IV-4 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Dienstag, 30. September 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXII. Gesetzgebungsperiode                Dienstag, 30. September 2003

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

Vorbereitung der EU-Regierungskonferenz 2003

CONV 850/03

Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa (15428/EU XXII.GP)

und

Regierungskonferenz 2003

Österreichische Grundsatzposition (15427/EU XXII.GP)


Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union am 30. September 2003 stand ganz im Zeichen der kommenden Regierungskonferenz zur Erarbeitung einer Europäischen Verfassung. Die Bundesregierung hatte im Vorfeld ein Positionspapier vorgelegt, das von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel, Vizekanzler Mag. Herbert Haupt und Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner erläutert wurde.

 

Sowohl die beiden Regierungsfraktionen, ÖVP und FPÖ, als auch die SPÖ und die Grünen legten jeweils einen Antrag auf Stellungnahme vor. Mehrheitlich angenommen, und zwar von den Ausschussmitgliedern der Koalitionsparteien, wurde jedoch nur der ÖVP-FPÖ-Antrag, in dem es heißt, dass der Hauptausschuss die von der Bundesregierung beschlossenen Grundsatzpositionen begrüßt und die Bundesregierung ersucht, bei der Regierungskonferenz in diesem Sinne vorzugehen. Darüber hinaus wird darin klargestellt, dass die Bundesregierung den Hauptausschuss über den Verlauf der Verhandlungen und das Ergebnis der Regierungskonferenz zu informieren hat.

 

Von der Opposition wurde diese Vorgangsweise dahingehend kritisiert, dass hier parlamentarisches Recht an die Bundesregierung abgetreten werde.

 

Trotzdem Übereinstimmung darüber herrschte, dass der Konventsentwurf für eine EU-Verfassung nicht in allen Punkten zufrieden stellend ist, gab es in der Beurteilung darüber, inwieweit einige Punkte abermals diskutiert werden sollen, Dissens. Die SPÖ und die Grünen stellten auch in ihren Anträgen klar, dass das Konventsergebnis weitgehend unverändert übernommen werden sollte, weil die Gefahr bestehe, dass die jetzt darin enthaltenen positiven Aspekte eine Verschlechterung erfahren könnten. Dennoch wollten beide Fraktionen einige Fragen relevieren, um den Interessen Österreichs optimal Rechnung zu tragen. Bundeskanzler Schüssel bemerkte dazu, dass man keinesfalls eine Gesamtverschlechterung in Kauf nehmen werde, dass er aber nichts davon halte, schon im Vorfeld keine Änderungswünsche vorzubringen. Grundsätzlich sieht er in den Positionen der Parlamentsparteien nur schwach nuancierte Unterschiede, weshalb er ersuchte, keine künstlichen Differenzen aufzubauen.

 

Die Enttäuschung, dass es nicht gelungen war, den Euratom-Vertrag in die zukünftige Verfassung zu integrieren und damit auch einklagbar zu machen, wurde ebenfalls von allen geteilt. Das Vorhaben des Bundeskanzlers, falls in dieser Frage keine Fortschritte erzielt werden können, eine Revisionskonferenz zu initiieren, fand positives Echo. SPÖ und Grüne bestanden jedoch darauf, dass der Zeitpunkt der Revisionskonferenz bereits jetzt festgelegt werden müsse.

 

Am Beginn des Hauptausschusses legten die anwesenden Regierungsmitglieder nochmals die wesentlichen Punkte der österreichischen Position dar.

 

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel unterstrich die Wichtigkeit der kommenden Regierungskonferenz mit dem Hinweis, dass nun ein Verfassungsvertrag zur Diskussion stehe. Er sowie die Außenministerin würden ihren Beitrag zum konstruktiven Geist der Regierungskonferenz leisten, damit diese bis zu den Europawahlen im nächsten Jahr zu einem Ergebnis kommen könne. Er dankte in diesem Zusammenhang den Mitgliedern des Konvents für die großartige Arbeit. Ihnen sei es bereits während der Konventsarbeit gelungen, Netzwerke mit anderen, gleich gesinnten Staaten zu knüpfen und eine Plattform zu bilden, die auch heute noch zusammenarbeitet, um gemeinsame Interessen vorbringen zu können. Das besondere Anliegen dieser Gruppe sei es, die Regierungskonferenz zu einer wirklichen Regierungskonferenz mit voller Einbindung der nationalen Parlamente zu machen und nicht zu einem Absegnungsgremium des Konventsentwurfs.

 

Die Zusammensetzung der Kommission ist laut Schüssel von zentraler Bedeutung, und er machte klar, dass auch weiterhin jedes Land mit Sitz und Stimme vertreten sein müsse. Unglücklich zeigte sich der Regierungschef über den Konventsentwurf hinsichtlich der Stimmberechtigung für nur fünfzehn Kommissare. Was die Kompetenzen betrifft, so sei man aber offen, sagte Schüssel. Er halte auch nichts von den unterschiedlichen Vorsitzmodellen und meinte, dass der Status des Präsidenten der EU, die Rolle des EU-Außenministers und die Rotation der Vorsitze in den Fachministerräten im Gesamten gesehen werden müsse, um die Kohärenz der Unionspolitik langfristig absichern zu können. Dezidiert sprach sich der Bundeskanzler gegen die Einrichtung eines Legislativrates aus, da seiner Meinung nach die Vorbereitung der Rechtsakte weiterhin bei den Fachministerräten bleiben müsse. Den Mehrwert einer neuen Institution könne er nicht erkennen.

 

Hinsichtlich der Stimmengewichtung betonte der Kanzler, dass man in Nizza dazu einen vernünftigen Kompromiss gefunden habe, und es keinesfalls zu einer weiteren Verschiebung der Machtverhältnisse kommen dürfe. Ihm schiene eine doppelte Parität die beste Lösung zu sein. Er begrüßte auch die Ausweitung der Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit, machte aber gleichzeitig klar, dass die Vitalinteressen der Mitgliedsstaaten für ihn eine rote Linie darstellten. Im Falle Österreichs wären dies beispielsweise die Wasserressourcen, die Wahl der Energieträger sowie Grund und Boden.

 

Einen breiten Raum widmete Schüssel dem Passus der Daseinsvorsorge, die weder im Vertrag noch im jetzigen Entwurf aus seiner Sicht perfekt geregelt sei. Durch unterschiedliche Formulierungen sieht er die Gefahr, dass diese Themen zu einer Verordnungssache der Kommission gemacht werden könnten, ohne dass hier die Mitgliedsstaaten im Vorfeld eingebunden wären. Die Frage sei auch nie im Konvent diskutiert worden. Für Schüssel muss es daher eine absolute Klarstellung dahingehend geben, dass das Subsidiaritätsprinzip gewahrt bleibt.

 

Als einen Fortschritt bezeichnete es der Bundeskanzler, wenn die Entscheidung darüber, wie viele Drittstaatsangehörige sich im Hoheitsgebiet zum Zweck der Arbeit niederlassen dürfen, in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Er möchte darüber hinaus auch festgehalten wissen, dass die Familienzusammenführung der innerstaatlichen Regelung unterliegt.

 

Große Bedenken äußerte der Kanzler gegenüber der Institution einer europäischen Staatsanwaltschaft. Dabei liege das Problem weniger bei Betrugsdelikten, sondern vielmehr bei grenzüberschreitenden Straftaten, zumal es nicht einmal ein europäisches Strafrecht gibt.

 

Schließlich verlieh Schüssel seiner Enttäuschung darüber Ausdruck, dass die Integration des Euratom-Vertrages in den neuen Verfassungsentwurf nicht gelungen sei. Diejenigen, die Normen festlegen und Demokratisierungsschritte forcieren wollen, liefen gegen eine Wand, so der Bundeskanzler. Dennoch sei es wichtig, dieses Problem bei der Regierungskonferenz abermals zu thematisieren, allenfalls im Sinne einer Revisionskonferenz.

 

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt konzentrierte sich auf sozialpolitische Fragen und zeigte sich damit zufrieden, dass die Zielbestimmungen der Union, insbesondere um die Ziele der Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung, der Förderung von sozialer Gerechtigkeit und sozialem Schutz, der Solidarität zwischen den Generationen und des Schutzes der Rechte des Kindes erweitert wurden. Er begrüßte die Aufnahme der Methode der offenen Koordinierung bei der Sozialpolitik ausdrücklich, meinte jedoch, dass die maßgebliche Rolle des EU-Ausschusses für Sozialschutz im Vertrag verankert werden müsste. Jedenfalls hätte er sich gewünscht, wenn die Gleichwertigkeit von Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik stärker im Vertragsentwurf zum Ausdruck gekommen wäre.

 

Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Sozialsysteme in den Mitgliedsstaaten hält Haupt einen Kompetenztransfer auf die europäische Ebene im Sozialbereich für nicht zweckmäßig. Dennoch könnten verschiedene Maßnahmen gesetzt werden, um die Sozialpolitik zu stärken. Er habe auch keine Einwände gegen die Einführung der qualifizierten Mehrheit im Bereich der Koordinierung der Sozialsysteme. Als wichtiges Anliegen formulierte der Vizekanzler den Fortbestand des Acquis. Sonderregelungen, die einige Mitgliedsstaaten verhandelt haben, müssten jedoch vor Veränderungen gegen den Willen des betroffenen Staates geschützt werden. Konkret sprach Haupt dabei die Ausnahme Österreichs von der Exportverpflichtung für Familienleistungen auf Drittstaatsangehörige an.

 

Explizit begrüßte Haupt die Aufwertung des Konsumentenschutzes, darüber hinaus ist es ihm wichtig, ein hohes Gesundheitsschutzniveau auf europäischer Ebene sicherzustellen. Die Gesundheitspolitik der Europäischen Union müsse in den politischen Entscheidungen in der Wertigkeit mit wirtschaftlichen Überlegungen gleichgestellt sein. 

 

Grundsätzlich stellte Haupt fest, dass der endgültige Verfassungsvertrag den Grundsatz der Gleichberechtigung aller Mitgliedsstaaten wahren müsse und die Europäische Union nicht zu einem Direktorium der großen Mitgliedsstaaten werden dürfe. Daher sei am Rotationsprinzip unter Gleichberechtigung der einzelnen Länder festzuhalten. Ein gewählter hauptamtlicher Langzeitpräsident des Europäischen Rates gefährde aus seiner Sicht das institutionelle Gleichgewicht. Er könne sich aber ein fünfköpfiges Präsidium vorstellen. Die Gleichberechtigung der Mitgliedsstaaten müsse auch bei der Zusammensetzung der Kommission gewährleistet sein, sagte Haupt.

 

In der Frage der Daseinsvorsorge vertrat Haupt ebenfalls die Auffassung, dass diese weiterhin ausschließlich Angelegenheit der Mitgliedsstaaten sein, bzw. den dafür zuständigen kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften überlassen bleiben müsse.

 

Bei der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sprach sich Haupt für das Einstimmigkeitsprinzip aus. Grundsätzliche Bedenken äußerte er auch gegen die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft.

 

Abschließend nahm Haupt zur so genannten "Passarelle" Stellung, wonach der Europäische Rat in Fragen, wo das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, zu einem späteren Zeitpunkt einstimmig entscheiden soll können, hinkünftig die qualifizierte Mehrheit anzuwenden. Es sei daher Vorsorge zu treffen, meinte der Vizekanzler, dass diesbezüglich kein Automatismus erfolgt und Entscheidungen im Einzelfall nur nach Abwägung aller Vor- und Nachteile sowie nach Zustimmung der nationalen Parlamente getroffen werden können.  

 

Als eine der wichtigsten Neuerungen im Vertragsentwurf bezeichnete Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner die Schaffung eines eigenen Außenministers, der zugleich Vizepräsident der EU-Kommission sein werde. Im Bereich der ersten Säule werde dieser an die Kommissionsmitglieder gebunden sein, im Bereich der GASP werde er ein eigenes Vorschlagsrecht haben und dem Rat verantwortlich sein. In seiner Arbeit werde er vom europäischen auswärtigen Dienst unterstützt, wobei MitarbeiterInnen der nationalen auswärtigen Dienste eingebunden sein werden, was neue Synergien schaffe.

 

Weiters informierte die Ministerin, dass die Drei-Säulen-Struktur abgeschafft werde, wodurch das Agieren der Union auf internationaler Ebene einfacher sein werde. Als eigene Rechtspersönlichkeit könne die Union auch Mitglied in internationalen Organisationen werden und internationalen Abkommen beitreten. Als einen wichtigen Schritt in diesem Zusammenhang erhofft sich die Außenministerin den Beitritt zur EMRK.

