IV-15 der Beilagen zu den
Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP
Beratungen
des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union
(Auszugsweise Darstellung)
Dienstag,
15. März 2005
Beratungen
des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union
(Auszugsweise Darstellung)
XXII. Gesetzgebungsperiode Dienstag, 15. März 2005
Tagesordnung
1.) |
RAT 6316/05 Europäischer
Rat am 22./23. März 2005 - Entwurf der erläuterten Tagesordnung (47208/EU
XXII.GP) |
Anlass für diese
Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union, in
deren Mittelpunkt insbesondere die Diskussion um den Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie die Halbzeitüberprüfung
der Lissabon-Strategie stand, war die kommende Tagung des Europäischen
Rates am 22. und 23. März 2005.
Obwohl, wie
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bekannt gab, keine außenpolitischen Themen auf
der Tagesordnung des Rates stehen werden, beschlossen die Abgeordneten
auf Initiative der SPÖ einstimmig einen Antrag auf
Ausschussfeststellung zum Thema China. Darin wird die
Bundesregierung ersucht, die von der EU angestrebte Intensivierung der
Partnerschaft zwischen der EU und China zu unterstützen, sich weiterhin in der
EU für eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen China und Taiwan
einzusetzen und mit Entschlossenheit allen Entwicklungen entgegenzutreten, die
die jüngsten Zeichen einer Annäherung beider Seiten gefährden könnten. Im
Lichte der jüngsten Ereignisse möge die Bundesregierung aber dafür eintreten,
dass die Europäische Union prüfen sollte, ob die ersatzlose Aufhebung des
Waffenembargos gegen China zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein richtiges Signal
darstellt.
Zu diesem Antrag
auf Ausschussfeststellung hielt Nationalratspräsident Andreas Khol als
Vorsitzender des Hauptausschusses fest, dass sich dieser auf den Entwurf der
erläuterten Tagesordnung für den Europäischen Rat beziehe und auch der
Tagesordnung dieses Hauptausschusses zugrunde liege (47208/EU XXII.GP). Wie
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel jedoch mitgeteilt habe, fänden sich auf der
endgültigen Tagesordnung des Europäischen Rates keine internationalen Themen
mehr. Er, Khol, setze in diesem Fall aber die bisherige Praxis des Ausschusses
fort und gehe von jenen Unterlagen aus, die auf der Tagesordnung des
Ausschusses stehen, zumal auch der Bundeskanzler zugesagt habe, zu
internationalen Fragen Stellung zu nehmen. Der Antrag stehe somit in
Verhandlung.
Ein Antrag der
Grünen auf Stellungnahme zu diesem Thema, der sich dezidiert gegen die Aufhebung
des EU-Waffenembargos gegen China ausspricht, wurde jedoch mit den
Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ mehrheitlich abgelehnt.
Diesen Antrag auf
Stellungnahme ließ Nationalratspräsident Andreas Khol ohne Präjudiz, wie
er betonte, ebenfalls zu, da sich auch dieser auf einen Gegenstand des der
Tagesordnung des Hauptausschusses zugrunde liegenden Dokuments beziehe, auch
wenn die endgültige Tagesordnung des Europäischen Rates keine internationalen
Themen mehr vorsehe. Gleichzeitig
unterstrich Khol unter Hinweis auf die gesetzlichen Grundlagen, dass Anträge
auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG Vorhaben im Rahmen der
Europäischen Union betreffen müssen, die durch Bundesgesetz umzusetzen sind
oder die auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet
sind, der Angelegenheiten betrifft, die bundesgesetzlich zu regeln wären. Das
sei beim vorliegenden Antrag auf Stellungnahme nicht der Fall. Wenn er, Khol,
daher die Bestimmung wörtlich nähme,
dürfte er den Antrag nicht zulassen. Man sei aber bisher großzügig
vorgegangen, weshalb er den Antrag zulasse, womit dieser in Verhandlung stehe.
Er werde aber die aufgeworfene Problematik in der Präsidiale zur Diskussion
stellen.
In Bezug auf Kroatien
betonten Bundesministerin Ursula Plassnik sowie Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel, für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien
einzutreten. Das Land habe in demokratie- und wirtschaftspolitischer Hinsicht
eine positive Entwicklung hinter sich und ein Aufschub der Verhandlungen wäre
derzeit ein falsches Signal für den gesamten Balkan. Kroatien habe mit dem
Haager Tribunal bisher sehr gut zusammengearbeitet, offen sei nur die
Auslieferung von Ex-General Gotovina.
In der Frage der Reform
des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes sowie der Beurteilung der Lissabon-Strategie auch im
Hinblick auf die nationale Umsetzung gingen die Meinungen zwischen
Regierungsparteien und Opposition stark auseinander. Während sich Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel für die weitere Festlegung der beiden Grenzen - maximal 3 %
Nettodefizit und 60 % Gesamtverschuldung - aussprach, wobei die auf mittlere
Sicht angelegte Strategie durchaus flexibler ausgelegt werden sollte, bewertete
die Opposition den gegenwärtigen Pakt als ein Korsett, das zur Stagnation der
europäischen Wirtschaft geführt habe.
Vor allem
beklagten sie die hohe Arbeitslosigkeit und stellten die Frage in den Raum,
woher denn die Binnennachfrage kommen solle. Die Europäische Zentralbank solle
neben der Stabilität auch das Wachstum zum Ziele haben. ÖVP und FPÖ hielten dem
entgegen, dass man keineswegs zur alten Schuldenpolitik zurückkehren wolle und
die Steuerreform sowie die gezielten Investitionen die Entwicklung in
Österreich sehr positiv beeinflussten. Keineswegs weiche man vom integrierten
Ansatz, Wachstum sowie soziale und ökologische Standards in einer Gesamtsicht
zu betrachten, ab, wie dies die Abgeordneten von SPÖ und Grünen
befürchten.
Die beiden
Anträge der Grünen auf Stellungnahme betreffend Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie betreffend
Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie wurden von ÖVP und FPÖ mehrheitlich
abgelehnt.
Am Beginn der
Sitzung gab Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einen Überblick über die
Themen des kommenden Europäischen Rates.
Über die Reform
des Stabilitäts- und
Wachstumspakts sei in den vergangenen Monaten eine intensive Diskussion
geführt worden, wobei bislang keine Einigung erzielt worden sei.
Übereinstimmung bestehe weitgehend darin, dass in Hinkunft die präventiven
Aspekte im Vordergrund stehen müssten und die Kommission rechtzeitig
Empfehlungen abgeben sollte. Für unerlässlich hält es der Bundeskanzler jedoch,
die beiden Anker - maximal 3 % Nettodefizit und 60 % Gesamtverschuldung - als
ein Zentralstück multilateraler Überwachung der Budgetdisziplin aufrecht zu
erhalten.
Die auf mittlere
Sicht angelegte Strategie könne aber durchaus flexibler ausgelegt werden,
meinte Schüssel, man dürfe nicht alle Länder über einen Leisten schlagen,
sondern müsse bei der Beurteilung den jeweiligen Schuldenstand und das
vorhandene Wachstumspotenzial berücksichtigen. Selbstverständlich seien auch
Strukturreformen notwendig, die unter Umständen Kosten verursachten, welche
ebenfalls bei der Bewertung einen wichtigen Punkt darstellten. Die kritische
Frage betreffe jedoch die Definition des Begriffs "schwere wirtschaftliche
Abschwächung", und darüber gingen die Meinungen stark auseinander. Eine
Liste aller relevanten Fakten hielt Schüssel für nicht zielführend, vielmehr
sollten Rat und Kommission im Sinne des oben Gesagten bewerten. Jedenfalls
würden ECOFIN und der Euro-Rat vor dem Europäischen Rat nochmals
zusammentreten.
