530/J XXII. GP

Eingelangt am 13.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Nassbaggerungsprojekte in Kirchberg am Wagram/NÖ

Die Firma Schauerhuber reichte 1998 zwei Nassbaggerungsprojekte in der
Marktgemeinde Kirchberg ein, eines betraf die KG Neustift und eines die KG Winkl
(in weiterer Folge Nassbaggerungsprojekt KG Neustift und Nassbaggerungsprojekt
KG Winkl). Beide Projekte wurden in erster Instanz abgelehnt. Aufgrund der Studie
„Wasserwirtschaftliches Konzept zur Sand- und Kiesgewinnung im Tullnerfeld",
erarbeitet vom Amt der NÖ-Landesregierung, Abteilung Wasserwirtschaft, wurden
beide Projekte auch aus dem Kiesleitplan des Landes NÖ entfernt. Im Jahre 2001
erließ der Bundesminister die Rahmenverfügung zum Schutz der
Trinkwasservorkommen im Tullnerfeld. Unter Berufung auf die Rahmenverfügung,
insbesondere der Übergangsregelung zugunsten bereits eingereichter Projekte,
sollen die zunächst abgelehnten Projekte nun genehmigt werden. Dabei werden die
summierten Schäden aus Nassbaggerungen vernachlässigt und ist eine
Beeinträchtigung der zukünftigen Trinkwasserversorgung zu befürchten.

Im Detail wird ausgeführt:

Mit Bescheid vom 14. September 2000 wurde das Nassbaggerungsprojekt KG
Neustift der Fa. Schauerhuber in der Marktgemeinde Kirchberg abgewiesen. Gründe
für diese Ablehnung waren insbesondere die Schadstoffeinträge auf die offene
Wasserfläche („organische Stoffe im Niederschlag, belastete Stäube, Chemieunfälle"
und „Stoffeinträge durch Hochwässer"). „Durch diese weitere Nassbaggerung wird
die Beeinträchtigung der Grundwasserverhältnisse durch weitere Akkumulation der
Einwirkungen infolge Summationswirkung der im gegenständlichen Bereich
vorhandenen Nassbaggerungen entgegen dem öffentlichen Interesse an der
Sicherung der Trinkwasserversorgung im Lande erhöht." (Stellungnahme des
wasserwirtschaftlichen Planungsorgans, Dipl. Ing. Hemmelmayr, Bescheid WA 1-
10.424/17-00).

Am 3. August 2001 wurde die Rahmenverfügung des Bundesministers für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zum Schutze des
Grundwasservorkommens für Zwecke der Trinkwasserversorgung
im Tullnerfeld (
BGBl II Nr. 265/2001) kundgemacht. Damit wird das Tullnerfeld vorrangig für die
Trinkwassernutzung gewidmet.

Am 13. Februar 2002 behob der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft im Berufungsverfahren den (oben zitierten)
abweisenden Bescheid wegen mangelhafter Sachverhaltserhebung.


Aus der Verhandlungsschrift erster Instanz vom 27. Jänner 2003 (WA1-W-
10.424/17-2) geht nun hervor, dass das Projekt KG Neustift für genehmigungsfähig
erachtet wird. Sowohl der Projektbetreiber als auch die Behörde erster Instanz
berufen sich dabei auf die Übergangsbestimmungen zur oben erwähnten
Rahmenverfügung, wonach die strengen Grenzen für Erweiterungen nicht für
Ansuchen gültig seien, die vor dem 1.3.2001 eingereicht worden seien. Weiters
beschränken sich die Sachverständigen nunmehr ausschließlich auf die
Einzelfallbetrachtung und lassen die Gesamtsituation im Tullnerfeld außer Betracht.

Am 20. 5. 2003 wurde nunmehr die Genehmigung für das Nassbaggerungsprojekt
KG Winkl erteilt (WA1-W-16.149/44-03). In seiner positiven Stellungnahme zum
Projekt führt das wasserwirtschaftliche Planungsorgan ebenfalls die
Übergangsregelung an. („Die Übergangsregelung soll eine gewisse Rechtssicherheit
für jene Betreiber ermöglichen, welche sich Abbauflächen in den Eignungszonen des
regionalen Raumordnungsprogramms Wien-Umland für Nassabbau LGBl 8000/77-1
gesichert hatten. Diese Übergangsregelung fußt auf der Überlegung, dass auf max.
20% (d.s. insgesamt 100 ha von 500 ha) der vorhandenen ehemaligen
Eignungszonenflächen eine begrenzte Zunahme des Risikopotentials bzw. der
summativen Wirkungen von Baggerteichen mit dem öffentlichen Interesse an der
Sicherung der Trink- und Nutzwasserversorgung vertretbar erscheint". Die Studie
„Wasserwirtschaftliches Konzept zur Sand- und Kiesgewinnung im Tullnerfeld" hielt
als Übergangsregelung zusätzliche Nassbaggerungsflächen im Gesamtausmaß von
10% der existierenden antropogenen Grundwasserfreilegungen gerade noch für
tolerabel.

Es entsteht der Eindruck, dass die Rahmenverfügung des Bundesministers Projekte
ermöglicht, die vor der Trinkwasserschutz-Rahmenverfügung abgelehnt wurden.
Damit würde aber die Rahmenverfügung gerade nicht dem Trinkwasserschutz
dienen. Entweder ist die Übergangsregelung der Rahmenverfügung selbst schon
geeignet, der „angestrebten Ordnung (Gesamtkonzept) zuwiderzulaufen oder diese
gar unmöglich zu machen" oder die Handhabung dieser Übergangsregelung durch
den Landeshauptmann erfolgt nicht im Sinne des verordnungserlassenden
Bundesministers.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.  Wieviele Erweiterungsansuchen bzw Nassbaggerungsflächen fallen unter die
Übergangsbestimmung gemäß § 7 der Rahmenverfügung zum Schutze des
Trinkwasservorkommens im Tullnerfeld, BGBl II 265/2001 und wie viele
Hektar Nassbaggerungsfläche wurden in der Zwischenzeit von der
Wasserrechtsbehörde unter diesem Titel genehmigt? Im welchem Verhältnis
stehen diese Neugenehmigungen zu bereits offenen Wasserflächen
(stillgelegte oder betriebene Nassbaggerungen) zum Zeitpunkt der Erlassung
der Rahmenverfügung?

2.  Wurden darüber hinaus noch andere Nassbaggerungen im Schutzgebiet
genehmigt und um wie viele Hektar Fläche handelt es sich dabei?


3.   In welchen Verhältnis steht die Gesamtfläche der zusätzlichen
Nassbaggerungen zur Gesamtfläche der zum Zeitpunkt der
Verordnungserlassung existierenden antropogenen
Grundwasserfreilegungen?

4.  Liegen die Nassbaggerungsprojekte KG Neustift und KG Winkl der Fa.

Schauerhuber in der Marktgemeinde Kirchberg in einer Eignungszone für die
Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe nach dem geltenden
Regionalen Raumordnungsprogramm nördliches Wiener Umland, 8000/86,
vom 17. 12. 1999?

5.  Nach Ansicht der AnfragestellerInnen können die Summationseffekte
derartiger Nassbaggerungen nicht außer Acht gelassen werden. Demnach
kann aufgrund folgender Sachverständigenaussage in der Verhandlung vom
27. Jänner 2003 keine Genehmigung des Projekts ausgesprochen werden:
„D.h. es kann nach derzeitigem Wissenstand anhand vorhandener
Literaturdaten keine Aussage dazu gemacht werden, ob die 'Summation' im
gegenständlichen Fall vernachlässigt werden kann bzw. ob gerade durch die
Hinzunahme der gegenständlichen Nassbaggerungsfläche zu den im
Nahbereich bereits bestehenden Baggerungen das Maß der Geringfügigkeit in
Summe irgendwann überschritten wird, konkrete Aussagen können nur für
den Einzelfall getroffen werden." (Dipl.lng. Michaela Englisch als
wasserbautechnische SV, WA1-W10.424/17-02)). Welche Auffassung vertritt
dazu das Ministerium als Oberste Wasserrechtsbehörde?

6.  Nach Ansicht der AnfragestellerInnen spricht auch folgende SV-Aussage
gegen eine Genehmigung der Erweiterungsprojekte der Fa. Schauerhuber:
„Tatsache ist, dass im unmittelbaren Abströmbereich einer Nassbaggerung
allein durch die Temperaturenänderungen (Schwankungen im Jahresgang)
die unmittelbare Errichtung einer Trinkwasserversorgung nicht mehr möglich
sein wird (ohne Wasseraufbereitungsanlagen)." (ebendort). Es sind nämlich
nicht nur bestehende Brunnen zu schützen sondern auch zukünftige
Nutzungen. Wie ist die Auffassung der Obersten Wasserrechtsbehörde dazu
angesichts der geplanten 6 Brunnen für zentrale Wasserversorgungsanlagen
mit einer Gesamtfördermenge von 600l/s (Wasserwirtschaftliches Konzept zur
Sand- und Kiesgewinnung im Tullnerfeld, S 2)?

7.  Aus Sicht der AnfragestellerInnen ist angesichts der SV-Aussagen wie oben
unter Punkt 4 und 5 zitiert die Schlussfolgerung, dass aus
wasserbautechnischer Sicht das ggst. Projekt der Fa. Schauerhuber nicht der
Rahmenverfügung widerspreche, nicht nachvollziehbar. Ausserdem wurde
das Projekt gegenüber dem erst eingereichten Projekt nur geringfügig
geändert (Verkleinerung um 10%). Wie ist die Rechtsauffassung der Obersten
Wasserrechtsbehörde?

8.  Welche Kontrollen betreffend nassbaggerungsspezifischer

Beeinträchtigungen des Grundwasservorkommens im Tullnerfeld gibt, welche
Veränderungen des natürlichen Gewässerzustands wurden gemessen und
welcher Trend ist festzuhalten?