1431 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Regierungsvorlage
Bundesgesetz über
die Standesbezeichnung „Ingenieur“ (Ingenieurgesetz 2006 – IngG 2006)
Der
Nationalrat hat beschlossen:
1. Abschnitt
Standesbezeichnung
„Ingenieur“
Führung der
Standesbezeichnung
§ 1. (1) Die Standesbezeichnung ,,Ingenieur“
darf nur nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes geführt werden.
(2) Personen, die zur
Führung der Standesbezeichnung ,,Ingenieur“ berechtigt sind, dürfen
1. diese ihrem Namen in Kurzform oder in vollem
Wortlaut beifügen und
2. deren Eintragung in amtlichen Urkunden
verlangen.
(3) Personen, die zur
Führung der Standesbezeichnung ,,Ingenieur“ oder des akademischen Grades
,,Diplom-Ingenieur“ berechtigt sind, dürfen das Wort ,,Ingenieur“ auch in
Wortgruppen oder Wortverbindungen führen.
(4) Vereinigungen und
Körperschaften dürfen die Bezeichnung ,,Ingenieur“, auch in Kurzform, nur dann
in ihrem Namen führen, wenn die Mehrzahl ihrer ordentlichen Mitglieder die Standesbezeichnung
,,Ingenieur“ oder den akademischen Grad ,,Diplom-Ingenieur“ führen darf oder
bundesgesetzliche Vorschriften die Vereinigungen und Körperschaften hiezu
berechtigen.
Voraussetzungen
für die Verleihung
§ 2. Die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung
,,Ingenieur“ ist Personen zu verleihen, die
1. a) die Reife- und Diplomprüfung nach dem Lehrplan
inländischer höherer technischer und gewerblicher oder höherer land- und
forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und
b) eine mindestens dreijährige fachbezogene Praxis
absolviert haben, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt,
auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, oder
2. a) eine Reife- oder Abschlussprüfung nach
ausländischen Lehrplänen erfolgreich abgelegt haben, sofern diese Prüfung
gleichwertige Kenntnisse, wie sie die inländischen Lehrpläne vorsehen, umfasst
und
b) eine mindestens dreijährige fachbezogene Praxis
absolviert haben, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt,
auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, oder
3. a) die Voraussetzung nach Z 2 lit. a
erfüllen und
b) im Ausland zur Führung einer entsprechenden
Berufs- oder Standesbezeichnung berechtigt sind oder
4. a) die Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht
erfüllen, aber gleichwertige fachliche und allgemeine Kenntnisse, wie sie an
den höheren technischen und gewerblichen oder höheren land- und
forstwirtschaftlichen Lehranstalten bis zur Reife- und Diplomprüfung vermittelt
werden, und
b) eine mindestens sechsjährige zu den erworbenen
Kenntnissen fachbezogene Praxis, die gehobene Kenntnisse voraussetzt,
nachweisen.
Höhere
Lehranstalten
§ 3. (1) Höhere technische und gewerbliche
Lehranstalten im Sinne des § 2 Z 1 sind die Lehranstalten, die
dem Erwerb höherer technischer Bildung dienen, und deren Sonderformen.
Diplomprüfungen, durch die solche Sonderformen abgeschlossen werden, sind der
Reifeprüfung gleichzuhalten.
(2) Höhere land- und
forstwirtschaftliche Lehranstalten im Sinne des § 2 Z 1 sind die
in § 11 Abs. 1 des Land- und forstwirtschaftlichen
Bundesschulgesetzes, BGBl. Nr. 175/1966, in der Fassung des Bundesgesetzes
BGBl. Nr. 328/1988, angeführten Lehranstalten.
(3) Durch Verordnung
hat zu bestimmen:
1. der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
die höheren technischen und gewerblichen Lehranstalten gemäß § 2 Z 1
und die Tätigkeiten, die als Praxis auf technischem Gebiet anzurechnen sind und
2. der Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die höheren land- und
forstwirtschaftlichen Lehranstalten gemäß § 2 Z 1 und die
Tätigkeiten, die als Praxis auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet
anzurechnen sind.
