IV-7 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Dienstag, 25. November 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXII. Gesetzgebungsperiode                Dienstag, 25. November 2003

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

CIG 37/03Regierungskonferenz 2003

Nichtinstitutionelle Fragen, einschließlich von Änderungsvorschlägen zum Bereich Wirtschaft und Finanzen

(17632/EU XXII.GP)

 

 


Massive Kritik an Finanzminister Grasser übten heute SPÖ und Grüne in der Sitzung des Hauptausschusses des Nationalrats. Anlass dafür war Grassers Vorgehen im Zusammenhang mit einem Positionspapier, das der italienische Finanzminister Giulio Tremonti im Anschluss an ein informelles Treffen der EU-Finanzminister erstellt hatte. Die Opposition kritisierte sowohl die verspätete Information des Parlaments als auch die im Papier vertretenen Positionen. Es sei vielleicht im "Kaninchenzüchterverein" möglich, dass der "Säckelwart" im Verein ganz allein entscheide, was, wann, wofür ausgegeben werde, nicht aber auf EU-Ebene, meinte etwa Grün-Abgeordnete Evelin Lichtenberger zur Forderung der EU-Finanzminister nach mehr Rechten bei der Budgeterstellung. Zweiter Nationalratspräsident Heinz Fischer hielt fest, er hätte sich erwartet, dass nach Vorliegen des Gutachtens der Parlamentsdirektion alle Fraktionen gemeinsam die Rechte des Nationalrats verteidigt hätten.

 

Verteidigt wurde Grassers Vorgehensweise hingegen sowohl von Staatssekretär Alfred Finz als auch von ÖVP-Abgeordnetem Werner Fasslabend. Finz bekräftigte, Grasser sei in Stresa für eine Stärkung der Kommissionsrechte in Budgetfragen eingetreten und habe sich etwa für die Einräumung eines direkten Frühwarnrechts der Kommission bei der Budgetüberwachung eingesetzt. Zudem habe er sich stets dafür stark gemacht, dass die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts befolgt würden. Dass das Schreiben Tremontis nicht unverzüglich an das Parlament weitergeleitet wurde, begründete Finz damit, dass dieses nicht als Vorhaben der EU, sondern als Vorbereitungspapier für die Außenminister-Tagung betrachtet worden sei. Fasslabend zeigte sich über die heftige Kritik der Opposition verwundert und vermutet dahinter die Absicht, Grasser nachhaltig politisch zu desavouieren.

 

Eingeleitet wurde die Diskussion im Hauptausschuss mit einer Darstellung der Chronologie durch Finanzstaatssekretär Finz. Er betonte dabei, dass die Zusammenfassung des informellen Finanzministertreffens in Stresa durch den italienischen Finanzminister Tremonti nicht auf abgestimmten Positionen beruhe.

 

Abgeordneter Caspar Einem (S) erinnerte an divergierende Aussagen österreichischer Regierungsmitglieder zum Papier Tremontis. Einmal habe es geheißen, das Papier gebe es nicht, dann wieder doch, einmal sei es ein Geheimpapier gewesen, dann wieder doch keines, zeigte er sich irritiert.

 

Einem stößt sich vor allem am Inhalt des Positionspapiers. Letztendlich ziele der Vorschlag darauf ab, dass die Finanzminister das letzte Wort zum Budget der EU hätten. Er halte es für unerträglich, sagte Einem, dass die Finanzminister auf europäischer Ebene Vorschläge machten, die auf eine Einschränkung der Rechte des Europäischen Parlaments abzielen. Das sei gegen die Demokratie gerichtet.

 

Auch Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) kritisierte die Forderung der Finanzminister nach Einschränkung der Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments. Parlamentarische Rechte sollten durch die Hintertür "ausgeräumt" werden, vermutet sie. Der Vorschlag der Finanzminister ziele darauf ab, dass letztlich der "Säckelwart" im Verein ganz allein entscheide, was, wann, wofür ausgegeben werde. Sowohl Lichtenberger als auch Einem wollten von Staatssekretär Finz konkret wissen, welche Positionen des Papiers Grasser im ECOFIN nun genau unterstützt habe. Generell hielt sie fest, man müsse Tremonti geradezu dankbar sein, dass er mit seinem Brief dafür gesorgt habe, dass die Pläne der Finanzminister "unter der Tuchent hervorgekommen sind".

 

Zweites Problem ist für Lichtenberger die Nichtweiterleitung des Dokuments an den Nationalrat. Ihr ist es nicht einsichtig, warum überhaupt ein Gutachten erforderlich ist, um festzustellen, dass ein Papier von solcher Tragweite dem Parlament hätte übermittelt werden müssen. Eines dürfe jedenfalls nicht passieren, warnte Lichtenberger, nämlich dass die Tatsache, dass man sich "in der Regierung verstolpert hat", dazu führe, dass die Übermittlung von EU-Dokumenten an das Parlament eingeschränkt werde. Sie wolle vermeiden, dass der Hauptausschuss zu einem Gremium degradiert werde, das ohne Unterlagen diskutieren müsse.

