1511 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die
Regierungsvorlage (1420 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das
Sachwalterrecht im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch und das Ehegesetz, das
Außerstreitgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Vereinssachwalter- und
Patientenanwaltsgesetz, die Notariatsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz
und das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2006 geändert werden
(Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 – SWRÄG 2006)
Mit dem
vorgeschlagenen Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 soll zunächst das
Institut der Sachwalterschaft auf möglichst jene Fälle eingeschränkt werden, in
denen die Bestellung eines Sachwalters mangels Alternativen, die die Autonomie
des Betroffenen wahren oder die soziale Funktion der Familie stärken,
unumgänglich ist. Als eine solche Alternative zur Sachwalterschaft soll die
Vorsorgevollmacht geregelt werden. Außerdem soll nächsten Angehörigen in
gewissen Fällen (z. B. Stellung eines sozialversicherungsrechtlichen Antrags,
Abschluss von Alltagsgeschäften, Entscheidung über gewöhnliche medizinische
Behandlungen) eine gesetzliche Vertretungsbefugnis eingeräumt werden. Ein
weiterer Schwerpunkt der Reform ist dem Bereich der Personensorge für Menschen,
denen ein Sachwalter bestellt ist, gewidmet. Durch die Regelung der
Entscheidung über die medizinische Behandlung solcher Personen sowie über deren
Aufenthalt sollen in der Praxis immer wieder bestehende Unsicherheiten in
dieser Beziehung beseitigt werden. Weiter regelt der Entwurf klarer, den Kreis
der Personen, die zum Sachwalter bestellt werden können und schlägt im
Interesse einer effektiveren Wahrnehmung der Aufgaben eines Sachwalters eine
Begrenzung der Zahl der Sachwalterschaften vor, die von einer Person,
insbesondere von einem Rechtsanwalt oder Notar übernommen werden dürfen. Neu
ist auch die Bestellung eines Sachwaltervereins – also nicht einer von diesem
namhaft gemachten Person – zum Sachwalter. Hiedurch soll die Grundlage für ein
möglichst flexibles, auch den Interessen der behinderten Menschen dienendes
System der Vereinssachwalterschaft geschaffen werden. In systematischer
Hinsicht soll die in den Materialien zum KindRÄG 2001 bereits angekündigte
und in der Lehre oftmals angeregte Abkoppelung des Sachwalterrechts vom
Kindschaftsrecht nunmehr verwirklicht werden. Alle Fragen des Sachwalterrechts
sollen übersichtlich in einem neuen Fünften Hauptstück des Ersten Teiles des
ABGB geregelt werden. Damit soll auch die besondere Bedeutung dieses
Rechtsgebiets zum Ausdruck gebracht werden.
Der
Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am
19. Mai 2006 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im
Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Anton Doppler
die Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Mag. Walter Tancsits, Dr. Johannes Jarolim,
Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Terezija Stoisits, Mag. Elisabeth Grossmann,
Dr. Gabriela Moser sowie die Bundesministerin für
Justiz Mag. Karin Gastinger und die Ausschussobfrau
Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter das Wort.
Im Zuge der
Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter,
Dr. Helene Partik-Pablé, Bettina Stadlbauer, Mag. Terezija Stoisits,
Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt
begründet war:
„Zu Artikel
I (Änderungen des ABGB):
Durch die
Anpassung des § 276 Abs. 4 soll erreicht werden, dass der Sachwalter auch dann
keinen Anspruch auf Ersatz seiner Barauslagen hat, wenn durch diesen die
Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Betroffenen gefährdet wäre. Hiebei muss
der betroffenen Person jedenfalls das allgemeine Existenzminimum nach § 291a EO
gewahrt bleiben.
In § 279 Abs. 5
wird nunmehr ausdrücklich normiert, dass ein Rechtsanwalt oder Notar insgesamt
nicht mehr als 25 Sachwalterschaften, eine andere Person – ausgenommen ein
geeigneter Verein i.S.d. Abs. 3 und 4 – nicht mehr als fünf Sachwalterschaften
übernehmen darf. Diese Höchstgrenzen sollen – anders als noch in der
Regierungsvorlage vorgesehen –
ausnahmslos zur Anwendung kommen.
Der Verweis in
§ 284e Abs. 2 auf § 291a Abs. 2 Z 1 EO dient lediglich
der Klarstellung.
