Vorblatt
Probleme:
Die Anzahl an
Verwaltungsverfahren bezüglich der Verleihung der Standesbezeichnung
„Ingenieur“ und die Einsparungsziele des öffentlichen Sektors erfordern
Änderungen bezüglich der Vergabemodalitäten, um eine rasche und unbürokratische
Verleihung der Standesbezeichnung „Ingenieur“ auch weiterhin zu gewährleisten.
Die rasche
Entwicklung auf dem Schulsektor, insbesondere der zahlreichen Sonderformen und
Spezialisierungen macht es erforderlich, eine zusammenfassende Bezeichnung der
Lehranstalten auch ohne Nennung einzelner Lehranstalten festzuschreiben, um
eine Vergabe der Standesbezeichnung „Ingenieur“ bei auch übergreifender und
fachbezogener und nicht nur - wie derzeit - fachspezifischer Praxis zu ermöglichen.
Die ständige
Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu „Berufspraxis“ und „höheren
Fachkenntnissen“ einer Berufspraxis und die geänderten Rahmenbedingungen der
Arbeitswelt führen zu Problemen bei der Verleihung der Standesbezeichnung
„Ingenieur“.
Ziele:
Ø Gewährleistung
einer raschen und unbürokratischen Verleihung der Standesbezeichnung
„Ingenieur“
Ø Entbürokratisierung
der Verwaltungsverfahren
Ø Beschleunigung
der Verwaltungsverfahren
Ø Ermöglichung
der Vergabe bei fachbezogener (artverwandter) Praxis
Inhalte:
Ø Glaubhaftmachung statt beweisbaren Nachweises
der Ausübung ingenieurmäßiger Tätigkeiten
Ø Bestätigung
der Ausübung ingenieurmäßiger Tätigkeiten bei HTL- und HLFL-Absolventen durch
den Dienstgeber
Ø Ermöglichung
der Vergabe der Standesbezeichnung „Ingenieur“ bei übergreifender
(artverwandter) Praxis
Ø Verzicht auf Einvernehmensherstellungen
mit anderen Ressorts
Finanzielle
Auswirkungen:
Es ist
mittelfristig mit einer noch nicht abschätzbaren Reduktion der Kosten für den
Bund zu rechnen.
Alternativen:
Beibehaltung der
derzeitigen Rechtslage.
Verhältnis
zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:
Die EU Konformität ist gegeben.
Erläuterungen
Allgemeiner
Teil
Der
österreichische Ingenieur genießt nicht nur in Österreich beträchtliches
Ansehen. Primäres Anliegen dieses Gesetzesentwurfes ist aufgrund der in den
letzten Jahren hohen Anzahl an Verwaltungsverfahren zu einer kürzeren
Verfahrensdauer zu gelangen und gleichzeitig Bürokratie abzubauen, ohne das
Ansehen des österreichischen Ingenieurs zu schmälern.
Dieser Abbau soll
insbesondere bei der überwiegenden Anzahl von Verwaltungsverfahren stattfinden,
wo Antragsteller eine HTL- bzw. HLFL-Ausbildung vorweisen. In jenen Fällen soll
durch eine Bestätigung durch den Dienstgeber, fachbezogene Tätigkeiten ausgeübt
zu haben, ein Automatismus der Vergabe der Standesbezeichnung „Ingenieur“
institutionalisiert werden. In allen anderen Fällen wird die Glaubhaftmachung
der Ausübung „ingenieurmäßiger Tätigkeiten“ als ausreichend angesehen.
Die
kompetenzmäßige Grundlage für die vorgesehenen Regelungen ist Art. 10
Abs. 1 Z 8 B-VG mit dem Kompetenztatbestand „Ingenieurwesen“.
Durch die
Verfahrensvereinfachung soll es bei der großen Mehrzahl der Verfahren
letztendlich zu einer noch nicht abschätzbaren Reduktion der Kosten des Bundes
betreffend die Durchführung der Verwaltungsverfahren kommen.
Besonderer
Teil
Zu § 1:
Im § 1 wurden
die Bestimmungen der §§ 1, 2 und 3 des Ingenieurgesetzes 1990
zusammengefasst und einer legistischen Überarbeitung unterzogen.
Eine inhaltliche
Änderung bezüglich der Regelungsinhalte der §§ 1, 2 und 3 des
Ingenieurgesetzes 1990 wird dadurch nicht verfolgt.
Zu § 2:
§ 2 Z 1
bis 4 entspricht in seinem Aufbau den Bestimmungen der
§ 4 Abs. 1 Z 1 bis 4 des Ingenieurgesetzes 1990.
Derzeitige
materielle Voraussetzung für die Verleihung der Führung der Standesbezeichnung
„Ingenieur“ an HTL-und HLFL-Absolventen ist unter anderem „eine mindestens
dreijährige Berufspraxis, die Höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet
voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde“.
Der vorliegende
Entwurf sieht als materielle Voraussetzung für die Verleihung der Berechtigung
zur Führung der Standesbezeichnung „Ingenieur“ an HTL- und HLFL-Absolventen
„eine mindestens dreijährige fachbezogene Praxis, die gehobene Kenntnisse auf
jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reifeprüfungen abgelegt werden
können“, vor.
Anstelle der
Voraussetzung „Berufspraxis“ wird nunmehr die Voraussetzung „Praxis“ normiert.
Der Begriff Berufspraxis
bedeutet, dass Antragsteller Nachweise zu erbringen haben, dass sie Tätigkeiten
ausgeübt haben, die den Erfordernissen eines Berufes entsprechen. Der
Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner ständigen Judikatur (beispielsweise
97/04/0227) darauf ab, dass - so der Gesetzgeber die Erwartung des Erwerbs
praktischer Erfahrungen an die Ausübung eines (facheinschlägigen) Berufes
während einer bestimmten Mindestdauer knüpft - sich aus Gründen der sachlichen
Konsequenz die Annahme verbietet, es käme nicht darauf an, in welchem Ausmaß
der Beruf während dieses Zeitraumes ausgeübt wurde. Es kann nach Ansicht des
Verwaltungsgerichtshofes nämlich nicht angenommen werden, das erforderliche
Mindestmaß an praktischer Erfahrung lasse sich bereits durch eine in nur
geringfügigem Umfang ausgeübte Tätigkeit erwerben. Als Erfüllung der
Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Z 1 lit. b des
Ingenieurgesetzes 1990 ist daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes
vielmehr nur eine solche Tätigkeit zu werten, die die Arbeitskraft des
Betreffenden in einem Ausmaß in Anspruch nimmt (und ihm solcherart praktische
Erfahrungen in einem Ausmaß vermittelt), wie dies bei der Ausübung eines
Berufes im allgemeinen der Fall ist.
Die Judikatur des
Verwaltungsgerichtshofes zum Tatbestand „Berufspraxis“ führt in der Vollziehung
dazu, dass geringfügig sozialversicherte Beschäftigungen oder auch
unentgeltlich ausgeübte Tätigkeiten überhaupt nicht und sozialversicherte
Teilzeitbeschäftigungen nur äquivalent als Berufspraxis angerechnet werden können.
Durch die
geplanten Änderungen sollen unabhängig vom Umfang einer sozialversicherten
Beschäftigung als auch vom Bestehen einer Sozialversicherung oder von der
Unentgeltlichkeit einer Tätigkeit Praxiszeiten angerechnet werden können. Für
die Verwaltungspraxis bedeutet dies, dass seitens der Antragsteller in Hinkunft
keine Sozialversicherungsbestätigungen vorzulegen sind, sondern ausschließlich
bei unselbstständig Tätigen die Bestätigung des Arbeitgebers bzw. bei
selbstständig Tätigen die Glaubhaftmachung der Praxis zu erfolgen hat (siehe
dazu auch die neuen Bestimmungen der § 4 Abs. 4 und 5).
Der
Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Judikatur betreffend die Höherwertigkeit
einer Berufspraxis (siehe beispielsweise GZ 0172/2001) davon aus, dass
Tätigkeiten in Gewerbebetrieben in der Regel von Personen wahrgenommen werden
können, die eine entsprechende gewerbliche Ausbildung absolviert haben. Im
Regelfall ist demzufolge die Tätigkeit eines HTL-Absolventen bei einem
Gewerbetreibenden grundsätzlich als nicht höherwertig einzustufen bzw. muss der
Antragsteller die Höherwertigkeit detailliert nachweisen. Aufgrund des
technischen Fortschrittes und der raschen technischen Entwicklungen und der
immer höher werdenden Anforderungen an Gewerbetreibende sowie des auf technischen
Gebieten erhöhten Anforderungsprofiles und der damit verbundenen
Ausbildungserfordernisse und Ausbildungsprofile ist die auf der geltenden
Rechtslage aufbauende Judikatur der Verwaltungsgerichtshofes als überholt - und
KMU diskriminierend - anzusehen. Hinsichtlich einer handhabbaren
Verwaltungspraxis besteht somit die Notwendigkeit von dem Begriff der
Höherwertigkeit abzugehen. An seine Stelle soll eine Praxis treten, die
gehobene Kenntnisse voraussetzt.
