1616 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (1565 der Beilagen): Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels

Menschenhandel in all seinen Formen ist eine verabscheuungswürdige Form der Ausbeutung und nach dem Waffenschmuggel und dem Drogenhandel die drittgrößte Einnahmequelle transnationaler krimineller Netze. Alle Staaten Europas sind als Ursprungs-, Transit- oder Zielland davon betroffen und gefordert, energische Schritte zur Prävention und Bekämpfung zu setzen. Der Mehrwert des Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels liegt in der ausdrücklichen Brandmarkung des Menschenhandels als Menschenrechtsverletzung, sei er innerstaatlich oder grenzüberschreitend, der organisierten Kriminalität zuzuordnen oder nicht. Die wirksame Bekämpfung des Menschenhandels in den Ursprungs-, Transit- oder Zielländern soll durch Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit und rechtliche Harmonisierung erleichtert werden. Opfern des Menschenhandels soll - unabhängig von deren Bereitschaft zur Aussage in einem Strafverfahren - besonderer Schutz und materielle Unterstützung garantiert werden.

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Er enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden. Der Staatsvertrag ist in englischer und französischer Sprache abgefasst, wobei jeder Text gleichermaßen authentisch ist.

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 7. Juli 2006 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Gisela Wurm, Mag. Terezija Stoisits, Bettina Stadlbauer, Dr. Gertrude Brinek, Mag. Brigid Weinzinger, Dr. Helene Partik-Pablé und Mag. Johann Maier sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Der Justizausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass der gegenständliche Staatsvertrag der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich nicht zugänglich ist und daher eine Beschlussfassung des Nationalrates im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist.

 

Ein von den Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen.

Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„Menschenhandel in all seinen Formen ist eine verabscheuungswürdige Form der Ausbeutung und ein gravierender Verstoß gegen die Grundrechte und die Würde der Opfer. Alle Staaten Europas sind von diesem Verbrechen, das nach dem Waffenschmuggel und dem Drogenhandel die drittgrößte Einnahmequelle transnationaler krimineller Netze darstellt, als Ursprungs-, Transit- oder Zielland betroffen. Es ist daher von großer Bedeutung, energische Schritte zur Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels zu setzen. Österreich hat aus diesem Grund die Bekämpfung des Menschenhandels zu einer der Prioritäten seiner soeben beendeten EU-Ratspräsidentschaft gemacht und diese Problematik mehrfach, zuletzt auf der 2725. Tagung des Rates Justiz und Inneres vom 27. bis 28. April 2006 in Luxemburg, aufgegriffen. Noch in den letzten Tagen unter österreichischem Ratsvorsitz fand am 28./29. Juni 2006 in Brüssel eine von Österreich gemeinsam mit der Europäischen Kommission veranstaltete Expertenkonferenz zur Implementierung des EU-Aktionsplans zur Bekämpfung des Menschenhandels statt.  Mit Ministerratsbeschluss vom 9. November 2004 (70/22) wurde eine multidisziplinäre „Task Force Menschenhandel“ eingerichtet, die der Koordinierung der österreichischen Aktivitäten im Bereich des Menschenhandels, der Information über Projekte gegen den Menschenhandel, der frühzeitigen Erkennung von Trends und besseren Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ministerien und Organisationen dient. Österreich hat bereits mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 15/2004, durch § 104a des Strafgesetzbuches eine neue, allgemeine und umfassende Strafbestimmung gegen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung durch Organentnahme und der Ausbeutung der Arbeitskraft geschaffen und damit die Kriminalisierungsverpflichtungen aller internationalen Rechtsakte zum Thema Menschenhandel umgesetzt, wie auch im Umsetzungsbericht der Europäischen Kommission betreffend den Rahmenbeschluss des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (ABl. L 203 vom 1.8.2002, S. 1) festgestellt wurde. Gemäß § 72 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes können an Menschenhandelsopfer auch dann Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn keine Kooperationsbereitschaft mit den Behörden gegeben ist, es die persönliche Situation des Opfers aber erforderlich macht. Opfer des Menschenhandels haben im Rahmen eines Strafverfahrens gemäß § 49a der Strafprozessordnung als in der Regel emotional besonders betroffene Opfer – weil sie häufig von Gewalt und gefährlicher Drohung betroffen sind – Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, um ihnen die mit einem Strafverfahren verbundenen Belastungen zu erleichtern und die Wahrnehmung ihrer prozessualen Rechte zu ermöglichen. Die Bundesministerin für Justiz hat bewährte geeignete Einrichtungen vertraglich mit der - vom Bundesministerium für Justiz finanzierten - Durchführung der Prozessbegleitung betraut, um Prozessbegleitung bundesweit anbieten und Opfer psychosozial und juristisch unterstützen zu können. Österreich hat das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels anlässlich des dritten Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs am 16. Mai 2005 in Warschau, und somit am ersten Tag der Auflage des Übereinkommens, unterzeichnet. Bislang wurde das Übereinkommen erst von einem Staat ratifiziert, bei einer Beschlussfassung noch in dieser Legislaturperiode wird Österreich daher erst der zweite Staat sein, der diesem Übereinkommen beitritt.“

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (1565 der Beilagen) wird genehmigt.

2.      Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

3.      Die angeschlossene Entschließung wird angenommen.

Wien, 2006 07 07

                       Mag. Peter Michael Ikrath                                         Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau