1395 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (1389 der Beilagen): Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Tschechischen Republik, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Groß­herzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Republik Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Republik Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union sowie Protokoll samt Anhängen, Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht samt Anhängen und Schlussakte

Allgemeines

Das Beitrittsvertragswerk orientiert sich inhaltlich weitgehend an jenem über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union im Jahr 2004 (vgl. BGBl. III Nr. 20/2004). Es finden sich daher im Vertragswerk eine Reihe von Artikeln, die denselben Wortlaut mit den Artikeln aus dem Beitrittsvertrag mit den zehn neuen Mitgliedsstaaten aufweisen. Es gibt ein einziges Vertragswerk, das beide beitretenden Staaten einschließt.

Das Vertragswerk umfasst den Beitrittsvertrag, das Beitrittsprotokoll und Anhänge bzw. die Beitrittsakte und Anhänge sowie die Schlussakte samt Erklärungen. Neu daran ist das Beitrittsprotokoll samt Anhang, weil zwischen dem Szenario der Anwendbarkeit des Vertrags über eine Verfassung für Europa am Tag des Beitritts und dem Szenario der Nichtanwendbarkeit des Verfassungsvertrags unterschieden werden muss. Dieser Differenzierung wird Rechnung getragen durch die Referenz im ersten Fall auf das Beitrittsprotokoll, und im letzten Fall auf die Beitrittsakte, welche beide Bestandteile des Beitrittsvertrags sind. Protokoll und Akte regeln im Wesentlichen identische Vertragsinhalte auf der Basis von unterschiedlich gültigem Primärrecht zum Zeitpunkt des Beitritts. Der wesentlichste Unterschied zwischen dem Beitrittsprotokoll und der Beitrittsakte liegt in materiell-rechtlicher Hinsicht in den unterschiedlichen Bestimmungen über die Zusammensetzung der Organe der Europäischen Union und den Beschlussfassungserfordernissen in diesen Institutionen. Hingegen sind die Bestimmungen über die aufgrund des Beitritts von zwei neuen Mitgliedsstaaten vorzunehmenden technischen Anpassungen des Sekundärrechts und die Bestimmungen über die Übergangsmaßnahmen, wie sie insbesondere in den Artikeln 3, 4, 19, 20, 21 und 23 der Beitrittsakte, in den Artikeln 3, 4, 16, 17, 18 und 20 des Beitrittsprotokolls sowie in den Anhängen I bis IX des Beitrittsprotokolls und der Beitrittsakte normiert sind, in materieller Hinsicht identisch. Es ist festzuhalten, dass der Beitrittsvertrag Primärrecht bildet und daher den höchsten Rang im EU-Recht aufweist. Änderungen des Beitrittsvertrags können daher grundsätzlich nur im Rahmen der Vertragsrevision gemäß Artikel 49 vorgenommen werden. Auch darf in die Beitrittsakte bzw. das Beitrittsprotokoll, deren rechtlicher Status sich vom Beitrittsvertrag herleitet (Art. 1 Abs. 2 bzw. Art. 2 Abs. 2 des Beitrittsvertrags), grundsätzlich nur im Wege einer Vertragsrevision eingegriffen werden. Beim Beitrittsvertrag handelt sich um einen einzigen Vertrag für beide Länder. Wie die bisherigen Beitrittsverträge sieht der vorliegende Beitrittsvertrag ein Zieldatum für das Inkrafttreten vor, nämlich den 1. Jänner 2007. Im Unterschied zu den bisherigen Beitrittsverträgen sehen Artikel 4 Absatz 2 Unterabsätze 3 und 4 des Beitrittsvertrags die Möglichkeit der Verschiebung des Inkrafttretens des Beitrittsvertrages für einen oder beide Staaten auf den 1. Jänner 2008 vor, ungeachtet der Hinterlegung der erforderlichen Ratifikationsurkunden. Letztere Regelung ermöglicht, dass die Entscheidung über die Inanspruchnahme dieser Verschiebungsklausel bereits zu einem Zeitpunkt während der Ratifikationsphase fallen kann. Voraussetzung für die Beitrittsverschiebung ist ein entsprechender Beschluss des Rates gemäß Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 bzw. 4 des Beitrittsvertrags in Verbindung mit Artikel 39 der Beitrittsakte bzw. des Beitrittsprotokolls. Für den Fall der Anwendbarkeit des Verfassungsvertrags verweist Artikel 1 Absatz 3 des Beitrittsvertrags auf das Beitrittsprotokoll, dessen Bestimmungen Bestandteil des Beitrittsvertrags sind. Das Protokoll über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union und die Anpassungen der Verträge auf denen die Union beruht, besteht aus 61 Artikeln und den Anhängen I bis IX. Für den Fall der Nichtanwendbarkeit des Verfassungsvertrags am Tag des Beitritts verweist Artikel 2 Absatz 2 hinsichtlich der Aufnahmebedingungen und der erforderlichen Anpassungen der die Union begründenden Verträge auf die Akte, deren Bestimmungen Bestandteil des Beitrittsvertrags ist. Die Beitrittsakte besteht wie das Beitrittsprotokoll aus 61 Artikeln und den Anhängen I bis IX.

Genehmigungsverfahren des Beitrittsvertrages

Bereits der Abschluss des Staatsvertrages über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erfolgte auf Grund einer besonderen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung, des Artikels I des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl. Nr. 744/1994. Auf Grund der Sonderbestimmung des Artikels II dieses Bundesverfassungsgesetzes erübrigte sich eine ausdrückliche Bezeichnung des Beitrittsvertrags oder einzelner seiner Bestimmungen als „verfassungsändernd“. Analoge Regelungen enthalten das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrags von Amsterdam, BGBl. I Nr. 76/1998, das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrags von Nizza, BGBl. I Nr. 120/2001, und das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrags über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union, BGBl. I Nr. 53/2003, sowie das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa, BGBl I Nr. 12/2005 (welcher noch nicht in Kraft getreten ist). Durch die Beschlüsse des Parlaments über die Genehmigung des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union, des Vertrags von Amsterdam und des Vertrags von Nizza sowie des Beitrittsvertrags mit den zehn neuen EU-Mitgliedern ist das den Gegenstand dieser Verträge bildende EU-Recht nicht rangmäßig in das österreichische Rechtsquellensystem eingeordnet worden. Da auch durch den vorliegenden Beitrittsvertrag EU-Recht geändert werden soll, ergeben sich die gleichen rechtstechnischen Probleme, wie sie sich bereits aus Anlass des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union und des Abschlusses der Verträge von Amsterdam und von Nizza sowie des Beitrittsvertrags mit den zehn neuen EU-Mitgliedern ergeben haben. Der Abschluss des vorliegenden Beitrittsvertrags erfolgt daher ebenfalls auf Grund einer besonderen bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung, wonach sowohl die Genehmigung durch den Nationalrat als auch die Zustimmung durch den Bundesrat jeweils bei erhöhtem Präsenz- und Konsensquorum (Zweidrittelmehrheit) zu beschließen sind.  Eine ausdrückliche Bezeichnung als „verfassungsändernd“ des Vertrags oder einzelner seiner Bestimmungen, durch die Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, ist im Sinne des erwähnten Bundesverfassungsgesetzes nicht erforderlich. Auch eine Beschlussfassung über eine Erlassung von Erfüllungsgesetzen kommt nicht in Betracht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass künftige Änderungen des Primärrechts (dies umfasst auch den vorliegenden Beitrittsvertrag) entsprechend der oben geschilderten besonderen Vorgangsweise vorgenommen werden müssten. Anders als der Vertrag über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schwedens zur Europäischen Union bedarf der vorliegende Beitrittsvertrag wie jener mit den zehn neuen Mitgliedsstaaten vom 16. April 2003 keiner flankierenden Änderungen des B-VG.

Finanzielle Auswirkungen

Die unten stehenden Tabellen geben einen Überblick über die Leistungen des EU-Haushaltes für Bulgarien und Rumänien und die hieraus erwachsenden Auswirkungen auf Österreich. Insgesamt stehen für die beiden Länder in den ersten drei Jahren nach Beitritt € 15,397 Mrd. an Verpflichtungen bzw. € 9,055 Mrd. an Zahlungen zur Verfügung. Die dargestellten Beträge stellen Obergrenzen dar. Inwieweit diese Beträge ausgeschöpft werden, kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vorhergesagt werden. Bei einer vollen Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Mittel für Bulgarien und Rumänien kann für Österreich eine Mehrbelastung bei der Finanzierung des EU-Haushaltes in den ersten drei Jahren von bis zu rund € 200 Mio. entstehen.

 

 

Hinsichtlich der Kundmachung des Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat vorgeschlagen, gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass dessen bulgarische, dänische, englische, estnische, finnische, französische, griechische, irische, italienische, lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische, rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische und ungarische Sprachfassungen dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 4. April 2006 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Herbert Scheibner, Dr. Josef Cap, Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler und Mag. Terezija Stoisits.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Ebenso wurde einstimmig beschlossen, dass die bulgarische, dänische, englische, estnische, finnische, französische, griechische, irische, italienische, lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische, rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische und ungarische Sprachfassungen dadurch kundgemacht werden sollen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Tschechischen Republik, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Groß­herzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Republik Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Republik Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union sowie Protokoll samt Anhängen, Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht samt Anhängen und Schlussakte (1389 der Beilagen) wird genehmigt.

2.      Die bulgarische, dänische, englische, estnische, finnische, französische, griechische, irische, italienische, lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische, rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische und ungarische Sprachfassungen dieses Staatsvertrages sind gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 

Wien, 2006 04 04

                        Dr. Michael Spindelegger                                                     Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann