Vorblatt
Probleme und
Ziele:
Bereits Anfang der
90-er Jahre setzten Diskussionen über die Weiterentwicklung und Kodifizierung
der Patientenrechte ein.
Eine Analyse der
Situation zeigte, dass sich der Kompetenzlage entsprechend Patientenrechte sowohl in Bundes‑ als
auch in Landesrechtsvorschriften finden. Ein Bundespatientenrechtegesetz könnte
daher immer nur Teilbereiche lösen und müsste unvollständig sein. Der Charakter der Patientenrechte als
Querschnittsmaterie führten zu der Überlegung, kein eigenes
Patientenrechtegesetz auszuführen, sondern den Versuch zu unternehmen, auf der
Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG, in der sich Bund und Länder
wechselseitig zur Sicherstellung der darin genannten Patientenrechte im Rahmen
ihrer Zuständigkeiten verpflichten, eine losgelöst von der Kompetenzlage
vollständige und übersichtliche Zusammenfassung aller Patientenrechte zu geben
(„Patientencharta“).
Mit dem Land
Kärnten wurde eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte bereits
in der vorletzten Gesetzgebungsperiode bilateral abgeschlossen (BGBl. I
Nr. 195/1999)
In der letzten
Gesetzgebungsperiode erfolgte ein bilateraler Abschluss mit den Bundesländern
Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark, weiters erfolgte
der Abschluss mit Tirol und Vorarlberg. Vor kurzem erfolgt der Abschluss mit
Wien, nunmehr hat auch das Land Salzburg den Wunsch nach einem bilateralen
Abschluss geäußert, diesem Wunsch wäre im Sinne der Weiterentwicklung der
Patientenrechte nachzukommen.
Inhalt:
Die Vereinbarung
enthält Regelungen zu folgenden wesentlichen Bereichen von Patientenrechten:
Recht auf
Behandlung und Pflege,
Recht auf Achtung
der Würde und Integrität,
Recht auf
Selbstbestimmung und Information,
Recht auf
Dokumentation,
Besondere
Bestimmungen für Kinder,
Vertretung von
Patienteninteressen und
Durchsetzung von
Schadenersatzansprüchen.
Alternative:
Unterlassung des
angebotenen bilateralen Abschlusses. Dies würde allerdings bedeuten, dass die
Gelegenheit zu einem Anstoß zur Stärkung und Fortentwicklung der
Patientenrechte verabsäumt werden würde.
Auswirkungen
auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:
Keine.
Finanzielle
Auswirkungen:
Für den Bund
werden sich auf Grund der Vereinbarung keine Mehrkosten ergeben.
EU‑Konformität:
Gegeben.
Erläuterungen
Allgemeiner
Teil
Hauptgesichtspunkte
des Entwurfes:
Bereits Anfang der
90-er Jahre setzen Diskussionen über die Weiterentwicklung und Kodifizierung
der Patientenrechte ein. Schon die ersten Diskussionen dieses Zieles hatten
allerdings gezeigt, dass die Ursachen der eigentlichen Probleme in der Praxis
kaum in nicht bestehenden Patientenrechten liegen, sondern dass die in der
Rechtsordnung längst vorhandenen und durch die Judikatur abgesicherten
Patientenrechte im Alltag bisweilen nur sehr schwer durchgesetzt werden können.
Ein Grund für diese Schwierigkeiten liegt schon darin, dass die Patientenrechte
über eine Vielzahl von Gesetzen verstreut sind. Der Kompetenzlage entsprechend
finden sich Patientenrechte dabei sowohl in Bundes‑ als auch in
Landesrechtsvorschriften. Als Beispiele für die erstgenannte Gruppe seien das
Ärztegesetz 1998, die Sozialversicherungsgesetze und das Strafgesetzbuch
genannt, auf Landesebene sind Bestimmungen über Patientenrechte u.a. im Rahmen
des Kompetenztatbestandes der Heil‑ und Pflegeanstalten in den
Landeskrankenanstaltengesetzen sowie im Rahmen der in den ausschließlichen Wirkungsbereich
der Länder fallenden Materien des Gemeindesanitätsdienstes und des
Rettungswesens enthalten. Das Phänomen kompetenzrechtlich mit verschiedenen
Aufgaben und unterschiedlichen Zuständigkeiten verquickter Materien
(„Querschnittsmaterien“) bringt es mit sich, dass zur Regelung einer einzelnen
Frage stets der Gesetzgeber zuständig ist, der zur Regelung des jeweils
angesprochenen Problembereichs insgesamt kompetent ist. Dies führt zu der oben
erwähnten Zersplitterung der Regelungen über Patientenrechte, finden sich diese
doch im Zusammenhang mit Zivil‑, Straf‑ und Sozialversicherungsrecht ebenso wie
in Ländermaterien.
Ein
Bundespatientenrechtegesetz könnte daher ‑ würde nicht zuvor eine
Verfassungsänderung eine umfassende Bundeskompetenz für Patientenrechte
schaffen ‑ immer nur Teilbereiche lösen, es müsste damit immer unvollständig
sein.
Hinzu kommt, dass
der weitaus größte Teil der Patientenrechte keinesfalls legislatives Neuland
darstellt. Patientenrechte wie Recht auf Verschwiegenheit, Recht auf Behandlung
nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und Recht auf
Spitalsbehandlung bei Anstaltsbedürftigkeit finden sich längst in der positiven
Rechtsordnung, andere essentielle Patientenrechte sind auch ohne ausdrückliche
Regelung seit langem in Literatur und Judikatur unbestritten (z.B. Recht auf
Einsicht in die Krankengeschichte, vgl. OGH 23.5.1984, 10 Ob 550/84). Der
Mangel liegt somit nicht darin, dass diese Rechte nicht vorhanden wären, er
liegt vielmehr in mangelnder Information und in Schwierigkeiten der
Durchsetzung.
Der Charakter der
Patientenrechte als Querschnittsmaterie, ihre Zersplitterung über zahlreiche
Vorschriften im Rahmen der Rechtsordnung des Bundes und der Länder, das dadurch
bedingte Informationsdefizit und nicht zuletzt aus diesem Grund verursachte
Schwierigkeiten in der Durchsetzung führten zu der Überlegung, kein eigenes
Patientenrechtegesetz auszuführen, sondern den Versuch zu unternehmen, auf der
Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG, in der sich Bund und
Länder wechselseitig zur Sicherstellung der darin genannten Patientenrechte im
Rahmen ihrer Zuständigkeiten verpflichten, eine losgelöst von der Kompetenzlage
vollständige und übersichtliche Zusammenfassung aller Patientenrechte zu geben
(„Patientencharta“). Dabei soll freilich auch die Möglichkeit genützt werden,
im Rahmen einer solchen Vereinbarung auch eine Weiterentwicklung der
Patientenrechte vorzunehmen und einzelne Lücken zu schließen.
Diese Lösung
bietet den großen Vorteil, dass sowohl längst bestehende wie auch neu zu
schaffende Patientenrechte in einem Stück Bundesgesetzblatt zusammengefasst
sind, womit trotz kompetenzrechtlicher Zersplitterung eine übersichtliche und
vollständige Information möglich ist.
Mit dem Land
Kärnten wurde eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte bereits
in der vorletzten Gesetzbegungsperiode bilateral abgeschlossen (BGBl. I
Nr. 195/1999).
In der letzten
Gesetzgebungsperiode erfolgte ein bilateraler Abschluss mit den Bundesländern
Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark, weiters erfolgte
der Abschluss mit Tirol und Vorarlberg. Vor kurzem erfolgt der Abschluss mit
Wien, nunmehr hat auch das Land Salzburg den Wunsch nach einem bilateralen
Abschluss geäußert, diesem Wunsch wäre im Sinne der Weiterentwicklung der
Patientenrechte nachzukommen.
Für den Bund
werden sich durch den Abschluss der Vereinbarung keine Mehrkosten ergeben, da
es sich im Wesentlichen um eine Kompilation der sich aus der geltenden
Rechtslage ergebenden Patientenrechte handelt.
Besonderer
Teil
Zu Artikel
1:
Wie bereits im
allgemeinen Teil der Erläuterungen dargelegt, sollen sich durch die vorliegende
Vereinbarung die Vertragsparteien verpflichten, die in der Charta angeführten
Patientenrechte im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit sicherzustellen.
Subjektive Rechte Einzelner können hingegen - dem Charakter einer Vereinbarung
gemäß Art. 15a B-VG entsprechend - durch eine solche Vereinbarung nicht
begründet werden.
Die Definition des
Patientenbegriffs in Artikel 1 Abs. 2 ist eine umfassende. Leistungen im
Bereich des Gesundheitswesens beinhalten sowohl ärztliche und pflegerische
Leistungen als auch die Leistungen aller anderen im Gesundheitsbereich tätigen
Berufsgruppen. Es sollen kurative und Vorsorgemaßnahmen erfasst werden,
unabhängig davon, ob diese Leistungen von Patienten in Anspruch genommen werden
oder der Patient an einer Inanspruchnahme gehindert ist, ihrer jedoch auf Grund
seines Gesundheitszustands bedarf. Der Erhaltung und dem Schutz der Gesundheit
dienen z.B. Kureinrichtungen. Nicht erfasst werden Leistungen, die durch
Dienste im Bereich der Sozialversorgung erbracht werden (z.B. Essen auf Rädern,
Heimhilfe) oder bloße Pflegeeinrichtungen. Diese Vereinbarung soll keine
Überschneidungen mit der Vereinbarung über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und
der Länder für pflegebedürftige Personen, BGBl. Nr. 866/1993, aufweisen.
Zu Abschnitt
1:
An der Spitze der
Patientenrechte soll sich mit maßgeblicher Bedeutung für die Auslegung im
Zweifelsfall das Postulat finden, dass die Persönlichkeitsrechte der Patienten
besonders zu schützen sind und die Menschenwürde unter allen Umständen zu
achten und zu wahren ist. Zu den Persönlichkeitsrechten, deren Schutz im
gegebenen Zusammenhang besonders relevant ist, zählen z.B. das Recht auf Ehre,
Achtung der Privatsphäre, auf Freiheit und Schutz des Briefgeheimnisses. Im
Hinblick auf die besondere Patientensituation ‑ insbesondere im stationären
Bereich ‑ muss es Aufgabe aller im Gesundheitsbereich Tätigen sein, dem Schutz
der Persönlichkeitsrechte der Patienten verstärktes Augenmerk zu widmen, dies
insbesondere in jenen Fällen, in denen Patienten auf Grund der Umstände nicht
in der Lage sind, ihre Rechte selbst wahrzunehmen.
Die
„Menschenwürde“ ist durch § 16 ABGB und Artikel 3 EMRK geschützt. Die
neuerliche Anführung im Zusammenhang mit Patientenrechten soll verdeutlichen,
dass diesem Schutzinteresse im Konfliktfall mit gegenläufigen Interessen
grundsätzlich Vorrang zukommt.
Ebenso bedeutsam
ist es, dass kein Patient wegen einer Krankheit oder des Verdachts auf das
Vorliegen einer Krankheit diskriminiert werden darf. Zu denken ist in diesem
Zusammenhang etwa an AIDS bzw. schon an Infektionen mit dem HI‑Virus, wo in der
Diskussion über den Umgang mit dieser Krankheit bzw. diesem Zustand immer
wieder Forderungen nach aus medizinischer Sicht nicht erforderlichen und
gesundheitspolitisch auch nicht zweckmäßigen Sondermaßnahmen für diese
Personengruppe erhoben werden. Das Diskriminierungsverbot zielt allerdings
nicht allein auf AIDS ab, sondern auf alle Krankheiten (z.B. auch auf psychisch
Kranke etc.). Gesetzliche Maßnahmen, wie sie etwa im Tuberkulosegesetz, Geschlechtskrankheitengesetz
oder Epidemiegesetz vorgesehen sind, stellen keine Diskriminierung dar, weil
sie medizinisch abgesichert zum Schutz der Volksgesundheit erforderlich und
damit sachlich gerechtfertigt sind.
Zu Abschnitt
2:
Die
Gleichbehandlung der Patienten erfordert es, dass der Zugang zu notwendigen
Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ohne Unterschied des Alters,
des Geschlechts, der Herkunft, des Vermögens o.ä. möglich ist. In manchen
Bereichen sind die Wartezeiten für eine mögliche Inanspruchnahme dieser Dienste
in Einzelfällen bereits an der Grenze der vertretbaren Dauer. Die Charta soll
die Vertragsparteien daher verpflichten, dass Leistungen der Gesundheitsdienste
in angemessener Zeit in Anspruch genommen werden können.
Leistungen auf dem
Gebiet des Gesundheitswesens sind auf allen in Betracht kommenden Gebieten
flächendeckend (d.h. für die Betroffenen in zumutbarer Entfernung)
sicherzustellen. Ein wesentliches Element eines zweckentsprechenden
Mitteleinsatzes ist eine Bedarfsplanung, um die flächendeckende Versorgung mit
den Leistungen der Gesundheitsdienste entsprechend den sich ändernden
Gegebenheiten (z.B. demographische Entwicklung, Entwicklung neuer medizinischer
Methoden und Angebote, gesellschaftliche Entwicklungstendenzen) zu
gewährleisten. In diesem Zusammenhang sei auf die im Rahmen der Vereinbarung
gemäß Art. 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und
der Krankenanstaltenfinanzierung gesetzten Schritte im Zusammenhang mit einer
koordinierten Bedarfsplanung verwiesen.
Durch
entsprechende organisatorische Maßnahmen soll die Kontinuität der Behandlung
und Pflege im Sinne der Betroffenen gewahrt werden.
Zu Artikel 6
Abs. 1 ist festzuhalten, dass sich der jeweilige Anspruch einerseits nach
der medizinischen Notwendigkeit und andererseits nach den sonstigen Umständen
im Einzelfall zu richten haben wird, z.B. wird die Rettung nach einem
Bergunfall zunächst auch von den Witterungsumständen abhängen.
Die Versorgung mit
Arzneimitteln ist durch eine bedarfsgerechte Einrichtung von öffentlichen
Apotheken und ärztlichen Hausapotheken sicherzustellen.
Entsprechend den
Bestimmungen des Ärztegesetzes und des Krankenanstaltengesetzes, des
Psychologengesetzes, des Psychotherapiegesetzes, des MTD‑Gesetzes, des
Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, des MTF-SHD-Gesetzes, des
Kardiotechnikergesetzes und des
Hebammengesetzes ist davon auszugehen, dass die Leistungen dieser Berufgruppen
entsprechend dem Stand der jeweiligen Wissenschaft bzw. nach anerkannten
Methoden unter Beachtung des Fortschritts der fachlichen Erkenntnisse zu
erbringen sind.
In diesem
Zusammenhang werden alle medizinischen Leistungen, die zum Leistungsangebot
einer Krankenanstalt gehören, dem Stand der medizinischen Wissenschaft zu
entsprechen haben, was jedoch nicht bedeutet, dass eine Krankenanstalt alle dem
Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Leistungen anzubieten hat
oder die gesamte in Betracht kommende apparative Ausstattung aufweisen müsste.
Die nach dem Krankenanstaltengesetz (KAKuG) vorgesehene Gliederung in die
Versorgungsstufen und die nach dem Österreichischen Krankenanstalten- und
Großgeräteplan vorgesehenen Planungen mit den jeweiligen Versorgungsaufgaben
bleiben unberührt. Kann die Versorgung eines Patienten in einer Krankenanstalt
nicht in einer dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Weise gewährleistet
werden, weil die erforderlichen medizinischen Leistungen nicht zum
Leistungsangebot der Krankenanstalt gehören, ist eine Transferierung des
Patienten in eine andere Krankenanstalt zu veranlassen, die nach ihrem
Leistungsangebot die notwendige Versorgung sicherstellt.
Grundsätzlich hat
die ärztliche Betreuung in Krankenanstalten auf fachärztlichem Niveau zu
erfolgen. Diese Forderung ist jedenfalls dort einzuhalten, wo Fachabteilungen
eingerichtet sind (§ 7 Abs. 4 KAKuG). Die Bestimmungen des
Krankenanstaltengesetzes über die Möglichkeit der Einrichtung einer
Rufbereitschaft in bestimmten Fällen in Standard- und
Schwerpunktkrankenanstalten bleiben unberührt. Eine andere Beurteilung wird in
jenen Krankenanstalten Platz greifen können, die nicht in Fachabteilungen
gegliedert sind. In diesen Bereichen kann z.B. das Ziel einer umfassenden
Betreuung chronisch Kranker durch eine Betreuung auf allgemeinmedizinischem
Niveau besser erreicht werden. In diesen Fällen wird sich die geeignetste
ärztliche Betreuung je nach der Art der zu erbringenden Leistung nach den
Bedürfnissen der Patienten auszurichten haben.
Zu Artikel 8: Die
WHO hat in ihrem Programm „Gesundheit 2000“ unter Ziel 31 die Empfehlung
ausgesprochen, dass jeder Mitgliedstaat in seinem Gesundheitsversorgungssystem
effektive Verfahren der Qualitätssicherung in der Patientenversorgung
realisieren soll. Der Umsetzung dieser Empfehlung auf nationaler Ebene dient
die vorliegende Verpflichtung. Für den Bereich der Krankenanstalten wurde in
der unter BGBl. Nr. 801/1993 kundgemachten Novelle zum KAKuG die
Verpflichtung zur Einführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen in
Krankenanstalten vorgesehen. Die internationale Diskussion über Qualitätssicherung
im extramuralen Bereich ist zwar noch nicht so weit gediehen wie im
Krankenanstaltenbereich, dennoch soll eine grundsätzliche Verpflichtung für die
Initiierung von Qualitätssicherungsmaßnahmen für alle Bereiche der
Gesundheitsversorgung im Sinne einer innovativen Fortentwicklung auf diesem
Gebiet festgeschrieben werden.
Zu Abschnitt
3:
Im Zusammenhang
mit dem bereits eingangs erwähnten Gebot der Achtung der Menschenwürde wird
festgehalten, dass die Privatsphäre des Patienten zu wahren ist. Diesem Anliegen
kommt besonders im stationären Versorgungsbereich Bedeutung zu (z.B.
Mehrbettzimmer, Gangbetten). Dieses Gebot findet sich schon in § 5a
Z 7 KAKuG.
Zur Schaffung
einer vertrauten Umgebung für Langzeitpatienten wird z.B. die Mitnahme von
persönlichen Gegenständen, z.B. das Anbringen von Bildern oder sonstigen
Erinnerungsstücken zu ermöglichen sein.
Ein Faktor, der im
Rahmen eines Krankenhausaufenthalts zusätzlich belastend wirkt, ist die
grundlegende Umgestaltung des Lebensrhythmus, der sich oft auch aus der
Organisation des Dienstes der Leistungserbringer in Krankenanstalten ergibt.
Mit gutem Willen und Organisationsgeschick sollte es jedoch möglich sein,
Organisations‑ und Behandlungsabläufe in Krankenanstalten besser den
Bedürfnissen der Patienten und dem üblichen Lebensrhythmus anzupassen (vgl.
auch § 5a Z 10 KAKuG).
Bereits die
Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes forderte, dass die Planung und
Durchführung jeder klinischen Prüfung einem besonderen berufenen unabhängigen
Ausschuss zur Beratung und Stellungnahme vorgelegt werden sollte. Seit 1988 ist
eine entsprechende Kommission im KAKuG verankert. Für klinische Prüfungen
außerhalb von Krankenanstalten wurde eine dem internationalen Standard
entsprechende Ethikkommission im Rahmen des Arzneimittelgesetzes und
Medizinproduktegesetzes verankert, korrespondierend wurden die Regelungen des
KAKuG über die Ethikkommission für klinische Prüfungen in Krankenanstalten
durch die Novelle BGBl. Nr. 801/1993 dem internationalen Standard
angepasst. Im Rahmen der zuvor erwähnten Novelle zum KAKuG wurde der
Ethikkommission auch die Aufgabe übertragen, die Anwendung neuer medizinischer
Methoden aus ethischer Sicht zu beurteilen. Vor dem Hintergrund des § 8
Abs. 2 KAKuG, wonach eine ärztliche Behandlung nur nach den Grundsätzen
und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft erfolgen darf, muss es
sich dabei um Methoden handeln, deren Anwendung nach vorliegenden
wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen eine verbesserte
medizinische Behandlung erwarten lässt.
Im Hinblick auf
die besondere Sensibilität gesundheitsbezogener Daten kommt einer umfassenden
Geheimhaltungspflicht in Bezug auf diese Daten entscheidende Bedeutung zu. Die
einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sehen bereits eine entsprechende
Verschwiegenheitspflicht für die im Gesundheitswesen beschäftigten Personen vor
(vgl. z.B. § 54 Ärztegesetz 1998, § 14 Psychologengesetz,
§ 15 Psychotherapiegesetz, § 11 Abs. 2 MTD‑Gesetz, § 6
Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, § 60 MTF-SHD-Gesetz, § 8
Kardiotechnikergesetz, § 20 Apothekenbetriebsordnung, §§ 9 und 62b
KAKuG).
Strafrechtlich
geschützt sind solche Geheimnisse, die den Gesundheitszustand einer Person
betreffen und deren Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, berechtigte
Interessen zu verletzen (§ 121 StGB).
Ausnahmen von der
Geheimhaltung dürfen entsprechend dem Grundrecht auf Datenschutz nur zur
Wahrung berechtigter Interessen eines anderen (z.B. Übermittlung von Daten an
die Krankenversicherungsträger, soweit dies zur Wahrnehmung der diesen
obliegenden Aufgaben erforderlich ist) oder aus den im Artikel 8 Abs.2 EMRK
genannten Gründen vorgesehen werden.
Ansonsten ist eine
Weitergabe von Informationen nur mit Zustimmung des Patienten zulässig. Dies trifft
auch im Fall der Auskunftserteilung an Angehörige des Patienten zu. Eine
konkludente Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht kann nach den Umständen
des Einzelfalles auch dann angenommen werden, wenn der Patient eine bestimmte
Person als Person seines Vertrauens bezeichnet. Umgekehrt wird auch besonders
zu respektieren sein, wenn ein Patient bestimmte Personen, selbst wenn es
nächste Angehörige sind, von einer Weitergabe bestimmter Auskünfte ausdrücklich
ausnimmt.
Im Hinblick auf
die besondere Bedeutung gesundheitsbezogener Daten ist es für die Betroffenen
besonders wichtig, Auskünfte zu erhalten, wer welche gesundheitsbezogenen Daten
aufgezeichnet hat. Für automationsunterstützt verarbeitete Daten sieht bereits
das Datenschutzgesetz Auskunfts‑, Richtigstellungs‑ und Löschungsrechte vor.
Auskunfts‑ und Richtigstellungsrechte sollen auch für den Bereich nicht
automationsunterstützt verarbeiteter Daten bestehen, es fällt in die
Zuständigkeit der Länder, für den Bereich der strukturierten manuellen Daten
entsprechende datenschutzrechtliche Regelungen zu erlassen.