 

Ihre Enttäuschung, dass es im Entscheidungsverfahren der GASP nicht mehr Mehrheitsentscheidungen geben werde, wollte Ferrero-Waldner nicht verhehlen. Hinsichtlich der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sieht sie jedoch innovative Vorschläge. So sollen die Petersberger Aufgaben um gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, militärische Beratung, Konfliktverhütung und Stabilisierungsoperationen vermehrt werden. Eine Solidaritätsklausel soll sicher stellen, dass Mitgliedsstaaten im Fall von Terroranschlägen einander unterstützen. Hinsichtlich einer verstärkten Zusammenarbeit gebe es die Möglichkeit einer strukturierten Zusammenarbeit, eine Kooperation zwischen Mitgliedsstaaten mit anspruchsvolleren Voraussetzungen, und eine enge Zusammenarbeit, eine Form der gegenseitigen Verteidigung. Darüber hinaus sei eine gemeinsame Rüstungsagentur geplant. Grundsätzlich unterstütze die Bundesregierung die Vorschläge, wobei gewährleistet sein müsse, dass alle Mitgliedsstaaten mit gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet sind.

 

Zum kürzlich stattgefundenen Treffen in New York mit anderen EU-Staaten bemerkte die Außenministerin, dass es deren Ziel sei, die kommende Regierungskonferenz zu einer richtigen Regierungskonferenz zu machen. Die Gruppe wolle vor allem das Gleichgewicht der Mitglieder und das institutionelle Gleichgewicht sowie den Vorrang der Gemeinschaftsmethode gewahrt wissen. Dies dürfe nicht zur Disposition stehen, sagte Ferrero-Waldner. Beim gestrigen Rat für Allgemeine Angelegenheiten habe sie ein erstes Etappenziel erreicht, als sich die italienische Präsidentschaft nun dessen bewusst sei, dass die Regierungskonferenz nur dann Erfolg haben werde, wenn alle Mitglieder den Eindruck haben, ihre Anliege finden entsprechend Gehör.    

 

In der anschließenden Diskussion über die Positionierung der österreichischen Bundesregierung zur kommenden Regierungskonferenz brachten die Oppositionsparteien SPÖ und Grüne umfangreiche Anträge auf Stellungnahme ein, wobei beide Parteien festhielten, dass der Konventsentwurf über eine EU-Verfassung weitgehend unverändert übernommen werden sollte. Beide Anträge blieben in der Minderheit und wurden jeweils nur von der einbringenden Partei unterstützt. Die SPÖ verlangte zum Punkt 6 ihres Antrages betreffend Euratom-Vertrag eine getrennte Abstimmung, blieb aber auch hier gegen die Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen in der Minderheit.

 

Die SozialdemokratInnen haben in ihrem Antrag elf Punkte aufgelistet, die ihnen notwendig erscheinen, nochmals thematisiert zu werden, um den Interessen der ÖsterreicherInnen möglichst optimal Rechnung zu tragen. Darin legen sie fest, dass die Leistungen der Daseinsvorsorge bzw. der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auch unter den Bedingungen der Vollendung des europäischen Binnenmarktes die allgemeine und diskriminierungsfreie Zugänglichkeit für alle, die ihrer bedürfen, bewahren können sollen. Abgeordneter Dr. Caspar Einem (S) ist sich zwar dessen bewusst, dass eine klare Regelung insbesondere aufgrund des Widerstandes der Briten nicht gelungen sei, die Befürchtungen des Bundeskanzlers teilte er jedoch nicht. So sei im Artikel 36 des zweiten Teils geregelt, dass die Kompetenz weiterhin bei den Nationalstaaten bleibt. Die Gesetzgebungskompetenz auf EU-Ebene sei jedoch wichtig. Dazu meinte der Bundeskanzler, dass die Kompetenz der EU zur Grundsatzgesetzgebung mit qualifizierte Mehrheit auch dazu führen könne, dass die Nationalstaaten "overruled" würden, und dies könne auch Fragen wie die Privatisierung der Wasserressourcen betreffen. Daher brauche man eine genaue Formulierung, die dem subsidiären Gedanken Rechnung trägt.

 

Was die Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik beträfe, so unterstütze die SPÖ die Aussagen der Außenministerin, sagte Abgeordneter Einem. In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sollte nach Ansicht der SozialdemokratInnen aber ein Weg gewählt werden, der es den Mitgliedsstaaten mit ihren unterschiedlichen Sicherheitskonzeptionen und unterschiedlichen Verfassungstraditionen erlaube, dennoch so weit wie möglich solidarisch zu kooperieren und füreinander einzustehen. Im Bereich der strukturierten Zusammenarbeit spricht sich die SPÖ gegen die Möglichkeit militärischer Alleingänge einer Gruppe von EU-Mitgliedsstaaten ohne ausdrückliche Zustimmung aller Mitglieder aus.

 

Im Gegensatz zur Bundesregierung treten die SozialdemokratInnen für die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft für den Bereich der subsidiären Verfolgung von Straftaten gegen die finanziellen Interessen der Union ein. Im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit sollte das Verfahren der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit weiter ausgedehnt werden. Ein weiterer Punkt des Antrags betrifft die Einführung der Individualbeschwerde zur Erleichterung der Rechtsdurchsetzung.

 

Für die SPÖ sollten die Entscheidungen des Europäischen Rates einer Kontrolle des EuGH unterworfen werden, denn diese unterlägen derzeit nicht einmal einer parlamentarischen Kontrolle. Dem stimmte auch die Außenministerin vollinhaltlich zu. Die SPÖ sei, wie Caspar Einem weiter erläuterte, vom Entwurf hinsichtlich der Kommission auch nicht überzeugt. Nach Meinung der SPÖ sollten alle Kommissare stimmberechtigt sein und mit konkreten Aufgaben betraut werden. Schließlich tritt die SPÖ für ein erleichtertes Verfahren zur Verfassungsänderung ein und spricht sich für die größtmögliche Transparenz der Beratungen der Regierungskonferenz aus.

 

Ein wesentlicher Punkt des Antrags der SPÖ betrifft den Euratom-Vertrag, der, wie Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (S) bemerkte, die Förderung der Atomenergie einseitig forciere. Man müsse daher darauf dringen, dass es zu einer Beseitigung der einseitigen Bevorzugung dieser Energieerzeugungsform und zu einheitlichen europäischen Sicherheitsstandards für AKW komme. Sima möchte auch die Möglichkeit für Mitgliedsstaaten schaffen, aus dem Euratom-Vertrag austreten zu können. Sie sprach sich auch für eine Festlegung einer Revisionskonferenz zum jetzigen Zeitpunkt aus.

 

Zweiter Nationalratspräsident Dr. Heinz Fischer (S) betonte, dass man dem gesamten Konventsergebnis Respekt zollen müsse. Er unterstrich in diesem Zusammenhang, dass man bei der Vorlage von Änderungswünschen sehr vorsichtig vorgehen müsse. Ein Änderungsvorschlag löse unter Umständen einen entgegen gesetzten Vorstoß aus, weshalb man verhindern müsse, dass der Hang zum Rutschen komme.

 

Kritisch nahm Fischer auch zum Antrag der Koalitionsparteien Stellung, da dieser einer gesamten parlamentarischen Position nicht dienlich sei. So hätte zum Beispiel der Vizekanzler zusätzlich zum Regierungspapier Wünsche geäußert, und der Hauptausschuss müsse Gelegenheit haben, zu sagen, dass auch das eventuell Sinn mache.

 

Auch die Grünen mahnten zur Vorsicht beim Vorbringen von Wünschen. Die entscheidende Frage sei, wie Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (G) meinte, wie weit die Regierungskonferenz den auf breiter Ebene zustande gekommenen Konsens akzeptiert und inwieweit dem wieder der Boden entzogen wird. Auch wenn viele Punkte, wie die Vorschläge für die zukünftige Kommission, langfristig nicht tragbar seien, warnte Lichtenberger davor, diese zum Casus Belli zu machen. Die Bedenken hinsichtlich der Zusammensetzung der Kommission oder der Reform der Ratspräsidentschaft sollen eher durch eine Vereinbarung zur Rotation ausgeräumt werden.  

 

Die Grünen wollen daher seitens des Hauptausschusses festlegen, dass der Vertragsentwurf ohne wesentliche Änderungen anzunehmen sei. Darüber hinaus treten die Grünen für die volle Öffentlichkeit der Regierungskonferenz ein. Bei künftigen Revisionen der Verfassung sei auch wieder auf die Konventsmethode zurückzugreifen.

 

Hinsichtlich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verlangen die Grünen eine stärkere Einbindung des Europäischen Parlaments, darüber hinaus sollte Österreich seine Neutralität und Bündnisfreiheit für eine autonome europäische Außenpolitik nützen. Schließlich sprechen sich die Grünen dafür aus, ein europaweites Referendum über den Verfassungsentwurf abzuhalten.

 

Explizit trat Abgeordnete Lichtenberger für die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft zur Wahrung der finanziellen Interessen der Union ein. In Bezug auf die Daseinsvorsorge ging sie mit dem Bundeskanzler konform, dass der Text überarbeitet werden müsse. Zentrale Aufgabe der Regierungskonferenz sollte es insbesondere sein, hier den Gleichklang zwischen dem ersten und dem dritten Teil herzustellen.

 

Sowohl Dr. Evelin Lichtenberger als auch ihre Klubkollegin Mag. Ulrike Lunacek (beide G) legten Wert darauf, dass zur Frage des Euratom-Vertrags eine Revisionskonferenz beschlossen wird, und zwar bereits jetzt. Ziel soll es sein, diesen Vertrag auslaufen zu lassen, die erhaltenswerten Teile, wie zum Beispiel Strahlenschutz, in die europäische Verfassung zu integrieren. Abgeordnete Lunacek kritisierte vor allem die Ablehnung eines Antrages zu dieser Frage durch die ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament.

 

Zur Frage des Euratom-Vertrages meinte der Bundeskanzler, dass es derzeit nicht realistisch sei, jetzt eine Revisionskonferenz einzufordern. In der inhaltlichen Kritik ging er jedoch sowohl mit der SPÖ als auch mit den Grünen konform. Dem schloss sich auch der Vizekanzler an.

 

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (V) unterstrich seitens seiner Fraktion den Wert der Arbeit des Konvents und betonte nochmals die Notwendigkeit des gleichberechtigten Stimmrechts in der Kommission. Seiner Meinung nach sollte man sich auf diesen Punkt sowie auf die Frage des Ratsvorsitzes konzentrieren, weshalb er sich auch gegen die Anträge der Opposition aussprach. In der Frage der Daseinsvorsorge unterstützte er die Intentionen des Bundeskanzlers und zeigte sich zufrieden, dass dieser eventuell eine Revisionskonferenz zum Euratom-Vertrag anstrebt. Wichtig ist Fasslabend auch die Aufwertung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik auf EU-Ebene.

 

Abgeordneter Dr. Rainer Eugen Bösch (F) sieht es als eine Aufgabe der Arbeit in der Regierungskonferenz, Österreichs Interessen einzubringen. Die Konventsmethode sei sicherlich beispielgebend, sie hätte aber nur dann Erfolg, wenn man ihre Kompetenz nicht überschätze. Der Konvent habe nicht die Legitimation gehabt, eine verbindliche Verfassung zu erstellen, so Bösch. Der Kompromiss sei nur dadurch entstanden, weil man viele Einwände gegen den Entwurf von Giscard d'Estaing nicht habe gelten lassen. Er sei daher froh, dass die Regierungskonferenz den Entwurf nochmals gründlich prüfen werde.

 

Dieser bringe viele gute Lösungen, wie eine bessere Übersichtlichkeit, eine bessere Kompetenzaufteilung, einfachere Verfahren oder auch den Frühwarnmechanismus, wonach nationalen Parlamenten und Regionen mit Gesetzgebungsfunktion ein Klagerecht eingeräumt wird.

 

Notwendig sei aber die Beibehaltung des Rotationsprinzips, weil dieses in Bezug auf die Integration eine wichtige Funktion habe, und in der Kommission müsse auch weiterhin jedes Land mit einem stimmberechtigten Kommissar vertreten sein. Die Lösung der Euratom-Frage sei für Österreich völlig unzufriedenstellend, sagte Bösch, und auch hinsichtlich der Daseinvorsorge seien die Formulierungen nicht ausreichend. Ihm sei es wichtig, dass in Fragen der inneren Sicherheit und der Migration die Rechte der Mitgliedsstaaten gewahrt werden.

 

Abgeordnete Lunacek (G) sprach dann noch die Trennung von Religion und Staat an, worauf Bundeskanzler Schüssel bemerkte, dass er dagegen sei, das zu einem großen Streitthema zu machen. Er sei ebenfalls für die Trennung von Kirche und Staat, wenn es aber über eine Formulierung zu den christlichen Wurzeln einen Konsens gebe, werde er sich nicht dagegen aussprechen. Auf eine Frage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer (S) sagte der Bundeskanzler, dass er bewusst nicht die Außenministerin in den Konvent geschickt habe, weil sie dann zu sehr gebunden gewesen wäre. Jetzt könne Ferrero-Waldner viel freier agieren.