Bei der Bewertung
der Wachstums- und
Beschäftigungsstrategie, der so genannten Lissabon-Strategie, unterstützte
Schüssel die Position der Kommission vollinhaltlich und betonte, dass
Wirtschaft, Soziales und Umwelt als Gesamtheit gesehen würden. Die einzelnen
Staaten sollen noch im Herbst dieses Jahres nationale Pläne zu einem
Drei-Jahres-Reformprogramm mit den Sozialpartnern ausarbeiten, ab 2006 würden
dann jährlich die konkreten Umsetzungsschritte überprüft.
Österreich werde
vor allem einen Schwerpunkt auf das lebenslange Lernen legen und für
europäische Standards und wechselseitige Anerkennung von Abschlüssen eintreten.
Darüber hinaus plane man, im Interesse einer koordinierten Strategie gegen die
Jugendarbeitslosigkeit, einen europäischen Pakt für die Jugend zu schließen.
Das Ziel, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3 % des BIP zu heben,
bleibe weiter aufrecht, wobei Österreich selbst durch steuerliche Anreize und
zusätzliche Gelder gut unterwegs sei, wie Schüssel unterstrich. Außer Streit
stehe auch ein europäischer Forschungsrat.
Darüber hinaus
sollen die europäischen Verwaltungsvorschriften vereinfacht werden, sagte der
Bundeskanzler. Beim wichtigen Thema "Kyoto-Protokoll" wolle Europa
koordiniert vorgehen, die Ziele müssten aber realistisch sein.
Abgeordneter
Caspar Einem (S)
befürchtete, Europa laufe Gefahr, die Ziele der Lissabon-Strategie nicht zu
erreichen. Offenbar gehe man in der Kommission davon aus, dass
Strukturmaßnahmen für die Bewältigung der Probleme allein ausreichen,
kritisierte er und vermisste konkrete Ansätze im Bereich Forschung und Entwicklung.
Es stelle sich auch die Frage, so Einem, wo das Binnenwachstum herkommen solle.
Was den Stabilitäts- und
Wachstumspakt betrifft, sei es zwar notwendig, die genannten Grenzen aufrecht
zu erhalten, aber man müsse die besondere Situation von Ländern berücksichtigen.
Viele Länder hätten beachtliche Strukturreformen umgesetzt und könnten trotzdem
kein Wachstum erzielen, wie etwa Deutschland. Daher brauche man auch dort
zusätzliche finanzielle Mittel, um die Konjunktur anzukurbeln.
Sein Klubkollege
Abgeordneter Johann Moser zeichnete die Situation in Europa noch
kritischer. In der EU gebe es 19 Millionen Arbeitslose, die Konzerngewinne in
den Ländern der G 7 machten 14 % des BIP aus, dennoch gehe die Beschäftigung
zurück. Der Stabilitäts- und
Wachstumspakt habe zur Stagnation der Wirtschaft geführt, so die Meinung
Mosers. Es gebe keine ökonomische Analyse, die die Richtigkeit der festgelegten
Grenzen belegen könne, weshalb aus seiner Sicht die Notwendigkeit bestehe, das
Korsett zu sprengen und mehr Flexibilität zuzulassen. Seiner Ansicht nach
müsste die EZB neben dem Stabilitätsziel auch das Wachstumsziel verfolgen, denn
dann würde sie auch ihre Politik ändern. Selbstverständlich wolle er, Moser,
damit nicht die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank anzweifeln, wie
dies Klubobmann Molterer befürchtet hatte.
Moser teilte auch
nicht die positive Beurteilung der innerösterreichischen Maßnahmen durch den
Bundeskanzler und meinte, dass die zusätzlichen Betriebsansiedlungen in
Österreich keinen positiven Effekt auf die Beschäftigung hätten. Auch er
äußerte sich skeptisch, wo die Binnennachfrage herkommen sollte, zumal
Budgetdefizite und Arbeitslosenraten zeigten, dass man aus der negativen
Tendenz nicht herauskomme. Notwendig sei seiner Ansicht nach ein "Policy
Mix".
Abgeordneter
Erwin Niederwieser (S)
knüpfte an die Kritik hinsichtlich der hohen Arbeitslosenzahlen an und wies auf
den entscheidenden Faktor der Weiterbildung hin. Er bedauerte, dass man die
Koordination der Weiterbildung durch die Förderstellen aufgegeben habe und man
vom Instrument der Bildungskarenz und der Bildungsprämien schon lange nichts
gehört habe.
Auch Abgeordnete
Michaela Sburny (G) maß der Binnennachfrage einen zentralen Stellenwert
bei. Wie in den Anträgen auf Stellungnahme der Grünen genauer ausgeführt,
sprach sich die Grün-Mandatarin für flexiblere Regeln im Rahmen des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes
aus, um die Lissabon-Ziele nicht zu gefährden. Von der ursprünglichen Intention
der Lissabon-Strategie, nämlich einen integrierten Ansatz von Wachstum,
Sozialem und Ökologie zu verfolgen, gehe man offensichtlich ab, bemerkte
Sburny. Sie zweifelte auch am Erfolg des Jugendpakts angesichts eines
restriktiven Sparkurses und sprach sich für mehr Investitionen im Bereich
Bildung, Soziales und Ökoeffizienz aus.
Innerhalb der EU
müsse auch eine Lösung gefunden werden, um dem Steuerdumping entgegen zu
wirken, meinte sie. Sburny räumte ein, dass es in Österreich in Bezug auf
Forschung und Entwicklung sowie auf Arbeitsproduktivität Fortschritte gegeben
habe, in anderen Punkten, zum Beispiel beim sozialen Zusammenhalt, seien aber
Verschlechterungen festzustellen.
Abgeordneter
Werner Kogler (G)
bedauerte, im Rahmen dieses Hauptausschusses nicht mit dem Finanzminister
diskutieren zu können. Kogler ging dann grundsätzlich auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt ein und ortete hinter
dem Festhalten an den bisherigen Eckpfeilern ideologische Grundsätze. Das
Festhalten an der Schuldenquote von 60 % als Maßstab für die Flexibilität sei
zu begrüßen, sagte Kogler, aber hinsichtlich der 3 % Grenze Nettodefizit solle
man die ideologischen Scheuklappen öffnen. Der Pakt sei zu restriktiv, und
angesichts der hohen Arbeitslosigkeit müsste man bestimmte Investitionstypen
berücksichtigen. Eine Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes habe nichts mit Schuldenpolitik zu tun,
betonte Kogler.
Abgeordneter
Michael Spindelegger (V)
erinnerte an die intensive Diskussion um den Stabilitäts- und Wachstumspakt im Unterausschuss des
Hauptausschusses, wo man auch zwei Ausschussfeststellungen beschlossen habe,
wonach der Stabilitätspakt nicht aufgeweicht werden dürfe und man auch nicht
zur alten Schuldenpolitik zurückkehren sollte. Damals habe man auch
unterstrichen, die Interessen Österreichs als Nettozahler zu wahren. Eine
weitere Stellungnahme seitens des Ausschusses hielt er daher für nicht
notwendig.
Spindelegger
begrüßte die Neubelebung der Lissabon-Strategie, deren Ziel er jedoch im
vorgegebenen Zeitrahmen für nicht realisierbar hielt. Er thematisierte auch die
Errichtung eines europäischen Technologieinstituts und die
Sicherheitsforschung.
