122/J XXII. GP
Eingelangt am: 26.02.2003
Dringliche Anfrage
gem. § 93 Abs.1 GOG
der Abgeordneten Dr. Cap
und Genossinnen
an den Bundeskanzler
betreffend unnötige Belastung der Österreicherinnen
durch teure Kampfflugzeuge
Seit mehr als drei Monaten ist der von Bundespräsident
Klestil mit der Bildung einer neuen
Regierung beauftragte Bundeskanzler Schüssel nicht in der Lage, diesen
Auftrag zu erfüllen.
Begründet wird diese lange Dauer der Regierungsbildung durch den
Bundeskanzler damit, dass es
so schwierig ist, einen (Regierungs)Partner zu finden, der bereit sei,
gemeinsam mit der ÖVP jenen
ungeheuren Reformstau, vor dem Österreich stehe, aufzulösen. Ein
Reformstau, der, glaubt man
den Worten des Bundeskanzlers, praktisch jeden wichtigen Politikbereich
betrifft. Es bedürfe, so
Schüssel, schmerzhafter Sanierungsmaßnahmen, um die angeschlagenen
Staatsfinanzen zu retten,
tiefgreifender Einschnitte ins Pensionssystem, um dessen Finanzierung zu
gewährleisten, einer
grundlegenden Reform des Gesundheitssystems, um dessen Funktionieren
aufrecht zu erhalten,
wesentlicher Änderungen im Bildungssystem, um konkurrenzfähig zu
bleiben, einer an die
Grundfesten gehenden Reform der staatlichen Verwaltung, um diese effizienter
und billiger zu
machen, und selbst die katastrophale Lage am Arbeitsmarkt wird nicht
mehr negiert, sondern als
Reformauftrag angegeben.
Nun ist dies aber nicht die erste Regierung, die
Schüssel bildet. Im Februar 2000 trat „Schwarz/Blau
I" an und verhieß eine Wende zum Besseren. „Der Staat muss schlanker, die
Verwaltung effizienter
werden"; „die Maßnahmen (zur Budgetkonsolidierung, Anm.) werden
größtenteils durch
Einsparungen erfolgen, und wir fangen bei uns selbst an"; „das
Budget wird nachhaltig entlastet.
Jeder 15. Posten im Bundesdienst wird eingespart"; „die neue
Bundesregierung wird die
Arbeitslosigkeit konsequent bekämpfen" - um nur einige der
Ankündigungen aus der damaligen
Regierungserklärung Schussels zu zitieren.
Mehr als 3 Jahre nach dieser „Wende" steht
Österreich nicht besser, sondern schlechter als damals
da. Die wichtigsten Indikatoren der Wirtschaftspolitik zeigen
zweifelsfrei, dass diese Wende
eindeutig eine zum Schlechteren gewesen ist.
• Mit 7 % hat Österreich
heuer eine extrem hohe Arbeitslosenrate.
• Das Wirtschaftswachstum
Österreichs, das in den neunziger Jahren stets über dem europäischen
Durchschnitt lag, ist in den letzten Jahren hinter diesem zurück
geblieben.
• Die Einkommen der Arbeitnehmer (der
durchschnittliche Nettoreallohn pro Beschäftigten) lag
im Jahr 2002 unter dem Wert des Jahres 2000.
• Die unteren
Einkommensschichten wurden durch eine Welle von Steuer- und
Gebührenerhöhungen überdurchschnittlich stark belastet.
• Auch bei den Investitionen,
beim Wachstum und damit bei der Wohlstandssteigerung hat
Österreich die Überholspur verlassen.
• Beim Wachstum lag Österreich im EU-Vergleich im
Jahr 2001 knapp vor Deutschland auf dem
vorletzten Platz.
• Trotz der höchsten Steuer-
und Abgabenquote in der Geschichte Österreichs wurde keine
nachhaltige Budgetsanierung erreicht. Die Gesamteinnahmen des Staates
erreichten in
Österreich 2001 mit 52,0 % des BIP einen Höchststand. Zum Vergleich
betrugen sie in
Deutschland 45,5 % und im EU Durchschnitt 46,3 % des BIP.
• Die dämpfenden Effekte dieser restriktiven
Politik führen zu weniger Wachstum, weniger
Investitionen, weniger Einkommen, mehr
Arbeitslosen, weniger Steuereinnahmen und
zusätzlichen Ausgaben für Arbeitslosigkeit und Pensionen.
Nach den Angaben von Finanzminister Grasser besteht ein
budgetärer Konsolidierungsbedarf von
rund 8 Mrd Euro über die Legislaturperiode, das ist deutlich mehr als im
Jahr 2000. Nimmt man die
Regierung beim Wort und unterstellt, dass sowohl Steuersenkungen als auch das
„Nulldefizit" bis
2006 erreicht werden sollen, betragt der Konsolidierungsbedarf mehr als 13 Mrd
Euro in den Jahren
2003 bis 2006.
Das heißt, dass es in keinem der Bereiche, in denen
Bundeskanzler Schüssel heute einen
„Reformstau" konstatiert, der schwarz-blauen Regierung gelungen
ist, ihre Versprechen einzulösen.
Im Gegenteil, so richtig „gestaut", um in der Terminologie des
Bundeskanzlers zu bleiben, hat es
sich - wie alle Daten zeigen - erst in den letzten drei Jahren.
Verschärft wurde diese Entwicklung noch durch den de
facto-Stillstand jeglicher
Regierungsaktivität ab jenem Zeitpunk vor einem halben Jahr, als
Bundeskanzler Schüssel
vorgeblich wegen der Instabilität der FPÖ Neuwahlen vom Zaun brach. In
diesen Zeitraum fällt
unter anderem das völlige Scheitern der Regierung in der für Österreich so
wichtigen Transitfrage,
teils wahlkampfbedingt, teils durch Inkompetenz, teils
als Folge eines generellen Versagens der
EU-Politik dieser Regierung.
Schwarz-blau ist also inhaltlich gescheitert - wie
Schüssel mit seiner Reformstau-Aussage indirekt
bestätigt. Schwarz-blau ist auch an der Instabilität der FPÖ
gescheitert- wie von Schüssel direkt
bestätigt, als er diese Instabilität im September 2002 als Ursache für
Neuwahlen nannte. Trotzdem
ist es nur mehr eine Frage von wenigen Tagen, bis Schüssel wiederum
eine Regierung mit genau
jener FPÖ bilden wird, der er vor einem knappen halben Jahr noch die
Regierungsfähigkeit
absprach. Einer FPÖ, die heute um nichts stabiler ist als damals, die im
Gegenteil - soweit möglich -
noch unberechenbarer und instabiler geworden ist.
Dafür gibt es zwei Erklärungen. Die eine ist die, dass es
Schüssel darum geht, eine Regierung zu
bilden, die der ÖVP möglichst billig kommt, in der die ÖVP die wenigsten
Zugeständnisse
inhaltlicher und personeller Natur machen muss. Die zweite ist, dass es
um jeden Preis zum Ankauf
der Eurofighter für das Bundesheer kommen muss. In Wahrheit werden beide
Erklärungen
zutreffen.
Alleine der Zustand des Budgets macht es absolut
unverständlich, dass Bundeskanzler Schüssel
offensichtlich um jeden Preis am Ankauf von Kampfflugzeugen festzuhalten
gedenkt. Und zwar an
der absolut teuersten Variante, dem Eurofighter des EADS-Konsortiums.
Die ÖVP war in den
Sondierungsgesprächen mit der SPÖ in Sachen Kampfflugzeuge/Eurofighter
nicht bereit, sich auch
nur einen Millimeter zu bewegen. Ein „unbedingtes Ja" zu dieser
Anschaffung war für die ÖVP
offensichtlich die wichtigste Bedingung bei ihrer Entscheidung für
einen Koalitionspartner.
Die Unbeweglichkeit der ÖVP in diesem Punkt wirft die
Frage auf, warum für sie die Anschaffung
der Eurofighter eine unverzichtbare Bedingung für eine künftige
Regierung darstellt. Die
militärische Notwendigkeit von Kampfflugzeugen ist umstritten, die
Entscheidung für die teuerste
Variante, die nur als Prototyp existiert, zusätzlich fragwürdig, die
budgetäre Situation erlaubt
derartige Ausgaben (noch dazu in Verbindung mit den dann zu erwartenden
Folgekosten) nicht und
die österreichische Bevölkerung ist mit großer Mehrheit gegen den Ankauf
von Kampfflugzeugen.
Daran ändern die in Aussicht gestellten zweifelhaften Gegengeschäfte
ebenso wenig wie der
Versuch, über die Installierung einer „Wirtschaftsplattform"
vorzugaukeln, Österreich bekomme
diese Kampfflugzeuge eigentlich ohnehin von freundlichen Unternehmern
geschenkt.
In letzter Zeit tauchten daher Vermutungen auf, dass es
der Republik aufgrund der von der
Bundesregierung getroffenen Vereinbarungen mit EADS gar nicht mehr
möglich ist, aus dem
Eurofighter-Deal ohne großen finanziellen Schaden auszusteigen. Dass
also sowohl der von der
SPÖ verlangte völlige Verzicht auf Kampfflugzeuge, als auch der von
anderer Seite verlangte
Umstieg auf kostengünstigere Varianten nicht machbar ist, weil damit große
Entschädigungszahlungen
an EADS verbunden wären.
Die ÖVP spricht von der „Reformunwilligkeit" der
SPÖ als Grund für die Nichtaufhahme von
Koalitionsverhandlungen. Es stellt sich die Frage, inwieweit damit nicht
eine
„Eurofighterunwilligkeit" gemeint war und ist. Und es stellt sich ebenso
die Frage, wenn es bereits
eine vertragliche Bindung Österreichs geben sollte, wieso Bundeskanzler
Schüssel angekündigt hat,
die Frage Kampfflugzeuge aus dem Wahlkampf herauszuhalten, indem er die
Entscheidung auf
nach den Wahltag verschob, und wieso er überhaupt Neuwahlen vom Zaun
gebrochen hat, wenn
klar war, dass es danach nur einen Koalitionspartner geben kann, nämlich
jene Partei, die die
Eurofighter mitbeschlossen hat.
Daher stellen die
unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundeskanzler folgende
Anfrage:
1.
Welche Eckdaten bzw. Annahmen über die Konjunkturentwicklung, die
Defizitentwicklung
und die Entwicklung der wichtigsten
Ausgabenblöcke bis 2006 liegen Ihnen als Bundeskanzler
vor?
2. Welcher Konsolidierungsbedarf ergibt
sich daraus in den Jahren 2003, 2004, 2005 und 2006?
3.
Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung Ihre Konsolidierungsziele
erreichen?
4. Wann hat die Bundesregierung die
endgültige Kaufentscheidung für Kampfflugzeuge
getroffen, bzw. wann wird sie dies tun?
5. Wie viele Kampfflugzeuge wird die Bundesregierung kaufen?
6. Welcher Anschaffungspreis (ohne
Finanzierungsvarianten) wurde der Bundesregierung für
„Eurofighter Typhoon" Flugzeuge pro Stück / und in Summe im
Vergabeverfahren angeboten?
7. Welcher Anschaffungspreis (ohne
Finanzierungsvarianten) wurde der Bundesregierung für „F-
16 Fighting Falcon" Flugzeuge pro Stück / und in Summe im
Vergabeverfahren angeboten?
8. Welcher Anschaffungspreis (ohne
Finanzierungsvarianten) wurde der Bundesregierung für
"JAS 39 Gripen" Flugzeuge pro Stück / und in Summe im Vergabeverfahren
angeboten?
9. Wie hoch werden seitens der
Bundesregierung die Betriebskosten (inklusive Wartungskosten)
für den „Eurofighter Typhoon" pro Stück / und in Summe pro Budgetjahr
geschätzt?
10. Wie hoch werden seitens der
Bundesregierung die Betriebskosten (inklusive Wartungskosten)
für die „F-16 Fighting Falcon" pro Stück / und in Summe pro Budgetjahr
geschätzt?
11. Wie hoch werden
seitens der Bundesregierung die Betriebskosten (inklusive Wartungskosten)
für die „JAS 39 Gripen" pro Stück / und in Summe pro Budgetjahr geschätzt?
12. Wie hoch sind gegenwärtig die
Betriebskosten (inklusive Wartungskosten) für die „Draken"
pro Stück / und in Summe pro Budgetjahr?
13. Aus welchem
Budgetansatz wird die Beschaffung von 24 bzw. 18 Kampfflugzeugen in
welchen Budgetjahren bedeckt werden?
14. Ist Ihnen bekannt,
warum das BMLV bei diesem Beschaffungsvorgang gegen die
ressortinternen „Richtlinien für zentrale
Beschaffung" des BMLV, die unter anderem das
Erfordernis einer finanziellen Bedeckung vorsehen, verstoßen hat, und
wie beurteilen Sie als
Bundeskanzler dieser Regierung diesen Sachverhalt?
15. Welche Zwischenlösung - für den
Zeitraum nach Einstellung des Draken-Regelbetriebes bis
zum Abschluss der Implementierung von 24 (bzw. 18) Kampfflugzeugen des
Typs
„Eurofighter Typhoon" - wurde der Bundesregierung / dem BMLV durch
das EADS -
Konsortium im Zuge des Ausschreibungsverfahrens angeboten?
16. Ist Ihnen als
Bundeskanzler bekannt, dass die Entscheidung von Verteidigungsminister
Scheibner und Finanzminister Grasser entgegen einer Einsichtsbemerkung
des Leiters der
Gruppe Feldzeug-/Luftzeugwesen im BMLV vom 25. Juni 2002 erfolgte, die
das Produkt
Gripen von SAAB/Bae, insbesondere „wegen der festgestellten annähernden
Gleichwertigkeit
der Angebote und der gegebenen Erfüllung der Anforderungen für die
Luftraumüberwachung
in Österreich" und wegen dessen „geringeren Anschaffungs- und
Betriebskosten" im Vergleich
mit den anderen Anbietern, den Vorzug gab, und wie beurteilen Sie als
Bundeskanzler diesen
Sachverhalt?
17. Hat sich die Republik Österreich,
vertreten durch die betroffenen Ressortminister, bereits
gegenüber dem EADS - Konsortium zum Ankauf von Kampfflugzeugen verpflichtet
bzw. in
welchem Rechtsstadium befindet sich das Ausschreibungsverfahren nach
Ansicht der
Bundesregierung derzeit?
18. Sollte durch die
Republik Österreich bereits ein Vorvertrag mit dem EADS - Konsortium
abgeschlossen bzw. entstanden sein, ist nach Rechtsansicht der
Bundesregierung ein
schadenersatzfreier Ausstieg aus dem gegenständlichen Beschaffungsvorgang
überhaupt
möglich?
Wenn nein, welche Schadenersatzpflichten entstehen der
Republik Österreich bei Ausstieg aus
den bestehenden Vertragsverhältnissen mit den Anbietern im Rahmen der
Beschaffung von
Kampfflugzeugen, insbesondere im Hinblick auf Investitionen, die von den
Anbietern bereits
in diesem Zusammenhang getätigt wurden (z.B. Umstellung
des Produktionsablaufes bei
einem Anbieter [Vorreihung] abgestimmt auf österreichische
Bedürfnisse)?
19. Ist die von Ihnen als Bundeskanzler
initiierte Form der Finanzierung sowie die angedachte
Lösung des Ankaufes über eine Wirtschaftsplattform in die Ausschreibung
dieses
Beschaffungsvorganges eingeflossen?
Wenn nein, was werden Sie als Bundeskanzler unternehmen,
um die von Ihnen in den
Wahlkampf eingebrachte Idee zur Finanzierung des Ankaufes von
Kampfflugzeugen
rechtskonform umzusetzen und welche Rechtswirkungen entfaltet Ihr
Finanzierungsmodell auf
die laufende Ausschreibung?
20. Von welchen österreichischen
Unternehmen hat die Bundesregierung rechtsgültige Zusagen für
die Beteiligung an der Finanzierung des Ankaufes von Kampfflugzeugen über die
Wirtschaftsplattform?
21. Beabsichtigen Sie, dem Nationalrat eine
Regierungsvorlage zuzuleiten, die ermöglicht, dass
Kriegsgerät - wie 24 bzw. 18 Kampfflugzeuge - im Eigentum eines
privaten Konsortiums
steht und von diesem an die Republik Österreich verleast werden kann?
Wenn nein, wie soll nach Ansicht der Bundesregierung die Finanzierung
über eine
Wirtschaftsplattform realisiert werden?
In formeller Hinsicht wird verlangt,
diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu
behandeln.