494/J XXII. GP
Eingelangt am 04.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Glawischnig, Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend AKW Temelin - mangelndes Engagement der Bundesregierung
Aktuelle Entwicklungen betreffend das
tschechische Atomkraftwerk Temelin geben
Anlass zu verstärkter Sorge. Die Serie der Zwischenfälle im AKW Temelin reißt
nicht
ab, mehrfach mussten die zwei im Probebetrieb befindlichen Blöcke in den
vergangenen Wochen und Monaten heruntergefahren und Schäden behoben
werden. Mittlerweile kam es seit Start der Kettenreaktion im Oktober 2000 zu
insgesamt 48 Zwischen- bzw. Störfällen in den beiden Blöcken des AKW Temelin.
Anlass zur Sorge gibt auch der nach
mehrmonatiger Verzögerung seitens des
BMLFUW veröffentlichten Expertenberichtes zu den Bereichen „Hochenergetische
Rohrleitungen auf der 28.8 Meter Bühne" und „Ventilqualifizierung".
Der Bericht der
österreichischen Expertenkommission stellt unmissverständlich klar, dass bei
diesen
beiden zentralen Sicherheitsproblemen noch viele wesentlichen Fragen offen bzw.
ungelöst sind. Zwar konstatiert der Bericht in einigen Bereichen
Verbesserungen,
von einer Behebung bzw. ausreichenden Lösung der Probleme ist man aber
offensichtlich noch meilenweit entfernt. Laut dem oberösterreichischen
Regierungsbeauftragten für Nuklearfragen zeige der Bericht, dass in Temelin
alle
wesentlichen Sicherheitsfragen nach wie vor ungelöst seien und die
AKW-Betreiber
lediglich eine neue Argumentationslinie versucht hätten, ohne sich tatsächlich
um die
Behebung der technischen Defizite zu bemühen.
Neben der unzureichenden Lösung der
Sicherheitsprobleme sprechen sich
tschechische Spitzenpolitiker in entlarvender Offenheit gegen einen
Atomausstieg
Tschechiens und sogar für einen weiteren Ausbau des AKW Temelin aus. So hat der
tschechische Industrieminister Milan Urban bereits mehrfach den Bau von zwei
zusätzlichen Reaktorblöcken in Temelin angekündigt. Gleichzeitig hat der
tschechische Premier Vladimir Spidla das Ziel eines langfristigen Ausstiegs aus
der
Atomenergie als „unvernünftig und unrichtig" bezeichnet und die Atomenergie
als
„sauberste Variante, wirtschaftlich und ökologisch" betitelt und
Atomenergie als
notwendig für den Klimaschutz bezeichnet. Spidla befindet sich mit dieser
Aussage
im klaren Widerspruch zu einem Beschluss der EU-Umweltminister, die Atomenergie
als Klimaschutzinstrument klar ausschließen. Seitens der österreichischen
Bundesregierung gab es bisher keinen Protest gegen diese provokanten
tschechischen Aussagen.
Während die Sicherheitsprobleme bei
Temelin weiterhin ungelöst sind, drängen
Tschechien und die EU-Kommission auf eine Aufhebung des It. Österreichischen
Stromgesetzes bestehenden (Atom-)Stromimportverbotes von Tschechien nach
Österreich.
Seitens der österreichischen
Bundesregierung wurden seit Amtsantritt des Kabinett
Schüssel II keine Initiativen zur Schließung des AKW Temelin gesetzt. Die
Bundesregierung ignoriert auch konsequent die Umsetzung eines parlamentarischen
Antrages der im Juli 2002 von den Regierungsparteien mitbeschlossen wurde und
unter anderem die Einhaltung der Sicherheitsauflagen bei Temelin, das
Thematisieren der Unwirtschaftlichkeit des AKW, Verhandlungen über die
Nullvariante (also Stillegung), das Thematisieren der Frage von
Dumping-Exporten
für tschechischen Atomstrom auf EU-Ebene, Sondierungsgesprächen mit der EU
über eine finanzielle Beteiligung an einem konkreten Ausstiegsangebot und eine
neuerliche Initiative zur Abhaltung einer EU-weiten Ausstiegskonferenz
beinhaltet.
Gleichzeitig lässt die Bundesregierung auf
EU-Ebene ein aktives Engagement für
einen europaweiten Atomausstieg vermissen (Stichwort: Geplante Aufstockung der
Euratom-Kredite und Auflösung des Euratom-Vertrages über den EU-Konvent).
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass
Anti-Atom-Politik für die österreichische
Bundesregierung derzeit nur eine marginale Rolle spielt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem vorliegenden
Sicherheitsbericht
des österreichischen Expertenteams über das AKW
Temelin, der nachweist, dass die wesentlichen Sicherheitsfragen nach wie
vor ungelöst sind?
2.
Welche konkreten Schritte werden Sie unternehmen, um die Behebung
der Mängel in den Bereichen „Hochenergetische Rohrleitungen auf der
28.8 Meter Bühne" und „Ventilqualifizierung" dahingehend
sicherzustellen,
dass dabei die Vereinbarung von Brüssel auf Punkt und Beistrich
eingehalten bzw. EU-Sicherheitsniveau erreicht wird?
3.
Wie beurteilen Sie die Aussagen des tschechischen Industrieministers,
wonach in Temelin zwei zusätzliche Reaktorblöcke errichtet werden
sollen?
4.
Haben Sie betreffend dieser Aussagen offiziellen oder inoffiziellen
Protest
bei der tschechischen Regierung eingelegt? Wenn Nein, warum nicht?
5.
Welche Schritte werden Sie unternehmen, sollte die tschechische
Regierung diese Erweiterungspläne bei Temelin konkretisieren?
6. Wie beurteilen Sie die Aussagen des
tschechischen Premiers, wonach das
Ziel eines langfristigen Ausstiegs aus der Atomenergie „unvernünftig und
unrichtig"
sei und die Atomenergie die „sauberste Variante, wirtschaftlich
und ökologisch" und Atomenergie notwendig für den Klimaschutz sei?
7.
Haben Sie betreffend dieser Aussagen offiziellen oder inoffiziellen
Protest
bei der tschechischen Regierung eingelegt? Wenn Nein, warum nicht?
8. Welche Schritte werden Sie unternehmen,
um bei der tschechischen
Regierung für das Ziel eines Atomausstieges zu werben?
9. Welche konkreten Gespräche, Kontakte
oder Verhandlungen wurden
Ihrerseits bzw. Seitens der Bundesregierung in Sache „AKW Temelin" seit
Juli 2002 auf bilateraler und EU-Ebene geführt? Bittel listen Sie die
jeweiligen Aktivitäten inkl. beteiligte Personen und Ergebnissen auf.
10. Welche Schritte haben Sie bzw. die
Bundesregierung in der Frage von
Dumping-Exporten für tschechischen Atomstrom auf EU-Ebene(Stichwort:
EU-Wettbewerbsrichtlinien) gesetzt?
11. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der
Tatsache, dass sich die
Erwartungen der Betreiber des AKW Temelin im Hinblick auf das Ausmaß
der Stromexporte nicht erfüllten (Preis pro Kilo-Watt-Stunde liegt nur
knapp unter dem kalorischer Kraftwerke)?
12. Welche Schritte haben Sie bzw. die
Bundesregierung in der Frage
Sondierungsgespräche mit der EU über eine finanzielle Beteiligung an
einem konkreten Ausstiegsangebot gesetzt?
13. Welche Schritte haben Sie bzw. die
Bundesregierung in der Frage
neuerliche Initiative zur Abhaltung einer EU-weiten Ausstiegskonferenz
gesetzt?
14. Welche konkreten Schritte, Verhandlungen haben Sie bzw. die
Bundesregierung in der Frage Nullvariante für das AKW Temelin gesetzt?
15. Werden Sie entsprechend dem aktuellen
Gutachten des Salzburger
Völkerrechtlers Michael Geistlinger völkerrechtliche Vorstöße zur
Stillegung des AKW Temelin unternehmen (Einschaltung des
Internationalen Gerichtshofes)?
16. In welcher Form sprachen Sie bei verschiedenen Anlässen die
Auswirkungen
der Stromliberalisierung durch den Beitritt Tschechiens zur
EU an, wodurch sich die Investition in das AKW Temelin nicht rentieren
können?
17. Welche Maßnahmen haben Sie bzw. die
Bundesregierung gesetzt, um
die steigenden Atomstromimporte nach Österreich zurückzudrängen?
18. Welche Position nehmen Sie bzw. die
Bundesregierung hinsichtlich der
von Tschechien und der EU-Kommission verlangen Aufhebung des
Stromimportverbotes aus Tschechien ein?
19. Hat die Bundesregierung zur Umsetzung
der Entschließung 143/E (XXI
GP) vom 10.7.2002 einen Aktionsplan entwickelt? Wenn nein warum
nicht? Welche konkreten Schritte und Maßnahmen haben Sie bzw. die
Bundesregierung unternommen, um diese Entschließung umzusetzen?
20. Ist die Schließung des AKW Temelin weiterhin das Ziel der
österreichischen
Bundesregierung oder haben Sie den Kampf gegen das
unsichere AKW an Österreichs Grenze aufgegeben?