Sowohl Abgeordneter
Spindelegger als auch Abgeordneter Werner Fasslabend (beide V)
begrüßten die beschlossene Steuerreform in Österreich zur Belebung des
Wachstums. Fasslabend konnte die Appelle der Opposition zur Aufweichung des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes,
die er als Appelle für die Schuldenpolitik bezeichnete, nicht teilen. Als
wesentlichen Faktor in diesem Zusammenhang sah er die demographische
Entwicklung. Für die mangelnde Binnennachfrage in Deutschland machte er die
Unsicherheit der Bevölkerung verantwortlich, die kein Vertrauen in die
Regierung habe, zumal man in Deutschland eine absolut höchste Sparquote zu
verzeichnen habe.
Dem schloss sich
auch Abgeordneter Walter Tancsits (V) an. Wenn die Grundannahme der
Opposition stimmte, dann hätten jene Länder mit hohen Schulden die geringste
Arbeitslosenrate. Die Realität sei aber eine völlig andere. Tancsits spielte in
seiner Wortmeldung auch auf die Befürchtungen der Klein- und Mittelbetriebe wegen einer
Verbürokratisierung der Kreditvergabe durch Basel II an.
Ein Plädoyer für
die Beibehaltung der Grenzen im Stabilitäts- und Wachstumspakt hielt auch ÖVP Klubobmann Wilhelm
Molterer. Er erinnerte an die Euro Einführung, wo es einen partei- und länderübergreifenden Konsens
gegeben habe, dass es in der Wirtschaftspolitik eine Kohärenz geben müsse.
Damit habe man einen der größten Fortschritte in der EU erzielt, sagte
Molterer. Die Schuldenbremse zu lockern, sei ökonomisch unverantwortlich und
das stünde auch heute bei anderen, sozialdemokratisch geführten, EU Ländern
außer Streit. Bei einer Schuldenpolitik müssten Schulden zurückgezahlt werden
und es fielen auch hohe Zinsen an. Damit würde man dem Budget für
Steuerungsmaßnahmen viel Spielraum nehmen. Molterer lobte in diesem
Zusammenhang die Wachstumsimpulse durch die Steuerreform.
Abgeordneter
Reinhard Eugen Bösch (F)
hielt die beiden Säulen im Stabilitäts-
und Wirtschaftspakt ebenfalls für unerlässlich, wobei man durchaus
Flexibilität brauche, sagte er. Bösch begrüßte auch die nationalen Reformpläne
innerhalb der EU, wobei es seiner Ansicht nach kein Patentrezept für die
Ankurbelung des Wachstums gebe.
Abgeordneter
Herbert Haupt (F) unterstütze
in seiner Wortmeldung das ambitionierte Jugendprogramm, auch wenn man in
Österreich bei der Jugendarbeitslosigkeit gut liege. Dennoch müsse man
weiterhin ein besonderes Gewicht auf diese Frage legen, meinte er. Seiner
Auffassung nach hätten auch Forschung und Innovation einen wichtigen
Beschäftigungseffekt. Eine Stärkung der Regionen, um deren gewachsene
Kompetenzen besser nützen zu können, bezeichnete er als den besseren Weg im
Rahmen einer Wachstumsstrategie.
In einer Replik
auf die vorangegangene Diskussion ging Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
nochmals auf den Stabilitäts- und
Wachstumspakt ein und erinnerte an die Diskussion anlässlich der
Währungsumstellung und das Bemühen, die Hartwährungspolitik fortzusetzen. Das
sei damals eine europäische Entscheidung gewesen, und letztlich sei man gut
damit gefahren, sagte der Kanzler. Man könne der Bevölkerung keine harte
Währung versprechen und dann die Kriterien in Frage stellen. Es sei aber nichts
dagegen einzuwenden, die Interpretation der Kriterien flexibler zu gestalten.
Er werde jedenfalls darauf achten, dass es nicht zu einem zahnlosen Pakt komme.
Eine Liste mit zahlreichen Ausnahmen würde Defizite jenseits aller Vorstellungen
ermöglichen. Man sollte daher für eine klare stabilitäts- und wachstumsorientierte Politik
eintreten.
Österreich
orientiere sich dabei an den skandinavischen Ländern, und durch eine
Kombination von öffentlichen Ausgaben und Steuerentlastung habe man eine
Wachstumsrate von 2 % erreichen können. Selbst in schwierigen Zeiten sei es
gelungen, die Arbeitslosenrate der Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren zu
senken und die Beschäftigungsquote der 55- bis 64- Jährigen von 28,8 % auf 30,8 % anzuheben. Selbstverständlich
reiche das nicht aus, und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müssten weitere
Anstrengungen unternommen werden. Er hielt es auch für richtig, mehr
Teilzeitangebote zu offerieren.
Als einen
innovativen Ansatz bezeichnete er den Vorschlag des Wifo-Chefs, in Phasen, wo
Überstunden anfallen, Zeitgutschriften zu buchen, die dann in schwachen Phasen
als Weiterbildungsgutschrift konsumiert werden können. Jedenfalls sei die
demographische Komponente wichtig, weshalb man sich um eine Verlängerung der
Lebensarbeitszeit bemühen müsse. Er unterstütze den Pakt für die Jugend
vollinhaltlich. Jedenfalls werde man den nationalen Plan im Rahmen der
Lissabon-Strategie dem Parlament vorlegen, sicherte Schüssel zu.
Der Bundeskanzler
widersprach der Opposition und unterstrich, dass man keineswegs vom
integrativen Ansatz abweiche. Dennoch müsse man Prioritäten setzen, und das
Problem sei derzeit das Wachstum. Um die sozialen und ökologischen Standards zu
bewahren, brauche man das Wachstum, so Schüssel.
Zum Thema
Steuerdumping meinte Schüssel, dass es in Europa wohl zu keiner
Steuerharmonisierung kommen werde, das sei Realität. Man bemühe sich jedoch um
die Harmonisierung der Steuerbemessungsgrundlage. Der Bundeskanzler verteidigte
nochmals die in Österreich gesetzten Reformen und nannte Steuerentlastung und
Psychologie als wesentliche Impulse. Die Betriebe würden in Österreich
gehalten, und es sei auch ein Zuwachs an Beschäftigung zu verzeichnen.
Das europäische
Forschungsinstitut werde keine EU Institution sein, sagte Schüssel, und die
Sicherheitsforschung werde in das 7. Rahmenprogramm aufgenommen. Bei Basel II
habe man Entschärfungen vorgenommen, jetzt müsse man evaluieren.
In der
außenpolitischen Debatte standen die Themen China und Kroatien im
Mittelpunkt. Nachdem Abgeordneter Caspar Einem (S) einen Antrag auf
Ausschussfeststellung zum Thema China eingebracht hatte, in dem die ersatzlose
Aufhebung des Waffenembargos zum gegenwärtigen Zeitpunkt als ein richtiges
politisches Signal bezweifelt wurde, sagten die Abgeordneten Michael
Spindelegger (V), Herbert Haupt (F) und Reinhard Eugen Bösch (F) deren
Unterstützung zu. Auch die Grünen schlossen sich dem Antrag an, obwohl sie
einen eigenen eingebracht hatten, der sich dezidiert gegen die Aufhebung des
EU- Waffenembargos gegen China ausspricht. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G)
hielt es im Hinblick auf die Drohgebärden Chinas gegenüber Taiwan, auf die
Aufrüstung und die Menschenrechtssituation für notwendig, das Embargo aufrecht
zu erhalten.
Bundesministerin
Ursula Plassnik berichtete,
dass dieses Thema weder auf der Tagesordnung des Außenministerrats noch des
Europäischen Rats stehe. Seit 1998 gebe es einen Verhaltenskodex der EU, der
die Exportkontrolle regle. Es werde an einer Verschärfung des Kodex gearbeitet,
und darüber hinaus würden die nationalen Vorschriften gelten.
Abgeordneter
Reinhard Eugen Bösch (F)
thematisierte auch die Verhandlungen mit Kroatien, die auf Grund der Diskrepanz
mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal aufgeschoben zu werden drohen. Die FPÖ
halte es für ungeeignet, den Beginn der Verhandlungen an dieser Frage scheitern
zu lassen. Er, Bösch, würde in diesem Fall auch eine Ungleichbehandlung
gegenüber der Türkei sehen, wo in den letzten Tagen Menschenrechtsverletzungen
bekannt geworden seien.
Im Gegensatz dazu
hielt Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) die Aufnahme von
Beitrittsverhandlungen für ein falsches Signal, solange Exgeneral Ante Gotovina
nicht ausgeliefert wird.
Bundesministerin
Ursula Plassnik
bescheinigte Kroatien einen bemerkenswerten Reformprozess in
demokratiepolitischer und wirtschaftspolitischer Hinsicht. Auch die
Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal sei bisher gut verlaufen, und in 625
Fällen sei die Zusammenarbeit zufriedenstellend gewesen. Derzeit gebe es einen
einzigen offenen Fall, nämlich den genannten, wobei die Einschätzung der
Mitgliedstaaten unterschiedlich sei. Man beabsichtige, im Rat der
AußenministerInnen eine Entscheidung zu treffen. Es gebe jedoch keine Beweise
für den Aufenthaltsort des Generals, und sie halte es nicht für fair, Kroatien
nicht klar machen zu können, worin die weiteren Schritte bestehen sollten. Das
wäre ein falsches Signal, sagte Plassnik, sie wolle vielmehr das Land
unterstützen und trete daher für den Beginn von Verhandlungen ein. Mit dem
Haager Tribunal habe man auch von der Kollektivschuld weg und hin zu einem
rechtstaatlichen Verfahren kommen wollen, bemerkte Plassnik grundsätzlich.
Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel wies
darauf hin, dass von dieser Frage auch die Gesamtperspektive für den Balkan
abhänge. Man sollte den Kroaten Mut machen, betonte er, und falls die
AußenministerInnen keine Einigung erzielen sollten, wolle er diesen Punkt beim
Rat thematisieren.
Folgender Antrag
auf Ausschussfeststellung wurde einstimmig angenommen:
ANTRAG
auf Ausschussfeststellung
eingebracht im
Zuge der Sitzung des Hauptausschusses am 15. März 2005
Der
Hauptausschuss möge im Hinblick auf die Tagung des Europäischen Rates am
22./23. März 2005 feststellen:
Die Europäische
Union hat im Dezember vergangenen Jahres angekündigt, auf eine Aufhebung des
1989 verhängten Embargos gegen die Volksrepublik China hinzuarbeiten. Die
Entwicklung ist Ausdruck der Bemühungen um eine intensivierte Partnerschaft
zwischen der Europäischen Union und China.
Die am 15. März
2005 erfolgte Verabschiedung des sog. „Antiabspaltungsgesetzes“, das die
chinesische Regierung ermächtigt, im Falle einer formellen Abspaltung Taiwans,
militärische Maßnahmen zu ergreifen und die gleichzeitig getroffene
Entscheidung, die Rüstungsausgaben um 12,6% zu erhöhen, hat die internationale
Staatengemeinschaft mit Sorge erfüllt. So hat auch die Europäische Union „mit
Besorgnis“ auf den Beschluss des chinesischen Parlaments reagiert, für den Fall
einer Abspaltung Taiwans mit Krieg zu drohen. Die Europäische Union hat daher
alle Seiten aufgefordert, jede einseitige Handlung zu vermeiden, die die
Spannungen verstärken könnte und beide Seiten aufgefordert, zu einem
konstruktiven Dialog zurückzukehren.
Die Bundesregierung
möge daher die von der EU angestrebte Intensivierung der Partnerschaft zwischen
der Europäischen Union und China unterstützen.
Die
Bundesregierung möge sich in der EU weiterhin für eine friedliche Lösung des
Konflikts zwischen China und Taiwan einsetzen und mit Entschlossenheit allen
Entwicklungen entgegentreten, die die jüngsten Zeichen einer Annäherung beider
Seiten gefährden könnten.
Die
Bundesregierung möge im Lichte der jüngsten Ereignisse dafür eintreten, dass
die Europäische Union prüfen sollte, ob die ersatzlose Aufhebung des
Waffenembargos gegen China zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein richtiges
politisches Signal darstellt.
Der
Hauptausschuss beschließt weiters, diese Ausschussfeststellung als Kommunique
des Hauptausschusses gem. § 39 Abs. 1 bzw. 3 GOG zu veröffentlichen.
Wien, 15. März
2005
Folgender Antrag
der Grünen auf Stellungnahme wurde von ÖVP, SPÖ und FPÖ mehrheitlich abgelehnt:
ANTRAG AUF STELLUNGNAHME
Gemäß Art. 23e.Abs. 2 B-VG
Der Abgeordneten
Maga. Ulrike Lunacek,
betreffend
47208/EU XXII. GP RAT 6316/05
POLGEN 6 betr. Europäischer Rat am
22./23.3.2005 Entwurf der
erläuterten Tagesordnung, Internationale Lage
Eingebracht im
Zuge der Sitzung des Hauptausschusses am 15. März 2005
EU-Außenkommissarin
Benita Ferrero-Waldner hat sich am 14.3.2005 – also nach Verabschiedung des
Anti-Abspaltungsgesetzes durch den chinesischen Nationalen Volkskongress, das
einen Krieg gegen Taiwan legitimiert – erneut für die Aufhebung des
Waffenembargos gegenüber China ausgesprochen.
Außenministerin
Ursula Plassnik hat im Budgetausschuss zum Thema Äußeres am vergangenen 9. März
„auf das Spannungsverhältnis zwischen den Wünschen nach einer strategischen
Partnerschaft mit der VR China einerseits und der Frage der Einhaltung der
Menschenrechte andererseits“ (PK, ots253 vom 9.3.2005) verwiesen und dabei zu
verstehen gegeben, dass Österreich wahrscheinlich keinen Widerstand gegen die
Aufhebung des Embargos beim Außenminister-Rat leisten werde.
Angesichts der
Tatsache, dass die Regierung in Peking mit dem vom Volkskongress beschlossenen
neuen Anti-Abspaltungsgesetz einen militärischen Einsatz gegenüber Taiwan klar
und deutlich legitimiert, ist es unverständlich, dass die EU dieses
Waffenembargo aufheben will. Auch die Ursache für die Verhängung des Embargos –
das Massaker auf dem Tiananmen-Platz am 4. Juni 1989 und dessen Folgen – sind
von der chinesischen Regierung noch nicht vollständig aufgeklärt worden. So
befinden sich immer noch DemonstrantInnen von damals in Haft.
Vergangene Woche
haben vier prominente deutsche Europaabgeordnete, nämlich Elmar Brok (CDU), Erika Mann (SPD),
Alexander Graf Lambsdorff (FDP) und Cem Özdemir von den Grünen, in einem
gemeinsamen Schreiben an Bundeskanzler Gerhard Schröder appelliert, sich nicht
mehr für die Aufhebung des EU-Waffenembargos stark zu machen.
Stimmen gegen die
Aufhebung des Embargos gibt es in allen politischen Familien. Die Einhaltung
fundamentaler Menschenrechte und die Ablehnung von militärischen Angriffen darf
durch Interessen der Rüstungsindustrie nicht in den Hintergrund gedrängt
werden.
Die unterfertigte
Abgeordnete stellt daher folgenden
Antrag auf Stellungnahme
gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG
Der
Hauptausschuss wolle beschließen:
Die
Bundesregierung, im Besonderen der Bundeskanzler und die Außenministerin werden
aufgefordert, sich beim Europäischen Rat in Brüssel am 22. und 23. März 2005
sowie bei Verhandlungen des Rates auf allen Ebenen gegen die Aufhebung des
EU-Waffenembargos gegen China auszusprechen.
Diese Vorhaben
sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die
Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch
Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre.
Folgender Antrag
der Grünen auf Stellungnahme wurde von ÖVP und FPÖ mehrheitlich abgelehnt:
ANTRAG AUF STELLUNGNAHME
gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG
der Abgeordneten
Michaela Sburny,
betreffend
47208/EU XXII. GP RAT 6316/05
POLGEN 6 betr. Europäischer Rat am
22./23.3.2005 Entwurf der
erläuterten Tagesordnung – Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie
eingebracht im
Zuge der Sitzung des EU-Hauptausschusses am 15. März 2005.
Seit dem Gipfel
von Lissabon im Jahr 2000 ist es Ziel der „Lissabon-Strategie“, die EU „zum
wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der
Welt zu machen - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein nachhaltiges
Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren
sozialen Zusammenhalt zu erzielen“. Fünfzehn Monate später beschloss der
Europäische Rat von Göteborg, die Lissabon-Agenda mit einer Strategie für
Nachhaltige Entwicklung zu verbinden und bestätigte die drei sich gegenseitig
ergänzenden Säulen der Lissabon-Strategie: Wirtschaft, Soziales und Umwelt.
Die Kommission
hat sich in ihrer Halbzeitbilanz
für eine zuerst auf Wachstum, dann auf Beschäftigung und zuletzt auf die Umwelt
ausgerichtete Strategie ausgesprochen und sich von dem integrierten Ansatz sowie der 2010-Frist verabschiedet. In
ihrer Mitteilung für den Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates werden
ökologische Aspekte nicht einmal mehr im vollen Umfang berücksichtigt.
Es steht außer
Frage, dass die Ziele Schaffung von Arbeitsplätzen, Innovation und
Modernisierung der europäischen Wirtschaft sehr wichtig sind, die von der
Kommission vorgeschlagenen Instrumente waren bzw. sind auch nicht zur
Erreichung der Ziele geeignet. Es ist daher entscheidend, dass endlich eine
integrierte Strategie entwickelt wird, die wirtschaftliche, soziale und
ökologische Ziele miteinander verbindet.
Zwar ist der
stärker gewordene internationale Wettbewerb eine Tatsache, die in der
Lissabon-Strategie berücksichtigt werden muss, jedoch muss gleichzeitig die immense Bedeutung des
EU-Binnenmarkts unterstrichen werden.
Darüber hinaus
negiert ein ausschließlicher Fokus auf freien Wettbewerb und das womöglich
daraus folgende Steuer– und Sozialdumping alle Anstrengungen hin zu Sozial- und
Umweltzielen und läuft Gefahr, die soziale Spaltung zu vergrößern. Die
Dienstleistungsrichtlinie, insbesondere das Herkunftslandprinzip birgt die
Gefahr eines Sozial- und Qualitätsdumpings und widerspricht einer Vorstellung von
nachhaltigem Wachstum. Daher fordern wir die Europäische Kommission auf, die
Dienstleistungsrichtlinie zurück zu ziehen.
Wir müssen die
ökologischen, wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Elemente
miteinander verbinden. Hohe Sozial- und Umweltstandards dürfen nicht nur als
Kostenfaktor betrachtet werden, sondern müssen vor allem als Mehrwert und
infolgedessen als wirtschaftlicher Vorteil gelten.
Unser
europäisches Gesellschaftsmodell darf nicht nur auf Wirtschaft und
Beschäftigung basieren, sondern auch auf Werten, Kultur und Lebensqualität.
Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck, sondern Teil eines integrierten
Ansatzes, der auf das Wohlergehen und die Lebensqualität der 460 Millionen
europäischen BürgerInnen ausgerichtet ist und für eine faire Aufteilung der
Ressourcen und des Wohlstands zwischen den auf den beiden Seiten unseres
Planeten lebenden Menschen stehen sollte. Daher muss die EU die Implementierung
ihrer Biodiversitätsziele wieder beleben und das Natura 2000 Programm als
Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen nutzen.
Die Rückkehr zu
einer Politik, die allein auf quantitatives Wirtschaftswachstum setzt, ist
ökologisch kontraproduktiv. Was die EU – und die Welt – braucht, ist Wachstum
in „nicht-materiellen“ Sektoren (Dienstleistungen, Bildung, Kultur usw.), bzw.
Wachstum, das auf hoher Effizienz bzw. erneuerbaren Ressourcen basiert
(öffentlicher Nahverkehr, energieeffiziente Fahrzeuge, Erneuerbare
Energieträger in den Bereichen Strom, Wärme und Treibstoffe, umweltfreundliche Chemikalien,
ökologischer Landbau), während Sektoren mit intensivem Ressourcenverbrauch
(nicht energieeffiziente Gebäude, intensive industrielle Landwirtschaft,
Kohlekraftwerke) oder hohem Risiko für Gesundheit und Umwelt (Kernkraftwerke,
genetisch veränderte Organismen, Krebs erzeugende Chemikalien usw.), schrumpfen
sollten.
Vor dem
Hintergrund des Ansatzes „Wachstum zuerst” der Kommission einerseits und des
Kok-Berichts vom November 2004, in dem die EU davor gewarnt wird, die USA
nachzuahmen, andererseits, sollte drei Prioritäten verfolgt werden: eine offene
und wissensbasierte Gesellschaft, soziale Innovation und eine
Öko-Effizienz-Revolution.
EINE OFFENE UND
WISSENSBASIERTE GESELLSCHAFT
Die Ziele der
Lissabon-Strategie, verstärkt in den Faktor Mensch (Bildung, Berufsausbildung, lebenslanges Lernen) und in
Forschung und Entwicklung zu investieren sind zu begrüßen, wir brauchen aber
auch nachhaltige Investitionen und eine offene Gesellschaft mit Beteiligungsrechten
für alle Menschen.
Beim Aufbau des
europäischen Forschungsraumes muss darauf geachtet werden, dass die
europäischen und nationalen Investitionen in Forschung und Entwicklung effektiv eingesetzt werden und dazu
beitragen, die Lebensqualität der EU-Bürgerinnnen und Bürger zu verbessern. In diesem
Sinne sollte sich das 7. Forschungsrahmenprogramm für den Zeitraum 2007-2013
hauptsächlich auf die Sozialwissenschaften, die Informations-gesellschaft
einschließlich freier und open-source Software, vorbeugende und frei zugänglicher Gesundheitsversorgung,
Ökotechnologien und mit nachhaltiger Entwicklung verbundene Aktivitäten wie
Ökosysteme, Erneuerbare Energien, Verkehr sowie Ressourcen sparender Landwirtschaft konzentrieren. Es ist
bedauerlich, dass den Atomtechnologien (insbesondere ITER) eine größere
Bedeutung beigemessen wird, als der Stärkung Erneuerbarer Energien. Die oben
genannten Schwerpunkte müssen auch für die Darlehen der Europäischen
Investitionsbank gelten. Wagniskapital für Ökotechnologien sollte durch die
Schaffung von konkreten Finanzierungsinstrumenten bereitgestellt werden.
Kleine und
Mittlere Unternehmen (KMU) sind ein wesentlicher Teil der europäischen
Wirtschaft. Wenn sie ihr Potenzial und know-how im Bereich von Forschung und
Entwicklung nutzen wollen, muss das Forschungsrahmenprogramm dergestalt
ausrichtet sein, dass die Teilnahme von kleineren Forschungsbereichen
vereinfacht wird durch die Zweckbindung der Mittel für KMU und Cluster von kleinen Firmen und Labors.
Offenheit und Toleranz sind die
Voraussetzungen dafür, dass eine Gesellschaft talentierte Menschen, die zur
technologischen Innovation beitragen würden, gewinnen und auch halten kann.
Deshalb müssen die Realitäten und Bedürfnisse der Zivilgesellschaft voll
berücksichtigt werden. Durch die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft
werden Entwicklung und Austausch innovativer Ideen sowie eine reibungslosere
Umsetzung politischer Reformen in besonderem Maße gefördert. Technische und
wissenschaftliche Projekte sollten öffentlich debattiert werden und nicht nur
Angelegenheit von ExpertInnen bleiben.
Wissenschaftliche
Erkenntnisse und technische Informationen sollten in alle Bereiche des
wirtschaftlichen Handelns einbezogen werden, indem man die Teilhabe an und den
Transfer von Wissen fördert und garantiert (Wissensmanagement). Mehr Patente
bedeuten nicht immer gleich mehr Innovation. Es muss verhindert werden, dass
Innovationen in kleinen und jungen Unternehmen durch einen regelrechten
Patentdschungel behindert werden.
Die Investition
in Menschen muss nachhaltig sein. Eine umfassende Bildungsstrategie ist
Voraussetzung um den umweltpolitischen Verpflichtungen nachkommen zu können.
Daher soll die Lissabon-Strategie durch Erhöhung der Mittel für Bildung,
Ausbildung und lebenslanges Lernen gestärkt werden. Lebenslanges Lernen ist ein
entscheidender Punkt im Kampf gegen soziale Ausgrenzung und für die Erhöhung
der Zahl von älteren ArbeitnehmerInnen. Jedem jungen Menschen muss der Zugang
zu qualitativ hochwertiger Bildung und Ausbildung ermöglicht werden.
Um die besten WissenschaftlerInnen
für Europa zu gewinnen, müssen die administrative Hindernisse weiter abgebaut
werden und die internationale und EU-interne Mobilität sowie die gegenseitige
Anerkennung von Berufsabschlüssen gefördert werden. Auf der Grundlage der
Zusammenarbeit und des Wissenstransfers zwischen Forschungszentren,
Universitäten und Unternehmen sollten Kompetenzzentren errichtet werden. Bei
jungen Menschen, insbesondere Frauen, muss aktiv für Wissenschaftskarrieren
geworben werden.
Gleichzeitig
sollte aber auch die Entwicklung einer tragfähigen Forschungsinfrastruktur und
von Projekten in den Ländern des Südens unterstützt werden, wie auch der
brain-drain in ärmeren Ländern verhindert werden.
SOZIALE
INNOVATION & BESCHÄFTIGUNG
Um den Druck auf
die solidarisch finanzierten staatlichen Rentensysteme zu verringern, strebt
die Lissabon-Strategie eine Erhöhung der EU-Beschäftigungsquote auf 70 Prozent,
eine Erhöhung der EU-Beschäftigungsquote für Frauen auf 60 Prozent und für
ältere Arbeitnehmer auf 50 Prozent an.
Das Ziel der
Vollbeschäftigung mit qualitativer Arbeit in Europa ist zu unterstützen. Der
Kampf gegen Arbeitslosigkeit ist eines der besten Mittel gegen Armut und
soziale Ausgrenzung. Die EU sollte Mindeststandards für die Sozialversicherung
schaffen und die Sozialpolitik im Rahmen spezifischer Ziele koordinieren.
Die EU sollte auf
die Schaffung eines Rechts auf Einkommen, Altersversorgung und Mindestlohn in
den Ländern, die bisher über keine entsprechende Politik verfügen, hinarbeiten.
Außerdem muss Ziel der EU sein, einen angemessenen Lebensstandard zu
gewährleisten und allen Bürgern die Möglichkeit der Teilhabe an der
Gesellschaft zu geben.
Wir erkennen die
Notwendigkeit der Generationengerechtigkeit und von Umverteilungspolitiken zur
Aufrechterhaltung der staatlichen Rentensysteme an. Eine durchschnittliche
Beschäftigungsquote von 70 Prozent sowie die Gewährleistung des Zugangs zu
Bildung und Ausbildung für alle jungen Menschen kann zur Sicherung der
Nachhaltigkeit der Rentensysteme beitragen .
Die Erhöhung der
Frauenbeschäftigungsquote wird derzeit in Österreich fast ausschließlich durch
prekäre Arbeitsverhältnisse erreicht. Ziel muss jedoch sein, existenzsichernde
Vollzeitsarbeitsplätze zu schaffen. Darüber hinaus müssen die Gründe für die
Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt angegangen werden: prekäre
Beschäftigungsverhältnisse und mangelnde Versorgung im Alter, Unterschiede in
der Entlohnung von Frauen und Männern, die Belastung durch unbezahlte Betreuungsarbeit
(Betreuung von Kindern und älteren Menschen) und die unsichtbare Barriere, die
Frauen am Aufstieg in höhere Positionen hindert. Die Vereinbarung von Beruf und
Familie erfordert – sowohl für Frauen als auch für Männer – soziale Reformen
(z.B. Elternzeit), externe Infrastruktur für die Betreuung von Kindern und
älteren Menschen und innovative Organisationsstrukturen für Unternehmen.
Gerade in den
ländlichen Räumen Europas bestehen erhebliche Innovation- und
Beschäftigungspotenziale. Auf Grundlage der formulierten Position der
EU-Kommission soll die Politik für ländliche Entwicklung künftig stärker auf
die Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltigeres Wachstum ausrichtet werden.
Diese Orientierung ist eng verbunden mit den Zielen der Kohäsionspolitik, die
soziale Ausgrenzung und Abwanderung der Bevölkerung verhindern soll.
Insbesondere mit
der EU-Agrarreform kann durch die 2. Säule gezielt der Mittelstand in den
ländlichen Räumen, welcher die meisten Arbeitsplätze schafft, gefördert werden.
Damit kann ein
notwendiger Beitrag für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit besonders für
ländliche Gemeinden, Küstenregionen in äußerster Randlage erbracht werden.
Die Priorität
muss auf nachfrageorientierten Politiken und beschäftigungsfreundlichen
Steuersystemen liegen. Durch eine ökologische Steuerreform muss die Steuerlast
von der Arbeit zu Kapital und Ressourcenverwendung umschichtet werden und die
Einführung einer europäischen Mindestkörperschaftssteuer vorangebracht werden.
Das Maß der sozialen Absicherung, Mindestlöhne und entsprechende Sicherungen
sollten auf höchstmöglichem Niveau harmonisiert werden bei gleichzeitiger
Gewährleistung des Zugangs junger und gering qualifizierter Menschen zum
Arbeitsmarkt.
DIE
ÖKO-EFFIZIENZ-REVOLUTION
Die Lissabon-Strategie
muss dahingehend ergänzt werden, dass die EU in einer Welt mit begrenzten
Ressourcen und sensiblem ökologischem Lebensraum bis 2010 zum ressourcen- und
energieeffizientesten Wirtschaftsraum wird. Die bestmögliche Nutzung von
Energie, Wasser, Stahl, Kupfer, Holz usw. sowie die vorrangige Nutzung
erneuerbarer Energien und Rohstoffe sollte als neue Priorität in die EU-Politik
aufgenommen werden.
