463/J XXII. GP
Eingelangt am 23.05.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Bundesforste-Engagement in der Ukraine
Die Foria-ÖBf Forstmanagement GmbH, ein
50%-Tochterunternehmen der
österreichischen Bundesforste-AG, plant die langfristige Pacht eines 160.000 ha
großen Waldgebietes in den ukrainischen Karpaten (entsprechend etwa einem
Drittel der Bundesforste-Fläche in Österreich). Dagegen formiert sich lokaler
Widerstand, weil die Bevölkerung der Region fürchtet, dass ihnen durch das
Projekt
die wirtschaftliche Basis entzogen wird. Nach den vorliegenden Unterlagen der
Projektbetreiber würden zahlreiche Arbeitsplätze verloren gehen, die wegen der
schwierigen wirtschaftlichen Situation vor Ort anderswo nicht aufgefangen
werden
können.
Es stellt sich die Frage, wie die Foria-ÖBf, eine
Tochterfirma der Österreichischen
Bundesforste, die Aufgabe lösen will, nicht nur ihre eigenen wirtschaftlichen
Ziele im
Auge zu behalten, sondern auch ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden.
Ob sie über die Köpfe der Betroffenen hinweg ein lukratives Geschäft mit der
ukrainischen Zentralregierung in Kiew macht, oder ob sie auf die Befürchtungen
der
lokalen Bevölkerung eingeht und versucht, vorab und im Dialog Lösungen für die
sich abzeichnenden ökonomischen, ökologischen und sozialen Probleme zu finden.
Für Österreich stellt diese Frage eine des internationalen
Renommees dar, nicht nur
weil es sich hier um ein österreichisches Staatsunternehmen handelt, sondern
weil
auch das obere Theresiental einst von Oberösterreichern besiedelt wurde (und
zum
Teil heute noch deutschsprachig ist).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Welche Standards der Waldbewirtschaftung
plant die Foria-ÖBf bei dem
Projekt in den ukrainischen Karpaten einzuhalten (FSC, PEFC, andere)?
2. Das betroffene Gebiet im oberen Theresiental
wurde bei
Hochwasserkatastrophen in den Jahren 1998 und 2001 katastrophal
verwüstet. Die Aufräumungsarbeiten sind bis heute nicht abgeschlossen, die
Infrastruktur ist zerstört, Maßnahmen zum Schutz der Siedlungen vor
weiteren Hochwasser-Ereignissen und zur Verbesserung des
Wasserrückhaltevermögens des Waldes wären dringend notwendig. Wie
wird die Foria-ÖBF das Einzugsgebiet bewirtschaften, um weiteren
Hochwasserereignissen vorzubeugen?
3. Werden die Kahlschläge (derzeit auch 5 Hektar
und größer), in Zukunft
kleinflächiger angelegt, um der Entstehung von Hochwasser vorzubeugen?
4. Wird sich die Foria-ÖBf an der
Wiederherstellung der Infrastruktur,
insbesondere der zerstörten Straße ins obere Theresiental, beteiligen und
wie?
5.
Wie will die Foria-ÖBf mit Holznutzungen durch die lokale Bevölkerung
(für
Brennholz und Kleinst-Sägewerke) umgehen?
6. Befinden sich Urwälder oder Urwaldreste im
Projektgebiet? Wenn ja, wird
durch geeignete Maßnahmen sichergestellt, dass diese Urwaldreste vor
forstlichen und anderen Eingriffen geschützt werden?
7. Der Wirtschaftsplan der Foria-ÖBf sieht eine
deutliche Steigerung des
Holzeinschlags in dem Projektgebiet vor. Im Forstbezirk Ust-Tschorna sind
laut den bestehenden Schlägerungsplänen der ukrainischen Forstbehörden
jährlich etwa 30.000 fm Fichte und 20.000 fm Buche erntereif. Die
Bundesforste-Tochter plant nach Angaben ihres Geschäftsführers einen
Einschlag von 3 fm pro ha, was bei einer Gesamtfläche von 60.000 ha im
Forstbezirk Ust-Tschorna rund 180.000 fm ergibt, also rund das dreifache
der als nachhaltig nutzbar errechneten Holzmenge. Die Altersklassenstruktur
in dem betroffenen Waldgebiet ist unausgeglichen, mit einem Überhang an
jungen und mittelalten und einem Defizit an alten und hiebsreifen Beständen.
Lokale Forstexperten befürchten die Plünderung des Waldes durch die
Foria-ÖBf. Woher beziehen die Bundesforste ihre Informationen, die eine so
deutliche Anhebung des Nachhaltshiebssatzes nahe legen?
8.
Wenn sich die geplanten Nutzungsmengen als nicht nachhaltig erweisen,
wie passt dieses Projekt der Bundesforste mit der Nachhaltsstrategie der
Österreichischen Bundesregierung zusammen, zumal auch die ukrainischen
Forstgesetze eine "Übernutzung" des Waldes verbieten?
9.
Wurden die sozioökonomischen Auswirkungen des Projektes auf die Region
geprüft?
10. Welche positiven und negativen Auswirkungen
erwartet sich Foria-ÖBf durch
das Projekt auf die wirtschaftliche, ökologische und soziale Entwicklung in
der Ukraine und speziell der Projekt-Region?
11. Durch die Pacht eines riesigen Waldgebietes
werden die Foria-ÖBf zu einem
Rundholz-Angebotsmonopolisten in der Region. Welche Auswirkungen sind
dadurch auf die Säge- und holzverarbeitenden Betriebe der Region zu
erwarten?
12. Solange sich die ukrainischen Rundholzpreise
deutlich unter dem
europäischen Niveau befinden, ist der Export von Rundholz in die EU eine
lukrative Alternative. Werden die Foria-ÖBf das Rundholz am Ukrainischen
Markt anbieten oder nennenswerte Mengen an Rundholz exportieren?
13.
Wenn ja, welche Mengen sind zu erwarten und ist durch das höhere Angebot
ein Rundholzpreis-Verfall am
österreichischen Markt zu erwarten?
14. Die Foria-ÖBf hat im ukrainischen Projekt
die Anstellung von 250 - 300
Personen in Aussicht gestellt. Derzeit beschäftigt der Sektor aber zwischen
1000 und 1400 Personen in staatlichen und privaten Unternehmen. Für die
rund 1000 Personen, die durch das Projekt ihren Arbeitsplatz verlieren, gibt
es im oberen Theresiental keine Job-Alternativen: Es gibt keine größeren
Betriebe im Tal, die Verkehrsbedingungen sind zu katastrophal, als dass ein
Auspendeln möglich wäre. Ist es möglich, unter Rücksicht auf die sozialen
Auswirkungen, das Ausmaß der geplanten Personalreduktionen deutlich zu
verringern, auch angesichts des niedrigen Lohnniveaus in der Region, das
einen höheren Grad an manueller Arbeit auch in wirtschaftlicher Hinsicht
rechtfertigt?
15. Sind Maßnahmen geplant, um die negativen
Auswirkungen des Projektes
auf den lokalen Arbeitsmarkt abzufedern?
16. Gibt es einen Sozialplan für die Personen,
die durch das Projekt arbeitslos
werden?
17. Gibt es andere Maßnahmen zur Abfederung, wie
eine Starthilfe für
Unternehmen, die sich auf von den Foria-ÖBf benötigten Leistungen wie den
Forststraßenbau, Holzernte,
Holzverarbeitung,
Hochwasserschutzmassnahmen u.a. spezialisieren wollen?
18. Mit welchen Stellen auf ukrainischer Seite
wurden Gespräche über das
Zustandekommen des Pachtvertrages
geführt?
19. Wie wurde die lokale Bevölkerung, für die
das Projekt ja massive
Auswirkungen haben wird, in die
Planung einbezogen?
20. Wie soll die lokale Bevölkerung in Zukunft
in die weitere Planung und
Entscheidungsfindung einbezogen
werden?
21. Die geplanten Investitionen betragen 120
Mio. Euro, die vor allem in der
Anfangsphase getätigt werden. Die rechtliche Situation in der Ukraine
betreffend die Entwicklung und Privatisierung des Forstsektors ist
schwebend. Wie sichert Foria-ÖBf das Projekt rechtlich ab?
22. Können durch das Projekt der Foria-ÖBf in
der Ukraine im ungünstigen Fall
auch finanzielle Verluste entstehen, die durch die österreichische
Bundesforste-AG abgedeckt werden müssen?
23. Wenn ja, in welcher Höhe bewegt sich das
finanzielle Risiko?