556/J XXII. GP

Eingelangt am 18.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

betreffend Wahlkampfbriefe des Außenministeriums an AuslandsösterreicherInnen

Die Volksanwaltschaft hat in ihrer Sitzung am 26. Mai 2003 auf Grund einer
Beschwerde eines Auslandsösterreichers festgestellt, dass „die Bundesministerin für
auswärtige Angelegenheiten im Vorfeld der Nationalratswahl 2002 unter
Heranziehung der überwiegend nur ihr bekannten Zustelladressen von
Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern wegen der Wahlwerbung
enthaltenden Aussendungen vom September und Oktober 2002 den sich aus Art. 26
B-VG ergebenden Grundsatz der freien Wahl verletzt hat." (Volksanwaltschaft, VA
BD/9-AA/03 - PA). Dies stelle, so die Volksanwaltschaft, einen „Missstand in der
Verwaltung gemäß Art. 148a Abs. 1 B-VG dar."

Die Volksanwaltschaft hält in dieser Entscheidung fest, dass aus der Textierung des
zweiten Schreibens vom Oktober 2002 „ausschließlich der Wunsch der
Bundesministerin hervor(geht), die von ihr vertretene Politik in der nächsten
Legislaturperiode fortführen zu wollen." Und kommt zu dem Schluss, dass „diese
Vorgangsweise nicht als unbedeutende quantite negligeable bagatellisiert werden
kann", denn „der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten kam im Zuge der
Nationalratswahl 2002 ein aus dem Bundeshaushalt finanzierter zusätzlicher
Werbeaufwand bei einer Wählergruppe, die für alle anderen politischen Mitbewerber
mangels entsprechendem Datenmaterial zum Großteil faktisch unerreichbar waren,
zugute. Die Volksanwaltschaft erachtet es daher für notwendig, die Grenzen für die
nicht mehr unbedenkliche einseitige Wahlwerbung in Wahlkampfzeiten aufzuzeigen."

Aus dieser Entscheidung der Volksanwaltschaft geht klar hervor, dass die
Außenministerin, die kraft ihres Amtes Zugang zu den Adressen der
Auslandsösterreicherinnen hat, mit den beiden Schreiben an diese
Bevölkerungsgruppe sich und ihrer Partei, der ÖVP, einen Vorteil gegenüber
anderen wahlwerbenden Gruppen im NR-Wahlkampf 2002 verschafft hat. Eben
darin sieht die Volksanwaltschaft eine Verletzung der Freiheit der Wahl: „...hat der
Verfassungsgerichtshof... betont, dass der verfassungsrechtlich geschützte
Grundsatz der Freiheit der Wahl insbesondere auch dadurch beeinträchtigt werden
kann, dass eine oder einzelne wahlwerbende Parteien gegenüber einer anderen bei
der Wahlwerbung begünstigt werden."


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1) Auf Basis welcher Rechtsgrundlage haben Sie den Auftrag für die beiden
genannten Schreiben an Auslandsösterreicherinnen gegeben?

2) Aus welchem Budgetposten wurden die Druck- und Portokosten sowie die in
diesem Zusammenhang anfallenden Personalkosten beglichen?

3) Sollten diese Kosten aus Budgetposten des BM für auswärtige Angelegenheiten
beglichen worden sein: Hat es von Seiten der ÖVP eine Rückerstattung dieser
Kosten gegeben? Wenn ja: Wann haben Sie diesen Antrag gestellt und wann
wurde der Betrag zurückerstattet?

4) Wieso haben Sie in den genannten Schreiben, die laut Ihrer Stellungnahme „der
Information über bevorstehende Wahlen dienten", parteipolitisch gefärbte
Formulierungen verwendet wie „Durch Ihre Stimmabgabe (...) können Sie dafür
sorgen, dass Österreich auf dem bisherigen Erfolgskurs bleibt. Ihre Stimme
zählt!" oder „Ich bedauere (...) sehr, dass die Bundesregierung mangels
ausreichender Unterstützung im Parlament bei der von ihr gewünschten
Vereinfachung des Wahlrechts nicht vorangekommen ist" und damit laut
Volksanwaltschaft eine „nicht mehr unbedenkliche einseitige Wahlwerbung in
Wahlkampfzeiten" betrieben?

5) Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es auf Grund
mangelnder Initiative der Regierungsparteien in der vergangenen
Legislaturperiode nie zu ernsthaften parlamentarischen Verhandlungen über den
Antrag der Regierungsparteien zur Briefwahl kam, daher nie über diesen Antrag
abgestimmt wurde und es deshalb auch keine „ausreichende Unterstützung im
Parlament" gegeben haben kann?

6) Welche Schritte planen Sie, um die von Ihnen angeschriebenen

Auslandsösterreicherinnen über den von der Volksanwaltschaft festgestellten
„Missstand" zu informieren?

7) Haben Sie vor, sich bei den Auslandsösterreicherinnen für die „einseitige
Wahlwerbung" zu entschuldigen?

8) In welcher Funktion haben Sie sich die Adressen der von Ihnen mit den
genannten Briefen beschickten Auslandsösterreicherinnen besorgt?

9)  Hatten (andere) wahlwerbende Parteien die Möglichkeit, an diesen Adressensatz
zu kommen?


10)   Wie erklären Sie der Öffentlichkeit, dass Sie - laut Beurteilung der

Volksanwaltschaft - ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut verletzt
haben?

11)   Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Missbrauchsmöglichkeiten, die
sich durch die exklusiv für den/die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten zugänglichen Adressen der Auslandsösterreicherinnen
ergeben, hintanzuhalten?

12) Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Einführung einer zentralen
AuslandsösterreicherInnen-Evidenz, die einerseits sicherstellt, dass alle
AuslandsösterreicherInnen sachlich und unparteiisch über bevorstehende
Wahlen unterrichtet werden, andererseits, dass alle Parteien Zugang zu diesen
Adressen zwecks Wahlwerbung haben?