Bundesgesetz über
Patientenverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz - PatVG)
Der
Nationalrat hat beschlossen:
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anwendungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die
Voraussetzungen und die Wirksamkeit von Patientenverfügungen.
(2) Eine
Patientenverfügung kann verbindlich oder für die Ermittlung des
Patientenwillens beachtlich sein.
Begriffe
§ 2. (1) Eine Patientenverfügung im Sinn
dieses Bundesgesetzes ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine
medizinische Behandlung ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er im
Zeitpunkt der Behandlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist.
(2) Patient im Sinn
dieses Bundesgesetzes ist eine Person, die eine Patientenverfügung errichtet,
gleichgültig, ob sie im Zeitpunkt der Errichtung erkrankt ist oder nicht.
Höchstpersönliches Recht, Fähigkeit der Person
§ 3. Eine Patientenverfügung kann nur
höchstpersönlich errichtet werden. Der Patient muss bei Errichtung einer
Patientenverfügung einsichts- und urteilsfähig sein.
2. Abschnitt
Verbindliche Patientenverfügung
Inhalt
§ 4. In einer verbindlichen
Patientenverfügung müssen die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der
Ablehnung sind, konkret beschrieben sein oder eindeutig aus dem
Gesamtzusammenhang der Verfügung hervorgehen. Aus der Patientenverfügung muss
zudem hervorgehen, dass der Patient die Folgen der Patientenverfügung
zutreffend einschätzt.
Aufklärung
§ 5. Der Errichtung einer verbindlichen
Patientenverfügung muss eine umfassende ärztliche Aufklärung einschließlich
einer Information über Wesen und Folgen der Patientenverfügung für die
medizinische Behandlung vorangehen. Der aufklärende Arzt hat die Vornahme der
Aufklärung und das Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten
unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift durch eigenhändige Unterschrift
zu dokumentieren und dabei auch darzulegen, dass und aus welchen Gründen der
Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt, etwa weil sie
sich auf eine Behandlung bezieht, die mit einer früheren oder aktuellen
Krankheit des Patienten oder eines nahen Angehörigen zusammenhängt.
Errichtung
§ 6. (1) Eine Patientenverfügung ist
verbindlich, wenn sie schriftlich unter Angabe des Datums vor einem
Rechtsanwalt, einem Notar oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der
Patientenvertretungen (§ 11e Kranken- und Kuranstaltengesetz, BGBl. Nr.
1/1957) errichtet worden ist und der Patient über die Folgen der
Patientenverfügung sowie die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs belehrt
worden ist.
(2) Der Rechtsanwalt,
Notar oder rechtskundige Mitarbeiter der Patientenvertretungen hat die Vornahme
dieser Belehrung in der Patientenverfügung unter Angabe seines Namens und
seiner Anschrift durch eigenhändige Unterschrift zu dokumentieren.
Erneuerung
§ 7. (1) Eine Patientenverfügung verliert
nach Ablauf von fünf Jahren ab der Errichtung ihre Verbindlichkeit, sofern der
Patient nicht eine kürzere Frist bestimmt hat. Sie kann unter Einhaltung der
Formerfordernisse des § 6 nach entsprechender ärztlicher Aufklärung
erneuert werden; damit beginnt die Frist von fünf Jahren neu zu laufen.
(2) Einer Erneuerung
ist es gleichzuhalten, wenn einzelne Inhalte der Patientenverfügung
nachträglich geändert werden. Dabei sind die Bestimmungen über die Errichtung
einer verbindlichen Patientenverfügung entsprechend anzuwenden. Mit jeder
nachträglichen Änderung beginnt die in Abs. 1 genannte Frist für die
gesamte Patientenverfügung neu zu laufen.
(3) Eine
Patientenverfügung verliert nicht ihre Verbindlichkeit, solange sie der Patient
mangels Einsichts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit nicht erneuern kann.
3. Abschnitt
Beachtliche Patientenverfügung
Voraussetzungen
§ 8. Eine Patientenverfügung, die nicht
alle Voraussetzungen der §§ 4 bis 7 erfüllt, ist dennoch für die
Ermittlung des Willens des Patienten beachtlich.