Im Bericht der
Kommission zur Umweltpolitik der EU 2004 wird bestätigt, dass eine
„Öko-Effizienz-Revolution“ einen Gewinn für Umwelt, Beschäftigung und
Wettbewerbsfähigkeit darstellt. Ressourceneffizienz ist nicht nur eine
ökologische Notwendigkeit, sondern bringt wirtschaftlichen Gewinn mit sich. Sie
reduziert Produktionskosten, führt zu Innovation, fördert die europäische
Wettbewerbsfähigkeit, schafft Arbeitsplätze und verringert unsere Abhängigkeit
von nicht nachwachsenden Rohstoffen wie Erdöl. In der europäischen Ökoindustrie
sind bereits mehr als 2 Millionen Europäer beschäftigt - sie wächst jährlich um
5% und damit schneller als alle anderen Wirtschaftsektoren. Europa verfügt mit
seinen hoch qualifizierten Arbeitskräften, einer gut entwickelten
Technologieindustrie und einem großen Bedürfnis nach einer sauberen Umwelt über
das Potenzial, in hohem Maße von einer Öko-Effizienz-Revolution zu profitieren.
Verpasst es diese Chance, werden es andere Regionen an seiner Stelle tun.
Mittels
Innovationen, die über die reinen „End-of-pipe“- oder Sanierungskonzepte
hinausgehen, sollen Pioniermärkte für Ökotechnologien geschaffen werden.
Erstens haben die hoch industrialisierte Länder die Verpflichtung,
umweltfreundliche Technologien für einen Planeten zu entwickeln, dessen
Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch dringend entkoppelt werden müssen.
Zweitens verschafft sich die EU, wenn sie Marktführer für Ökotechnologien ist,
entscheidende Vorteile im internationalen Wettbewerb, was wiederum unserer
Wirtschaft zugute kommt.
Eine langfristige
Vision zur Bekämpfung des Klimawandels, rechtlich verbindliche Ziele zur
Verringerung von Treibhausgasen, ein schneller Umstieg auf erneuerbare
Energiequellen und ein schrittweiser Abbau des Einsatzes fossiler Brennstoffe
sowie der Subventionen für Atomenergie wird die führende Rolle der EU beim
Klimawandel fördern und Arbeitsplätze schaffen, die Europa braucht.
Eine wissens- und
technolgiebasierte Wirtschaft sollte schnellstmöglich von fossilen Brennstoffen
und hohem Energieverbrauch verabschieden. Aber es besteht die Gefahr, dass die
Mehrheit der EU-Staaten das Kyoto-Ziel nicht erreichen wird. Das
Kyoto-Protokoll muss mit Leben erfüllt werden. Bemühen wir uns aktiv um dessen
Weiterentwicklung und holen wir Länder wie China und Indien ins Boot, so wird
das auch die weltweite Nachfrage für Ökotechnologien erhöhen.
Ökotechnologien
beschränken sich nicht auf die Verwendung erneuerbarer Energien. Sie umfassen
auch umweltfreundlichen Verkehr, nachhaltige Landwirtschaft, gesunde
Lebensmittel, umweltfreundliches Bauen, energie- und ressourceneffiziente
Elektronikerzeugnisse, sanfte Chemie mit dem Ersatz von Tierversuchen und
schädlichen Chemikalien durch Neuentwicklungen und sicherere Alternativstoffe
mit dem Ziel, die Verschmutzung von Luft, Wasser, Boden und der Nahrungskette
einzudämmen.
Angesichts der
hohen staatlichen Ausgaben sollen Ökoinnovationen effektiv durch Ökologisierung
der öffentlichen Beschaffungspolitik auf nationaler und europäischer Ebene
stimuliert werden. Mittels Direktinvestitionen in nachhaltige Projekte muss die
öffentliche Hand Anreize schaffen und private Investoren gewinnen. Auch eine
Ökologisierung nationaler Steuerpolitiken durch eine breit angelegte
ökologische Steuerreform würde Ökoinnovationen fördern. Umweltschädliche
Subventionen müssen abgebaut werden – je früher, desto besser.
Angesichts der
Tatsache, dass die EU-Umweltgesetzgebung von den Mitgliedsstaaten am wenigsten
berücksichtigt wird, ist eine schnelle und vollständige Implementierung und
Durchsetzung der bestehenden Umweltgesetze notwendig. In diesem Sinne müssen in
die Lissabon-Strategie auch rechtlich verbindliche Ziele und konkrete nationale
Aktionspläne für Ökoinnovationen aufgenommen werden.
Die ökologische
Modernisierung ist die Zukunft der Wirtschaft und folglich wäre es ein gewaltiger
Fehler, sich in der Praxis erneut nur auf die wirtschaftliche Säule zu
konzentrieren. Ökologie ist die Zukunft der Wirtschaft, die EU muss dabei eine
führende Rolle spielen.
Daher stellt die
unterfertigte Abgeordnete folgenden
Antrag
auf Stellungnahme gemäß Art 23e Abs. 2 B-VG
Der
Hauptausschuss wolle beschließen:
Die zuständigen
Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, werden dringend
und mit Nachdruck aufgefordert sich beim Europäischen Rat in Brüssel am 22./23.
März 2005 sowie, insbesondere der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit,
sich bei Verhandlungen des Rates auf allen Ebenen für folgende Punkte
einzusetzen:
· Forcierung
einer Entwicklung einer integrierten Strategie, die wirtschaftliche, soziale
und ökologische Ziele gleichberechtigt in sich vereint
· Vollkommene
Rücknahme des derzeit vorliegenden Entwurfs der Dienstleistungsrichtlinie der
Europäische Kommission, der insbesondere aufgrund des Herkunftslandprinzips die
Gefahr eines Sozial- und Qualitätsdumpings birgt, und Vorlage eines neuen
Vorschlags, unter Berücksichtigung der derzeit herrschenden enormen sozialen
und ökonomischen Unterschieden innerhalb der EU-25-Staaten.
· Schaffung
von Voraussetzungen für Innovationen als nachhaltige Investitionen in die
Wirtschaft und Menschen sowie Forcierung des Aufbaus einer offenen Gesellschaft
mit Beteiligungsrechten für alle.
· Stärkung
des sozialen Zusammenhalts und Forcierung der Gleichstellung von Frauen und Männern
und Integration in alle politischen Vorschläge auf nationaler und europäischer
Ebene;
· Entwicklung
der Europäischen Union zum ressourcen- und energieeffizientesten
Wirtschaftsraum bis 2010 als eine politische Priorität für die EU.
Diese Vorhaben
sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die
Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch
Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre.
Folgender Antrag
der Grünen auf Stellungnahme wurde von ÖVP und FPÖ mehrheitlich abgelehnt:
ANTRAG AUF STELLUNGNAHME
gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG
der Abgeordneten
Michaela Sburny, Werner Kogler
betreffend
47208/EU XXII. GP RAT 6316/05
POLGEN 6 betr. Europäischer Rat am
22./23.3.2005 Entwurf der
erläuterten Tagesordnung - einer Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakt
eingebracht im
Zuge der Sitzung des EU-Hauptausschusses am 15.März 2005.
Die Erfahrung der
längsten Stagnationsphase in der jüngsten europäischen Wirtschaftsgeschichte
hat gezeigt, dass das gegenwärtige fiskalpolitische Regime der WWU nicht
geeignet ist, bestimmten problematischen ökonomischen Entwicklungen, wie sie
die stagnative ökonomische Situation seit 2001 oder gar mögliche Rezessionen
darstellen, entgegenzuwirken. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) und die
Umsetzung des vertraglich festgelegten Überwachungsverfahrens wirken
prozyklisch und wachstumshemmend.
Mittlerweile
haben auch die Vertreter der europäischen wirtschaftspolitischen Institutionen
erkannt, dass die zentralen wirtschaftspolitischen Institutionen der
Europäischen Union nicht in der Lage sind, der seit 2001 andauernden
wirtschaftlichen Stagnation entgegenzuwirken. Das Ziel von Lissabon, 2010 zur
wachstumsstärksten Region der Welt zu werden, ist in weite Ferne gerückt.
Lissabon droht - so Wim Kok in
seiner Zwischenbilanz zur Lissabon-Strategie - zu einem „Synonym für verpasste
Chancen und nicht eingelöste Versprechen“ zu werden. Der Stabilitäts- und
Wachstumspakt hat daran einen entscheidenden Anteil.
Die
Finanzminister der Euro-Zone haben sich daher daran gemacht, den Pakt
wachstumsfreundlicher zu gestalten. Das sollte Gelegenheit bieten, die
grundsätzlichen Fehlkonzeptionen zu beheben. Ein erster Konstruktionsfehler ist
die durch den Pakt erzwungene einseitige Ausrichtung der Budgetpolitik auf die
Budgetdefizite. Der Zwang zu ausgeglichenen Haushalten erlaubt keine
ausreichende Gegensteuerung in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Umgekehrt stehen
in guten Zeiten die Türen für Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen weit
offen. Es bestehen keinerlei Anreize, die Budgets dann zu sanieren, wenn die
Steuereinnahmen wieder reichlich in die Staatskassen fließen und die
Arbeitslosigkeit sinkt. Durch das ausschließliche und hartnäckige Festhalten an
der fiskalischen Nachhaltigkeit werden andere Ziele der Budgetpolitik, wie die
Stabilisierung der Konjunktur, die Förderung des Wachstums, die Verringerung
der Arbeitslosigkeit und die ausreichende Bereitstellung von
Infrastrukturinvestitionen hintangestellt. Darin liegt ein zweiter Mangel.
Drittens schließlich wird der Steuerunterbietungswettlauf im Bereich der
Unternehmens- und Kapitalsteuern völlig ausgeblendet.
Sparen erweist
sich als wenig hilfreich in einer Phase, in der die Binnennachfrage schwach
ist. Durch Sparen bei den öffentlichen Ausgaben lassen sich die Budgetdefizite
in einer Stagnation nicht verringern, sie werden vielmehr festgeschrieben. Das
erleben derzeit einige europäische Staaten, allen voran Deutschland, sehr
schmerzhaft. Nur selten wird von den enormen Kosten des Heraussparens aus der
Stagnation gesprochen. Damit sind empfindliche, nicht wieder einbringliche
Wohlfahrtsverluste verknüpft, weil Arbeitsplätze und Einkommen vernichtet werden.
In Europa muss es
daher darum gehen, gerade auch die binnenwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln
und nicht weiter auf eine vermeintliche „ständige Verbesserung der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ zu setzen, deren Beschäftigungswirkung
von der expansiven Wirtschaftspolitik anderer Länder abhängt. Eine Belebung der
Binnennachfrage in Europa steigert den Wohlstand, schafft Arbeitsplätze und
entlastet so die öffentlichen Haushalte. Ein Herauswachsen aus der Stagnation
wäre daher die richtige wirtschaftspolitische Rezeptur.
Ein
wachstumsfreundlicher Stabilitäts- und Wachstumspakt müsste Investitionen in
die Infrastruktur und Bildung forcieren, weil sie allgemein anerkannte
Wachstumseffekte erzeugen. Die Herausnahme bestimmter öffentlicher Investitionen
aus der Berechnung der Budgetdefizite kann den Trend sinkender öffentlicher
Investitionen stoppen. Großbritannien hat das erkannt und wendet diese „goldene
Finanzierungsregel“ bereits an.
Die Angst vor
damit verbundenen hohen Defiziten ist unbegründet, wenn die goldene
Finanzierungsregel mit der langfristigen Stabilisierung der Schuldenquoten
verknüpft wird. Als Obergrenze für den Schuldenstand kann das Schuldenkriterium
des Maastrichter-Vertrages herangezogen werden. Diese Obergrenze von 60% des
BIP soll in Hinkunft überwacht und kontrolliert werden, nicht mehr das
Defizit. Eine vorübergehende
Überschreitung der Obergrenze soll im Fall einer Rezession möglich sein: Steigt
die Arbeitslosigkeit an, dann können zusätzliche wachstums- und
beschäftigungsfördernde Maßnahmen ergriffen werden. Um daran anschließend im
Konjunkturaufschwung die Budgetdefizite wieder abbauen zu können, sollen fixe
Ausgabenrahmen die Budgetdisziplin sicherstellen.
Die gegenwärtig
diskutierten Vorschläge der EU-Kommission und des Rates lassen befürchten, dass
das Ausmaß der Flexibilisierung des SWP nicht ausreichen wird, um das zentrale
europäische Problem, die schwache Binnennachfrage, zu beheben. Damit würde die
Unvereinbarkeit des Stabilitäts-
und Wachstumspakts und der Lissabon-Agenda ebenso prolongiert wie die zu
Wohlfahrtsverlusten führende Strategie des Heraussparens aus der Stagnation,
Daher stellen die
unterfertigten Abgeordneten folgenden
Antrag
auf Stellungnahme gemäß Art 23e Abs. 2 B-VG
Der
Hauptausschuss wolle beschließen:
Die zuständigen
Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, werden dringend
und mit Nachdruck aufgefordert sich beim Europäischen Rat in Brüssel am 22./23.
März 2005 sowie, insbesondere der Finanzminister, sich bei Verhandlungen des
Rates auf allen Ebenen für folgende Punkte einzusetzen:
· Flexiblere
Regeln im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts dürfen die Verwirklichung
des von der EU definierten Ziels, „die EU zum wettbewerbsfähigsten und
dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen - einem
Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum mit mehr
und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu
erzielen “, nicht behindern sondern müssen dieses Ziel unterstützen.
· Die
Finanzpolitik soll sich nicht mehr ausschließlich und hartnäckig an dem
restriktiv fiskalischen Defizitpfad orientieren, sondern auch andere Ziele der
Budgetpolitik, wie die Stabilisierung der Konjunktur, die Förderung des
Wachstums, die Verringerung der Arbeitslosigkeit und die ausreichende
Bereitstellung von Infrastrukturinvestitionen, der soziale Zusammenhalt und die
Nachhaltigkeit des Wirtschaftens mitberücksichtigen.
· In
Hinkunft soll zur Sicherstellung eines ausreichenden Niveaus öffentlicher
Investitionen eine entsprechend ökonomisch vernünftige Finanzierungsregel zur
Anwendung gelangen. Zur Vermeidung übermäßiger Budgetdefizite soll eine solche
„Goldene Finanzierungsregel“ mit dem Ziel der mittel- bis langfristigen
Stabilisierung der Schuldenquote verknüpft werden (etwa auf dem im
Maastrichter-Vertrag festgelegten Niveau von 60% des BIP). Die Gefährdung der
fiskalischen Nachhaltigkeit, gemessen an der Schuldenquote, soll Gegenstand des
Überwachungsverfahrens auf EU-Ebene werden. Durch eine Budgetsteuerung auf der Grundlage von Ausgabenrahmen
auf Ebene der Nationalstaaten sollen Anreize zur Budgetkonsolidierung in
wirtschaftlich guten Zeiten gesetzt werden.
· Eine
der Konjunkturstabilisierung und nachhaltige Wachstumsförderung verpflichtete
makroökonomische Politikkoordinierung setzt eine Stärkung des makroökonomischen
Dialogs voraus, bei der auch die anderen Akteure der Wirtschaftspolitik - allen
voran die Europäische Zentralbank – einen Beitrag für die gemeinsamen
Zielsetzungen leisten.
· Im
Rahmen der Gespräche zur Flexibilisierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
soll auch eine EU-weite Lösung gefunden werden, die unter Berücksichtigung des
Aufholbedarfs der neuen Mitgliedsländer, das derzeit herrschende Steuerdumping
im Bereich der Unternehmens(gewinne) in Zukunft unterbindet und die EU-weite
Harmonisierung im Bereich Erfassung der grenzüberschreitenden Kapitalerträge
forciert.
Diese Vorhaben
sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die
Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch
Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre.