317/J XXII. GP
Eingelangt am 16.04.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten
Dr. Lichtenberger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Gefährdung für AnrainerInnen
durch unzureichende Berücksichtigung der
Seveso-ll-Richtlinie insbesondere im Luftfahrtrecht
In mehreren
österreichischen Regionen, besonders aber im Raum Linz, gibt es seit
längerem Auseinandersetzungen über die Gefährdung von Mensch und Umwelt
durch die Situierung von Betrieben, in denen im großen Maß gefährliche Stoffe
vorhanden sind, in Einflug- bzw. Abflugschneisen von Verkehrsflughäfen. So
befinden sich im Nahbereich des Flughafens Linz-Hörsching zwei große nach
Seveso-ll-Richtlinie eingestufte Betriebe (Fa. Flaga, Linz sowie Fa. Neuber,
Traun),
die nach Auskunft der Flugsicherung im Landeanflug nur in einer Höhe von 370
Meter überflogen werden. Diese Betriebe liegen zudem inmitten von Wohngebieten,
wo sie in den Siebzigerjahren gegen vehemente Proteste der Nachbarn angesiedelt
wurden. Auch im Umfeld des Flughafens Wien-Schwechat ist zB eine
Gasabfüllanlage in Schwadorf in kritischer Position zu erwähnen. In Linz
(Absturz
Ende 1998) wie in Wien (Bruchlandung Hapag-Lloyd) gab es in den letzten Jahren
Zwischenfälle mit Luftfahrzeugen, die aufgrund dieser Situierung gefährlicher
Betriebe zu schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen hätten führen können.
Die Umsetzung der Seveso-ll-Richtlinie der EU (RL 86/92/EG)
ist diesbezüglich
unvollständig. Im Wege der Gewerbeordnung wurde nicht eigens auf diese Probleme
eingegangen. Im Rahmen des Luftfahrtgesetzes (LFG) oder der Luftfahrtregeln
(LVR) wurde in diesem Zusammenhang bisher nicht auf die Vorgaben der Seveso-ll-
Richtlinie reagiert, obwohl die Umsetzung bereits seit 1999 erfolgt sein müßte.
Weiters ist auch das Problem von mit gefährlichen Stoffen
hantierenden bzw.
versehenen Anlagen und Bodeneinrichtungen innerhalb der Flughafenareale selbst
ungelöst: Die Integration von Seveso-ll-Standards in die luftfahrtrechtlichen
Genehmigungsverfahren dieser Anlagen und Einrichtungen steht nach wie vor aus.
Diese Beispiele belegen, dass die bisherigen
luftfahrtrechtlichen
Genehmigungsverfahren- für eine Richtlinienumsetzung nicht ausreichen. Die
Richtlinie hält in Artikel 12 Absatz 1 klar fest, dass die Mitgliedsstaaten
auch über
den Bereich der Flächenwidmung hinaus in Gesetzgebung und Vollziehung dafür zu
sorgen haben, dass langfristig zwischen Seveso-ll-Betrieben und unter anderem
Wohngebieten ein angemessener Abstand gewahrt bleibt. Dies betrifft u.a. auch
Inhalte von Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie zu den Stellungnahmemöglichkeiten
der
Öffentlichkeit. Es stellt sich auch die Frage, wo und wie ein
Flughafenbetreiber, eine
Behörde oder ein einschlägiger Betrieb offiziell Kenntnis über
Seveso-ll-relevante
Einrichtungen, Aktivitäten und Veränderungen der jeweils anderen Beteiligten
erlangt. Schließlich ist ungeklärt, ob und wie im Fall zB der Neuanlage von
Flugwegen oder der Anwendung neuer
Anflugverfahren die Kompatibilität mit der
Seveso-ll-Richtlinie geprüft und gegebenenfalls hergestellt wird.
Da beim LFG aber nach dem
Begutachtungsverfahren des Jahres 2002 eine
großangelegte Novellierung bevorsteht, wäre es möglich, die überfällige
Umsetzung
der Seveso-ll-Richtlinie im Luftfahrtrecht endlich nachzuholen, bevor
Österreich aus
diesem Grund in ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren verwickelt wird. Ein
solches wird offenbar seitens der Europäischen Kommission bereits vorbereitet.
Abgesehen vom Luftfahrtrecht ist auch in
weiteren dem BMVIT zugeordneten
Rechtsbereichen wie im Eisenbahn- und im Schiffahrtsrecht bisher keine bzw.
keine
vollständige Umsetzung der Seveso-ll-Richtlinie erfolgt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Ist es mit der Seveso-ll-Richtlinie vereinbar, dass
über nach dieser Richtlinie
eingestufte Betriebe Einflugschneisen bzw. Abflugrouten führen, wie es u.a. in
Linz-Hörsching der Fall ist?
2. Welche weiteren derartigen Situationen - regelmäßige
Überflüge in geringer
Höhe über Seveso-ll-Betriebe - sind Ihnen aus der Umgebung der Flughäfen
und Flugplätze in Österreich bekannt?
3. Gibt es derzeit a) für sie, b) für andere Stellen eine
rechtliche Möglichkeit,
Überflüge über Seveso-ll-Betriebe zu unterbinden?
4. Streben Sie die Herstellung einer solchen Möglichkeit
im Rahmen des
Luftfahrtrechts an, und wenn nein, warum nicht?