(4) In den
Verordnungen gemäß Abs. 3 ist auch die zusammenfassende Bezeichnung der
Lehranstalten nach Fachbereichen auch ohne Nennung einzelner Lehranstalten
zulässig.
Antrag auf
Verleihung - Beurkundung
§ 4. (1) Die Verleihung ist von Personen, deren
Ausbildung auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet gelegen ist, beim
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, in
allen anderen Fällen beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, zu
beantragen.
(2) Dem Antrag sind
insbesondere anzuschließen:
1. Nachweise über die Identität des Bewerbers,
2. Nachweise über die Ausbildung und - ausgenommen
in den Fällen des § 2 Z 3 - über die Praxis,
3. Nachweise über die Berechtigung zur Führung der
entsprechenden ausländischen Berufs- oder Standesbezeichnung in den Fällen des
§ 2 Z 3 und
4. Prüfungszeugnisse öffentlicher oder mit
Öffentlichkeitsrecht ausgestatteter inländischer Schulen, die Kenntnisse gemäß
§ 2 Z 4 nachweisen.
(3) Sämtliche
Nachweise und Prüfungszeugnisse sind im Original oder in beglaubigter Abschrift
oder Ablichtung, fremdsprachige Nachweise und Prüfungszeugnisse über Verlangen
der Behörde überdies in beglaubigter Übersetzung, vorzulegen.
(4) Durch die
Nachweise über die Praxis hat der Bewerber glaubhaft zu machen, dass er eine
Praxis absolviert hat, die fachbezogene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten
voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können.
(5) Bei Bewerbern
gemäß § 2 Z 1 und Z 2 ist bei Vorlage der Nachweise der
Praxis der fachbezogenen Kenntnisse auf jenen Fachgebieten, auf denen Reife-
und Diplomprüfungen abgelegt werden können, als gegeben anzunehmen, wenn diese
im Zeugnis durch den Arbeitgeber bestätigt werden. Der Aussteller haftet für
die Richtigkeit der Bestätigung.
(6) Die Verleihung ist
durch den jeweils zuständigen Bundesminister zu beurkunden.
Verwaltungsübertretung
§ 5. Wer die Standesbezeichnung „Ingenieur“,
auch in Wortgruppen oder Wortverbindungen, seinem Namen beifügt, ohne dazu
berechtigt zu sein, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die
Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine
Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer
Geldstrafe von 200 Euro bis zu 15.000 Euro zu bestrafen. Gleiches gilt für
Übertretungen des § 1 Abs. 4.
Verweisungen
§ 6. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz auf
Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils
geltenden Fassung anzuwenden.
(2) Soweit in anderen
Rechtsvorschriften des Bundes auf Bestimmungen verwiesen ist, die mit dem
In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes aufgehoben oder abgeändert werden, erhält
die Verweisung ihren Inhalt aus den entsprechenden Bestimmungen dieses
Bundesgesetzes.
Personenbezogene
Bezeichnungen
§ 7. Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen
gilt die gewählte Form für beide Geschlechter. Die weibliche Form von „Ingenieur“
lautet „Ingenieurin“.
In-Kraft-Treten
§ 8. Der 1. Abschnitt dieses Bundesgesetz tritt
mit 1. September 2006 in Kraft.
Außer-Kraft-Treten
§ 9. Mit In-Kraft-Treten des 1. Abschnittes
dieses Bundesgesetzes tritt das Ingenieurgesetz 1990, BGBl. Nr. 461,
zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 136/2001, außer
Kraft.
Übergangsbestimmung
§ 10. Ungeachtet der Bestimmungen des
§ 1 Abs. 1 dürfen die Standesbezeichnung ,,Ingenieur'' auch jene
Personen führen, die aufgrund des Ingenieurgesetzes 1990 dazu berechtigt
waren.