Obwohl in den
letzten Jahren in der Praxis vielfach die Besuchsmöglichkeiten in Spitälern
wesentlich liberaler gehandhabt werden, soll im Artikel 14 das Recht auf
Besuche verankert werden. Es wird davon ausgegangen, dass Beschränkungen dieses
Rechtes außerhalb der Zeit der Nachtruhe nur aus zwingenden medizinischen
Gründen vorgenommen werden.
Für die seelische
Unterstützung der Patienten ist der Kontakt mit Personen ihres Vertrauens
gerade dann erforderlich, wenn sich ihr Gesundheitszustand gravierend
verschlechtert. Dem Begriff „Vertrauensperson“ wurde gegenüber dem Begriff
„Angehöriger“ der Vorzug gegeben. Dadurch soll zum Ausdruck kommen, dass nicht
jede Person, die im familienrechtlichen Sinn als Angehöriger zu verstehen ist,
von der Regelung erfasst ist. Bereits im Zuge der Aufnahmemodalitäten kann dem
Patienten Gelegenheit zur Nennung von Vertrauenspersonen gegeben werden. Im
Falle einer nachhaltigen Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten
wird der Besuchsmöglichkeit durch eine Vertrauensperson der Vorrang vor den
Interessen des Anstaltsbetriebs zu geben sein (vgl. § 5a Z 4 KAKuG). Den berechtigten Interessen der
Mitpatienten wie z.B. ihrem Ruhebedürfnis, wird durch geeignete Maßnahmen des
Anstaltsträgers Rechnung zu tragen sein.
In Österreich
sterben zwei Drittel aller Menschen in Spitälern oder Alten‑ und Pflegeheimen.
Die Umstände des Sterbens im Spital sind sowohl für die Sterbenden als auch für
die Angehörigen in vielen Fällen besonders belastend. Es ist erforderlich, die
Organisationsstruktur in Krankenanstalten so zu gestalten, dass ein
Abschiednehmen in einem humanen, menschenwürdigen Umfeld möglich ist. Zu den
Bedingungen für ein würdevolles Sterben ist auch der ungehinderte Kontakt mit
Vertrauenspersonen zu zählen (vgl. § 5a Z 9 KAKuG).
Zu Abschnitt
4:
Jede ärztliche
Behandlung (wobei der Begriff „Behandlung“ nach der Judikatur zu § 110
StGB auch Diagnosemaßnahmen erfasst) darf grundsätzlich nur nach rechtsgültiger
Einwilligung des Patienten durchgeführt werden. Die Zustimmung kann nur dann
wirksam erteilt werden, wenn der Patient über die Bedeutung des vorgesehenen
ärztlichen Eingriffs und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde.
Art und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht sind gesetzlich nicht näher
umschrieben, in der Rechtsprechung wurden eine Reihe von Grundsätzen
entwickelt, die als Maßstab an die ärztliche Aufklärung anzulegen sind.
Der Umfang der
Aufklärung wird bestimmt durch die Art der Erkrankung und des Eingriffs, durch
dessen Dringlichkeit sowie durch das Wissen des Patienten. Routinemäßige, nach
dem Stand der medizinischen Wissenschaft risikoarme Behandlungen erfordern ein
geringeres Maß an Aufklärung, je weniger notwendig ein Eingriff ist, desto
weiter muss die Aufklärung gehen. Die Aufklärung hat auch die in Betracht
kommenden möglichen Diagnose‑ und Behandlungsarten und deren jeweilige Risiken
aufzuzeigen. Ebenso ist es angezeigt, den Patienten darauf hinzuweisen, wie er
durch sein eigenes Verhalten zu einem Behandlungserfolg beitragen kann, bzw. wo
seine Mitwirkung an der Behandlung unumgänglich ist.
Die Art der
Aufklärung ist auf die geistigen Fähigkeiten des Patienten abzustellen, wobei
von einem Arzt auch erwartet werden kann, die in Aussicht genommene Behandlung
und deren Folgen in einfachen Worten darzulegen.
Die Verpflichtung
des Arztes zur gewissenhaften Betreuung seiner Patienten gebietet, die
Aufklärung so vorzunehmen, dass dadurch deren Wohl nicht gefährdet wird. Die
Aufklärung hat daher entsprechend schonend gegeben zu werden. In diesem
Zusammenhang ist auch auf das in der Judikatur entwickelte sog. „therapeutische
Privileg“ („therapeutischer Vorbehalt“) hinzuweisen. Hingewiesen sei in diesem
Zusammenhang darauf, dass der Tatbestand des § 110 StGB nur dann nicht
erfüllt ist, wenn eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten vorliegt.
Davon kann jedenfalls nur dann ausgegangen werden, wenn der Behandelnde seiner
Aufklärungspflicht ausreichend nachgekommen ist. Der im Einzelfall auftretende
Konflikt zwischen ärztlicher Fürsorgepflicht und freier Selbstbestimmung des
Patienten ist in jedem Fall vom behandelnden Arzt zu beurteilen. Jedoch muss
einem Patienten, der auf der Mitteilung der Diagnose oder der Risken einer
Behandlung besteht, die Wahrheit gesagt werden. Bei der Aufklärung
Erziehungsberechtigter oder gesetzlicher Vertreter Minderjähriger oder nicht
voll Geschäftsfähiger kommt ein therapeutisches Privileg nicht in Betracht.
Die durch die
Rechtsprechung zur Aufklärung des Patienten einschließlich therapeutisches
Privileg entwickelten Grundsätze sollen durch die vorliegende Vereinbarung
jedenfalls keine Änderung erfahren.
Aus
Konsumentenschutzgründen und um das Kostenbewusstsein der Patienten zu fördern,
sollen Patienten vor Inanspruchnahme der Leistungen der Gesundheitsdienste über
die für sie daraus erwachsenden Kosten informiert werden.
Wie auch sonst auf
einzelne vertraglich zustehende Rechte verzichtet werden kann, kann der Patient
auch auf das ihm aus dem Behandlungsvertrag entspringende Recht der Aufklärung
verzichten. Auch ein konkludenter Verzicht ist möglich, ein solcher darf jedoch
erst angenommen werden, wenn dies mit aller Deutlichkeit, etwa nach einem
eingehenden Gespräch mit dem Patienten feststeht. Der Patient darf nicht zu
einem Verzicht auf Aufklärung beeinflusst werden.
Das grundsätzliche
Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Patienten zu jedem ärztlichen
Eingriff ergibt sich abgesehen von § 110 StGB unmittelbar aus dem
Zivilrecht, da aus dieser Sicht die Vornahme einer ärztlichen Behandlung auf
Grundlage eines zivilrechtlichen Behandlungsvertrages erfolgt, für dessen
Zustandekommen es übereinstimmender Willenserklärungen des Arztes und des
Patienten bedarf. Bei der Annahme einer konkludenten Zustimmung wird darauf zu
achten sein, dass das Verhalten des Patienten bzw. seines Vertreters
unmissverständlich und eindeutig als Zustimmung zu werten ist. Im Übrigen
sollte schon aus Beweisgründen eine ausdrückliche, ja sogar schriftliche
Zustimmung erfolgen, wenn ein besonders schwer wiegender, insbesondere auch
irreversibler Eingriff vorzunehmen ist.
Eine Zustimmung
zur Behandlung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die
Willensbildungsfähigkeit des Patienten nicht vorliegt (z.B. Bewusstlosigkeit)
und die Behandlung so dringend notwendig ist, dass der mit der Einholung der
Zustimmung verbundene Aufschub Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren
gesundheitlichen Schädigung bedeuten würde.
Die rechtswirksame
Zustimmung zur ärztlichen Behandlung setzt die notwendige Geschäfts‑ und
Handlungsfähigkeit voraus. An Patienten, die auf Grund einer psychischen
Krankheit oder geistigen Behinderung den Grund und die Bedeutung einer
medizinischen Behandlung nicht einsehen oder ihren Willen nach dieser Einsicht
bestimmen können, darf eine Behandlung nur mit Zustimmung des Vertreters, in
dessen Aufgabenbereich die Erteilung der Zustimmung zu einer Heilbehandlung für
den Vertretenen fällt, oder mit Genehmigung des Gerichtes erfolgen. In
wichtigen Angelegenheiten der Personensorge hat der Sachwalter auch die
Genehmigung des Gerichtes einzuholen.
Vielfach wird die
Forderung nach Verankerung eines sog. „Patiententestaments“ erhoben, in dem der
(künftige) Patient darum ersucht, im Fall einer unmittelbar zum Tode führenden
Erkrankung für den Fall des Verlustes seiner Handlungsfähigkeit auf „bloß“
lebensverlängernde medizinische Maßnahmen zu verzichten. Die vorgeschlagene
Bestimmung soll auf dem Boden der geltenden Rechtslage dazu beitragen, dass der
Wille des Patienten Richtschnur für die weitere Behandlung sein soll.
Äußerungen einer Person können nicht zeitlich unbeschränkt verbindlich sein,
weil sie zu ihrer Wirksamkeit vom permanenten und verständigen Willen des
Erklärenden getragen sein müssen. Sobald bei Verlust der Handlungsfähigkeit das
Vorhandensein eines der Erklärung entsprechenden aktuellen Rechtswillens zu
verneinen ist, verliert auch die Erklärung für den Zeitpunkt ab dem Eintritt
der Handlungsunfähigkeit ihre Rechtswirksamkeit. Es soll jedoch sichergestellt
werden, dass der Wunsch des Patienten über künftige Behandlungsmethoden
dokumentiert wird, um ihn für den Fall der späteren Handlungsunfähigkeit so
weit wie möglich berücksichtigen zu können, ohne dass damit eine tatsächliche
Bindungswirkung verbunden wäre.
Das Recht des
Patienten auf Einsicht in die Krankengeschichte besteht nach einhelliger Lehre
und Judikatur als vertragliche Nebenpflicht aus dem ärztlichen
Behandlungsvertrag. Das Einsichtsrecht schließt auch das Recht auf Kopien,
Duplikate, etc. gegen Kostenersatz ein.
Auch in diesem
Zusammenhang sei nochmals auf das sog. „therapeutische Privileg“ verwiesen, das
in seltenen Einzelfällen kurzfristig zu einer Einschränkung des Einsichtsrechts
führen kann.
Es entspricht dem
Selbstbestimmungsrecht der Patienten und der geltenden Rechtslage, dass
Personen zu klinischen Prüfungen von Arzneimitteln oder Medizinprodukten nur
mit ihrer Zustimmung herangezogen werden dürfen. Zur Entwicklung von
Arzneimitteln, aber auch für Forschung und Lehre sind die klinische Prüfung
noch nicht zugelassener neuer Arzneimittel sowie die Erprobung von Substanzen,
überdies auch Demonstrationen erforderlich. Der Schutz des individuellen
Persönlichkeitsrechtes erfordert es aber, dass die Heranziehung für Forschungs‑
und Lehrzwecke nur mit Zustimmung des Betroffenen erfolgen darf.
Eine Datenerhebung
zu Lehr‑ und Forschungszwecken ist nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig,
ein Widerruf der Zustimmung jederzeit möglich. Auf die besondere
patientenschutzrechtliche Problematik der Verwendung von Daten im Bereich der
medizinischen Forschung sei hingewiesen.
Zu Abschnitt
5:
Die Pflicht des
Arztes zur Führung einer Dokumentation ergab sich schon bisher als Nebenpflicht
aus dem Behandlungsvertrag und ist auch im Ärztegesetz ausdrücklich und
umfassend geregelt. Für Krankenanstalten ist die Dokumentationspflicht im KAKuG
geregelt. Es entspricht neuen medizinischen Erkenntnissen, dass auch alle
sonstigen therapeutischen Leistungen sowie wesentliche pflegerische Maßnahmen
dokumentiert werden sollen. Die Dokumentation bietet sich auch an, zu
Beweiszwecken die dem Patienten gegebene Aufklärung (vgl. auch die sich aus
§ 10 Abs. 1 Z 2 lit. a KAKuG ergebende Verpflichtung) und
die erforderliche Zustimmung zur Behandlung aufzuzeichnen. Schließlich ist es
aus verfahrensökonomischen Gründen zweckmäßig, in der Dokumentation auch
Willensäußerungen des Patienten (z.B. Widersprüche gegen Organentnahmen nach
§ 62a des KAKuG oder Willenserklärungen über künftige Behandlungen)
aufzuzeichnen.
Auf Verlangen des
Patienten sind gegen Kostenersatz auch Abschriften aus der Dokumentation zur
Verfügung zu stellen.
Zu Abschnitt
6:
Der Begriff
„Kinder“ wird in der österreichischen Rechtsordnung in verschiedener Bedeutung
verwendet. Trotz seiner Ungenauigkeit wird dieser Begriff in der Überschrift zu
Abschnitt 6 angeführt, weil er einerseits bei rechtsunkundigen Lesern, die
durch die Charta auch Information erhalten sollen, die entsprechenden
Vorstellungen hervorruft, und weil er andererseits auch in einschlägigen
internationalen Dokumenten Verwendung findet. In den einzelnen Bestimmungen
dieses Abschnittes erfordert die erforderliche Differenzierung den Rückgriff
auf die in der österreichischen Rechtsordnung vorgegebene Einteilung der
Altersstufen.
Für Kinder
bedeutet ein Spitalsaufenthalt eine besondere Belastung, aber auch ein
Arztbesuch kann bei Kindern große Ängste und Verunsicherung bewirken. Kinder
bedürfen daher des besonderen Schutzes. Die Charta sieht aus diesem Grund vor,
über die allgemeinen Patientenrechte hinaus folgende Sonderregelungen zu
treffen:
Neben der
Aufklärung des Erziehungsberechtigten (erforderlichenfalls des gesetzlichen
Vertreters) ist auch den Minderjährigen eine ihrem Alter und ihrem geistigen
Entwicklungsstand angemessene Aufklärung zu geben. Mündige Minderjährige sind
grundsätzlich aufzuklären (vgl. z.B. Aicher in Rummel RZ 17 zu § 16
ABGB, vgl. nunmehr auch § 146 ABGB).
Eine Behandlung
Minderjähriger bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres bedarf jedenfalls der
Zustimmung des Erziehungsberechtigten (erforderlichenfalls des gesetzlichen
Vertreters). Bei mündigen Minderjährigen wird es bei der Frage der
rechtswirksamen Einwilligung durch den Minderjährigen auf Art, Schwere und
Dringlichkeit einer Behandlung und die Urteilsfähigkeit des Minderjährigen im
Einzelfall ankommen. Bei schwer wiegenden Eingriffen ist jedenfalls auch die
Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern erforderlich (vgl. OGH 19.12.1984, 3 Ob
526/84).
Unmündige
Minderjährige sollen bei allen medizinischen Behandlungen, soweit das nach der
Art der Behandlung möglich ist, das Recht haben, eine Person ihres Vertrauens
bei sich zu haben. Bei stationären Aufenthalten ist die Mitaufnahme einer
Vertrauensperson die beste Möglichkeit, die psychische Belastung eines Kindes
bei einem Spitalsaufenthalt so gering wie möglich zu halten. Das plötzliche
Alleingelassenwerden in einer Notsituation kann bei einem Kind gravierende
seelische Beeinträchtigungen hinterlassen. Bei der stationären Behandlung von
unmündigen Minderjährigen bis zum 10. Lebensjahr ist daher die Möglichkeit der
Mitaufnahme einer Begleitperson vorzusehen. Wenn dies aus räumlichen Gründen
nicht möglich ist, ist ein umfassendes Besuchsrecht einzuräumen. Bezugspersonen
sollen nicht nur anwesend sein dürfen, sondern auch aktiv an der Betreuung
beteiligt werden. Durch die Anwesenheit und Mitwirkung einer vertrauten Person
wird der Genesungsprozess bei Minderjährigen, bei dem psychische Momente eine
wichtige Rolle spielen, positiv beeinflusst.
Einrichtungen, die
überwiegend der Behandlung von Kindern dienen, vor allem im stationären
Bereich, sollen altersgerecht ausgestattet sein und ausreichend Möglichkeit zu
einer altersgerechten Betätigung bieten. Soweit dies möglich ist, sollen Kinder
nicht auf Erwachsenenstationen aufgenommen werden.
Das betreuende Personal
soll durch seine Ausbildung befähigt sein, auf die körperlichen, seelischen und
entwicklungsbedingten Bedürfnisse von Kindern einzugehen.
§ 25 des
Schulorganisationsgesetzes bzw. die entsprechenden
Landesschulorganisationsgesetze sehen die Möglichkeit vor, für Krankenanstalten
und ähnliche Einrichtungen Klassen oder einen kursmäßigen Unterricht nach dem
Lehrplan der Volksschule, der Hauptschule, des Polytechnischen Lehrganges oder
einer Sonderschule einzurichten. Unter der Voraussetzung einer entsprechenden
Anzahl solcher Klassen und Kurse können auch „Heilstättenschulen“ eingerichtet
werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass in Österreich in vielen
Spitälern einzelne Lehrer dem Unterricht in Krankenanstalten zugeteilt bzw.
vereinzelt auch Heilstättenschulen eingerichtet sind. Der Unterricht erfolgt
teilweise in eigenen Klassenzimmern, teilweise auf den Stationen in Gruppen
oder als bedside‑teaching. Die Organisation ist Sache der Schulverwaltung.
Sofern dies nach
den genannten gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen ist, ist von Seiten der
Träger der Krankenanstalten die Erteilung des Unterrichts durch entsprechende
organisatorische Maßnahmen zu ermöglichen.
Zu Abschnitt
7:
Eine weitere
Aufgabe der Patientencharta soll es sein, auch die Stellung unabhängiger
Patientenvertretungen und von Patientenselbsthilfegruppen abzusichern. Die
Vertragsparteien verpflichten sich daher, unabhängige
Patientenvertretungen
einzurichten, die vor allem zur Behandlung von Beschwerden von Patienten
oder deren Angehörigen und zur Aufklärung von Missständen berufen sind und
Auskünfte erteilen sollen. In diesem Zusammenhang sei auf die im KAKuG seit der
Novelle BGBl. Nr. 801/1993 enthaltene Verpflichtung hingewiesen, in jedem
Bundesland solche Einrichtungen einzurichten.
Unabhängige
Patientenvertretungen sind weisungsfrei zu stellen und der Verschwiegenheit zu
unterwerfen. Auf den durch die Einrichtung unabhängiger Patientenvertretungen
entstehenden Informationsfluss an die Patientenvertretungen ist bei der
gesetzlichen Regelung zu achten.
Die Erfahrungen
mit den bisher in Österreich eingerichteten Patientenanwaltschaften haben
gezeigt, dass für derartige Institutionen ein großer Bedarf besteht und ihnen
als außergerichtliches Konfliktlösungsinstrument ein weites Betätigungsfeld
offen steht. Die unabhängigen Patientenvertretungen haben mit den
Patientenselbsthilfegruppen, die sich in ihrem Bereich ebenfalls der
Patienteninteressen annehmen, die Zusammenarbeit zu suchen.
Unabhängigen
Patientenvertretungen soll auf Grund von den zur Verfügung stehenden
Erfahrungen auch die Möglichkeit geboten werden, zu Projekten, in denen
allgemeine patientenrelevante Fragen berührt werden, eine Stellungnahme
abzugeben. Dies wird auch durch eine Einbeziehung in das allgemeine
Begutachtungsverfahren zu Gesetzes‑ und Verordnungsentwürfen sowie in der
Beiziehung bei grundlegenden Planungsvorhaben zu erfolgen haben.
In das
Begutachtungsverfahren zu patientenrelevanten Gesetzen und Verordnungen sollen
auch Patientenselbsthilfegruppen einbezogen werden, aus Gründen der
Praktikabilität kommen dafür länderweise oder bundesweit organisierte
Dachorganisationen in Betracht.
Patienten sollen
die Möglichkeit haben, sich über alle Einrichtungen des Gesundheitswesens zu
informieren, damit sie im Sinne des mündigen Patienten ihre Entscheidungen
treffen können. Dabei ist auf Art. 20 Abs. 4 B‑VG und auf das
Datenschutzgesetz Bedacht zu nehmen.
Der Bereich der
medizinischen Leistungserbringung ist zu sensibel, um Werbung in jeder Form
zuzulassen. Andererseits ist ein absolutes Werbeverbot nicht
verfassungskonform, daher sind sachliche Informationen auch im Interesse der
Patienten zulässig (vgl. z.B. die Novelle zum KAKuG BGBl. Nr. 801/1993,
oder § 53 Ärztegesetz 1998).
Zu Abschnitt
8:
Aus Patientensicht
ist zu fordern, dass im Rahmen des Zivilrechtes im Zusammenhang mit der Haftung
für Behandlungsfehler Abweichungen vom Schadenersatz‑ und Gewährleistungsrecht
und von allgemeinen Beweislastregeln im Sinne der Bestimmungen des ABGB nur
zugunsten der Patienten getroffen werden dürfen.
Die Bestimmung des
Artikel 33 reflektiert die herrschende Rechtsprechung zur Frage, wie
Vergleichsverhandlungen die für Schadenersatzansprüche geltende Verjährung
(siehe insbesondere § 1489 ABGB) beeinflussen. Die Rechtsprechung nimmt
hier eine sog. „Ablaufhemmung“ an, die
Verjährungsfrist läuft demnach ungeachtet der Vergleichsgespräche
zunächst weiter; wenn die Verhandlungen allerdings bis an das Ende der
Verjährungsfrist oder darüber hinaus andauern, wird der Ablauf der Frist
hinausgeschoben. Verjährung tritt dann nicht ein, wenn nach Abbruch der
Vergleichsverhandlungen unverzüglich (also in angemessener Frist) die Klage
eingebracht wird. Nach dieser Rechtsprechung würde nämlich die Erhebung der
Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben verstoßen, weil der Kläger ja durch
die Vergleichsverhandlungen veranlasst wurde, seine Forderung noch nicht
geltend zu machen (zum Gesamten vgl. etwa OGH vom 6. April 1989, ZVR 1990/51,
SZ 48/33 und 62/150 jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Judikatur wurde
durch die Novelle zum Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 110/2001,
auch gesetzlich abgesichert (§ 58a).
Allerdings löst
ein bloßes Anspruchs- oder Beschwerdeschreiben des Patienten an die
Schlichtungsstelle einer Ärztekammer die Hemmungswirkung (noch) nicht aus; die
Hemmung tritt erst bei Aufnahme konkreter Vergleichsgespräche ein, in denen
über die beiderseitigen Vorstellungen verhandelt wird. Sofern nach der Lage der
Dinge im konkreten Fall das Ende der Verjährungsfrist heransteht, wird die
Ärztekammer den einschreitenden Patienten darauf hinzuweisen haben (siehe etwa
OGH vom 27.3.1995, JBl. 1995, 588).
Zu Abschnitt
9:
Enthält die
Schlussbestimmungen.