IV-17 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Donnerstag, 20. Oktober 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXII. Gesetzgebungsperiode                Donnerstag, 20. Oktober 2005

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

2109. AStV-II-Tagung am 14.9.2005/Treffen der Staats- und Regierungschefs am 27./28. Oktober 2005

(57705/EU XXII.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Tagesordnung des kommenden Gipfels der Staats- und Regierungschefs am 27. und 28. Oktober 2005 nahmen die Mitglieder des Hauptausschusses zum Anlass, über grundsätzliche Fragen der europäischen Werte und des europäischen Lebensmodells im Zeitalter der Globalisierung zu diskutieren. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nannte das europäische Modell einen "Leuchtturm der Hoffnung in der Welt", weil es Verteilungsgerechtigkeit, Integration, Wohlstand und Sicherheit biete. Nun gelte es, Strategien zu entwickeln, um die Standards unter geänderten Bedingungen zu sichern.

 

Seitens der Abgeordneten, insbesondere jener der Opposition, wurde die Befürchtung geäußert, dass die Union den Weg eines neoliberalen Marktkonzepts gehe und damit diese europäischen Werte verloren gingen. Keinesfalls werde man damit eine Sozialunion erreichen. Österreich müsste daher während seiner Präsidentschaft entgegen gesetzte Akzente setzen. Bundeskanzler Schüssel legte in diesem Zusammenhang zur Information der Abgeordneten das österreichische Reformpapier für Wachstum und Beschäftigung vor. Die Abgeordneten der ÖVP unterstrichen die Wichtigkeit und Notwendigkeit, diese Debatte zu führen, da die Zukunft Europas von einer Substanzdebatte über das europäische Lebensmodell nicht getrennt werden dürfe und Österreich mit seinen Reformansätzen durchaus beispielgebend sein könnte.

 

Breiten Raum nahm auch die Beurteilung des Beschlusses ein, mit der Türkei Beitrittsverhandlungen zu führen. Dabei fand die SPÖ durchaus positive Worte dafür, dass die Europäische Union nun gezwungen sei, über die eigene Aufnahmefähigkeit nachzudenken. Richtiger wären aber aus ihrer Sicht Partnerschaftsverhandlungen gewesen. Im Gegensatz dazu bedauerten die Grünen die von Österreich eingenommene harte Position, da dies ihrer Meinung nach dem Land im europäischen Kontext nicht gut getan habe. Seitens des Freiheitlichen Klubs hätte man sich eine noch restriktivere Haltung der österreichischen Regierungsmitglieder in dieser Frage erwartet.

 

Außenministerin Ursula Plassnik unterstrich daraufhin, dass gegenüber den Kopenhagener Kriterien, wo hinsichtlich der Aufnahmefähigkeit nur von einer wichtigen Überlegung die Rede ist, nun eine juristische Formulierung für eine Beitrittsbedingung gefunden worden sei. Bundeskanzler Schüssel ergänzte, aus dem Wort "Consideration" sei eine "Condition" geworden und man habe erstmals eine faire Finanzverteilung verankern können. Worin die Aufnahmefähigkeit Europas bestehe, darüber gebe es nun eine intensive Diskussion in den europäischen Gremien.

 

Was den Reflexionsprozess zur Europäischen Verfassung betrifft, meinte Plassnik, sie sei für die Initiative des Europäischen Parlaments und den Berichtsentwurf der Abgeordneten Voggenhuber und Duff sehr dankbar, denn er zeige genau, dass es keine schnelle Lösung geben könne und man auf die Befindlichkeit in den einzelnen Staaten Rücksicht nehmen müsse.

 

Kritik wurde seitens der Opposition an der EU-Informationskampagne der Bundesregierung sowie an der Informationspolitik über die österreichische Präsidentschaft geübt. SPÖ und Grüne beklagten, dass es zwar informelle Gespräche gegeben habe, aber im Hauptausschuss erst heute darüber diskutiert werde und keinerlei Papiere vorgelegt worden seien. Man hege daher die Befürchtung, dass man die Opposition nicht einbinden und eine Präsidentschaft der Regierungsparteien durchführen wolle. Auch sähen sie sich von den derzeitigen Informationskampagnen, insbesondere im Rahmen der Tour des Europabusses, ausgeschlossen.