Vollziehung
§ 11. Mit der Vollziehung des 1. Abschnittes
dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit,
hinsichtlich jener Bewerber, die eine land- und forstwirtschaftliche Ausbildung
geltend machen, ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt
und Wasserwirtschaft, betraut.
2. Abschnitt
Bezeichnungen
,,Diplom-HTL-Ingenieur'' und ,,Diplom-HLFL-Ingenieur''
§ 12. Die Bezeichnungen ,,Diplom-HTL-Ingenieur''
und ,,Diplom-HLFL-Ingenieur'' dürfen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen
geführt werden. Die Berechtigung zur Führung ist Personen zu verleihen, die auf
technischen bzw. auf land- und forstwirtschaftlichen Gebieten Kenntnisse und
Fähigkeiten erworben und durch eine Prüfung gemäß § 16 nachgewiesen haben,
die jenen gleichzuhalten sind, wie sie durch ein Diplom einer dem Art. 1
lit. a der Richtlinie 89/48/EWG vom 21. Dezember 1988, ABl.
Nr. L 19 vom 24. Jänner 1989, S 16 - Anhang VII Z 1 des
EWR-Abkommens, BGBl. Nr. 909/1993, entsprechenden Fachhochschule nachgewiesen
werden.
§ 13. (1) Personen, denen die Berechtigung zur
Führung der Bezeichnung ,,Diplom-HTL-Ingenieur'' bzw. ,,Diplom-HLFL-Ingenieur''
verliehen wurde, dürfen diese im vollen Wortlaut oder in der abgekürzten Form
,,Dipl.-HTL-Ing.'' bzw. ,,Dipl.-HLFL-Ing.'' ihrem Namen beifügen und die
Eintragung in amtlichen Ausfertigungen und Urkunden verlangen.
(2) Durch die
Berechtigung zur Führung dieser Bezeichnungen werden in anderen
Rechtsvorschriften festgelegte besondere Berufsbezeichnungen und Berechtigungen
nicht ersetzt.
§ 14. (1) Die Berechtigung zur Führung der
Bezeichnung ,,Diplom-HTL-Ingenieur'' ist vom Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit über Antrag zu verleihen, wenn der Antragsteller
1. die Reifeprüfung nach dem Lehrplan einer
inländischen höheren technischen Lehranstalt erfolgreich abgelegt hat,
2. nach der Reifeprüfung eine mindestens
sechsjährige Berufspraxis, bei der die an der höheren technischen Lehranstalt
erworbenen, für das Fachgebiet wesentlichen technischen Kenntnisse anzuwenden
waren, zurückgelegt hat,
3. durch die Vorlage einer schriftlichen Arbeit
auf seinem Fachgebiet eingehende und umfassende Kenntnisse nachweist und
4. eine fachliche Prüfung vor Sachverständigen
erfolgreich abgelegt hat.
(2) Die Berechtigung
zur Führung der Bezeichnung ,,Diplom-HLFL-Ingenieur'' ist vom Bundesminister
für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Antrag zu
verleihen, wenn der Antragsteller
1. die Reifeprüfung nach dem Lehrplan einer
inländischen höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalt erfolgreich
abgelegt hat,
2. nach der Reifeprüfung eine mindestens
sechsjährige Berufspraxis, bei der die an der höheren land- und
forstwirtschaftlichen Lehranstalt erworbenen, für das Fachgebiet wesentlichen
Kenntnisse anzuwenden waren, zurückgelegt hat,
3. durch die Vorlage einer schriftlichen Arbeit
auf seinem Fachgebiet eingehende und umfassende Kenntnisse nachweist und
4. eine fachliche Prüfung vor Sachverständigen
erfolgreich abgelegt hat.
(3) Die Voraussetzung
gemäß Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 kann auch durch die
erfolgreich abgelegte Reife- oder Abschlussprüfung nach ausländischen Lehrplänen
nachgewiesen werden, wenn diese Prüfung gleichwertige Kenntnisse, wie sie die
inländischen Lehrpläne für die in Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1
genannten Lehranstalten vorsehen, umfasst.
§ 15. Höhere Lehranstalten im Sinne des
§ 14 Abs. 1 Z 1 und § 14 Abs. 2 Z 1 sind die in
§ 3 angeführten Lehranstalten.
§ 16. (1) Die Prüfung gemäß § 14
Abs. 1 Z 4 ist vor einem Sachverständigenkollegium abzulegen, in das
der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur zwei fachkundige
Vertreter entsendet. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit bestellt eine
fachkundige Person als Vorsitzenden des Sachverständigenkollegiums. Auf Antrag
des Antragstellers ist die fachliche Prüfung öffentlich abzuführen.
(2) Die Prüfung gemäß
§ 14 Abs. 2 Z 4 ist vor einem Sachverständigenkollegium
abzulegen, in das der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur zwei
fachkundige Vertreter entsendet. Der Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft bestellt eine fachkundige Person
als Vorsitzenden des Sachverständigenkollegiums.
(3) Die Mitglieder der
Sachverständigenkommission müssen ein facheinschlägiges Hochschulstudium
abgeschlossen haben und einschlägig praktisch oder wissenschaftlich tätig sein.
(4) Die Prüfung hat
sich umfassend auf Fragen des Fachgebietes des Antragstellers und auf die
schriftliche Arbeit (§ 14 Abs. 1 Z 3 bzw. § 14 Abs. 2
Z 3) zu erstrecken. Die Beurteilung der schriftlichen Arbeit und der
Prüfung hat nur dann mit ,,bestanden'' zu erfolgen, wenn das
Sachverständigenkollegium mit Stimmeneinhelligkeit zu diesem Kalkül gelangt.
(5) Die §§ 52 ff.
des AVG finden auf die Sachverständigen gemäß Abs. 1 und 2 keine
Anwendung.
(6) Der Bundesminister
für Wirtschaft und Arbeit und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft haben jeweils durch Verordnung nähere Bestimmungen
über die fachliche Prüfung und über die schriftliche Arbeit zu erlassen. In
diesen Verordnungen ist auch die Höhe der vom Antragsteller vor Beginn der
Prüfung zu leistenden Prüfungsgebühr in einer dem Zeitaufwand und dem
Sachaufwand entsprechenden Höhe festzusetzen und die Entlohnung der
Sachverständigen zu regeln.
§ 17. Dem Antrag auf Verleihung der Berechtigung
sind die erforderlichen Nachweise im Original oder in gerichtlich oder notariell
beglaubigter Abschrift oder Ablichtung, fremdsprachliche Urkunden über
Verlangen der Behörde auch in beglaubigter Übersetzung anzuschließen.
§ 18. Wer die Bezeichnung „Diplom-HTL-Ingenieur“
oder „Diplom-HLFL-Ingenieur“ führt, ohne dazu berechtigt zu sein, oder so
führt, dass damit die Berechtigung zur Führung eines akademischen Grades
vorgetäuscht wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der
Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7 260 Euro zu
bestrafen.
§ 19. (1) Die Verleihung der Berechtigung ist zu
beurkunden.
(2) Für die Verleihung
ist eine Verwaltungsabgabe in der Höhe von 109 € zu entrichten. Im übrigen
gelten die Bestimmungen der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983,
BGBl. Nr. 24, in der jeweils geltenden Fassung.
§ 20. (1) Der 2. Abschnitt dieses Bundesgesetzes
tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2006 außer Kraft.
(2) Auf zum Zeitpunkt
des Außerkrafttretens anhängige Verfahren ist dieses Bundesgesetz weiterhin,
längstens jedoch bis Ablauf des 31. Dezember 2008 anzuwenden.
Vollziehung
§ 21. Mit der Vollziehung des 2. Abschnittes
dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit,
hinsichtlich jener Bewerber, die eine land- und forstwirtschaftliche Ausbildung
geltend machen, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft hinsichtlich § 16 Abs. 1 und 2 im Einvernehmen mit
dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur betraut.