1617 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 779/A(E) der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen

Die Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 25. Jänner 2006 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Der organisierte Menschenhandel ist neben dem Drogenhandel und dem illegalen Waffenhandel ein Schwerpunkt des Betätigungsfeldes der international organisierten Kriminalität. Immer mehr Menschen (vor allem Frauen, aber auch Kinder und im geringeren Maß Männer) werden Opfer dieser verbrecherischen Aktivitäten. Laut Schätzungen der UNO werden zwischen 700.000 und zwei Millionen Mädchen und Frauen pro Jahr verschleppt und zur Prostitution gezwungen. Bis zu 500.000 Frauen werden allein jährlich in EU-Länder geschleust. Einer der Ansatzpunkte, mit welchem diesen verbrecherischen Aktivitäten gegengesteuert werden soll, besteht sicher darin, die internationale Zusammenarbeit von Justiz und Polizei gegen die organisierte Kriminalität zu verstärken und diese Form der Kriminalität bestmöglich zu bekämpfen. Darüber hinaus muss natürlich auch versucht werden, in den Ländern, in denen besonders für den Menschenhandel rekrutiert wird, die Strukturen so zu verbessern, dass eine präventive Wirkung eintritt. Dazu ist verstärkt eine wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit diesen Ländern von Seiten der reicheren Länder herzustellen. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt muss natürlich darin bestehen - und darin liegt der Fokus des vorliegenden Forderungskataloges —jenen Frauen in Österreich, die bereits Opfer des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung wurden, möglichst effizient zu helfen. Gerade in der bevorstehenden EU-Präsidentschaft Österreichs sollte diesem Thema ausreichend Raum gewidmet werden. Es geht darum, diese Frauen aus der Gewalt zu befreien und ihnen die Rückkehr zu einem normalen Leben - sei es in ihrem Heimatland oder gegebenenfalls auch in Österreich - zu ermöglichen. Folgender Forderungskatalog (1.-10.) soll demnach zügig umgesetzt werden:

1.             Nationaler Aktionsplan: Für ein reibungsloses Zusammenwirken aller staatlichen und nichtstaatlichen Akteure soll ein Nationaler Aktionsplan (NAP) erstellt werden. Dieser NAP soll den Rahmen zur umfassenden koordinierten Bekämpfung von Menschenhandel setzen, indem darin für einen bestimmten zeitlichen Rahmen die Handlungen aller involvierten Akteure in verbindlicher und institutionalisierter Weise festgelegt werden.

Nationale/r Koordinator/in: Dem im Nationalen Aktionsplan (NAP) enthaltenen Koordinationsmechanismus soll ein Nationaler Koordinator vorstehen. Dieser soll von der Regierung eingesetzt werden und die übergeordnete Verantwortung für die Entwicklung und Umsetzung des NAP tragen. Dazu sollen geeignete Rechtsgrundlagen geschaffen werden, dass der/die nationale Koordinator/in durch die entsprechenden Ministerien vollumfängliche logistische und politische Unterstützung erfährt.

Nationale/r Berichterstatter/in (Rapporteur/in): Der/die nationale Rapporteur/in soll mit umfassenden Befugnissen ausgestattet werden und in erster Linie die Daten- und Informationsbeschaffung auf dem Gebiet des Menschenhandels und deren Auswertung sicherstellen. Alle relevanten Fakten, Daten und weiteren Informationen sollen an zentraler Stelle gesammelt und zueinander in Bezug gebracht werden und damit der Schwerpunkt von eher reaktiven zu proaktiven Maßnahmen gelenkt werden. Eine gut ausgestattete Infrastruktur ist dabei notwendig.

2.             Die betroffenen Frauen sollen eine Stabilisierungszeit von 30 Tagen haben. Informationspflicht über deren Rechte durch die zuständige Stelle, den Bund. Möglichkeit der Krankenversicherung soll gegeben sein.

3.             Aufenthaltstitel für jene Frauen, die bereit sind, mit der Behörde zu kooperieren.

4.             Bis zur Klärung des Aufenthaltstitels brauchen Frauen Zugang zu Unterkunft und Betreuung. Nach Erlangung des Aufenthaltstitels: Es soll der Grundsatz gelten, dass „wer legal hier lebt, auch arbeiten können soll".

5.             Um Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr - Unterstützung vor Ort (Reintegration). (Durch Zusammenarbeit mit lokalen NGO's oder Behörden.)

6.             Bei polizeilichen und gerichtlichen Einvernahmen soll in diesem Zusammenhang speziell geschultes Personal herangezogen werden. Deshalb sind die Fortbildungsmöglichkeiten für RichterInnen, StaatsanwältInnen und PolizistInnen zu verbessern. Man braucht mehr spezifisch geschulte DolmetscherInnen.

7.             Der Bund soll die Zahl der Plätze in spezialisierten Opferschutzeinrichtungen für Opfer von Frauenhandel/Menschenhandel für alle Bundesländer dringend erhöhen. Diese Stellen sind außerdem mit den nötigen personellen und finanziellen Mitteln auszustatten.

8.             Maßnahmen zum Schutz der Zeuginnen und Opfer. Namen der Opfer sollen nicht der Akteneinsicht des Beschuldigten (dessen Rechtsvertreters) unterliegen, soweit dies ohne Beeinträchtigung der Beschuldigtenrechte möglich ist. Jedenfalls sollten nicht die Heimatadressen und auch nicht die Adressen der Opferschutzeinrichtungen ersichtlich sein. Sicherstellung der Kenntnisse über die Möglichkeit der getrennten Einvernahme.

9.             Im Strafrecht soll die Förderung des Menschenhandels besser als bisher erfasst werden, insbesondere durch eine Konkretisierung und Ausweitung der Beitragstäterschaft. Auch soll das vorsätzliche und wissentliche Ausnützen der Zwangssituation eines gehandelten Opfers für den „Freier" adäquat pönalisiert werden (geeignete gemeinnützige Dienste bzw. Geldstrafe/Geldbuße - Geld soll zweckgebunden für Opferschutzeinrichtungen verwendet werden).

10.           Die europaweite Dimension des Kampfes gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen muss verstärkt wahrgenommen und berücksichtigt werden. Eine groß angelegte Kampagne gegen Frauenhandel ist dringend erforderlich.“

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Antrag in seinen Sitzungen am 19. Mai 2006 und 7. Juli 2006 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatterin im Ausschuss fungierte Abgeordnete Bettina Stadlbauer. An den Debatten beteiligten sich außer der Berichterstatterin die Abgeordneten Mag. Peter Michael Ikrath, Herbert Scheibner, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Gisela Wurm, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Gertrude Brinek, Mag. Brigid Weinzinger, Dr. Helene Partik-Pablé und Mag. Johann Maier sowie die Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

Bei der Abstimmung fand der Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2006 07 07

                       Mag. Peter Michael Ikrath                                          Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau