Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser

zum Bericht des Verkehrsausschusses 1369 der Beilagen über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1333 d.B. XXII.GP)

 

Mit der gegenständlichen Novelle des Bundesstraßengesetzes werden unter anderem weitere hochrangige Straßen (ca. 200 km, ca. 2-3 Mrd Euro Kosten) ins Bundesstraßennetz aufgenommen, Regelungen zur Mitfinanzierung durch Dritte, zB Gebietskörperschaften geschaffen sowie eine geänderte Regelung der Nachbarrechte im Zusammenhang mit der bescheidmäßigen Genehmigung verankert.

In allen drei Bereichen kann die Novelle durch die Grünen nicht mitgetragen werden. Besonders die starke, parteipolitisch und wahlkampftaktisch motivierte Ausweitung des ohnedies bereits überdimensionierten Transitstraßennetzes stellt einen neuen Tiefpunkt der „Verkehrspolitik“ der ÖVP-BZÖ-Bundesregierung – mit Unterstützung der SPÖ - dar.

1. Unzureichende Weiterentwicklung der Nachbarrechte (§§ 7, 7a)

Die Weiterentwicklung der bescheidmäßigen Genehmigung von Straßen durch Einräumung subjektiver Nachbarrechte ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sind die Verbesserungen zu wenig weitreichend. Offen bleiben auch die konkreten Genehmigungskriterien aus der Sicht des Umweltschutzes im Bundesstraßengesetz selbst (siehe § 4 Abs 1 - Bedachtnahme auf die Umweltverträglichkeit). Hier werden nach wie vor nur das Wasserrecht und das Naturschutzrecht konkrete Grenzen für den Straßenbau aufzeigen. Hinsichtlich des Umweltmediums Luft ist auf § 2 Abs 10 Immissionsschutzgesetz-Luft zu verweisen: "Sind im Zuge des Neubaus von Straßen oder Straßenabschnitten Schadstoffkonzentrationen auf Grund von straßenbaulichen Maßnahmen zu erwarten, ist die Einhaltung der in den Anlagen 1,2 und 5b oder in einer Verordnung nach § 3 Abs 3 festgelegten Immissionsgrenzwerte anzustreben". Siehe jedoch auch die Erleichterungen in § 20 Abs 3 Immissionsschutzgesetz-Luft (Lex Spielberg).

Der subjektive Nachbarschutz bleibt beschränkt auf Schutz von Leben und Gesundheit. Unzumutbare Belästigungen fallen unter die Kategorie des objektiven Nachbarschaftsschutzes, auf den nach Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eingegangen werden kann oder auch nicht (siehe § 7 Abs 3 letzter Satz: „Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung von Beeinträchtigungen sind nur zu ergreifen, wenn dies im Verhältnis zum Erfolg mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand erreicht werden kann.“) Zu bedenken ist auch, dass die Benützung von Straßen und deren Beschränkung wie Nachtfahrverbote in der Straßenverkehrsordnung geregelt ist und von anderen Behörden als der Straßenbaugenehmigungsbehörde zu verordnen ist. Wie in der Stellungnahme der Bundes-Arbeitskammer treffend hingewiesen wurde, wäre es notwendig den Verantwortungszusammenhang neu zu regeln. Es wäre aus unserer Sicht daher sicherzustellen, dass bereits bei Zulassung von Straßen die Betriebsbeschränkungen als Auflagen mitformuliert werden. Weitere Beschränkungen, die sich aus Notwendigkeiten des Gesundheits- und Belästigungsschutzes nach Inbetriebnahme ergeben, müssen natürlich weiterhin möglich sein.

2. Rechtlich fragwürdige Mitfinanzierungsregelungen (§ 10 Abs 2 und 3)

Mit der BStG-Novelle wird für die nach B-VG kompetenzmäßig klar dem Bund zuzuordnenden Bundesstraßen die Mitfinanzierung durch Dritte, insbes. Länder und Gemeinden normiert, trotz verfassungsrechtlicher Bedenken und deutlicher Kritik auch ÖVP-regierter Länder oder des Gemeindebundes bis hin zur Auslösung des Konsultationsmechanismus. Die Maastricht-Kompatibilität derartiger Zahlungen blieb – wie die verfassungsrechtlichen Fragen – ungeklärt. Aufklärungsbedürftig ist auch, wieso für ein Einzelprojekt in Wien eine „substanzielle“ (Gesetzestext) bzw. „50%“ (Erläuterungen) Beteiligung und deren Verankerung auf Staatsvertragsebene explizit zwingend festgeschrieben wird, während bei allen Projekten in ÖVP- bzw. BZÖ-geführten Ländern keinerlei derartige Junktimierung vorgenommen wird.

Diese Vorgangsweise ist offensichtlich parteipolitisch motiviert und rechtlich (Sachlichkeitsgebot, Gleichheitsgebot) bedenklich. Es sei daran erinnert, dass bereits bei der Verländerung der Bundesstraßen B großzügige Ungleichbehandlungen zugunsten eines parteipolitisch befreundeten Landes (Kärnten) der höchstgerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten haben.

