Abweichende
persönliche Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 5
GOG
der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits
zum Bericht 1520
der Beilagen des Justizausschusses über die Regierungsvorlage für ein
Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, das
Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, die
Strafprozessordnung 1975 und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden
Ganz grundsätzlich
beschäftigt sich diese abweichende Stellungnahme mit zwei unterschiedlichen
Aspekten der Regierungsvorlage: zum einen mit der Geschichte der Gesetzwerdung
und zum anderen mit dem Inhalt.
Als 1993 das
Strafvollzugsgesetz wesentlich umgestaltet wurde, gab es über alle
Parteiengrenzen hinweg einen breiten Konsens, der in erster Linie auf die
umfangreichen gemeinschaftlich geleisteten Vorarbeiten zurückgeführt werden
konnte.
Tatsächlich
bildete ein Initiativantrag der Grünen zu einer Novelle des StVG den berühmten
„Stein des Anstoßes“, und obwohl die Ideen von damals nicht eins zu eins
Eingang in die Novelle gefunden haben, wurden sie zu einem großen Teil
aufgegriffen und zumindest einem Diskussionsprozess unterzogen: Ein ganzes Jahr
lang wurde der Entwurf in einem Unterausschuss des Justizausschusses unter
Beiziehung verschiedener ExpertInnen ausführlich begutachtet und beraten.
Diese damals wie
heute als hervorragend zu bezeichnende Vorgangsweise steht in einem
bedauerlichen Widerspruch zur Geschichte der Gesetzwerdung der nunmehrigen, am
19.5.2006 im Justizausschuss behandelten Strafvollzugsnovelle.
Entgegen
anderslautenden Behauptungen wurden die Grünen vor dem Justizausschuss, in
welchem die Strafvollzugsnovelle mit den Stimmen der Regierungsparteien
beschlossen wurde, lediglich durch eine einzige Besprechung vom Projekt der
Reorganisation des Strafvollzugs informiert. Nach diesem Gespräch verfolgten
wir das Begutachtungsverfahren sehr aufmerksam und waren im Hinblick auf die
fast durchgehend ablehnenden Stellungnahmen der LeiterInnen der
Justizanstalten, Strafvollzugssektion des BMJ, RichterInnen,
Personalvertretungen der JustizwachebeamtInnen und der nicht-exekutiven Bediensteten
in den Justizanstalten, RechtsanwältInnen – kurz, sämtlicher am Strafvollzug
irgendwie beteiligten Kreise – gelinde gesagt überrascht, als wir feststellen
mussten, dass so gut wie keine dieser kritischen Stellungnahmen zum
Ministerialentwurf in der auf diesen folgenden Regierungsvorlage berücksichtigt
worden war.
Aufgrund dieser
Vorgangsweise schlug ich bereits vor dem Justizausschuss am 19.5. vor, die
Strafvollzugsnovelle zu vertagen, um sie in allen Einzelheiten und unter
Einbindung verschiedener ExpertInnen im Rahmen eines öffentlichen
Diskussionsprozesses zu optimieren, da auch die Grünen vom Handlungsbedarf
(unter anderem) im organisatorischen Bereich des Strafvollzugs überzeugt waren
und sind.
Mein Vorschlag
stieß bedauerlicherweise auf die Ablehnung der Regierungsparteien.
Dementsprechend sehen ich mich in keiner Weise in der Lage, der
Strafvollzugsnovelle in ihrer vorliegenden Fassung zuzustimmen.
Die Materie „Strafvollzug“
stellt keinesfalls eine prestigeträchtige dar, die sich zum Erwerb möglichst
vieler Stimmen im Wahlkampfjahr eignet, im Gegenteil: Medial wirksam ist zB der
Ausbruch eines Insassen aus einer Justizanstalt, nicht jedoch die
Neuorganisation des Strafvollzugs, obwohl letzteres Thema weit mehr die
einzelnen Handlungsabläufe und beteiligten Personenkreise berühren wird.
Dennoch darf sich
meiner Ansicht nach der öffentliche Diskussionsprozess nicht auf möglichst
einfach vermittelbare Gesetzesmaterien beschränken.
Der Einrichtung
einer nunmehr (wieder) als „Vollzugsdirektion“ bezeichneten
Zwischenbehörde können die Grünen auch aus verschiedenen inhaltlichen
Argumenten nicht zustimmen – an dieser Stelle sei nun auf die wichtigsten
Punkte kurz eingegangen:
· Europaweit
werden Zwischenbehörden, wie die vorgeschlagene Vollzugsdirektion als
hinderlich beseitigt, zuletzt 1995 in Niedersachsen und 2006 in
Nordrhein-Westfalen. In Österreich wird ihre Neuerrichtung hingegen mit
Effizienzerwägungen begründet.
· Die
Aufteilung der Kompetenzen Fachaufsicht einerseits und Dienstaufsicht
andererseits im Strafvollzug wird zwar unbestritten als unbefriedigend
empfunden, ist jedoch ein Produkt der gleichen Regierung (wenn auch nicht
derselben Bundesministerin für Justiz), die nun mit dieser unbefriedigenden Situation
argumentiert, um von der Vollzugsdirektionslösung zu überzeugen. Die
Übertragung der Dienstaufsicht an die PräsidentInnen der OLG erfolgte erst im
Dezember 2001 und wurde damals als die Neuerung und Verbesserung schlechthin
dargestellt.
· Die
Entscheidungswege zwischen den Justizanstalten und der Vollzugsdirektion bzw.
in weiterer Folge dem BMJ werden keineswegs verkürzt, da weiterhin drei
Entscheidungsebenen bestehen bleiben. Zudem sehen die Grünen die Gefahr, dass
durch die Auslagerung wichtiger Aufgaben des Strafvollzugs aus dem BMJ dieses
an Nähe zu und Identifikation mit den Sorgen und Nöten der am Strafvollzug im
weitesten Sinn beteiligten Kreise (zB InsassInnen, JustizwachebeamtInnen,
ÄrztInnen, SozialarbeiterInnen, etc.) verliert und zu einer abgehobenen und
praxisfernen Instanz wird.
· Schließlich
sehen die Grünen trotz gegenteiliger Argumente des Justizressorts die 1995
eingeführte „Staatsanwaltslösung“ für das BMJ keineswegs als gefährdet.
Es ist bei entsprechender gesetzlicher Absicherung durchaus möglich, auch einen
besonderen Bereich des BMJ interdisziplinär zu besetzen, sofern der politische
Wille vorhanden ist.
Kriminalpolitik
ist mehr als die Reorganisation des Strafvollzugs, der Bau neuer Gefängnisse
bzw. die Verfolgung durchaus begrüßenswerter Modellprojekte wie elektronisch
überwachter Hausarrest oder der Ersatz kurzer Freiheitsstrafen durch
gemeinnützige Arbeit.
Die
vordringlichsten Probleme finden sich nämlich in den Justizanstalten selbst,
wenn zB leitende Strafvollzugsbeamte resigniert feststellen müssen, dass ihre
grundlegende Aufgabe der Resozialisierung aufgrund der Auslastung der
Justizanstalten die im Schnitt bei 105% liegt, jedoch in mancherorts durchwegs
die 115%-Grenze erreichen kann, nicht mehr erfüllbar ist, oder wenn die
Struktur der InsassInnen sich innerhalb der letzten Jahrzehnte massiv geändert
hat, jedoch aufgrund von Kosteneinsparungen im Bereich des Anstaltspersonals
nicht auf diese Veränderungen reagiert werden kann.
In diesem
Zusammenhang fällt einem nur das Wort „Verwahrungsvollzug“ ein.
Statt
Organisationsstrukturen umzugestalten und Projekte punktuell umzusetzen, wäre
es dringendst erforderlich, einen breiten Diskussionsprozess in Gang zu setzen
über Reformvorschläge, die zum Teil seit langsam 2 Jahren in der
parlamentarischen Schublade verstauben: So beispielsweise der Initiativantrag
der Grünen zu einer Reform der bedingten Entlassung. Womit der Bogen zur
Einleitung gespannt wäre: ein zu meinem Bedauern festgestelltes fehlendes
Interesse an einer breiten und fruchtbaren Diskussion.