In § 284f Abs. 2
wird dem Einwand Rechnung getragen, dass die bloße Unterfertigung der
Vollmachtsurkunde durch drei Zeugen in Fällen, in denen der Vollmachtgeber
nicht selbst unterschreiben kann, eine zu hohe Missbrauchsgefahr mit sich
bringt. Es ist daher nunmehr vorgesehen, dass in einem solchen Fall ein Notar
die in seiner Gegenwart erfolgende Bekräftigung durch den Vollmachtgeber zu
beurkunden hat. Es handelt sich dabei um die Beurkundung eines tatsächlichen
Vorgangs im Sinn des
§ 88 NO, bei dem der Notar auch die Identität des Erklärenden
festzustellen hat (§§ 88 Abs. 2 iVm 55 NO).
Eine
Vorsorgevollmacht soll nur solange die Sachwalterbestellung entbehrlich machen,
als der Vollmachtgeber mit der Besorgung seiner Angelegenheiten durch den
Bevollmächtigten einverstanden ist. Im neuen § 284g wird daher nunmehr
normiert, dass der Vollmachtgeber der Vorsorgevollmacht ihren besonderen
Rechtscharakter nimmt, wenn er – nach Verlust der zur Besorgung der
übertragenen Angelegenheiten erforderlichen Geschäftsfähigkeit oder Einsichts-
und Urteilsfähigkeit – bloß zu erkennen gibt (vgl. § 10 Abs. 2
PatVG), dass er vom Bevollmächtigten nicht mehr vertreten sein will. Die
Vorsorgevollmacht erhält durch dieses „Veto“ des Vollmachtgebers den Charakter
einer Vollmacht im Sinn der §§ 1002ff, sie wird sozusagen auf eine solche
Vollmacht „herabgestuft“ und steht damit nicht mehr einer Sachwalterbestellung,
etwa zur Überwachung des Bevollmächtigten, entgegen; allenfalls wird ein Sachwalter
die Vollmacht widerrufen (vgl. § 284g zweiter Satz und § 120
Abs. 7 NO).
Zu Artikel
IV (Änderungen des KSchG):
Durch die
geänderte Formulierung des § 27d Abs. 1 Z 6 soll erreicht
werden, dass in den Heimverträgen klarer zum Ausdruck kommt, für welche
Leistungen (ihrer Art und ihrem Umfang nach) der Träger der Sozial- oder
Behindertenhilfe und für welche Leistungen der Heimbewohner aufkommt. Auch soll
verhindert werden, dass Leistungen, für die nach den Landesgesetzen diese
Träger aufzukommen haben, dem Heimbewohner verrechnet werden oder dass es zu
Doppelverrechnungen kommt. Während die Verpflichtung zur Aufschlüsselung
bereits nach geltendem Recht besteht und insofern in § 27d Abs. 1 Z 6 lediglich
eine Klarstellung erfolgt, müssen die von Sozial- oder Behindertenhilfeträgern
übernommenen Leistungen nur in Verträgen offen gelegt werden, die nach dem 1.
Juli 2007 geschlossen werden. Dies soll durch die Änderung des Übergangsrechts
in § 41a Abs. 19 klargestellt werden.
Zu Artikel V
(Änderung des Vereinssachwalter- und Patientenanwaltsgesetzes):
Die Änderung des
Gesetzestitels erfolgt zur Beseitigung eines Redaktionsversehens.
Zu VI
(Änderungen der Notariatsordnung):
Die Adaptierung
des § 140h Abs. 7 trägt dem Umstand Rechnung, dass in § 284g
ABGB nunmehr vorgesehen ist, dass Geschäftsunfähige und Einsichts- und
Urteilsunfähige der Vorsorgevollmacht deren besonderen Vorrang gegenüber der
Bestellung eines Sachwalters nehmen können. Da nur das Wirksamwerden einer
Vorsorgevollmacht im ÖZVV mit Rechtscheinwirkung registriert werden kann, muss
es diesen Personen dann auch möglich sein, mit ihrem „Veto“ die Registrierung
des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht zu beseitigen. Da sie – aufgrund ihres
Verlusts der Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit –
besonders schutzbedürftig sind, wird der registrierende Notar verpflichtet, die
Einleitung eines Sachwalterbestellungsverfahrens bei Gericht anzuregen. In Abs.
9 wird klargestellt, dass auch der Notar oder Rechtsanwalt, der für eine Partei
eine Registrierung vornehmen soll, Einsicht in das ÖZVV nehmen darf.
