1517 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über den Antrag 353/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "E-Commerce-Gesetz (ECG) und Online-Einkauf: Rechtlich unzulässige Firmen-Homepages - Vollziehung ECG"
Die Abgeordneten
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag
am 26. Februar 2004 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Durch das E-Commerce-Gesetz ECG werden sämtliche Dienste der
Informationsgesellschaft erfasst. Darunter fällt jede kommerzielle Homepage,
egal ob zu Präsentationszwecken (Werbung) oder um Waren oder Dienstleistungen
zu verkaufen (Web-Shops). Bis zu 8.000 österreichische Unternehmen werden im
Jahr 2004 Waren und Dienste online anbieten (oder wollen dies im Laufe der
nächsten 12 Monate tun). Das E-Governmentgesetz könnte - trotz bestehender
datenschutzrechtlicher Bedenken - diesen Trend verstärken. Nach den
optimistischen Schätzungen der EU-Kommission werden im Jahr 2006 bis zu 54 %
der europäischen Internetnutzer online einkaufen. Zur Zeit werden nur ein bis
zwei Prozent aller Käufe im Einzelhandel bzw. Versandhandel online vorgenommen.
Dafür gibt es natürlich auch konkrete Gründe: Zahlreiche Web-Sites
(Online-Shops) entsprechen nämlich noch immer nicht den gesetzlichen Vorgaben
des ECG. Dies wurde bei zahlreichen Überprüfungen herausgefunden, so die
Unternehmensberatung Deloitte & Touche bereits Ende Jänner 2002. Erst 6 %
aller heimischen Web-Sites haben damals dem Gesetz entsprochen. Gegenüber 2002 hat sich Anfang 2004 die Situation
zuvor sicherlich verbessert, trotzdem entspricht noch immer knapp die Hälfte
der Websites - von Branche zu Branche unterschiedlich - nicht den gesetzlichen
Vorgaben. Neben dem ECG sind auch Vorschriften des UWG, des Fernabsatzgesetzes,
Telekommunikationsgesetzes, Datenschutzgesetzes, Werbebeschränkungen und
Werbeverbote, Zulässigkeit von Mail-Werbung, Gewährleistung für Werbeaussagen,
Link-Haftung, Verantwortung für Cookies, Disclaimer und Haftungsausschüsse zu
beachten. Gegengesteuert wurde durch (seriöse) Anbieter mit einem freiwilligen
Gütesiegel in den Mitgliedsstaaten, allerdings mit unterschiedlichen Vergabekriterien.
Freiwillige Qualitätskriterien werden sich europaweit aber nur dann
durchsetzen, wenn diese transparent sind und die Unternehmen, die mit einem
Gütesiegel werben auch regelmäßig kontrolliert werden (Nachprüfungen). In
Österreich wurde das E-Commerce-Gütezeichen in „Euro-Label" von Arbeiterkammer,
Wirtschaftskammer, Konsumentenschutzorganisationen und öffentlichen
Einrichtungen entwickelt. Damit soll sicheres Online-Shopping erleichtert
werden. Um Konsumenten mehr Sicherheit beim Online-Shopping zu geben, bietet
die AK überdies als neues AK-Plus-Service den Internetshopping-Trainer an. Zu
finden unter www.konsumentenschutz.at. Konsumenten können dabei
spielerisch frei erfundene Onlineshops ausprobieren und bewerten, ob sie seriös
sind. Die AK hat ideale und tückische Angebotsstellen gestaltet, wo es einige
Fallen gibt, über die Konsumenten auch bei tatsächlichen Onlinegeschäften
stolpern könnten Am Ende der Shoppingtour erfahren User, was sie richtig oder
falsch gemacht haben und was sie beim nächsten Einkauf besser machen könnten.
