438/J XXII. GP

Eingelangt am 23.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer

und GenossInnen

an den Bundesminister für Landesverteidigung

betreffend Schluss mit dem Verwirrspiel um die Eurofighter

Die Geschichte der geplanten Anschaffung der Kampfflugzeuge des
Typs Eurofighter durch das österreichische Bundesheer ist eine Geschichte
des Versuchs, mit der österreichischen Bevölkerung ein Verwirrspiel zu
treiben. Umgangssprachlich könnte man auch sagen, dass sowohl die
Regierung Schüssel I als auch die Regierung Schüssel II versuchten und
versuchen, die Österreicherinnen und Österreicher, aber auch den
Nationalrat an der Nase herum zu führen.

Sicherheitspolitisch ist der Ankauf dieser Kampfflugzeuge nicht
erforderlich. Anders als in Zeiten des Kalten Krieges ist Österreich
ausschließlich von befreundeten Staaten umgeben, die in naher Zukunft
fast alle zur Europäischen Union gehören werden. Österreich ist von
keinen Staaten umgeben, die unser Land militärisch - sei es am Boden,
sei es in der Luft - bedrohen würden. Dass die Teilnahme an einem
künftigen europäischen Sicherheitssystem den Ankauf von Abfangjägern
erfordern würde, entspricht nicht den Tatsachen. Zudem böte gerade die
Perspektive eines europäischen Sicherheitssystems die Möglichkeit einer
entsprechenden Arbeitsteilung auch im Bereich der Beschaffungspolitik.

Budgetpolitisch macht es der Zustand der Staatsfinanzen absolut
unverständlich, dass die Bundesregierung um jeden Preis am Ankauf von
Abfangjägern festzuhalten gedenkt. Und zwar an der absolut teuersten
Variante, dem Eurofighter des EADS-Konsortiums. Es sei in diesem
Zusammenhang daran erinnert, dass die ÖVP in den
Sondierungsgesprächen mit der SPÖ in Sachen
Kampfflugzeuge/Eurofighter nicht bereit war, sich auch nur einen
Millimeter zu bewegen. Ein „unbedingtes Ja" zu dieser Anschaffung war für

die ÖVP offensichtlich die wichtigste Bedingung bei ihrer Entscheidung für
einen Koalitionspartner.

Demokratiepolitisch ist die Entscheidung fragwürdig, weil sie gegen
den Willen der österreichischen Bevölkerung erfolgt, die mit großer
Mehrheit gegen diese Anschaffung ist und mehr als 600.000 Menschen ein
Volksbegehren gegen den Ankauf dieser Flugzeuge unterschrieben haben.

Um etwas zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, nämlich
den Ankauf dieser Kampfflugzeuge, betreibt die Bundesregierung seit
nunmehr zwei Jahren ein Verwirrspiel auf allen Ebenen:

Ein Verwirrspiel um die Ausschreibung. Die Beschaffung der
Eurofighter ergebe sich zwangsweise als Ergebnis der Bewertung des
Ausschreibungsvorganges, behauptet die Bundesregierung. Abgesehen
davon, dass namhafte Experten, auch des Bundesheeres, nicht dieser
Ansicht waren, als die Bundesregierung ihre Typenentscheidung traf, hat
das nunmehrige Leistungspaket mit der damaligen Ausschreibung nichts
mehr zu tun. „Unbedingte" Voraussetzung für die Bieter waren damals 24
Stück Flugzeuge, die bereits 2005 im österreichischen Luftraum
patrouillieren sollten. Jetzt geht es um 18 Flugzeuge, von denen die ersten
vier im Jahr 2007 eintreffen. Ginge es der Regierung also wirklich um die
für die Österreich kostengünstigste und beste Lösung, müsste sie diesen
Beschaffungsvorgang neu ausschreiben, wie dies auch der 3. Präsident
des Nationalrates, Prinzhorn, mit allem Nachdruck verlangt hat. Statt
dessen beeilt sie sich, diese Anschaffung möglichst rasch abzuschließen
ohne den Bericht des Rechnungshofes abzuwarten.

Ein Verwirrspiel um die Stückzahl. Zunächst wurde behauptet, dass
das österreichische Bundesheer unbedingt 24 Abfangjäger brauche, um
den Luftraum zu schützen. Nun reichen plötzlich 18 Stück, in der
Übergangszeit von 2005 bis 2007 offensichtlich noch wesentlich weniger
und diese können auch von einem anderen Staat gemietet werden.

