24/J XXII.GP
Eingelangt am: 23.01.2003
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Ulli Sima und GenossInnen
an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend Stand der GATS-Verhandlungen v. a. aus ökologischer Sicht und fehlende
Information und Debatte in der Öffentlichkeit
Hinter verschlossenen Türen wird im
Rahmen der Welthandelsorganisation WTO das GATS-
Abkommen (General Agreement on Trade in Services) verhandelt - ein Abkommen mit
weitreichenden Auswirkungen. Im Zentrum steht die Liberalisierung zahlreicher
Dienstleistungssektoren - von der Bildung, über Gesundheit und soziale
Dienste,
Altersversorgung, Wasserversorgung, Umweltdienstleistungen und Energie bis hin
zum
öffentlichem Verkehr und vielem mehr. Liberalisierungs-Erfahrungen aus
anderen Ländern (
Wasserversorgung, Gesundheitswesen und
Eisenbahn in England, Energie in Kalifornien )
zeigen, dass höhere Preise und
schlechtere Qualität, Ausschluss von sozial Schwachen aus der
Versorgung etc. die Folge sind.
Ende
März 2003 endet die Abgabefrist für die initial offers der
Mitglieder, in dieser Phase
müssen alle Länder jene Bereiche
benennen, die sie selbst liberalisieren werden. In Österreich
hat es bisher keine öffentliche Debatte über diese weitreichenden
Verhandlungen gegeben, sie
finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dies ist
demokratiepolitisch betrachtet völlig
inakzeptabel. Auch aus umweltpolitischer Sicht sind die Auswirkungen der
Liberalisierungen
im Rahmen von GATS dramatisch. Sie sind weder mit Nichtregierungsorganisationen
noch
mit Interregierungsorganisationen wie dem Umwelt- oder dem Entwicklungsprogramm
der
Vereinten Nationen oder der Weltgesundheitsorganisation abgestimmt. GATS ist
relevant für
grundlegende soziale Dienstleistungen, ökologische und
entwicklungspolitische Fragen und
muss daher endlich einer breiten, offenen
Debatte unterzogen werden.
Die
unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für
Wirtschaft und
Arbeit nachstehende
Anfrage:
1) In welchem Stadium befinden sich die Verhandlungen in Österreich zur
Dienstleistungsliberalisierung
hinsichtlich der Abgabe der „offers" betreffend „Publik
Service" am 31. März 2003?
2) Welche Angebote bringen Sie im Namen der Republik Österreich im Zuge der
Übermittlung
der Angebote am 31. März 2003 in das gemeinsame Angebot der EU?
(Bitte detaillierte
Auflistung der österreichischen Position)
3) Welche Gruppierungen sind in diese Verhandlungen eingebunden?
4)
Welche Begründung gibt es von Ihrer Seite für die Liberalisierung der
in der offer-
Liste genannten Bereiche?
5) Welche Libera!isierungs-„Vorbehalte" bzw. Ausnahmen deponiert Österreich?
6)
Welche Liberalisierungs-Verpflichtungen bestehen für Österreich
bereits und seit
wann?
7) Wann werden Sie die Öffentlichkeit über die
österreichischen
Liberalisierungsangebote informieren?
8) In welcher Form planen Sie, die Öffentlichkeit zu informieren?
9) Sind heimische NGOs in den Prozess eingebunden?
10) Falls ja, welche und in welcher Form?
11) Wann wird das Parlament über die „offers", die Österreich vorlegt, informiert?
12) Welche
Position vertreten Sie konkret hinsichtlich der Liberalisierung der
Wasserversorgung?
13) Teilen Sie die Bedenken der österreichischen Bevölkerung
hinsichtlich eines
„Ausverkaufs
der heimischen Wasservorräte" durch GATS?
14) Sie haben mehrfach betont, dass Österreich seine
Wasserversorgung als Ausnahme
vom GATS definieren will.
Entspricht dies noch immer den Tatsachen?
15) Falls ja, welche Forderung wird Österreich hinsichtlich
Wasserversorgung konkret
einbringen?
16) Falls nein, warum nicht mehr?
17) Wie gross ist Ihrer Ansicht nach die Gefahr, dass GATS die
regulativen Möglichkeiten
der Umweltpolitik
beschränkt?
18) Ist GATS Ihrer Ansicht nach mit nachhaltiger Entwicklung vereinbar?
19) Falls ja, wie?
20)
Profitieren Ihrer Ansicht nach Entwicklungsländer vom WTO-Prozess, konkret
von
den GATS-Verhandlungen?
21) Falls ja, in welcher Form?
22) Ist es für Sie problematisch, dass die WTO nicht Teil des
UN-Systems ist, und in ihren
Verträgen keine
Rücksicht auf „handelsfremde" Politikfelder wie Umweltschutz
oder
Arbeitsrecht nimmt?
23) Ist es für Sie problematisch, dass mit GATS auch
hochproblematische Bereiche wie
Müllverbrennung,
Abfallbehandlung, Abwasserentsorgung, Pipelinebau etc.
liberalisiert werden und
Umweltschutz folglich nur noch am Ende der
Verschmutzungskette (also „end of the pipe") stattfindet?
24) Wie
bewerten Sie die einseitige Liberalisierung des Strommarkts ohne gleichzeitige
ökologische und soziale Flankierung wie etwa kostendeckende
Einspeisetarife für
Ökostrom etc.?
25) Sehen
Sie im GATS-Abkommen einen Angriff auf Demokratie, etwa durch die
zwingende Gleichbehandlung von lokalen und ausländischen Anbietern
(Inländerbehandlung") - die etwa eine Förderung von
Nahversorgung verunmöglicht?
26) Ist die Tatsache, dass etwa Umweltschutzgesetze nur mehr dann
erlassen werden
dürfen, wenn sie den
Freihandel mit Dienstleistungen „nicht mehr als nötig"
behindern, nicht das Ende für die Förderung von nachhaltiger
Entwicklung
27)
Können Sie die Sorgen, die Kritiker des GATS, etwa aus dem NGO-Bereich
oder auch
aus den Gewerkschaften, vortragen,
nachvollziehen?
28) Sind diese Ihrer Ansicht nach völlig unbegründet?
29) Ist
Ihrer Ansicht nach die von Ihnen im Juni 2002 betonte Transparenz der
Verhandlungen gewährleistet?
30) Falls ja, in welcher Form?
31) Hat
Ihr Ministerium bereits Informationsveranstaltungen zum Thema GATS
veranstaltet?
32) Falls ja, in welcher Form?
33) Planen Sie künftig Informationsveranstaltungen?
34) Falls ja, in welcher Form?
35) Treten
Sie für einen Verhandlungsstopp ein, um in einer
„Nachdenkpause" die
Auswirkungen des GATS zu überprüfen?
36) Falls nein, warum nicht?