 

Bundeskanzler Schüssel versicherte daraufhin, dass er daran interessiert sei, alle ParlamentarierInnen bei der EU-Information und bei der Vorbereitung der Präsidentschaft einzubinden. So seien beispielsweise alle Europaabgeordneten eingeladen worden, Termine im Rahmen des Europa-Busses wahrzunehmen, die konkrete Terminliste stehe im Internet zur Verfügung. Er bat aber um Verständnis, dass er zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Unterlagen in Hinblick auf die Präsidentschaft vorlegen könne, weil vieles nicht vorhersehbar sei und er auch den Briten nicht vorgreifen könne.

 

Allgemein zeigten die Abgeordneten große Enttäuschung über die britische Präsidentschaft. Dem gegenüber versicherte Schüssel, dass diese sehr professionell arbeite und man abwarten müsse, ob im Dezember das entscheidende Dossier zur Finanzvorschau vorliege.

 

Zu Beginn der Debatte erläuterte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Tagesordnung des bevorstehenden Treffens der Staats- und Regierungschefs. Dabei werde die Kommission einen Bericht zum Thema "Europäische Werte und globalisierte Welt" vorlegen und Javier Solana werde einen politischen Bericht über die Stellung Europas in der globalisierten Welt geben. Kernpunkt dabei stelle die Frage dar, wie eine positive wirtschaftliche Entwicklung und soziale Solidarität verbunden werden können. Es sei auch zu überlegen, was die Union selbst zur Unterstützung ihrer Mitglieder in jenen Bereichen leisten kann, die zu den nationalen Kompetenzen gehören. Thematisiert werden müsse weiters der Aufbau eines Sicherheitsnetzes mit Drittländern, wie die jüngsten Dramen um Flüchtlinge in Marokko zeigten. Dazu gehöre selbstverständlich auch die Verpflichtung der EU, zur Verbreitung des Wohlstands in der Welt beizutragen.

 

Dem entsprechend werde es auch während der österreichischen Präsidentschaft vier Schwerpunkte zu themenübergreifenden Zielsetzungen geben, so Außenministerin Ursula Plassnik: Arbeitsplätze sichern und schaffen, Wachstum erhöhen, das europäische Lebensmodell sichern und weiterentwickeln - wozu es eine Kernwertediskussion geben werde - und die EU als Partner in der Welt.

 

Der Bundeskanzler ließ in diesem Zusammenhang für die Abgeordneten die Unterlage "Österreichisches Reformprogramm für Wachstum und Beschäftigung" austeilen. Wie er erläuterte, versuche man sich in Zukunft auf sieben Themen zu konzentrieren und diese konkret zu fassen. Der Wildwuchs von Rankings im Zuge des Lissabon-Prozesses habe sich nicht bewährt, sagte er. Das Papier gehe von der Basis einer nachhaltigen Finanz- und Budgetpolitik, der Senkung der Steuer- und Abgabenquote und der Möglichkeit, Wachstumspotenziale durch verstärkte Zukunftsinvestitionen in Forschung, Bildung und Infrastruktur zu schaffen, aus. Die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren wesentliche Fortschritte erzielt, bei der Herbstklausur sei der Beschluss gefasst worden, bis 2010 eine Forschungsoffensive im Ausmaß von 1,3 Mrd. € zu fördern, die Breitbandoffensive zu verstärken, 300 Mill. € für die Höherqualifikation von ArbeitnehmerInnen zur Verfügung zu stellen und die Mittel für Infrastrukturprojekte um 300 Mill. € zu erhöhen. Die Bewertung der Vorschläge der 25 Mitgliedsstaaten werde die Kommission anlässlich des Frühjahrsgipfels während des österreichischen Vorsitzes vorlegen.

 

Laut Aussagen von Bundeskanzler Schüssel sei nicht geplant, die Themen Verfassung und Finanzvorschau anzusprechen. Dennoch werde sich eine Debatte über die Finanzen nicht verhindern lassen, meinte er. Hinsichtlich der Reflexionsphase im Verfassungsprozess würden die Diskussionen mit unterschiedlicher Intensität und unterschiedlichen Aktionsplänen in den einzelnen Mitgliedsländern geführt, ergänzte Außenministerin Plassnik.

 

Sie erläuterte auch kurz die österreichischen Initiativen und berichtete, dass das Dialogangebot des Außenressorts "Europa hört zu" und das Europa-Telefon gut angenommen würden. Die Informationstätigkeit werde durch TV-Spots ergänzt und seit 17. Oktober sei der Europa-Bus unterwegs, um die regionale und lokale Ebene zu erreichen. Darüber hinaus plane man eine Plakataktion zum Thema "Mehrwert EU". Auf der Homepage des Außenministeriums stehe die Seite www.zukunfteuropa.at zur Verfügung und am 6. November gebe es im ORF eine große Diskussion zu europäischen Themen.

 

In einer ersten Reaktion darauf meinte Abgeordneter Josef Cap (S), es werde nicht genügen, den Menschen lediglich die EU zu erklären, denn Millionen Arbeitslose und ein hemmungsloser Erweiterungsprozess sei den Menschen nicht erklärbar. Cap vermutete, dass die Union ein neoliberales Marktkonzept verfolge und damit das Entstehen einer Sozialunion verhindere. Leider gehe das von der britischen Labour-Regierung aus, fügte er kritisch hinzu. Österreich müsste daher entgegen gesetzte Akzente und Schritte zu einem Kurswechsel setzen. Abgeordneter Hannes Bauer (S) sprach daraufhin konkret die Daseinsvorsorge und die Notwendigkeit einer Steuerharmonisierung an. Er bedauerte den gegenwärtigen Steuerwettlauf und unterstrich, dass es die Aufgabe der Politik sei, den gesellschaftlichen Zusammenhang zu sichern. In Wirklichkeit werde aber die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben, meinte er mit Bedauern. Ebenso urgierte Abgeordneter Erwin Niederwieser (S), das viel zitierte europäische Lebensmodell mit konkreten Inhalten zu füllen, und nicht nur wie bis jetzt mit reinen Überschriften zu agieren. Im speziellen sprach er dann die Frage des freien Zugangs zu den Universitäten und zu den Bildungseinrichtungen an.

 

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) brachte den ökologischen Aspekt in die Debatte ein und unterstrich die Notwendigkeit eines klaren Bekenntnisses zu ökologischen und sozialen Standards und die Verhinderung von Sozialdumping. Er vermisste das Thema Landwirtschaft bei den Schwerpunktthemen, obwohl schwierige, aktuelle Fragen damit in Zusammenhang stünden, wie die Finanzvorschau, die Zuckermarktordnung, die Koexistenz von gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Organismen, aber auch die Vogelgrippe.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) ergänzte, man dürfe nicht nur über Standards innerhalb Europas diskutieren, sondern die globalisierte Welt erfordere auch weltweite Verteilungsgerechtigkeit. Man könne nicht nur vom Schutz und der Sicherheit der EU-BürgerInnen reden, meinte sie, die EU müsse auch mehr Druck auf die Demokratisierung der Länder der Dritten Welt machen. In einer globalisierten Welt habe man auch Verantwortung für die Menschen in den armen Staaten zu tragen und daher die Entwicklungszusammenarbeit stärker zu thematisieren. Lunacek forderte eine humane Einwanderungspolitik ein, die der MRK und der Flüchtlingskonvention entspricht und die nicht abschottet. Das heiße selbstverständlich nicht, wie sie betonte, man öffne für alle Tür und Tor. Europa solle sich endlich darüber klar werden, wie eine tatsächliche Integrations- und Einwanderungspolitik aussieht.

 

Klubobmann Wilhelm Molterer (V) unterstrich, die Zukunft Europas sei von der Substanzdebatte über das europäische Lebensmodell nicht zu trennen. Dabei gehe es um die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in den Ländern der EU, darum, die nachhaltige Entwicklung sicher zu stellen, und die Frage, wie es in einer Phase der Leistungsorientierung gelingen könne, den sozialen Zusammenhalt zu sichern. Die BürgerInnen wollten, dass Europa schütze und nütze. Der österreichische Beitrag dazu sei von wesentlicher Bedeutung, zumal Österreich innerhalb der EU gut dastehe und der Ansatz des vorgelegten Reformprogramms Perspektiven eröffne und daher Modellcharakter haben könne. Der geplante Schwerpunkt der Präsidentschaft sei daher richtig, hielt Molterer fest.

 

Sein Klubkollege Abgeordneter Michael Spindelegger bemerkte mit Verweis auf das Reformpapier, es beweise, dass man auf globale Fragen auch eine regionale Antwort geben könne. Damit und mit der umfangreichen Informationsinitiative habe Österreich einen ersten Schritt zur Diskussion über Werte und Ziele der Europäischen Gemeinschaft gemacht. Ein Kurswechsel sei aber keineswegs in der kurzen Zeit einer Präsidentschaft zu bewältigen, hier müsse man vor allem die Verantwortung der Kommission einfordern.

 

Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) meinte, um sich gegen die Auswüchse der Globalisierung zur Wehr setzen und hohe Pendelschläge abwehren zu können, seien intelligente Lösungen gefragt. Seine Klubkollegen, die Abgeordneten Anton Wattaul und Herbert Haupt, thematisierten in diesem Zusammenhang die Dienstleistungsrichtlinie als eine wichtige Zukunftsfrage, zumal es um 600.000 Arbeitsplätze gehe. Kritisch beurteilten sie die Haltung von Bundesminister Bartenstein, der ihrer Meinung nach zu sehr am Modell des ehemaligen Kommissars Bolkestein festgehalten habe.

 

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Bundesministerin Ursula Plassnik stimmten der Auffassung zu, dass die Stärkung des Vertrauens in die EU nicht allein eine Frage der Information sei. Man müsse an verschiedenen Punkten ansetzen und mit konkreten Inhalten zum Ausdruck bringen, dass die Politik auf die Signale und Botschaften der Bevölkerung eingehe. Das europäische Modell müsse mit Leben erfüllt werden, wobei mehrere Aspekte in Balance zu bringen seien, nämliche soziale Gerechtigkeit, demographischer Wandel und Globalisierung. Die Grundwerte seien Solidarität, Kohäsion, Chancengleichheit, der Kampf gegen Diskriminierung und eine beachtliche Rolle des öffentlichen Sektors in der Organisation und Finanzierung des Sozialgefüges. Dies müsse man mit dem Ansatz verknüpfen, eine bessere Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen Ebenen anzustreben und damit die Subsidiarität zu realisieren. Schüssel kündigte in diesem Zusammenhang zwei Konferenzen im Herbst dieses und Frühjahr nächsten Jahres an.

 

Europa sei ein zukunftsträchtiges Modell, so Schüssel weiter, ein Leuchtturm der Hoffnung in der Welt, weshalb man auch immer wieder das Erreichte in Erinnerung rufen müsse. Die Debatte sei mit den Menschen interaktiv zu führen und inhaltlich zu vertiefen. Die österreichische Präsidentschaft werde aber zu kurz für eine ausreichende Auseinandersetzung sein.

 

Zur Dienstleistungsrichtlinie bemerkte der Kanzler, dass er dabei die Verhinderung eines Sozialdumpings sicher stellen und auch die Daseinsvorsorge weiterhin gewährleisten möchte. Zur Lösung der Problematik im Hochschulbereich sei eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, darüber hinaus gebe es auch bilaterale Gespräche. Er bedauerte, dass es in der Frage des freien Hochschulzugangs bei anderen Mitgliedsstaaten und in der Kommission noch kein entsprechendes Problembewusstsein gebe.

 

Die Abgeordneten Caspar Einem (S) und Ulrike Lunacek (G) erwarteten sich auch österreichische Initiativen zum Atomausstieg in Europa. Dazu bemerkte der Bundeskanzler, dass dies eine nationale Kompetenz sei und er als Kanzler eines atomfreien Staates diese Kompetenzlage beibehalten möchte.

 

Zu den Ausführungen des Bundeskanzlers und der Außenministerin über die Schwerpunkte der österreichischen Präsidentschaft fand die Opposition kritische Worte, insbesondere wegen mangelnder Information. Tenor des Abgeordneten Caspar Einem (S) war, man gebe in erster Linie Geld für die PR aus, setze aber keine Akzente. Das Parlament werde nicht ordentlich informiert, sagte er, informelle Gespräche mit der Ministerin seien zu wenig. Die Abgeordneten hätten sich schriftliche Unterlagen erwartet. Ähnlich argumentierte sein Klubkollege Abgeordneter Peter Schieder, der die Befürchtung aussprach, die österreichische Präsidentschaft werde als eine Präsidentschaft der Regierungsmehrheit organisiert. Er beklagte sich auch darüber, dass die Abgeordneten nicht in die Informationskampagnen der Bundesregierung eingebunden seien. Dem schlossen sich auch die Abgeordneten Ulrike Lunacek und Wolfgang Pirklhuber (beide G) an.

 

Sowohl Außenministerin Plassnik als auch Bundeskanzler Schüssel wehrten sich gegen diesen Vorwurf, indem sie darauf hinwiesen, dass alle EuropaparlamentarierInnen zur Bustour eingeladen worden seien. Der Bundeskanzler zeigte sich sehr interessiert daran, alle Abgeordneten in den Informationsprozess einzubinden. Ein konkretes schriftliches Programm für die Präsidentschaft könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorlegen, da vieles nicht vorhersehbar sei und er auch der britischen Präsidentschaft nicht vorgreifen könne. Er wurde darin von Abgeordnetem Werner Fasslabend (V) unterstützt.

 

Auf Grund einer Frage des Abgeordneten Josef Cap (S) informierte Außenministerin Ursula Plassnik die Abgeordneten, dass seitens ihres Ressorts rund 40 Mill. € für die Präsidentschaft budgetiert seien, dazu kämen Mittel aus den anderen Ressorts für eigene Vorhaben. Vor allem werde die Gewährleistung von Sicherheit einen größeren Personaleinsatz erfordern. Insgesamt seien während der österreichischen Präsidentschaft u. a. zwei Tagungen des Europäischen Rates, fünf Gipfeltreffen, darunter der Lateinamerika-Gipfel, 54 Ministertreffen und intensive Kontakte mit dem Europäischen Parlament geplant.

 

Die erste EU-Hauptausschusssitzung nach dem Sommer nahmen die Abgeordneten auch zum Anlass, nochmals die Frage der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien und die österreichische Position dazu zu diskutieren. Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) bedankte sich ausdrücklich beim Bundeskanzler und bei der Außenministerin für die erfolgreichen Verhandlungen. In der Frage der Türkei sei es gelungen, substantielle Punkte, wie die Aufnahmefähigkeit der EU, als Bedingung zu verankern. In Hinkunft werde es daher nicht mehr ausreichen, dass die Kandidaten beitrittsreif sind. Die EU sei gezwungen, die eigene Aufnahmefähigkeit zu definieren, was auch zu einem substantiellen Nachdenkprozess über die Kernfragen Europas führen werde.

 

Dem schloss sich Abgeordneter Michael Spindelegger (V) an und stellte die Frage, warum Österreich allein im Rat dagestanden sei, obwohl die europäische Bevölkerung die Haltung Österreichs unterstützt habe. Auch Abgeordneter Werner Fasslabend (V) meinte, in Zukunft sei gewährleistet, dass es nach Beitrittsverhandlungen keine Automatik mehr für einen Beitritt gebe.

 

Die Zuversicht seiner Vorredner im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit konnte Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) nicht teilen. Er sah keinen gravierenden Fortschritt zum Verhandlungsstand vom Jahr 2004 und hätte sich eine restriktivere Haltung Österreichs gewünscht.

 

Im Gegensatz dazu anerkannten die Abgeordneten Josef Cap und Peter Schieder (beide S), bei den Beschlüssen über die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen seien Fortschritte erzielt worden. Sie schränkten jedoch ein, dass diese Fortschritte im Lichte der eigenen Ankündigungen der Bundesregierung minimalisiert worden seien, und meinten, die Eröffnung von Partnerschaftsverhandlungen wäre sinnvoller gewesen.

 

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) wiederum bedauerte die Haltung der Bundesregierung und meinte, das habe Österreich im europäischen Kontext nicht gut getan.

 

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sowie Bundesministerin Ursula Plassnik unterstrichen, dass es zwischen dem Stand 2004 und dem nun vorliegenden Verhandlungsmandat einen Qualitätsunterschied gebe. Im Vorjahr sei nur von der Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der EU die Rede gewesen, nun sei diese erstmals als Bedingung verankert. Auch habe man eine faire Finanzverteilung hineinreklamieren können. Keiner der Punkte sei uneuropäisch, sagte Schüssel, und habe weder Österreich noch der Türkei geschadet. Vielmehr habe man erreicht, dass nun ein Plan B möglich sei. Plassnik bemerkte dazu, die Haltung Österreichs sei nicht geändert worden und daher sei sie auch keine Überraschung für die Partner gewesen. Ihr sei es darum gegangen, die Verpflichtungen gegenüber der Türkei einzuhalten, zugleich habe sie es aber für notwendig empfunden, den Text zu präzisieren und Klarheit zu schaffen. Sie halte es für wichtig, dass die Verhandlungsbasis nun auch juristisch formuliert sei und Europa gezwungen werde, klar zu definieren, was unter Aufnahmefähigkeit zu verstehen sei. Diese Diskussionen würden nun beginnen, sagte sie auf eine Frage des Abgeordneten Hannes Bauer (S), und sich insbesondere mit institutionellen und finanziellen Fragen beschäftigen. Bundeskanzler Schüssel bemerkte auch, dass sich Österreich auf alle Fälle gegen die Öffnung des Arbeitsmarktes wehren werde und auch keinen Übergangsbestimmungen zustimmen wolle.

 

Von den Abgeordneten Reinhard Eugen Bösch, Herbert Haupt (beide F) und Peter Schieder (S) auf Kroatien angesprochen, sagte Plassnik, das "Acquis-Screening" werde gemeinsam mit der Türkei und Kroatien vorgenommen, die nächste Phase erfolge aber dann individuell und getrennt. Dies müsse man auch vor dem Hintergrund der Balkanstrategie sehen. Im Verhandlungsmandat mit Kroatien sei die Aufnahmefähigkeit der EU nicht erwähnt, da dieser Beschluss bereits am 16. März 2005 gefasst worden sei.

 

Auch wenn die Verfassung kein Thema des nächsten Gipfels sein wird, wurde diese Frage dennoch von den Abgeordneten angesprochen. Nachdem Bundesministerin Plassnik kurz den Stand der Diskussion in den einzelnen Mitgliedsländern und der Ratifikation erläutert hatte, bemerkte Abgeordneter Caspar Einem (S) kritisch, man solle vor allem darüber diskutieren, wie es weiter gehen könne. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber und Abgeordnete Ulrike Lunacek (beide G) hinterfragten vor allem die kritischen Bemerkungen von Staatssekretär Winkler, die er anlässlich eines Vortrags an der Universität Innsbruck zum diesbezüglichen Entwurf eines Berichts der EU-Abgeordneten Voggenhuber und Duff gemacht hatte. Es wäre fatal, sagte Pirklhuber, die Diskussion über die Verfassung auf die lange Bank zu schieben. Voggenhuber hätte die Chance aufgezeigt, wie bis 2009 Voraussetzungen geschaffen werden können, um ein europäisches Referendum abzuhalten.

 

Bundesministerin Ursula Plassnik erklärte, die Äußerungen des Staatssekretärs hätten sich lediglich darauf bezogen, dass es sich noch nicht um einen endgültigen Bericht sondern um einen Entwurf handle, der noch einige Änderungen erfahren werde. Sie sei für diese Initiative des Europäischen Parlaments dankbar, weil sie zeige, schnelle Lösungen gebe es nicht. Man müsse die Befindlichkeit der Länder mit negativen Abstimmungen und jener Länder, die mitten im Ratifizierungsprozess stünden, berücksichtigen. Auch Abgeordneter Werner Fasslabend (V) meinte, für die Reflexionsphase müsse man sich ausreichend Zeit nehmen.