So können Verbraucher spielerisch bei einer Auktion mitbieten, ein Produkt im
Versandhandel bestellen, eine Reise buchen, eine Überweisung per Mausklick
durchführen, eine Online-Dienstleistung anwenden, wie z.B. einen Film herunterladen,
oder an einem Gewinnspiel teilnehmen. Konsumenten werden dann informiert, wo
Fallen sind und wie sie ihnen ausweichen können. Die in Österreich mit dem
Gütezeichen ausgezeichneten Unternehmen verpflichten sich freiwillig,
kundenfreundlichere Maßstäbe beim E-Commerce anzuwenden, als es die Gesetze
vorsehen. Ein Beispiel dafür ist, dass alle Gütezeichen-Nutzer ein
14-Tage-Rücktrittsrecht akzeptieren, anstatt der in Österreich gesetzlich
vorgeschriebenen 7 Tage. Weiters müssen Kundenanfragen binnen 24 Stunden
qualifiziert beantwortet werden und telefonische Erreichbarkeit für Kunden sichergestellt
sein. Die weiteren Punkte können unter www.guetezeichen.at/kriterien
nachgelesen werden. Die Einhaltung der Kriterien und die für zufriedene Kunden
so relevanten „Soft Facts" werden regelmäßig kontrolliert
(ISPA-Nachrichten, Dezember 2003). Beschwerden über Internet-Anbieter mit
österreichischem E-Commerce Gütesiegel werden vom „Internet-Ombudsmann"
bearbeitet, weil dieser bei qualifizierten Verstößen die Führung des
E-Commerce-Gütezeichens untersagen und auf diese Weise besonderen Druck auf
diese Unternehmer ausüben kann. Das ECG sieht für Verstöße natürlich auch
Verwaltungsstrafen vor, nämlich bis €
3.000,- . Zuständig für die Vollziehung des ECG ist das Justizministerium. Web-Shops
müssen rechtlich E-Commerce-tauglich gestaltet sein, unterbleibt dies, können
diese auf Unterlassung, Schadenersatz und Beseitigung nach dem UWG geklagt
werden. Einige Rechtsanwälte haben sich darauf bereits spezialisiert (z.B. über
Klagsvereine) und führen bereits Abmahnverfahren gegen Online-Anbieter durch.
Zu befürchten ist, dass bestehende Rechtsunsicherheiten im E-Commerce
(unterschiedliche nationale Regelungen und fehlende Rechtsdurchsetzung) diese
Aktivitäten verstärken werden. Präventiv wirkende behördliche Kontrollen
(Internetbeobachtung) wurden bislang durch die zuständigen Behörden bzw. das
Bundesministerium für Justiz nicht durchgeführt. „Die Ahndung von allfälligen
Verwaltungsdelikten obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden, die auf Anzeige
oder auch aufgrund eigener Wahrnehmung tätig werden können"(3703/AB
XXI.GP). Darüber ist aber in der Öffentlichkeit bislang nichts bekannt
geworden, weder über Verwaltungsstrafverfahren noch über eigene Wahrnehmungen
der Behörden. Aufgezeigt wurden diese Probleme durch die ARGE-Daten,
Arbeiterkammer, Unternehmensberater sowie universitäre Einrichtungen:Die
ARGE-Daten hat zahlreiche Untersuchungen durchgeführt (z.B. ECG- Check BASIC).
Mit Ende der ersten Auswertungsrunde (2002) waren 1.200 Webshops dem
E-Commerce-Check der ARGE Daten unterzogen. Mit großteils ernüchternden Ergebnissen.
Besonders im Bereich der Information zum Vertragsrücktritt versagen die meisten
Shops. 64 % verabsäumen es auch heute noch, die Konsumenten über die
Möglichkeit zu informieren, von einem Onlinegeschäft binnen 7 Tagen ohne Angabe
von Gründen vollständig zurücktreten zu können (inklusive Rückerstattung der
bisherigen Ausgaben). So wurden dabei auch 217 Weinproduzenten und Händler dem
ECG- Check BASIC unterzogen: Die meisten Weinvermarkter hatten Probleme bei den
Lieferkosten, die sie entweder überhaupt nicht oder sehr unklar ausgewiesen
hatten. Ein weiteres Problem lag bei der Bekanntgabe der
Online-Rücktrittsbedingungen (7 Tage), die ebenfalls in der Mehrzahl der Fälle
fehlten. Im Rahmen des E-Commerce-Projektes ECG-Check BASIC wurden von der
ARGE-Daten auch EDV- und Computershops (inkl. Softwareanbieter) analysiert.
ARGE-Daten sprach davon, dass auch die vermeintlichen Spezialisten der
IT-Branche mit der Erfüllung der rechtlichen Mindeststandards kämpfen. Von den
66 geprüften E-Commerce-Anbietern erfüllten bloß zwei(!) vollständig die
rechtlichen Mindestanforderungen. Schockierend war für ARGE-Daten, dass gerade
eine Branche, der Leadfunktion für die E-Commerce-Zukunft zukommt, selbst
ungeeignete Lösungen benutzt. Eine
Regionalauswertung von 1.200 analysierten Web-Shops brachte Überraschendes zu
Tage. Österreichweit entsprechen bloß 19 % der Shops den Vorgaben des E-Commerce-Gesetzes, des
Konsumentenschutzes und des Datenschutzes,
72 % sind als mangelhaft einzustufen, 7 % als völlig untauglich. Die vertrauenswürdigen Online-Shops waren jedoch regional
unterschiedlich verteilt. Die meisten
vertrauenswürdigen Online-Shops fanden sich in der Steiermark (27 %), Salzburg
(23 %) und Kärnten (23 %), die wenigsten in Burgenland (16 %), Wien (17 %) und
Niederösterreich (18 %). Das E-Center
(„Europäisches Zentrum für E-Commerce und Internetrecht", Leitung Prof.
Dr. Wolfgang Zankl, Universität Wien) ist 2003 in einer auf Stichproben
beruhenden Studie der Frage nachgegangen, inwieweit diese einschlägigen Rechtspflichten
(jene nach dem E-Commerce-Gesetz) von den Website-Betreibern tatsächlich
eingehalten werden. Das Ergebnis ist unterschiedlich, wie Zankl berichtet:
„Während vor allem die allgemeinen Informationspflichten wie Angabe des Namens,
der Anschrift usw. und kommerzielle
Werbung auf Websites betreffend im Großen und Ganzen beachtet werden, bestehen
zum Beispiel hinsichtlich vertraglicher Informationspflichten für Webshops erhebliche Defizite." Typische
Fehler treten rund um die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder etwa um
die Korrekturfehler für Eingabefehler auf. Fehler und Versäumnisse, die teuer
werden können, da die Verletzung dieser und anderer Pflichten empfindliche
Rechtsfolgen nach sich ziehen können, wie Zankl erläutert (Gewinn 2/2003). Aber auch Datenschutzregeln werden im Netz nicht
eingehalten. Im Internet werden bei
der Registrierung der Kunden und beim Bezahlen regelmäßig Daten erhoben, die überflüssig sind oder zu denen eine
wirksame Einwilligung der Verbraucher
fehlt. Bei einer Überprüfung der Websites von 30 Unternehmen hat der vzbv 16 Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen
ausgesprochen. Darunter sind Firmen wie Mediamarkt, Otto, Quelle, TUI oder
Yahoo. Damit bestehen weiterhin erhebliche Bedenken an der
Vertrauenswürdigkeit vieler Shopangebote. Werden die notwendigen
E-Commerce-Bestimmungen eingehalten? Sind die Konsumentendaten sicher? Werden
die Konsumentenschutzrechte eingehalten? Wie sieht es mit dem Rücktrittsrecht
aus? Wie ist es mit der Datenweitergabe? Diese
Fragen ergeben sich nicht nur für Österreich sondern für alle Online - KonsumentInnen
in Europa. Prof. Dr. Thomas Hoeren (Prof. für Informationsrecht und
Rechtsinformatik am Institut für Informations-Telekommunikation- und
Medienrecht der Universität Münster sieht drei große Problembereiche (VuR
2003/12): Die Einhaltung der Informationspflichten, die fehlende Umsetzung der
Finanzdienstleistungsrichtlinie sowie das Auslandsproblem (d. i. Gerichtsstand
anzuwendende Rechtsvorschriften, sowie Rechtsdurchsetzung). Die Rechtslage ist
an und für sich klar: Die Gerichtszuständigkeit ergibt sich aus der EG-Verordnung Brüssel I (EuGVVO). Für
vertragliche Schuldverhältnisse mit Auslandsberührung ist das EVÜ
heranzuziehen. Internetgeschäfte fallen damit jedenfalls unter den Anwendungsbereich
der EVÜ (Übereinkommen über das vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende
Recht). Gem. § 21 Abs. 6 ECG sind „vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf
Verbraucherverträge einschließlich der gesetzlichen Informationspflichten
...." vom Herkunftslandprinzip ausgenommen. In grenzüberschreitenden
Streitfällen bestimmt sich das anzuwendende Recht ausschließlich anhand des
EVÜ. Bei grenzüberschreitenden Problemfällen sollen vom jeweiligen
Mitgliedsland benannte Verbindungsstellen (§ 25 ECG) dafür sorgen, dass
Mitteilungen über Rechtsverstösse an die richtige Behörde weitergeleitet
werden, damit im Niederlassungsland des Onlineanbieters rasch Maßnahmen gegen
diesen ergriffen werden können. Die Zusammenarbeit funktioniert mit Deutschland
gut, mit anderen Ländern jammervoll schlecht. Unseriöse Anbieter versuchen im
Netz weiterhin mit irreführenden Angeboten schnelles Geld zu machen (oft auch
mit illegalen Spams), zum Schaden seriöser Betreiber. Die Beschwerden in
Konsumentenschutzorganisationen haben daher im letzten Jahr enorm zugenommen
(z.B. über E-Bay). Durch die zunehmenden Beschwerden von zahlreichen
KonsumentInnen wurden Online-Shops schon öfter durch unabhängige
Fachzeitschriften getestet, teils mit vernichtenden Ergebnissen und Kritiken.
Eines der Probleme des Online-Handels entsteht bei der Rücksendung mangelhafter
Ware oder bei Rückabwicklung des Kaufvertrages. Nicht selten wird die Annahme
verweigert, da es oft zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Händler und
KonsumentInnen kommt, wer nun die Portokosten für eine Reklamation zu
übernehmen hat, da dies nicht immer aus den AGB ersichtlich ist, bzw. jegliche
Hinweise auf den Internetseiten dazu fehlen, obwohl die Rechtslage für
KonsumentInnen in Österreich eindeutig ist.Beim Rücktritt vom Kaufvertrag
„vergessen" einige Händler gerne, den bereits im Voraus geleisteten Betrag
zurück zu überweisen. Eine Wochen- und monatelange Mahnprozedur steht dann für
den Konsumenten an. Solche und andere aufschlussreiche Erfahrungen machten
beispielsweise die Tester Sebastian Eckel und
Georg Schurer für die Fachzeitschrift „c´t. Der Test über 34 Versandhändler wurde
in der c't Nr. 17/2003 unter dem Titel „Geiz ist teuer" veröffentlicht.
KonsumentInnen werden damit verunsichert und scheuen daher ganz allgemein noch
den Online-Einkauf, zum Schaden seriöser Anbieter. Anerkannte und auch
europaweit verbreitetes Gütesiegel wären von unschätzbarem Vorteil, sowohl für
die Wirtschaft, als auch für die KonsumentInnen. Notwendig sind aber auch
außergerichtliche Streitbeilegungseinrichtungen für Auseinandersetzungen im E-Commerce - und zwar besonders in grenzüberschreitenden
Fällen - um KonsumentInnen zu ihrem Recht zu verhelfen (z.B. Internet-Ombudsmann in Österreich). Cyber Court- Modelle
entsprechen jedoch nicht den österreichischen Rechtsstandards (z. B.
Konsumentenschutzgesetz) und sind daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus
konsumentenpolitischen Gründen abzulehnen.“
Der
Justizausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung
am 19. Mai 2006 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter im Ausschuss
fungierte Abgeordneter Mag. Johann Maier. An der anschließenden Debatte beteiligten
sich die Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Mag. Walter Tancsits,
Dr. Johannes Jarolim, Dr. Helene Partik-Pablé,
Mag. Terezija Stoisits, Mag. Elisabeth Grossmann, Dr. Gabriela Moser sowie
die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger
und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.
Bei der Abstimmung
fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.
Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Anton Doppler gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2006 05 19
Anton Doppler Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
Berichterstatter Obfrau