325/J XXII. GP
Eingelangt am 24.04.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend weltweites totales USA-Überwachungsprojekt „Information Awareness
Office" (IAO) - Auswirkungen auf Österreich und Europa
Medienberichten zufolge plant die USA das totalste
Überwachungsprojekt der Geschichte:
„Information Awareness Office" (IAO).
Entstanden ist es als Reaktion auf die Terroranschläge
des 11. September 2001. Beim seit
Anfang des Jahres 2002 bestehenden IAO laufen eine ganze Reihe von Aktivitäten
zusammen, deren Ziel es ist, alle irgendwie zugänglichen Daten von Bürgern
miteinander zu
verknüpfen. Weltweit und nicht auf die USA beschränkt.
Die moderne Kommunikation wird von den USA als
Gefahrenquelle gesehen. Die
technologische Revolution habe in den Bereichen Information und Kommunikation
zu einer
Machtverschiebung von Regierungen und Staaten hin zu Individuen und Gruppen
geführt.
Terroristische Gefährdung könne daher nur durch eine entsprechende Kontrolle
und
Überwachung der modernen Kommunikation präventiv gekämpft werden, lautet nun
die
amerikanische Philosophie und Weltpolitik.
Damit wird einerseits das Datenschutzniveau reduziert,
andererseits das Recht auf
Privatsphäre (Privacy) als Grund- und Menschenrecht in Frage gestellt.
Datenschutz ist als Grund- und Menschenrecht auch in
Europa unterschiedlich ausgeprägt (zB
Umsetzung, Registrierung, Zustimmung, Rechtsdurchsetzung, Information).
Trotzdem stellt
die EU-Datenschutzrichtlinie - ungeachtet aller Vorbehalte und Mängel -
ein Vorbild für
andere Staaten dar. Problematisch ist nur, dass durch die EU der Bereich
der äußeren und
inneren Sicherheit ausgeklammert wurde. Dafür gelten jeweils (nationale)
Sonderbestimmungen.
Noch ist „IAO" ein zunächst auf fünf Jahre
befristetes Forschungsprojekt mit dem Ziel der
Schaffung des Prototyps eines solch allwissenden, göttlichen Auges der
USA. Fest steht aber,
dass derzeit bereits 200 Millionen Dollar jährlich dafür budgetiert sind.
Die Stoßrichtung des Programms zielt zunächst einmal auf
die Einbindung staatlicher und
privater Datenbanken weltweit: Flugbuchungen,
Kreditkartenumsätze, Bücherkäufe,
Medikamentenverschreibungen, Führer- und Pilotenscheine, Kontobewegungen,
Autovermietungen, Visa- und Asylinformationen, Krankenkassen-Register,
die Daten von
Geheimdiensten und Strafverfolgern - alles, was irgendwo und irgendwann
elektronisch
erfasst ist, jede Informationsquelle der Welt soll zugänglich gemacht,
verknüpft und
automatisiert ausgewertet werden.
Doch damit nicht genug: Dazu kommt jener Bereich, der
bisher schon von „Echelon"
abgedeckt ist, nämlich alles, was mit Kommunikation zu tun hat:
Telephonate, Faxe, E-
Mails, Datenströme werden - in einem weitgehend rechtsfreien Raum -
abgehört, gescannt
und ebenfalls dem auszuwertenden Mega-Daten-Pool hinzugefügt.
Weiters sollen alle Varianten biometrischer
Erkennungssysteme einbezogen werden. Dazu
gehören einerseits bestehende Datenbanken - etwa mit DNA-Informationen oder
Fingerabdrücken (von Ausländern aus bestimmten arabischen Ländern werden bei
der
Einreise in die USA bereits seit Oktober vergangenen Jahres Fingerabdrücke
genommen).
Ebenso sollen neue biometrische Erkennungsmethoden weiterentwickelt und
integriert
werden. Eines dieser Projekte nennt sich etwa „Human ID at a Distance".
Dabei geht es um
die Identifizierung von Personen via Video-Daten, wie sie beispielsweise bei
den zahlreichen
Überwachungskameras in Flughäfen oder Geschäften anfallen.
Bei diesen amerikanischen Überwachungsvorstellungen
stellt sich natürlich auch die Frage,
inwieweit jetzt bereits die USA und andere Drittstaaten Daten aus dem
„Schengener
Informationssystem" und anderen öffentlichen Datenbanken der
EU-Mitgliedsstaaten
erhalten.
Den ersten Eindruck von diesem Überwachungsprojekt
bekamen die Europäer jüngst zu
spüren, als die USA den vollen Zugriff auf alle Fluggastdaten bzw.
Buchungssysteme der
europäischen Airlines verlangten. Angedroht wurde die Entziehung der
Landerechte und den
USA. Rechtsgültige europäische Datenschutzbestimmungen sollten damit
ausgehebelt
werden.
Betroffen von diesem US-Überwachungskonzept sind nicht
nur private, sondern auch alle
öffentlichen - auch österreichischen - Datenbanken, gleichgültig
welches Bundesministerium
im Einzelfall Betreiber ist. Damit geht es um die Frage, wie sicher sind
private und öffentliche
Datenbanken in Österreich. Bei Datenbanken von Unternehmen, die
grenzüberschreitend tätig
sind (z.B. Banken) gab es nie eine hundertprozentige Sicherheit, dass
datenschutzrechtliche
Bestimmungen auch eingehalten werden. Bei privaten Datenbanken und im Internet
sind die
Defizite bekannt und offensichtlich. Moderne Suchmaschinentechnologien
beispielsweise
geben Privatpersonen und Firmen Daten aus dem Netz, die missbräuchlich
verwendet werden
können. Suchmaschinenerzeuger wie Quigo Technologies brüsten sich auf ihrer
Homepage,
automatische Tools für Business und Militär zu erzeugen, um Kunden- oder
Personenprofile
zu erstellen (indizierte Datenbanken).
Bereits in den letzten Jahren gab es Auseinandersetzungen
mit den Vereinigten Staaten von
Amerika über datenschutzrechtliche Schutzstandards. Die mit der EU-Kommission
aus
wirtschaftlichen Gründen vereinbarten „Safe Harbour-Grundsätze" sollen
bestimmte
Mindeststandards sichern, sind aber gesetzlich nicht abgesichert und
durchsetzbar. Die Artikel
29 Datenschutzgruppe der EU - der alle Mitgliedstaaten angehören - hat
dazu grundsätzliche
Bedenken angemeldet und Verbesserungen eingefordert (z.B. Weitergabe von
Daten an Dritte
in den USA, Rechtsdurchsetzung, Ausnahmen).
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den
Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit nachstehende
Anfrage:
1. Ist Ihnen dieses zitierte weltweite Überwachungsprojekt der USA bekannt?
2. Sind
Sie von der amerikanischen Administration bereits darüber informiert worden?
Wenn ja, wann?
3. Wann
ist die USA (bzw. die US-Administration wie zB die Botschaft) an Sie oder an
eine nachgeordnete Dienststelle Ihres Bundesministeriums herangetreten,
an diesem
Projekt mitzuwirken?
4. Welche Haltung nimmt Ihr Bundesministerium bzw. die Österreichische Bundesregierung zu diesem weltweiten Überwachungsprojekt der USA ein?
5. Gegen
welche bestehenden gültigen europäischen und nationalen Vorschriften würde
bei einer Übernahme bzw. Teilnahme an diesem Projekt durch Österreich
verstoßen
werden?
Welche geltenden Bestimmungen verbieten dies?
6. Welche
Haltung nehmen die zuständigen Gremien der EU-Kommission bzw. das
Europäische Parlament zu diesem weltweiten Überwachungsprojekt der USA
ein?
7. War
Ihr Bundesministerium auf EU-Ebene in Gesprächen und/oder Verhandlungen
bereits dazu eingebunden?
8. Wenn ja, was war das Ergebnis?
9. Sind
Ihnen Verhandlungen der EU-Kommission mit den USA bezüglich IAO
bekannt?
10. Wenn ja, wie ist der Verhandlungsstand?
11. Wenn ja, inwieweit sind die Mitgliedstaaten und konkret Ihr Ressort eingebunden?
12. Wurden
bzw. werden von ihrem Bundesministerium personenbezogene Daten über
Suchmaschinen abgefragt bzw. bezogen (z.B. google)?
13. Wenn ja, seit wann? Welche?
Was war jeweils der Anlass dafür?
14. Welche
Datenbanken betreibt Ihr Ministerium? Welche davon werden als
Informationsverbundsystem geführt?
Wann wurden diese bei der Datenschutzkommission registriert?
15. Welche
„Nichtbehörden" (z.B. Unternehmen) haben für diese Daten oder Teile davon
eine Zugriffsberechtigung?
16. In welchen Rechtsmaterien ist dies jeweils geregelt?
Welche Voraussetzungen müssen dafür jeweils erfüllt sein?
17. Welche
„beliehene Unternehmen" haben Zugriff auf Daten aus diesen Datenbanken
im Rahmen der ihnen vom Gesetz übertragenen Aufgaben (ersuche um Aufzählung
dieser Unternehmen)?
18. Können
(sensible) Daten aus diesen öffentlichen Datenbanken ausländischen Stellen
bzw. europäischen Dienststellen übermittelt werden?
19 Wenn
ja, welche Daten und aufgrund welcher Rechtsgrundlage?