Beachtung der Patientenverfügung
§ 9. Eine beachtliche Patientenverfügung
ist bei der Ermittlung des Patientenwillens umso mehr zu beachten, je eher sie
die Voraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllt. Dabei ist
insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit der Patient die Krankheitssituation,
auf die sich die Patientenverfügung bezieht, sowie deren Folgen im
Errichtungszeitpunkt einschätzen konnte, wie konkret die medizinischen
Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, beschrieben sind, wie
umfassend eine der Errichtung vorangegangene ärztliche Aufklärung war,
inwieweit die Verfügung von den Formvorschriften für eine verbindliche
Patientenverfügung abweicht, wie häufig die Patientenverfügung erneuert wurde
und wie lange die letzte Erneuerung zurückliegt.
4. Abschnitt
Gemeinsame Bestimmungen
Unwirksamkeit
§ 10. (1) Eine Patientenverfügung ist
unwirksam, wenn
1. sie nicht frei und ernstlich erklärt oder durch
Irrtum, List, Täuschung oder physischen oder psychischen Zwang veranlasst
wurde,
2. ihr Inhalt strafrechtlich nicht zulässig ist
oder
3. der Stand der medizinischen Wissenschaft sich
im Hinblick auf den Inhalt der Patientenverfügung seit ihrer Errichtung
wesentlich geändert hat.
(2)
Eine Patientenverfügung verliert ihre Wirksamkeit, wenn sie der Patient selbst
widerruft oder zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr wirksam sein soll.
Sonstige Inhalte
§ 11. Der Wirksamkeit einer
Patientenverfügung steht es nicht entgegen, dass darin weitere Anmerkungen des
Patienten, insbesondere die Benennung einer konkreten Vertrauensperson, die
Ablehnung des Kontakts zu einer bestimmten Person oder die Verpflichtung zur
Information einer bestimmten Person, enthalten sind.
Notfälle
§ 12. Dieses Bundesgesetz lässt medizinische Notfallversorgung unberührt,
sofern der mit der Suche nach einer Patientenverfügung verbundene Zeitaufwand
das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet.
Pflichten des Patienten
§ 13. Der Patient kann durch eine
Patientenverfügung die ihm allenfalls aufgrund besonderer Rechtsvorschriften
auferlegten Pflichten, sich einer Behandlung zu unterziehen, nicht
einschränken.
Dokumentation
§ 14. (1) Der aufklärende und der
behandelnde Arzt haben Patientenverfügungen in die Krankengeschichte oder, wenn
sie außerhalb einer Krankenanstalt errichtet wurden, in die ärztliche
Dokumentation aufzunehmen.
(2) Stellt ein Arzt im
Zuge der Aufklärung nach § 5 fest, dass der Patient nicht über die zur
Errichtung einer Patientenverfügung erforderlichen Einsichts- und
Urteilsfähigkeit verfügt, so hat er dies, gegebenenfalls im Rahmen der
Krankengeschichte, zu dokumentieren.
Verwaltungsstrafbestimmung zum Schutz vor Missbrauch
§ 15. Wer den Zugang zu Einrichtungen der
Behandlung, Pflege oder Betreuung oder den Erhalt solcher Leistungen davon
abhängig macht, dass eine Patientenverfügung errichtet oder dies unterlassen
wird, begeht, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, eine
Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 25 000 Euro, im
Wiederholungsfall bis zu 50 000 Euro, zu bestrafen.
5. Abschnitt
Schlussbestimmungen
Personenbezogene Bezeichnungen
§ 16. Bei allen personenbezogenen
Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.
Verweisungen
§
17. Soweit in
diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in
ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
In-Kraft-Treten
§ 18. Dieses Bundesgesetz tritt mit dem
auf den Monat seiner Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft. Patientenverfügungen,
die zu diesem Zeitpunkt bereits errichtet sind, sind hinsichtlich ihrer
Wirksamkeit nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen.
Vollziehung
§ 19. Mit der Vollziehung dieses
Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen im
Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz betraut.