchen Erklärung keinesfalls zur Bedingung für die Aufnahme in die Einrichtung gemacht werden. Um dies zu gewährleisten, werden derartige Einflussnahmen mit einer Verwaltungsstrafe sanktioniert. Der Strafrahmen soll vor allem im Hinblick auf eventuelle wirtschaftliche Interessen vorbeugenden Charakter haben und Druck auf den Patienten so weit wie möglich verhindern.

5. Abschnitt (Schluss- und Übergangsbestimmungen)

Zu § 18 (In-Kraft-Treten)

Das vorgeschlagene Patientenverfügungsgesetz soll mit dem ersten Tag des Monats, der auf die Kundmachung folgt, in Kraft treten. Vorher errichtete Patientenverfügungen sollen hinsichtlich ihrer Auswirkungen nach den neuen Regeln beurteilt werden. Sie werden daher im Allgemeinen wesentlich für die Ermittlung des Patientenwillens sein.