1605 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (1444 der Beilagen): Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen.

Das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen hat gesetzesändernden und gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es enthält keine verfassungsändernden und verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Das Übereinkommen ist hinsichtlich des nichtgemeinschaftsrechtlichen Teiles der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass diesbezüglich die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist. Da durch das Übereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Die UNESCO diskutiert das Thema der kulturellen Vielfalt, das als key for the 21st century erachtet wird, bereits seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Im Jahr 2001 konnte die Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt verabschiedet werden. Damit bekundete die internationale Gemeinschaft ihre Überzeugung, dass Respekt für kulturelle Vielfalt und interkulturellen Dialog eine der sichersten Garantien für Entwicklung und Frieden darstellt.

Unter Berücksichtigung der neuen Bedingungen, die durch den Globalisierungsprozess geschaffen wurden, hat die Generalkonferenz der UNESCO im Herbst 2003 die Ausarbeitung eines rechtsverbindlichen Übereinkommens zum Schutz der kulturellen Vielfalt beschlossen, das von der 33. UNESCO-Generalkonferenz am 20. Oktober 2005 nach zweijähriger Vorbereitungszeit angenommen wurde.

Kernstück des Übereinkommens ist das Recht eines jeden Staates, Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, die Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen auf seinem Staatsgebiet im Rahmen seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen zu schützen. Kulturpolitik und öffentliche Förderung von kulturellen Ausdrucksformen erhalten damit gegenüber drohenden negativen Folgen durch uneingeschränkte Wirtschaftsliberalisierung eine neue Legitimität.

Aus europarechtlicher Sicht handelt es sich um ein gemischtes Abkommen. Neben den Bestimmungen im Kulturbereich, die in die ausschließliche Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten fallen, gibt es auch zahlreiche Bestimmungen, die in die geteilte bzw. ausschließliche Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft fallen. Solche in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallenden Bereiche des Übereinkommens betreffen beispielsweise die Bestimmungen des EG-Vertrages über die gemeinsame Handelspolitik und die Entwicklungszusammenarbeit. Daraus ergab sich die Notwendigkeit eines von den EU-Mitgliedstaaten erteilten Verhandlungsmandats, welches die Kommission ermächtigte, im Namen der Gemeinschaft im Rahmen ihrer Kompetenzen an den UNESCO-Verhandlungen über das Übereinkommen teilzunehmen.

Art. 27 des Übereinkommens bietet die Option für einen Beitritt der Europäischen Gemeinschaft (regional economic organisation).

Nachstehende Artikel waren für Österreich von besonderer Wichtigkeit :

Präambel, Erwägungsgrund 12: das Prinzip des Medienpluralismus wurde neu aufgenommen.

Art. 2 Abs. 1: (Kapitel II, Definitionen): enthält einen Hinweis auf die Untrennbarkeit der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Dieser steht in Einklang mit Art. 9 B-VG.

Art. 6 Abs. 2 lit. h: (Kapitel IV, Rechte und Pflichten der Vertragsparteien): erwähnt als Maßnahmen ausdrücklich den öffentlich rechtlichen Rundfunk sowie die Rolle der Zivilgesellschaft (Art. 11); die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und die Entwicklungszusammenarbeit sind in Art. 12-14 sowie 18 (internationaler Fonds) thematisiert.

Art. 20: (Kapitel V, Verhältnis zu anderen Instrumenten): formuliert den Bezug zu anderen Rechtsinstrumenten und völkerrechtlichen Verpflichtungen.

Art. 25: sieht einen Mechanismus der Streitbeilegung vor, der in dieser Form im Rahmen von UNESCOAbkommen innovativ ist und eine „Opt-out“-Klausel beinhaltet.

Art. 27 und 30: bieten die Option für einen Beitritt der Europäischen Gemeinschaft (regional economic organisation) und der Bundesstaaten.

Das Übereinkommen hat keine direkten finanziellen Auswirkungen auf die Republik Österreich. Nach Art. 18 können die Vertragsparteien jedoch freiwillige Beiträge an den „Internationalen Fonds für kulturelle Vielfalt“ entrichten.

Das Übereinkommen wurde bisher von Kanada ratifiziert und tritt drei Monate nach dem Tag der Hinterlegung der 30. Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

 

Hinsichtlich der Kundmachung des Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat vorgeschlagen, gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 05. Juli 2006 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Herbrt Scheibner, Ing. Hermann Schultes sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Hans Winkler und der Ausschussobmann Dr. h.c. Peter Schieder.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass der gegenständliche Staatsvertrag der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich nicht zugänglich ist und daher eine Beschlussfassung des Nationalrates im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist.

 

Ebenso wurde einstimmig beschlossen, dass die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (1444 der Beilagen) wird genehmigt.

2.      Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

3.      Die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages sind gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Wien, 2006 07 05

                          Ing. Hermann Schultes                                                     Dr. h.c. Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                    Obmann / Obfrau