1335 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über den Einspruch des Bundesrates (1285 der Beilagen) gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005)

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 25. Jänner 2006 gegen den vorstehenden Gesetzesbeschluss Einspruch erhoben und diesen wie folgt begründet:

Mit diesem Gesetzesbeschluss des Nationalrates sollen die derzeit 51 Pädagogischen Institutionen (Pädagogische Akademien, Berufspädagogische Akademien, Pädagogische Institute etc.) bis 2007 zu 8 staatlichen ‚Pädagogischen Hochschulen’ – ergänzt durch eine ‚Agrarpädagogische Hochschule’ – zusammengeführt werden.

Im Rahmen  des Begutachtungsverfahrens wurde massive Bedenken gegen den Gesetzesentwurf geäußert.

Die neuen Pädagogischen Hochschulen entsprechen nicht den Herausforderungen für eine qualifizierte Neuorientierung der LehrerInnenaus- und -weiterbildung:

 

-          Die Aus- und Weiterbildung und ist nur für PflichtschullehrerInnen vorgesehen. Eine breite Ausbildung für alle pädagogischen Berufe (Kindergartenpädagogik, Freizeitpädagogik, Erwachsenenbildung) fehlt,

-          die BerufschullehrerInnenausbildung ist nicht eindeutig vorgesehen,

-          die Autonomie nicht gewährleistet (die Pädagogische Hochschule ist nach wie vor eine Einrichtung des BMBWK),

-          die politische Einflussnahme herrscht vor (der Hochschulrat besteht aus 5 Mitgliedern, 3 davon entsendet das BMBWK, der jeweilige Landesschulratspräsident, 1 Mitglied entsendet die jeweilige Landesregierung)

-          die Abschlüsse sind international nicht kompatibel (es wird ein neuer Titel ‚Bachelor’ geschaffen)

-          die forschungsgeleitete Lehre ist nicht gesichert,

-          Studiengebühren werden eingehoben.

-          die qualitative Sicherung ist ungenügend (keine externe Evaluierung, keine qualitativen Ansprüche an die Lehrenden, Verweigerung der Vorschläge der Expertenkommission)

-          Gefahr der Bildungssackgasse: (keine definierten Übergänge bzw. Schnittstellen zwischen Abschluss und Universitäten)

-          inhaltliche Defizite (pädagogische Berufe wie Sozialarbeit, Kindergartenpädagogik und Erwachsenenbildung sind nicht erfasst)

-           mit einer Länge von sechs Semestern bilden wir das Schlusslicht in Europa

-           kein Masterstudium ist vorgesehen

 

Aufgrund des Akademiestudiengesetzes 1999 wurde zur Vorbereitung der Einrichtung von Pädagogischen Hochschulen im Bildungsministerium eine Planungs- und Evaluierungskommission (PEK) eingerichtet. Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens hat die PEK eine vernichtende Kritik zum Gesetzesentwurf abgegeben: So seien ‚erhebliche Defizite zu jenen Standards erkennbar, die im Europäischen Raum konstituierend für eine echte tertiäre Bildungseinrichtung sind’. Weiters hebt die PEK folgende Bereiche hervor: ‚Der Wirkungsbereich der Pädagogischen Hochschulen gegenüber den Vorgaben des Akademiestudiengesetzes werde in entscheidender Weise eingeschränkt. Der Namenswechsel ‚von Hochschulen für Pädagogische Berufe’ zu ‚Pädagogischen Hochschulen’ ist von inhaltlichen Defiziten begleitet. Die Fokussierung auf die Volks- und HauptschullehrerInnen-Ausbildung ist zwar organisatorisch verständlich, aber nicht inhaltlich akzeptabel. Andere pädagogische Berufe, wie Sozialpädagogik, Kindergartenpädagogik, Erwachsenenbildung, die im Akademiestudiengesetz ausdrücklich, jedenfalls sinngemäß als Aufgabenbereich der Hochschulen für Pädagogische Berufe genannt wurden, werden nicht angesprochen oder nur ansatzweise erwähnt (Berufspädagogik). Weiters kritisiert die PEK, dass der Gesetzesentwurf nicht zur Wahrnehmung der für eine hochschulische Institution zentralen Forschungsaufgaben ermuntert, sondern diese in überdeutlicher Abgrenzung und abwertender Abstufung zu den Universitäten einschränkt. Forschung wird durch die Forderung nach ausschließlicher und unmittelbarer Berufsfeldbezogenheit und mit der Eingrenzung auf das Berufsfeld ‚Schule’ (wobei es doch um pädagogische Berufe gehen sollte) in einer Weise begrenzt, die weder einer qualitätsvollen Verbindung von Lehre und Forschung gerecht wird, noch die Entwicklung einer Forschungskultur, die sich unbehindert durch administrative Einschränkungen entfalten kann, erlaubt und eine auch im öffentlich-rechtlichen Interesse gelegene Aufgabe beschneidet, nämlich LehrerInnen pädagogische Berufsfelder über den Lehrberuf hinaus zu öffnen, was angesichts der aktuellen Arbeitsmarktsituation für AbsolventInnen der Pädagogischen Hochschulen eine zentrale Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Trägers, aber auch privat-rechtlicher Träger sein muss. Der verwendete Forschungsbegriff ist außerordentlich einengend und hat nichts mit jener Freiheit der Forschung zu tun, die echte hochschulische Institutionen kennzeichnet. Die Pädagogischen Hochschulen werden überdies der Möglichkeit massiver politischer Einflussnahme ausgesetzt.’

Auch in den Stellungnahmen einzelner Bundesländer werden erhebliche Bedenken gegen den Gesetzesentwurf geäußert.

 

·         So führt der Landesschulrat für Oberösterreich in seiner Stellungnahme an: ‚Sollte dies Gesetz werden, würden wir gemeinsam mit Belgien innerhalb der EU das Pädagogische Schlusslicht in der Ausbildung der PflichtschullehrerInnen mit einer Länge von 6 Semestern bilden’. Weiters wird ausgeführt, dass ‚jede tertiäre Bildungseinrichtung in Österreich als zentrale Drehscheibe einen demokratisch gewählten Senat hat. Eine entsprechende Struktur ist an der Pädagogischen Hochschule nicht vorgesehen. Überdies wird die Studienkommission in ihren Kompetenz wesentlich beschnitten und die studentische Mitbestimmung auf ein Minimum beschränkt.’

·         Der Landesschulrat fordert eine Klarstellung, dass auch die Ausbildung der BerufsschullehrerInnen an der Pädagogischen Hochschule erfolgt.

·         Die Steiermärkische Landesregierung schließt sich der Ablehnung und Argumentation der Planungs- und Evaluierungskommission an.

 

Die Österreichische Rektorenkonferenz merkt an, ‚dass die Pädagogischen Hochschulen durch den Gesetzesentwurf keineswegs zu universitären Einrichtungen, weder in struktureller noch in qualitativer Hinsicht, werden. Im Wesentlichen ist hier eine Fortschreibung des Status quo durch den Gesetzesentwurf zu konstatieren.’

Der Rechnungshof führt an, dass der Entwurf ‚den Empfehlungen des Rechnungshofes, wonach Lehrkräfte an den Pflichtschulen und an den Höheren Schulen zumindest in die didaktisch-pädagogischer Hinsicht gemeinsam auszubilden wären, widerstreitet. Er zielt nämlich nur auf eine Weiterführung der Pädagogischen Akademien unter geänderter Bezeichnung ab. Qualitätsstandards hinsichtlich der lehrenden Qualifikation, wie etwa an Universitäten, fehlen bei den vorgeschlagenen Pädagogischen Hochschulen.’

Der Katholische Familienverband kritisiert die ausgeprägte politische Gewichtung im Hochschulrat, ‚sie spricht eindeutig gegen das Prinzip der Autonomie und lässt eine Instrumentalisierung des Studienbetriebes befürchten. Die parallelen Ausbildungsmodelle der LehrerInnen im Bereich der 10-14-Jährigen lässt sich kaum begründen. Die Zuteilung zusätzliche Ressourcen zur Forschung ist nicht deutlich genug ausgewiesen.’

Ebenso lehnt der Landesschulrat für Salzburg den Gesetzesentwurf ab, ‚da zwischen dem vorliegenden Hochschul-Gesetz-Entwurf und der universitären Ausbildung hinsichtlich der Bildungsabschlüsse keine Schnittstelle und auch de facto keine Durchlässigkeit besteht und darüber hinaus auch im Sinne der Bologna-Erklärung kein Professionalisierungskontinuum gewährleistet ist. Auch das Einheben von Studiengebühren wird abgelehnt.’

Der Landesschulrat Steiermark fordert die Miteinbeziehung der Kindergartenpädagogik und der Bildungsanstalten für Sozialpädagogik in die Pädagogischen Hochschulen.

Auch der Stadtschulrat für Wien meint, dass ‚von einer einheitlichen hochschulmäßigen Lehrerbildung, wie sie im Akademiestudiengesetz 1999 als Zielbestimmung formuliert wurde, die Hochschule auf Grund des gegenständlichen Entwurfes weit entfernt ist. Die ‚Pädagogische Hochschule’ vermittelt keine vollakademischen Abschlüsse. Ziel wäre es, alle Lehrerinnen und Lehrer – insbesondere auch die der allgemein bildenden Pflichtschulen – in weiterer Folge alle in pädagogischen Berufen Tätigen - mit vollakademischen Graden zu versehen. Es werde zwar die Kooperation zu den Universitäten angesprochen, jedoch fehlen konkrete Aufgabenfelder und Kooperationshinweise. Auf die Schnittstellen zwischen ‚Pädagogischer Hochschule’ und Universitäten, vor allem im Bereich der Ausbildung der LehrerInnen höherer Schulen, wird kaum eingegangen bzw. das meiste offen gelassen. Die berufliche Bildung bzw. Berufsbildung wird nur am Rande erwähnt. Es ist zu verlangen, dass neben der Allgemeinbildung die berufliche Bildung gleichwertig hervorgehoben wird und eine integrative ganzheitliche Lösung erarbeitet wird.’

Die Bundesarbeitskammer kritisiert, ‚dass dem Ziel, PflichtschullehrerInnen auf Hochschul-Niveau auszubilden mit vorliegendem Gesetzesentwurf keinesfalls entsprochen werde, da weder eine wissenschaftlich fundierte und forschungsgeleitete Lehre noch die Qualitätsentwicklung und –sicherung gewährleistet ist. Darüber hinaus wurden auch wesentliche autonome Elemente hochschulischer Einrichtungen nicht berücksichtigt. Es fehlen diese konstitutiven Merkmale einer Hochschule, d.h., durch die vorgelegte Konstruktion wird nicht einmal die Entwicklung in Richtung einer Hochschule erkennbar. Der schulische Charakter der Lehrerausbildung bleibt erhalten. Daran ändert auch die künftige Bezeichnung nichts. Das vorliegende Konzept einer ‚Pädagogischen Hochschule’ garantiert auch weiterhin, dass Österreich das europäische Schlusslicht hinsichtlich der Länge der Ausbildungsdauer und der Flexibilität innerhalb der pädagogischen Berufe bildet. Hier wird die bisherige ‚Sackgassenausbildung’ fortgeschrieben, da weder die Anerkennung des Bakkalaureats seitens der Universitäten gesichert ist noch Masterstudien an der Pädagogischen Hochschule angeboten werden können, die in einem Zusammenhang mit der vorgelagerten Lehramtsausbildung stehen. Besonders kritisch wird die fehlende Neuordnung der Berufsschullehrerausbildung einschließlich der Lehrenden in den praxisorientierten Fächern der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) eingeschätzt. Es wird die Auffassung vertreten, dass eine sechssemestrige, berufsbegleitende Ausbildung für diese Lehrergruppe unabdingbar ist, um den steigenden pädagogischen und fachdidaktischen Anforderungen entsprechen zu können. Gerade die Gruppe der Lehrlinge benötigt Lehrende, die einerseits über einschlägige Berufspraxis und anderseits über bestes pädagogisches Know-how verfügen.’ Die BAK fordert weiters die Einbeziehung der Ausbildung für KindergärtnerInnen, Grundschul-, Mittelstufe-LehrerIn sowie Erwachsenenbildnern.

 

Da die im Rahmen der Begutachtung abgegebenen Stellungnahmen - insbesondere jene aus den Bundesländern - überwiegend negativ sind und den Einwendungen keinesfalls Rechnung getragen worden ist, das vorliegende Gesetz in keinster Weise den Ansprüchen einer qualitativ hochwertigen LehrerInnenausbildung gerecht wird sowie die Einhebung von Studiengebühren vorgesehen ist, erhebt der Bundesrat gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates einen Einspruch.

Aus all den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.“

 

Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Einspruch des Bundesrates in seiner Sitzung am 24. Februar 2006 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Fritz Neugebauer, Dieter Brosz, Dr. Robert Rada, Beate Schasching, Dr. Gertrude Brinek, Mag. Christine Muttonen sowie die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer.

 

Bei der Abstimmung beschloss der Unterrichtsausschuss auf Antrag der Abgeordneten Werner Amon, MBA und Barbara Rosenkranz mit Stimmenmehrheit dem Hohen Hause die Fassung eines Beharrungsbeschlusses zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der ursprüngliche Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 7. Dezember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) wird gemäß Art. 42 Abs. 4 B-VG wiederholt.

Wien, 2006 02 24

Fritz Neugebauer Werner Amon, MBA

       Berichterstatter                  Obmann