5. Wenn nein: Wie ist dies mit den über das Flächenwidmungswesen
hinausreichenden
Verpflichtungen u.a. aus Artikel 12 Absatz 1 der Seveso-ll-
Richtlinie vereinbar?
6. Ist es Ihrer Ansicht nach mit der Seveso-ll-Richtlinie,
u.a. mit Artikel 12 Absatz 1,
vereinbar, dass in Linz keine zielführenden Bemühungen zur Absiedlung der in
der Einflug- bzw. Abflugschneise liegenden Seveso-ll-Betriebe erfolgen?
7. Wie wird im Luftfahrtbereich dem in der
Seveso-ll-Richtlinie geforderten
Informationsaustausch mit der EU-Kommission über richtlinienrelevante
"Beinaheunfälle" Rechnung getragen, die es in Linz wie auch in Wien
im
Zusammenhang mit Luftfahrzeugen
bereits gegeben hat?
8. Zu welchen derartigen Vorfällen wurden der Kommission seit
Inkrafttreten der
Seveso-ll-Richtlinie Informationen übermittelt, und welche Ergebnisse zeitigte
dieser Erfahrungsaustausch?
9. Sind im Fall von Änderungen der Gegebenheiten der
Luftfahrt, wie etwa neuen
Flugrouten, neuen Anflugverfahren oder neuen zum Einsatz kommenden
Luftfahrzeugen, Anpassungen des
Unfallverhütungskonzeptes der unter den
Flugwegen liegenden
Seveso-ll-Betriebe erforderlich und wenn nein, warum
nicht?
10. Wenn ja, wie laufen diese Anpassungen ab?
11.
Welche Möglichkeiten der Mitwirkung hat die Öffentlichkeit dabei im
Sinne von
Art. 13 Abs 5 der RL 96/82/EG?
12. Welche sonstigen Anpassungs- und
Gefahrenvorbeugungsschritte erfolgen in
den in Frage 8 erwähnten Fällen?
13. Mittels welcher Maßnahmen hat
Österreich im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 der
Seveso-ll-Richtlinie
sichergestellt, dass die nötigen Schritte zwischen Seveso-ll-
Betrieben und Luftfahrt zur
Vermeidung eines Dominoeffektes im Unglücksfall
erfolgen?
14. Wo und wie erlangt ein Flughafen- bzw.
Flugplatzbetreiber offiziell Kenntnis
über Seveso-ll-relevante
Einrichtungen und Aktivitäten in seinem Umfeld, auch
über direkt anrainende Parzellen
hinaus?
15. Wo und wie erlangt die
luftfahrtrechtliche Behörde offiziell Kenntnis über
Seveso-ll-relevante Einrichtungen
und Aktivitäten in diesem Umfeld von
Flughäfen/Flugplätzen?
16 Wo und wie erlangt ein im
Umfeld von Flughäfen/Flugplätzen situierter Seveso-
Il-Betrieb im Hinblick auf seine
Verpflichtung nach Artikel 6 Absatz 2 lit g) der
Seveso-ll-Richtlinie offiziell
Kenntnis über in seiner Umgebung stattfindende
Änderungen der Praktiken im
Luftfahrtbereich, wie zB Änderungen von
Flugwegen, Anflugverfahren oder
zum Einsatz kommenden Luftfahrzeugen?
17. Werden Sie bei der Novellierung des Luftfahrtgesetzes bzw. in anderen
luftfahrtrechtlichen Regelungen für
Bestimmungen eintreten, die zur Beendigung
der Überflüge in geringer Höhe
über Seveso-lI-Betriebe führen, wenn ja, für
welche Bestimmungen, wenn nein,
warum nicht?
18. Werden Sie gemeinsam mit dem
Wirtschaftsminister dafür sorgen, dass zu
bestehenden und künftig
entstehenden Gefahrenpotentialen aus der
Kombination von
Seveso-ll-Betrieben und Luftfahrt ein auch für die Öffentlichkeit
zugänglicher Informationsaustausch
und eine risikominimierende rechtliche
Lösung etabliert wird?
19. Welche Schritte werden Sie setzen, um
Seveso-ll-Standards in die
luftfahrtrechtlichen
Genehmigungsverfahren von mit gefährlichen Stoffen
hantierenden bzw. versehenen
Anlagen und Bodeneinrichtungen innerhalb der
Flughafenareale selbst zu
integrieren?
20. Wann werden Sie dem sonstigen im
Bereich des Luftfahrtrechtes seit dem
Inkrafttreten der
Seveso-ll-Richtlinie bestehenden Umsetzungsbedarf
nachkommen?
21. Welche Vorgaben der
Seveso-ll-Richtlinie werden Sie dabei in welcher Weise
umsetzen?
22. Wann werden Sie dem im Bereich des
Eisenbahngesetzes seit dem
Inkrafttreten
der Seveso-ll-Richtlinie bestehenden Umsetzungsbedarf
nachkommen?
23. Welche Vorgaben der
Seveso-ll-Richtlinie werden Sie dabei in welcher Weise
umsetzen?
24 Wann
werden Sie dem im Bereich des Schiffahrtsgesetzes seit dem
Inkrafttreten der
Seveso-ll-Richtlinie bestehenden Umsetzungsbedarf
nachkommen?
25.
Welche Vorgaben der Seveso-ll-Richtlinie werden Sie dabei in welcher
Weise
umsetzen?