3. Aufnahme neuer Autobahnen und Schnellstraßen in den Anhang des Bundesstraßengesetzes

Mit der Novelle werden fünf neue hochrangige Straßen ins Bundesstraßennetz aufgenommen, die daher von der ASFINAG zu finanzieren, zu bauen und zu betreiben sein werden. Dabei handelt es sich um

-       die A24 (Spange Rothneusiedl zw. Wiener Südosttangente u. Südumfahrung),

-       die S3 (Weinviertel-Schnellstraße, Stockerau- Hollabrunn-Tschechien),

-       die S8 (Marchfeld-Schnellstraße Wien/Raasdorf-Marchegg-Slowakei),

-       die S34 (Traisental-Schnellstraße St.Pölten-Wilhelmsburg/Traisental) und

-       die S37 (Klagenfurter Schnellstraße, Klagenfurt-St.Veit-Friesach-Scheifling/Stmk).

Die nochmalige massive (ca. 200 km) Erweiterung des bereits jetzt im EU-Vergleich deutlich überdimensionierten hochrangigen Straßennetzes ist im Sinne der dringend gebotenen Verbesserungen bei Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz indiskutabel und abzulehnen. Auch aus verkehrsfachlicher Sicht sind insbesondere die „Pendler- und Transitautobahnen“ in der Ostregion kontraproduktiv: Pendler- und Stauprobleme wären mit einer Offensive bei Bahn und Bus besser und zu weit geringeren Kosten lösbar, der Güterfernverkehr gehört auf die Schiene verlagert statt durch neue Transitautobahnen zusätzlich ins Land gelockt.

Leider sind diese Fragen durch die vorgelagerte Strategische (Umwelt)Prüfung nicht geklärt worden, da diese unter Federführung des BMVIT zu einer zahnlosen und wohl kaum mehr europarechtskonformen Farce ausgehöhlt wurde. Kritische Stellungnahmen, wie sie vom BMLFUW bis zur ASFINAG zahlreich eingelangt sind, wurden bei der Entscheidung ebenso negiert wie die auch auf parlamentarischer Ebene in Bürgerinitiativen und Petitionen artikulierten Proteste und Bedenken zahlreicher BürgerInnen.

Daneben wird mit der Aufnahme der erwähnten Projekte ignoriert,

-       dass sie großteils durch Feinstaub-Sanierungsgebiete führen und damit in einem Spannungsverhältnis mit dem Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L) und den dahinter stehenden EU-Richtlinien stehen,

-       dass S34 und S37 in einem Spannungsverhältnis zur Alpenkonvention stehen (Verkehrsprotokoll – Verzicht auf neue hochrangige Straßen),

-       dass der hochrangige Ausbau mit überzogenen Verkehrsprognosen gerechtfertigt wird,

-       dass (zB von der S8) höchstrangig geschützte Naturjuwele wie die Marchauen und die Dünengebiete des Marchfeldes bedroht werden.

In budgetärer Hinsicht wird dem im Straßenbau bereits völlig überdimensionierten „Generalverkehrsplan“ (GVP) mit den fünf zusätzlichen, zusammen auf weitere 2 bis 3 Mrd Euro taxierten Projekten noch eins drauf gesetzt. Dies, obwohl die Kosten der bereits im GVP enthaltenen Straßenprojekte sich seit 2002 bereits fast verdoppelt haben, die ASFINAG sich hurtig der 10-Milliarden-Euro-Schulden-Grenze nähert, die Zinszahlungen für diesen Schuldenberg schon derzeit die gesamten Vignetten-Einnahmen verschlingen und jedes weitere Großprojekt daher eine ernste Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz der ASFINAG bedeutet. Sollen die - auf Zuruf von ÖVP- und BZÖ-Landespolitikern sowie der Wiener Stadtregierung verankerten - zusätzlichen Projekte dennoch finanziert werden, sind eine PKW-Maut zulasten der Pendlerinnen und Pendler und/oder Zugriffe auf Budgetmittel (also Steuergelder) zu erwarten.

Diesen individuellen wie volkswirtschaftlichen Risken stehen nur weitgehend im Reich der Phantasie anzusiedelnde Potenziale durch die neuen Straßenprojekte gegenüber. Wohl nicht zufällig sparen die Unterlagen zur Regierungsvorlage beispielsweise den Aspekt der angeblichen Beschäftigungseffekte aus – umso großzügigere Arbeitsplatz-Versprechungen sind dafür den anlaßbezogenen Pressemitteilungen der „bedienten“ Landeshauptmänner zu entnehmen.

Aufgrund dieser wenig seriösen Vorgangsweise und der verkehrs- wie umweltpolitisch kritisch zu beurteilenden Sachlage lehnen die Grünen die vorliegende Novelle des Bundesstraßengesetzes mit Nachdruck ab.