Zu Artikel
VII (Änderung des GOG):
In § 89f GOG ist
derzeit nur die Mitwirkungspflicht der BundesrechenzentrumGmbH an der automationsunterstützten
Führung von Gerichtsverfahren geregelt. Eine vergleichbare Bestimmung fehlt für
den Bereich des Strafvollzugs. Da in diesem Bereich umfangreiche Anwendungen,
vor allem die integrierte Vollzugsverwaltung bestehen, diese ausgebaut und
durch weitere ergänzt werden sollen, um die Verwaltung bei steigenden
Häftlingszahlen bewältigen zu können, ist die Mitwirkungspflicht der
BundesrechenzentrumGmbH allgemein auf die dem Justizressort gesetzlich
zugewiesenen Aufgaben auszuweiten. Durch die damit erfolgende Einbeziehung auch
des Strafvollzugs wird dem hoheitlichen Charakter des Strafvollzuges besser als
durch die bisher dazu getroffenen vertraglichen Vereinbarungen mit der BundesrechenzentrumGmbH
entsprochen.“
Bei der Abstimmung
wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter
Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag.
Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé, Bettina Stadlbauer,
Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen
einstimmig angenommen.
Ferner beschloss
der Justizausschuss einstimmig folgende Feststellung:
„Der
Justizausschuss vertritt die Ansicht, dass es einer stärkeren Solidarisierung
der Gesellschaft mit den Menschen bedarf, die ihre Angelegenheiten nicht selbst
besorgen können. Alle staatlichen und öffentlichen Einrichtungen, die
Sachwaltervereine und andere Stellen, die Anliegen behinderter Personen
verfolgen, sind dem gemäß dazu aufgefordert, in ihrem Einflussbereich für die
ehrenamtliche Übernahme einer Sachwalterschaft zu werben und so das Institut
der ehrenamtlichen Sachwalterschaft zu befördern. Der Justizausschluss legt im
Übrigen Wert auf die Feststellung, dass generell andere Wege zur Unterstützung
und Besorgung von Angelegenheiten behinderter Menschen beschritten werden
sollen und die Anregung einer Sachwalterschaft selektiver – sozusagen nur als
ultima ratio – erfolgen soll.
Die in § 279
Abs. 5 ABGB vorgesehene Höchstzahl von Sachwalterschaften ist nach Art. X § 4
Abs. 2 bei der erstmaligen Bestellung zum Sachwalter ab dem 1. Juli 2007
anzuwenden. In Klarstellung der Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist
festzuhalten, dass das Gericht bereits ab diesem Zeitpunkt in angemessenen
Zeitabständen zu überprüfen hat, ob anstelle eines Sachwalters, der die
Voraussetzungen des § 279 Abs. 5 ABGB nicht erfüllt, ein anderer
Sachwalter in Betracht kommt.
Einer Erörterung
bedarf auch die Frage, inwieweit eine Patientenverfügung für den Sachwalter
Bedeutung erlangt. Wurde die Patientenverfügung unter Rücksichtnahme auf die
Inhalts- und Formvorschriften der §§ 4 bis 7 PatVG errichtet, so ist diese
verbindlich. Diesfalls liegt eine wirksame Willenserklärung des Patienten vor,
sie hat unmittelbare Geltung und es bedarf daher keiner Substitution durch den
Sachwalter. Er hat dafür zu sorgen, dass die Patientenverfügung den
behandelnden Ärzten bekannt wird. Erfüllt die Patientenverfügung nicht alle
Vorschriften der §§ 4 bis 7 PatVG, liegt also bloß eine beachtliche
Patientenverfügung vor, so ist sie für den Sachwalter – wenn er auch mit
medizinischen Angelegenheiten betraut ist – Orientierungshilfe bei der
Ermittlung des Willens des Betroffenen. Nach § 9 PatVG ist dabei insbesondere
zu berücksichtigen, inwieweit der Patient die Krankheitssituation, auf die sich
die Willenserklärung bezieht, sowie deren Folgen im Errichtungszeitpunkt
einschätzen konnte, wie konkret die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand
der Ablehnung sind, beschrieben sind, wie umfassend eine der Errichtung
vorangegangene ärztliche Aufklärung war, inwieweit die Verfügung von den
Formvorschriften für eine verbindliche Patientenverfügung abweicht, wie häufig
die Verfügung erneuert wurde und wie lange die letzte Erneuerung zurückliegt.“
Als Ergebnis
seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag,
der Nationalrat wolle
1. dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige
Zustimmung erteilen;
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien,
2006 05 19
Anton
Doppler Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
Berichterstatter Obfrau