Aufgrund der
Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes der „Facheinschlägigkeit“ - es kommt
nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren zur Verleihung der
Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung „Ingenieur“ darauf an, dass die
verrichteten Tätigkeiten höhere Fachkenntnisse entsprechend der vom
Antragsteller absolvierten Ausbildung erfordern, und auch solche sind, die den
überwiegenden Teil der von ihm ausgeübten Tätigkeiten bilden (Hinweis E vom
8.8.2003, Zl. 2001/04/0136) - wird der in der Arbeitswelt vor sich gehenden
raschen Entwicklung nicht Rechnung getragen. Wenn nun schon an den HTL
vielfältig differenzierte Ausbildungen angeboten werden, so kann in der
Arbeitswelt – insbesondere bei KMU - nicht davon ausgegangen werden, dass
deckungsgleich auf diese Ausbildung passende Arbeitsplätze –vorallem in
erforderlicher Anzahl - vorhanden sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die
Ausbildung an einer HTL/HTFL ein breites Wissen hinsichtlich der
problemorientierten Lösung von technischen Problemen vermittelt und es
dementsprechend gerechtfertigt ist, auch fachbezogene und fachübergreifende
Tätigkeiten als Praxis für die Erlangung der Standesbezeichnung „Ingenieur“
anzurechnen.
Dementsprechend
normiert der gegenständliche Entwurf die auszübenden Tätigkeiten mit
„dreijähriger fachbezogener Praxis, die gehobene Kenntnisse auf jenen
Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden
können“.
Für Personen, die
keine HTL-Ausbildung nachweisen (§ 2 Z 4), wurde die derzeit
erforderliche und auch nachzuweisende Praxis von acht Jahren auf sechs Jahre
herabgesetzt. An der Voraussetzung des Nachweises gleichwertiger fachlicher und
allgemeiner Kenntnisse, wie sie an den höheren technischen bzw. höheren land-
und forstwirtschaftlichen Lehranstalten bis zur Reifeprüfung vermittelt werden,
wurde festgehalten.
Zu § 3:
§ 3
entspricht den Bestimmungen der §§ 5 und 10 des Ingenieurgesetzes 1990 mit
der Maßgabe, dass in Hinkunft aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und des
Bürokratieabbaues auf die Herstellung des Einvernehmens mit dem ehemals
Bundesminister für Unterricht und Kunst (ehemalige Bestimmung des § 10
Abs. 2 des Ingenieurgesetzes 1990) verzichtet wird.
Zu § 4:
§ 4 enthält
im Wesentlichen die Bestimmungen der § 4 Abs. 2 und des § 6 des
Ingenieurgesetzes 1990.
Neu sind die
Bestimmungen der § 4 Abs. 4 und Abs. 5.
Durch Abs. 4 wird
festgeschrieben, dass die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nachzuweisende
Berufspraxis lediglich glaubhaft zu machen ist.
Die
Glaubhaftmachung bezweckt lediglich, die Richtigkeit einer Tatsache bloß
wahrscheinlich zu machen. Tatsachen, die kraft Gesetzes glaubhaft zu machen
sind, bedürfen keines Beweises. Diese Bestimmung dient der
Verwaltungsvereinfachung.
Durch Abs. 5
werden die Verwaltungsverfahren bzw. der Nachweis der Praxis insofern erleichtert,
als die Bestätigung der fachbezogenen Praxis durch den Arbeitgeber als
ausreichend angesehen wird.
Dem Grundsatz der
materiellen Wahrheitsforschung wird in den Fällen kein wesentlicher Abbruch
getan, in denen das Gesetz bloße „Glaubhaftmachung“ vorsieht (vgl. § 49
Abs. 4, § 53 Abs. 1 lit. a AVG) sowie in den Falle der
gesetzlichen Vermutung (§ 45 Abs. 1 AVG).
Durch die in
Abs. 5 vorgesehene gesetzliche Vermutung wird es in einer Vielzahl von
Verfahren zu einer ins Gewicht fallenden Abkürzung der Dauer bzw. einem
Automatismus kommen.
Zu § 5:
§ 5
entspricht den Bestimmungen des § 12 des Ingenieurgesetzes 1990 und
enthält die diesbezügliche verwaltungsstrafrechtliche Sanktion der unbefugten
Führung der Standesbezeichnung „Ingenieur“.
Hinsichtlich der für
notwendig erachtete Einführung einer Untergrenze wird auf § 13 des
Verwaltungsstrafgesetzes hingewiesen, welcher lediglich einen Mindestbetrag von
7 Euro vorsieht. Die nunmehr festgesetzte Untergrenze orientiert sich an §
99 Abs. 2a der Straßenverkehrsordnung 1960 (Übertretung von
Fahrverboten).
Die neue
Obergrenze orientiert sich an den Strafbestimmungen des § 116 des
Universitätsgesetzes 2002 und des § 18 des Fachhochschul-Studiengesetzes
bezüglich der unberechtigten Führung akademischer Grade.
Zu
§ 7:
Die weibliche
Bezeichnung „Ingenieurin“ orientiert sich an der weiblichen Bezeichnung
„Heilmasseurin“ im Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetz.
Zum 2.
Abschnitt:
Hierbei handelt es
sich lediglich um die Wiedergabe des geltenden Gesetztestextes. An dem
Auslaufen der Vergabe der Bezeichnung „Dipom-HTL/HLFL-Ingenieur“ wird
festgehalten.