Ein Verwirrspiel um die Art des Flugzeuges. Die Aufgaben der
Abfangjäger wurden stets vergleichbar jener einer Luftpolizei beschrieben,
deren Aufgabe es ist, unbekannte Flugzeuge zu identifizieren und zu


begleiten - also gleichsam Streifenwagen mit Flügeln. Auf den „Erdboden"
umgelegt entspricht die Ausstattung der österreichischen Luftpolizei mit
Eurofightern aber der Anschaffung von Formel 1 - Boliden für die
Autobahngendarmerie.

Ein Verwirrspiel um den Preis. Während stets versprochen wurde, sich
um die kostengünstigste Lösung zu bemühen, wurde nun die mit Abstand
teuerste gewählt. Um die enormen Kosten zu verschleiern, wurden die
größten Anstrengungen unternommen. 1,791 Milliarden € würden 24
Eurofighter kosten, erklärte die Regierung am 2. Juli 2002 nach ihrem
Beschluss, das teuerste Modell zu kaufen. 18 Eurofighter kosten nun, wie
Finanzminister Grasser vorige Woche letztendlich zugeben musste, 1,969
Milliarden Euro - ohne Erhaltungs- und Betriebskosten und ohne die
Kosten für die sogenannte „Zwischenlösung" für die Jahre 2005 bis 2007.
Zeitgleich wurde dem Parlament ein Abänderungsantrag der
Regierungsparteien übermittelt, in dem Kosten von 1,337 Milliarden €
angegeben werden. Medienberichten zufolge („News" von gestern) werden
die wahren Kosten - inklusive neue Logistik bzw. Anpassung derselben,
Ausbildung der Piloten, Ankauf eines Simulators, notwendiger
Infrastrukturmodifikationen und der nötigen Zwischenlösung - bei mehr
als drei Milliarden € liegen. Immer noch ohne Bewaffnung und
Betriebskosten (mindestens 50 Millionen € pro Jahr, vermutlich deutlich
höher), sodass die Gesamtkosten für diese Kampfflugzeuge über eine
Lebensdauer von 30 Jahren voraussichtlich jenseits der fünf Milliarden €
liegen werden.

Ein Verwirrspiel um die Budgetbelastung. Nur mehr als Verhöhnung
der Steuerzahler kann die Behauptung gewertet werden, wonach die
Budgets dieser Legislaturperiode „mit keinem Cent" belastet würden.
Denn der Ausbau der Infrastruktur und die Ausbildung der Piloten müssen
auch für sogenannte „Zwischenlösung" ab 2005 vorgenommen werden.
Die Belastung künftiger Budgets durch diese Regierung, die antrat „keine
neuen Schulden" mehr zu machen, wird aufgrund der Finanzierungskosten
dafür umso höher ausfallen. Sollte jener Kommentator in der Zeitung „Die
Presse" vom 20. Mai recht haben, der meint: „Oder ist es Schüssels
Taktik, eine Art vorgezogene Rache an späteren Wahlsiegern, denen man
mit den Eurofightern eine gewaltige Altlast hinterlässt?"


Ein Verwirrspiel um die „Übergangslösung". Sowohl
Verteidigungsminister Scheibner, als auch sein Nachfolger Platter werden
nicht müde zu betonen, dass eigene Abfangjäger für eine österreichische
Luftraumüberwachung notwendig seien. Nun ist es plötzlich kein Problem,
für die Jahre 2005 bis 2007 den österreichischen Luftraum mit im Ausland
geleasten Flugzeugen zu überwachen.

Ein Verwirrspiel um die „Wirtschaftsplattform". Quasi als „Trick
Nummer 17" zauberte Bundeskanzler Schüssel im letzten Wahlkampf die
Idee einer „Wirtschaftsplattform", die zustande zu bringen er sich
bemühen werde, aus dem Ärmel. Diese, so wollte der Kanzler die
Österreicherinnen und Österreicher glauben machen, werde sich aus
freundlichen Unternehmern zusammensetzen, denen es ein Anliegen ist,
Österreich diese Kampfflugzeuge zu schenken.

Diese „Wirtschaftsplattform", ließ vergangene Woche Wirtschaftsminister
Bartenstein die Öffentlichkeit wissen, sei eigentlich nur so eine Idee unter
vielen, quasi „Gerede" gewesen. Eine „Wirtschaftsplattform" gebe es
allerdings insofern, als jene Firmen, die von den Gegengeschäften
profitieren, ja Steuern bezahlen. Wofür es allerdings an sich keiner
„Wirtschaftsplattform", sondern nur der Einhaltung der
Steuergesetzgebung bedurft hätte. Man habe nun die günstigste
Finanzierungsform gewählt - nämlich sich entschieden den Steuerzahler
zur Kasse zu bitten. Offenbar war mit der „Wirtschaftsplattform" also die
Gemeinschaft der Steuerzahler gemeint.

Ein Verwirrspiel um die Gegengeschäfte. Selbst wenn man sie
militärisch nicht brauchte, müsste man Abfangjäger kaufen - aufgrund der
„tollen" Gegengeschäfte, so die Befürworter dieser Beschaffung. Das Zwei-
, wenn nicht Dreifache des Kaufpreises könne man auf diese Weise
lukrieren. Dies wird von Experten wie Universitätsprofessor Streissler nicht
zu Unrecht als „Voodoo-Ökonomie" bezeichnet. Wären die Gegengeschäfte
so lukrativ und arbeitsplatzschaffend, wie von Bartenstein und Co.
behauptet, läge nichts näher als 180 oder 360 Eurofighter zu kaufen, um
damit Österreichs Wirtschaft zum Boomen zu bringen und die nicht
benötigten Flieger mit Gewinn zur Budgetsanierung weiterzuverkaufen.


Ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis dieser Bundesregierung
bzw. des Bundeskanzlers zum Geld des Steuerzahlers wirft folgendes
Detail: Im Zuge der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der SPÖ zum
Ankauf von Kampfflugzeugen begann Bundeskanzler Schüssel am
26.2.2003 einen Satz mit den Worten „Weil die Gripen etwas billiger in der
Anschaffung sind,....". In einem Brief an Verteidigungsminister Platter
weist der Geschäftsführer von Saab am 15. Mai darauf hin, dass 18 Gripen
um rund 500 Millionen € billiger wären bzw. dass auch ein Angebot von
Saab (in Kooperation mit der schwedischen Regierung) aufrecht sei, bei
dem 18 Gripen um unter eine Milliarde € zu haben wären. Nach Ansicht
der SPÖ immer noch zuviel für unnötige Kampfflugzeuge. Interessant ist
in diesem Zusammenhang aber, dass Bundeskanzler Schüssel eine
mögliche Ersparnis zwischen 500 Millionen und einer Milliarde € als „etwas
billiger" abqualifiziert.

„Nicht eine der Behauptungen der Regierung stellt sich heute als
wahr heraus", schreibt der bereits zitierte Kommentator in „Die Presse"
zum Eurofighter-Deal, der seinen Artikel mit dem Satz „Lügen haben
kurze Beine" beginnt. Die SPÖ unternimmt mit dieser Dringlichen Anfrage
trotzdem nochmals einen Anlauf und bietet der Regierung, insbesondere
Verteidigungsminister Platter, die Chance, den Österreicherinnen und
Österreichern reinen Wein einzuschenken.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für
Landesverteidigung folgende

Anfrage:

1.    Warum haben Sie das Bundesgesetz über den Nachkauf von

Luftraumüberwachungsflugzeugen als Teil des Budgetbegleitgesetzes
2003 eingebracht, obwohl dieses - nach Angaben der
Bundesregierung - keine budgetären Auswirkungen auf die Budgets
2003/2004 hat?


2.    Der Beschaffungsvorgang inklusive Typenentscheidung wird

gegenwärtig vom Rechnungshof geprüft. Garantieren Sie hier und
heute vor dem Nationalrat, dass Sie das Ergebnis dieser
Rechnungshofprüfung abwarten werden, bevor Sie den Kaufvertrag
für die Eurofighter unterschreiben?

3.    Können Sie ausschließen, dass seitens des EADS-Konzerns Zahlungen
oder sonstige Vermögenswerte Vorteile an dritte Personen erfolgten,
um die Bundesregierung in Richtung eines Zuschlages zugunsten der
Eurofighter zu beeinflussen?

4.    Rund um die Vergabeentscheidung kam es zu auffallend häufigen
Werbeeinschaltungen und Inseraten des EADS-Konzerns. Können Sie
ausschließen, dass es hierbei direkt oder indirekt zu
Parteienfinanzierung gekommen ist bzw. diese Inserate von
Angehörigen der Bundesregierung - wie dies in anderem
Zusammenhang jetzt etwa Staatssekretär Kukacka für das „Neue
Volksblatt" gemacht hat - akquiriert wurden?

5.    Von führenden Repräsentanten ihres Koalitionspartners (3. NR-

Präsident Prinzhorn) wurde eine Neuausschreibung verlangt mit dem
Hinweis, dass der Verzicht auf eine solche als Wählertäuschung
qualifiziert werden müsse. Wie stehen Sie zu dieser eindeutigen
Forderung des 3. NR-Präsidenten nach Neuausschreibung des
Projektes?

6.     Stimmt es, dass, wie „profil" in dieser Woche berichtet, nach wie vor
ein Offert der Firma Saab aufrecht ist, das 18 Abfangjäger der Type
Gripen um mindestens 500 Millionen Euro, in einer anderen Variante
sogar bis zu einer Milliarde Euro billiger anbietet und gibt es noch
Offerte anderer Anbieter, die ebenfalls unter dem Angebot von EADS
liegen?


7.    Wie hoch sind die mit der Anschaffung von Abfangjägern des Typs
Eurofighter verbundenen Gesamtkosten bei einer angenommenen
Lebensdauer von 30 Jahren - inklusive Finanzierungskosten, Kosten
der sogenannten „Zwischenlösung", Systemkosten,
Infrastrukturkosten, neuer Logistik, Personalkosten, Ausbildung der
Piloten, Anschaffung eines Flugsimulators, Bewaffnung,
Betriebskosten - also schlicht allem, was sonst noch damit verbunden
ist?

8.    Finden Sie jenen Betrag von 1,337 Milliarden Euro, den die
Regierungsfraktionen in einem Abänderungsantrag, den Sie
vergangenen Freitag dem Budgetausschuss des Nationalrates
übermittelten, als Kosten für die Abfangjäger angeben, als
ausreichend? Insbesondere angesichts des Umstandes, dass an
jenem Freitag zeitgleich eine Pressekonferenz stattfand, in der
Finanzminister Grasser in Ihrem Beisein die Kosten mit 1,969
Milliarden Euro bezifferte. Aus welchem Budget würde die Differenz
beglichen werden?

9.    Stimmt es, dass vorgesehen ist, sämtliche Kosten, also auch die

Betriebskosten etc., nicht aus dem Verteidigungsbudget, sondern aus
einem eigenen Budgetansatz zu finanzieren, also zusätzlich zum
Verteidigungsbudget?

10.   Ein wesentliches Argument der Regierung, warum der Ankauf von
Abfangjägern, zunächst 24 später 18, zwingend ist, war, dass der
österreichische Luftraum aufgrund des Neutralitätsgesetzes unbedingt
von Flugzeugen, die sich im Eigentum des österreichischen
Bundesheeres befinden, überwacht werden müsse. Im Zeitraum von
2005 bis 2007 (also auch während der EU-Präsidentschaft
Österreichs) reicht es aber, wenn eine geringere Zahl von im Ausland
geleasten oder gemieteten, also nicht in österreichischem Eigentum
befindlichen, Flugzeugen den österreichischen Luftraum überwacht.
Begeht die Bundesregierung daher mit ihrer geplanten Vorgangsweise
einen Verfassungsbruch oder interpretiert die Bundesregierung ihre
Verpflichtung aus dem Neutralitätsgesetz nunmehr anders?


11.  Für den Zeitraum von 2005 bis 2007 sieht die Bundesregierung

offensichtlich kein Problem, die österreichische Luftraumüberwachung
mit ausländischen geleasten oder gemieteten Flugzeugen
vorzunehmen. Haben Sie ein derartiges Modell auch auf seine
Tauglichkeit als Dauerlösung, also als Alternative zur teuren
Anschaffung von Kampfflugzeugen, überprüft und zu welchem
Ergebnis sind Sie dabei - insbesondere was die Kosten angeht -
gekommen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs.
l GOG dringlich zu behandeln.