385/J XXII. GP

Eingelangt am 07.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend weltweites totales USA-Überwachungsprojekt „Information Awareness

Office" (IAO) - Auswirkungen auf Österreich und Europa

Medienberichten zufolge plant die USA das totalste Überwachungsprojekt der Geschichte:
„Information Awareness Office" (IAO).

Entstanden ist es als Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001. Beim seit
Anfang des Jahres 2002 bestehenden IAO laufen eine ganze Reihe von Aktivitäten
zusammen, deren Ziel es ist, alle irgendwie zugänglichen Daten von Bürgern miteinander zu
verknüpfen. Weltweit und nicht auf die USA beschränkt.

Die moderne Kommunikation wird von den USA als Gefahrenquelle gesehen. Die
technologische Revolution habe in den Bereichen Information und Kommunikation zu einer
Machtverschiebung von Regierungen und Staaten hin zu Individuen und Gruppen geführt.
Terroristische Gefährdung könne daher nur durch eine entsprechende Kontrolle und
Überwachung der modernen Kommunikation präventiv gekämpft werden, lautet nun die
amerikanische Philosophie und Weltpolitik.

Damit wird einerseits das Datenschutzniveau reduziert, andererseits das Recht auf
Privatsphäre (Privacy) als Grund- und Menschenrecht in Frage gestellt.

Datenschutz ist als Grund- und Menschenrecht auch in Europa unterschiedlich ausgeprägt (zB
Umsetzung, Registrierung, Zustimmung, Rechtsdurchsetzung, Information). Trotzdem stellt
die EU-Datenschutzrichtlinie - ungeachtet aller Vorbehalte und Mängel - ein Vorbild für
andere Staaten dar. Problematisch ist nur, dass durch die EU der Bereich der äußeren und
inneren Sicherheit ausgeklammert wurde. Dafür gelten jeweils (nationale)
Sonderbestimmungen.

Noch ist „IAO" ein zunächst auf fünf Jahre befristetes Forschungsprojekt mit dem Ziel der
Schaffung des Prototyps eines solch allwissenden, göttlichen Auges der USA. Fest steht aber,
dass derzeit bereits 200 Millionen Dollar jährlich dafür budgetiert sind.

Die Stoßrichtung des Programms zielt zunächst einmal auf die Einbindung staatlicher und
privater Datenbanken weltweit: Flugbuchungen, Kreditkartenumsätze, Bücherkäufe,


Medikamentenverschreibungen, Führer- und Pilotenscheine, Kontobewegungen,
Autovermietungen, Visa- und Asylinformationen, Krankenkassen-Register, die Daten von
Geheimdiensten und Strafverfolgern - alles, was irgendwo und irgendwann elektronisch
erfasst ist, jede Informationsquelle der Welt soll zugänglich gemacht, verknüpft und
automatisiert ausgewertet werden.

Doch damit nicht genug: Dazu kommt jener Bereich, der bisher schon von „Echelon"
abgedeckt ist, nämlich alles, was mit Kommunikation zu tun hat: Telephonate, Faxe, E-
Mails, Datenströme werden - in einem weitgehend rechtsfreien Raum - abgehört, gescannt
und ebenfalls dem auszuwertenden Mega-Daten-Pool hinzugefügt.

Weiters sollen alle Varianten biometrischer Erkennungssysteme einbezogen werden. Dazu
gehören einerseits bestehende Datenbanken - etwa mit DNA-Informationen oder
Fingerabdrücken (von Ausländern aus bestimmten arabischen Ländern werden bei der
Einreise in die USA bereits seit Oktober vergangenen Jahres Fingerabdrücke genommen).
Ebenso sollen neue biometrische Erkennungsmethoden weiterentwickelt und integriert
werden. Eines dieser Projekte nennt sich etwa „Human ID at a Distance". Dabei geht es um
die Identifizierung von Personen via Video-Daten, wie sie beispielsweise bei den zahlreichen
Überwachungskameras in Flughäfen oder Geschäften anfallen (aus der Presse,
2. Dezember 2002).

Bei diesen amerikanischen Überwachungsvorstellungen stellt sich natürlich auch die Frage,
inwieweit jetzt bereits die USA und andere Drittstaaten Daten aus dem „Schengener
Informationssystem" und anderen öffentlichen Datenbanken der EU-Mitgliedsstaaten
erhalten.

Den ersten Eindruck von diesem Überwachungsprojekt bekamen die Europäer jüngst zu
spüren, als die USA den vollen Zugriff auf alle Fluggastdaten bzw. Buchungssysteme der
europäischen Airlines verlangten. Angedroht wurde die Entziehung der Landerechte und den
USA. Rechtsgültige europäische Datenschutzbestimmungen sollten damit ausgehebelt
werden.

Betroffen von diesem US-Überwachungskonzept sind nicht nur private, sondern auch alle
öffentlichen - auch österreichischen - Datenbanken, gleichgültig welches Bundesministerium
im Einzelfall Betreiber ist. Damit geht es um die Frage, wie sicher sind private und öffentliche
Datenbanken in Österreich. Bei Datenbanken von Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig
sind (z.B. Banken) gab es nie eine hundertprozentige Sicherheit, dass datenschutzrechtliche
Bestimmungen auch eingehalten werden. Bei privaten Datenbanken und im Internet sind die
Defizite bekannt und offensichtlich. Moderne Suchmaschinentechnologien beispielsweise


geben Privatpersonen und Firmen Daten aus dem Netz, die missbräuchlich verwendet werden
können. Suchmaschinenerzeuger wie Quigo Technologies brüsten sich auf ihrer Homepage,
automatische Tools für Business und Militär zu erzeugen, um Kunden- oder Personenprofile
zu erstellen (indizierte Datenbanken).

Bereits in den letzten Jahren gab es Auseinandersetzungen mit den Vereinigten Staaten von
Amerika über datenschutzrechtliche Schutzstandards. Die mit der EU-Kommission aus
wirtschaftlichen Gründen vereinbarten „Safe Harbour-Grundsätze" sollen bestimmte
Mindeststandards sichern, sind aber gesetzlich nicht abgesichert und durchsetzbar. Die Artikel
29 Datenschutzgruppe der EU - der alle Mitgliedstaaten angehören - hat dazu grundsätzliche
Bedenken angemeldet und Verbesserungen eingefordert (z.B. Weitergabe von Daten an Dritte
in den USA, Rechtsdurchsetzung, Ausnahmen).

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Verkehr,
Innovation und Technologie nachstehende

Anfrage:

1.      Ist Ihnen dieses zitierte weltweite Überwachungsprojekt der USA bekannt?

2.      Sind Sie von der amerikanischen Administration bereits darüber informiert worden?
Wenn ja, wann?

3.      Wann ist die USA (bzw. die US-Administration wie zB die Botschaft) an Sie oder an
eine nachgeordnete Dienststelle Ihres Bundesministeriums herangetreten, an diesem
Projekt mitzuwirken?

4.      Welche Haltung nimmt das Bundesministerium für Inneres bzw. die Österreichische
Bundesregierung zu diesem weltweiten Überwachungsprojekt der USA ein?

5.      Gegen welche bestehenden gültigen europäischen und nationalen Vorschriften würde
bei einer Übernahme bzw. Teilnahme an diesem Projekt durch Österreich verstoßen
werden?
Welche geltenden Bestimmungen verbieten dies?

6.      Welche Haltung nehmen die zuständigen Gremien der EU-Kommission bzw. das
Europäische Parlament zu diesem weltweiten Überwachungsprojekt der USA ein?

7.      War Ihr Bundesministerium auf EU-Ebene in Gesprächen und/oder Verhandlungen
bereits dazu eingebunden?

8.      Wenn ja, was war das Ergebnis?

9.      Sind Ihnen Verhandlungen der EU-Kommission mit den USA bezüglich IAO
bekannt?

10.    Wenn ja, wie ist der Verhandlungsstand?

11.    Wenn ja, inwieweit sind die Mitgliedstaaten und konkret Ihr Ressort eingebunden?


12.    Erhalten die USA (und andere Drittstaaten) Daten aus Ihrem Bundesministerium?

13.    Wenn ja, welche Daten, unter welchen Voraussetzungen und aufgrund welcher
Bestimmungen?

14.    Wurden bzw. werden von ihrem Bundesministerium personenbezogene Daten über
Suchmaschinen abgefragt bzw. bezogen (z.B. google)?

15.    Wenn ja, seit wann? Welche?

Was war jeweils der Anlass dafür?

16.    Welche Datenbanken betreibt Ihr Ministerium? Welche davon werden als
Informationsverbundsystem geführt?
Wann wurden diese bei der Datenschutzkommission registriert?

17.    Welche „Nichtbehörden" (z.B. Unternehmen) haben für diese Daten oder Teile davon
eine Zugriffsberechtigung?

18.    In welchen Rechtsmaterien ist dies jeweils geregelt?

Welche Voraussetzungen müssen dafür jeweils erfüllt sein?

19. Welche „beliehene Unternehmen" haben Zugriff auf Daten aus diesen Datenbanken
im Rahmen der ihnen vom Gesetz übertragenen Aufgaben (ersuche um Aufzählung
dieser Unternehmen)?

20.    Können (sensible) Daten aus diesen öffentlichen Datenbanken ausländischen Stellen
bzw. europäischen Dienststellen übermittelt werden?

21.    Wenn ja, welche Daten und aufgrund welcher Rechtsgrundlage?