 

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) zeigte sich hingegen über das Vorgehen der Opposition verwundert. Seiner Meinung nach stehen die massiven Vorwürfe der Opposition in Diskrepanz zu dem, was tatsächlich vorgefallen ist.

 

Die Frage, ob Grasser den Brief Tremontis unverzüglich an das Parlament weiterleiten hätte müssen, ist Fasslabend zufolge nicht so eindeutig. Er interpretiert das Gutachten der Parlamentsdirektion dahingehend, dass das Schreiben nur dann als EU-Vorhaben anzusehen sei, wenn man von einem weiten Vorhabensbegriff ausgehe. Fasslabend vermutet hinter dem Vorgehen der SPÖ "das Spiel", Grasser nachhaltig politisch zu desavouieren.

 

Zweiter Nationalratspräsident Heinz Fischer (S) bedauerte, dass nach Vorliegen des Gutachtens der Parlamentsdirektion die Rechte des Nationalrats nicht von allen Fraktionen gemeinsam verteidigt worden seien und bezeichnete die Aussagen der ÖVP als eine "emotionalen Entlastungsoffensive mit untauglichen Mitteln". Schließlich müsste allen Abgeordneten daran gelegen sein, dass die Mitwirkungsrechte der Parlamentarier in EU-Angelegenheiten eher ausgebaut und nicht eingeschränkt würden, meinte er. Es gehe generell um die Frage, wie viel Information der Finanzminister dem Parlament vorlegen müsse, vor allem in heiklen Angelegenheiten.

 

Generell bemängelte Fischer, dass Finanzminister Grasser im Parlament häufig durch Abwesenheit glänze. Es möge sein, dass er heute gute Gründe für sein Nichtkommen habe, sagte er, Grasser habe aber auch bei vielen anderen Hauptausschusssitzungen gefehlt und auch an keiner der bisherigen fünf Sitzungen des Finanzausschusses teilgenommen. So gehe man als Finanzminister nicht mit dem Parlament um, erklärte Fischer.

 

Kritisch zum gegenständlichen Fall äußerte sich auch EP-Abgeordneter Othmar Karas (V). Es sei nicht vorgesehen gewesen, dass die einzelnen Fachministerräte spezifische Papiere zur Regierungskonferenz ausarbeiten, skizzierte er, hier habe der italienische Finanzminister einen Fehler gemacht. Karas kritisierte im Zusammenhang mit der späten Veröffentlichung des Papiers aber auch Finanzminister Grasser. Eine grundsätzliche Frage ist es für ihn, dass die österreichischen Abgeordneten über alle EU-Vorhaben ausreichend informiert werden.

 

Was die Inhalte des Tremonti-Papiers anbelangt, äußerte sich Karas nach den heutigen Stellungnahmen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und EP-Präsident Pat Cox beruhigt. Für ihn wäre es wirtschafts- und demokratiepolitisch falsch, der Kommission im Zusammenhang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt "die Zähne zu nehmen". Auch in der Frage der Budgethoheit teilt er nicht das Positionspapier.

 

Abgeordneter Michael Spindelegger (V) wies darauf hin, dass sich Finanzminister Grasser heute bei einem ECOFIN-Rat befinde und die Opposition gegen eine Verschiebung der Debatte im  Hauptausschuss gewesen sei, um dem Finanzminister die Teilnahme zu ermöglichen. Er versicherte zudem, es sei nicht Linie der ÖVP, was der Tremonti-Brief festhalte. Überhaupt erscheint es ihm, wie er ausführte, rechtlich problematisch, dass jemand das Ergebnis einer Diskussion in einem Fachministerrat zu einem Dokument mache, ohne dass darüber ein offizieller Beschluss gefasst worden sei. Was die Information des österreichischen Parlaments betrifft, regte Spindelegger an, den Begriff "Vorhaben" in der Verfassung zu präzisieren.

 

Abgeordneter Josef Cap (S) interpretierte Aussagen von Außenministerin Benita Ferrero-Waldner dahingehend, dass man, wenn man bestimmte Budgetziele einhalten wolle, in Kauf nehmen müsse, Rechte des Parlaments einzuschränken. Für ihn ist das eine "beachtliche Position". In Richtung ÖVP meinte Cap, "Haben Sie es nicht langsam satt, dass sie dauernd die Grasser-Feuerwehr spielen müssen?".

 

Staatssekretär Alfred Finz hielt fest, aus den vorliegenden Dokumenten gehe nicht hervor, welche Position welches Land zu einzelnen Punkten im Tremonti-Papier einnehme. Österreich habe auf EU-Ebene aber jedenfalls stets die Grundsatzposition vertreten, dass eine strikte Haushaltsdisziplin und eine ausgewogene Balance zwischen den die Haushaltsbefugnisse ausübenden Unionsorganen sicher gestellt sein müsse.